Titel: | Das Planimeter Weber-Kern |
Autor: | A. Watzinger |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 344 |
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Das Planimeter Weber-Kern
von Dipl.-Ing. A. Watzinger,
Darmstadt.
Das Planimeter Weber-Kern.
Textabbildung Bd. 324, S. 344
Fig. 1.
Das von Kern &Go. in Aarau hergestellte Planimeter
Weber-Kern (Fig. 1)
besteht aus drei Teilen: der Gleitschiene
PP (Fig. 3), welche
durch zwei Spitzen auf der Unterlage befestigt wird, dem Fahrarm a, dessen eines Ende den Fahrstift F trägt, während das andere D durch Führungsstift in der Gleitschiene gerade geführt wird, und dem mit
Millimeterteilung versehenen Meßarme
M, der rechtwinklig zum Fahrarm in D eingesetzt wird. Die Ablesung der Skala erfolgt
aus der Relativverschiebung des Meßarms gegen ein Rädchen R, dessen prismatische Führung am Meßarm einen Nonius trägt. Das Rädchen
R, dessen Form für die Beurteilung des Planimeters
unwesentlich ist, ist zur Sicherung der Reibung gegen die Unterlage mit Zähnen
versehen.
Das Planimeter bildet eine konstruktiv vereinfachte Abart des bekannten Amsler-Planimeters. Die wesentliche Abänderung beruht
in dem Ersatz der Lenkerführung des Fahrarms durch Linealführung und der Meßrolle
durch Meßarm. Es ergeben sich hierdurch Abweichungen, welche einen knappen Hinweis
auf die rechnerische Grundlage des Planimeters rechtfertigen.
Eine beliebige Bewegung des Fahrstiftes F eines
Planimeters kann aufgefaßt werden als zusammengesetzt aus zwei Bewegungen, einer,
welche senkrecht zur Fortschreitrichtung der Meßrolle M
(Fig. 2) bzw. der Richtung des Meßarmes M (Fig. 3) erfolgt, und
einer, die in diese Richtung fällt.
Erstere Bewegung, durch die keine Skalenverschiebung eintritt, entspricht im Amsler-Planimeter (Fig.
2) einer Verschiebung des Fahrstiftes auf dem um den Pol P beschriebenen „Nullkreis,“ bei Weber-Kern einer Drehung des Fahrstifts um den gerade
geführten Punkt D. Je nach der Lage von D auf der festliegenden Gleitschiene PP ergeben sich somit bei Weber-Kern beliebig viele Nullkreise, während das Amsler-Planimeter nur den um den festliegenden Pol beschriebenen Nullkreis
besitzt.
Reines Abrollen der Meßrolle ohne Gleiten entspricht bei Amsler (Fig. 2) einer Verdrehung des
Fahrarmes um D. Die Meßlänge ist c . β, wenn c den Abstand
der Meßrolle von dem Drehpunkte D bezeichnet. Der
Verschiebungsweg der Rolle verhält sich somit zu dem des Fahrstiftes wie die
Abstände der Rollenscheibe und des Fahrstifts F vom
Drehpunkt D. Bei Weber-Kern tritt die größte Skalenverschiebung ein, wenn der Fahrarm
senkrecht zur Gleitschiene steht (Fig. 3, dünne
Linien), da in diesem Falle der Meßarm in dem stillstehenden Meßrädchen R um den Verschiebeweg des Punktes D fortschreitet, also die gleiche Meßlänge anzeigt, wie
der Fahrstift.
Textabbildung Bd. 324, S. 345
Fig. 2. Amsler-Polarplanimeter.
Textabbildung Bd. 324, S. 345
Fig. 3. Lineal-Planimeter Weber-Kern.
Eine beliebige Bewegung kann bei Amsler als Drehung um
D und Verschiebung auf dem Nullkreis, bei Weber-Kern als Verschiebung parallel zur Linealführung
und Drehung um D aufgefaßt werden. Der Zusammenhang
zwischen Ablesung am Meßrädchen und der zumessenden Fläche findet sich durch
folgende Ueberlegung.
Die in Fig. 4 eingezeichnete Fläche 1 2 3 4 ist durch zwei gleiche Strecken l, welche der Gleitschiene parallel laufen und durch
zwei um D und Dl mit dem Radius a
beschriebene Nullkreise begrenzt. Der Inhalt der Fläche ist mit den Bezeichnungen
der Figur l . h, wobei h =
a (sin β – sin β1).
Die zur Gleitschiene parallele Bewegung des Fahrstiftes von 2 nach 3 und von 4 nach 1 je um die Strecke l ist von einer achsialen Verschiebung des Rädchens R auf dem Meßarm begleitet, welche von der Neigung des
Fahrarmes gegen die Gleitschiene abhängig ist und die Größe l sin β, bzw. l
sin β1 besitzt, indem
das Rädchen bei der Verschiebung von D nach Dl in der zum Meßarm
senkrechten Richtung des Fahrarmes wandert Da beim Durchlaufen der Kreisbogen 1, 2 und 3, 4 das Rädchen
R nur abrollt, ohne fortzuschreiten, entspricht die
gesamte Verschiebung des Meßrädchens auf dem Meßarm beim Umfahren der ganzen Figur
dem Unterschiede der Ablesungen bei der Parallelverschiebung l sin β – l sin
β1. Da der zu
messende Flächeninhalt die Größe l . a (sin β – sin β1) besitzt, ist somit
die Ablesung am Meßarm nur noch mit der Länge des Fahrarms (a meist = 200 mm) zu multiplizieren, um den Inhalt der umfahrenen
Fläche zu erhalten. Die Größe a ist die Konstante des
Planimeters. Der Umfahrungssinn ist für die Ablesung gleichgültig. Diese Entwicklung
besitzt allgemeine Gültigkeit, da jede beliebige Fläche (Fig. 5) zerlegt gedacht werden kann in eine genügend große Zahl
derartiger Flächen, welche durch Nullkreise und zur Gleitschiene parallele Strecken
begrenzt sind.
