Titel: | Die Kohlen-Förder- und Lageranlage der Gasanstalt I in Leipzig, gebaut von Unruh & Liebig, L.-Plagwitz. |
Autor: | M. Buhle |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 369 |
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Die Kohlen-Förder- und Lageranlage der Gasanstalt
I in Leipzig, gebaut von Unruh & Liebig, L.-Plagwitz.
Von M. Buhle, Professor in
Dresden.
Die Kohlen-Förder- und Lageranlage der Gasanstalt I in Leipzig,
gebaut von Unruh & Liebig, L.-Plagwitz.
Die Kohlenförderung der Gasanstalt I in Leipzig geschah bis vor kurzem mittels
Handbetriebes. Parallel zum Ofenhaus liegt, von ihm durch eine Anzahl Gleise
getrennt, der Kohlenschuppen, der entsprechend dem Gelände ein Dreieck mit
abgeschnittener Spitze bildet, dessen längste Seite parallel zum Kohlenzufuhrhaus
liegt (Fig. 1). Dieser Kohlenschuppen, der aus neun
einzelnen 12 m breiten Schuppen von 55 bis 15 m Länge besteht, sollte wieder benutzt
und mechanisch beschüttet und entleert werden; außerdem sollte die Kohle selbsttätig
entladen, gebrochen und nach dem Retortenhaus befördert werden, wo sie in
Hochbehälter zu entleeren war, die für die Beschickung der Retortenlademaschine
passend eingerichtet sind. Als Leistung der Anlage waren 60 t/St vorgeschrieben.
Textabbildung Bd. 324, S. 369
Fig. 1. Kohlenzufuhrhaus.
Um diesen Forderungen zu genügen, wurde der mittlere Kohlenschuppenteil abgetrennt
und durch entsprechenden Aufbau für die Zwecke der Kohlenförderung eingerichtet. In
das vor dem Kohlenschuppen liegende Gleis wurde eine Wage und ein Waggonkipper
eingebaut (Fig. 2). Der Antrieb des letzeren erfolgt
durch einen Elektromotor mittels Vorgelege auf zwei Pumpen, einesteils, um ein
schnelles Kippen zu ermöglichen, dann auch, um gegebenenfalls eine Reserve zu haben,
– ein Grundsatz, welcher bei der ganzen Anlage durchgeführt ist, so daß stets die
eine Hälfte von 30 t Leistung eine Reserve für die andere Hälfte bildet. Die aus dem
Waggon gekippte Kohle fällt in einen trichterförmigen gemauerten Behälter, dessen
untere Fläche durch zwei Speisevorrichtungen gebildet wird; diese bringen die Kohle
in zwei Becherelevatoren (Fig. 2 und 3), die sie bis in das dritte Stockwerk der
Kohlenstation heben. Da es sich darum handelt, die gebrochene grobe Kohle, die durch
einen Rost von rund 40 cm Maschenweite fällt (Fig.
2), zu bewegen, so mußten Speiseapparat wie Elevatoren entsprechend große
Abmessungen erhalten. Für die Becher ist deshalb eine Breite von 800 mm und eine
Höhe von 400 mm gewählt; sie laufen auf Rollen und bilden einen fortlaufenden
StrangVergl. des
Verfassers Buch „Massentransport,“ Stuttgart 1908, Abb. 540 auf S.
212, sowie Zahlentafel 57, S. 216.. Die gehobene Kohle kann nun
zwei Wege gehen: ins Retortenhaus oder aufs Lager. In ersterem Falle wird sie vom
Elevator auf zwei Backenbrecher mit Vorsieben (Fig.