Textabbildung Bd. 324, S. 345
Fig. 4. Zusammenhang zwischen Meßlänge und Flächengrüße.
Weg des Meßrädchens; Weg des
Fahrstiftes F.
Wird die zu umfahrende Kontur aus Nullkreisabschnitten und Parallelen zu PP ersetzt gedacht, wobei darauf zu achten ist, daß
durch den Ersatz keine Aenderung der Flächengröße der Figur eintritt, so ist, genau
wie für die Grundfigur 4 auch in Fig. 5 der durch
die Summe der Einzelstreifen gebildete Flächeninhaltproportional der Summe der mit
dem zugehörigen Sinus des Neigungswinkels multiplizierten horizontalen Grenzlinien
der Flächenelemente, da beim Durchlaufen der Kreisbogen keine Verschiebung des
Meßrädchens eintritt. Insofern die Unterteilung der zu planimetrierenden Figur
beliebig bzw. auch unendlich klein gewählt werden kann, ist damit erkannt, daß für
jede beliebige Figur die auf dem Meßarm abgelesene Rollenverschiebung durch
Multiplikation mit der Länge des Fahrarms die Flächengröße der Figur angibt. Es ist
als Vorteil des Instruments zu betrachten, daß es keine andere Konstante als die
Fahrarmlänge benötigt, die leicht kontrolliert werden kann. Die Lage des Rädchens
auf dem Meßarm und sein Durchmesser sind für die Ablesung gleichgültig.
Textabbildung Bd. 324, S. 345
Fig. 5. Planimetierung einer beliebigen Figur.
Die Anwendungsmöglichkeit des Planimeters ist begrenzter als die des Amsler-Planimeters, da einerseits die Länge der
Gleitschiene, andererseits die Länge des Meßarms begrenzt ist. Es ist aus diesem
Grunde für die Planimetrierung größerer Figuren ungeeignet, da dann sehr leicht ein
Anlaufen des Rädchens an einem Ende des Meßarmes eintreten kann, welches, wenn es
nicht bemerkt
wird, falsche Ablesungen herbeiführt. Größere Flächen können nur durch Zuhilfenahme
von Zwischenablesungen planimetriert werden, indem das Rädchen vor dem Anlaufen
abgelesen und dann auf eine beliebige Stelle zurückgeschoben wird, welche die
Anfangsablesung der weiteren Umfahrung bildet.
Bei Diagrammplanimetrierungen wird das Rädchen, um Anlaufen zu vermeiden, am
zweckmäßigsten so eingestellt, daß es annähernd in der Mitte des Meßarms steht, wenn
der Fahrstift sich ungefähr in der Mitte der Figur befindet. Letztere ist dabei so
zu legen, daß das Rädchen möglichst geringe Verschiebungswege macht, da hierdurch
die Genauigkeit der Ablesung gesteigert wird. Dies bedingt einerseits, daß die
horizontalen Abstände der begrenzenden Nullkreise möglichst klein, anderseits aber
auch die Ausschläge des Fahrarms gegenüber der Gleitschiene möglichst, klein sind.
Es empfiehlt sich daher meist das Diagramm nahe an die Gleitschiene so zu legen, daß
seine größte mittlere Länge mit einem Nullkreis zusammenfällt (Fig. 5).
Die Genauigkeit der Ablesung ist in der jetzigen Ausführung geringer wie die des Amsler-Planimeters. Um zu großen Ausschlagwinkel und zu
große Länge des Meßarms zu vermeiden, kann nämlich die Länge des Fahrarms nicht
kleiner als etwa 20 cm ausgeführt werden, so daß die Ablesungen nur die Hälfte der
Flächenwerte angeben, während bei Amsler bei etwa
gleicher Fahrarmlänge die Abrollung die doppelte Größe und damit auch doppelte
Genauigkeit besitzt. Durch den auf die Stiftführung in der Gleitschiene ausgeübten
Seitendruck kann ein Herausspringen des Führungsstiftes D eintreten, durch das die Ablesung unbrauchbar wird. Eine Ausbildung
dieser Führung als Schlittenführung ist zu erwägen, da hierdurch auch ruhigeres
Gleiten ohne störende Nebengeräusche ermöglicht würde, freilich wird damit die
Gefahr von Klemmungen größer. Für Diagrammplanimetrierung kann auch der Meßarm
umgekehrt in den Führungskopf gesteckt werden, um den Raum unterhalb der
Gleitschiene frei zu halten.
Hat nach vorstehendem das Weber-Kernsche
Linealplanimeter auch nicht die allgemeine Bedeutung des Amslerschen Polarplanimeters, so kann es doch wegen seiner Einfachheit,
wegen der Vermeidung von Teilen, deren Abnutzung die Angaben beeinflußt, sowie wegen
der leichten Kontrolle der Konstante für Diagrammausmittlungen nutzbringend
verwendet werden und gestattet bei einiger Uebung ein ähnlich zuverlässiges Arbeiten
wie das Amsler-Planimeter. Den außerdem bestehenden
noch einfacheren Planimetern ist es an Genauigkeit und Zuverlässigkeit überlegen.
Seine geringere Empfindlichkeit macht es auch transportfähiger als kompliziertere
Planimeter, so daß es sich namentlich auch als Taschenplanimeter gut eignet.