4) geführt, welche die kleinere Kohle vorher absondern, und dann durch
zwei Becherwerke auf zwei selbsttätige WagenVon
Reuther & Reisert, G.m.b.H. in Hennef
a.d. Sieg. folgender Einrichtung:
An dem gleicharmigen Wagebalken A (Fig. 5) hängt an der einen Seite die Gewichtschale
C mit normalen Gewichtsstücken, auf der anderen
Seite an zwei Armen b der Wiegebehälter B, drehbar um die Schneiden d. Die zu wiegenden Kohlen werden von den Becherwerken in den
Vorratstrichter H entleert, an dessen unterem Ende die
Rinne D der Wage angeschlossen ist. Die Rinne B leitet die Kohlen in das Wiegegefäß B. Sobald mindestens die den Gewichtsstücken
entsprechende Menge in das Wiegegefäß eingeflossen ist, kommt der Wagebalken A in Bewegung, eine Reihe von Sperrhaken G wird von einem Druckstift aus durch Zwischenhebel
ausgelöst und sperrt den weiteren Zufluß ab, indem sie sich in die Rinne D legt. Da die Sperrhaken G unabhängig voneinander niederfallen, wird auch bei Material von
verschiedener Stückgröße ein sicherer Verschluß hergestellt. Die Materialmengen, die
im Augenblicke des Verschlusses der Rinne D mehr in das
Wiegegefäß eingeflossen sind, als den Gewichtstücken der Gewichtschale gleichkommt,
werden durch den Gewichtshebel E besonders gewogen und
mittels Schubstange in der unteren Zahlenreihe des Zählwerkes X zusammengezählt. Dieses Uebergewicht ist naturgemäß
für jede Füllung verschieden groß und kann bis 50 kg betragen. Zugleich mit dem
Niederfallen der Haken G wird das Gewicht N ausgelöst, welches bei dem Niederfallen den Haken O von der Schneide k
abhebt, so daß das Wiegegefäß B, dessen Schwerpunkt
links vom Drehpunkte d liegt, umkippt und seinen
Inhalt in den Trichter F entleert. Bei dem Umkippen des
Gefäßes B wird die obere Zahlenreihe um eine den auf
der Gewichtschale C stehenden Gewichtsteinen
entsprechende Zahl weiter gerückt. Das entleerte Gefäß richtet sich durch
Gegengewichte von selbst wieder auf und öffnet bei dem Zurückschwingen den Einlauf
wieder, so daß eine neue Füllung beginnt.
Textabbildung Bd. 324, S. 370
Fig. 2. Waggonkipper und Elevator.
Die Wage macht je nach der Menge des zugeführten Materials in der Minute bis zwei
Wägungen. Der gewünschten Stundenleistung entsprechend werden die Wagen mit 300, 400
oder mehr Kilogramm Gefäßfüllung gebaut. – Um die von der Wage gewogene Menge
festzustellen, werden die beiden Zahlenreihen des Zählwerkes X. zusammengezählt.
Textabbildung Bd. 324, S. 370
Fig. 3. Elevatorkopf und Antrieb.
Hinter der Wage fließt die Kohle über zwei Speisevorrichtungen auf zwei Gurtförderer,
die in einer geschlossenen Brücke (Fig. 1) über den
zwischen Kohlenschuppen und Retortenhaus liegenden Platz nach letzerem führen. Die
Bänder liegen ungefähr in der Mitte des Ofenhauses, und zwar treten sie ziemlich
hoch in der Dachkonstruktion desselben ein (Fig. 6).
Im Retortenhaus befinden sich sechs durch Brücken verbundene Hochbehälter mit
zusammen 360 t Inhalt; über ihnen laufen je 2 Bänder von der Mitte nach beiden
Seiten (Fig. 6). Die Verteilstation ist derart
eingerichtet, daß beide Bänder des Retortenhauses von beiden Bändern des
Kohlenschuppens beschickt werden können, so daß also eine reichliche Reserve
gegeben ist. Jeder der Gurtförderer ist mit einem selbsttätig fahrbaren
Abwurfwagens. D. p J. 1908, Bd.
323. S. 247. (D.R.P.) versehen, der über den einzelnen Behältern
hin und her fährt und sie gleichmäßig beschüttet. Die Behälter sind mit mehreren
Drehschiebern versehen zur Entnahme der Kohle für die Retortenlademaschine.
Textabbildung Bd. 324, S. 370
Fig. 4. Backenbrecher mit Vorsieb.
Textabbildung Bd. 324, S. 370
Fig. 5. Selbsttätige Kohlenwage von Reuther & Reisert.
Für die mechanische Beschüttung und Entleerung der Kohlenschuppen ist eine
Elektrohängebahn vorgesehen, die in einer Höhe, welche sich durch die Toröffnungen
ergibt, um den ganzen Bau außen herumläuft, und zwar in zwei Ringen, die beide durch
den mittleren, die Aufgabestation enthaltenden Schuppen (Nr. 5) parallel
hindurchlaufen (Fig. 2) und hier durch Weichen
miteinander verbunden werden können. Von dieser äußeren Bahn gehen der Außeden
Schuppen zwei gerade Stränge, die mit durch jenbahn durch je zwei Weichen verbunden
werden können, so daß sich
von der mittleren Ausgabestation an ein Kreislauf durch jeden Schuppen
herstellen läßt. Soll ein Schuppen belegt werden, so sind zunächst die Weichen
entsprechend zu stellen, und es werden dann die Hängebahnwagen mit Gefäßen für etwa
1400 kg Kohlen (s. Fig.
8 bis 13)
von den Behältern der Elevatoren für ungebrochene Kohle gefüllt und in Bewegung
gesetzt. In den einzelnen Schuppen liegen neben der Hängebahn Träger, auf denen der
sogenannte Anschlagwagen läuft (Fig. 7), der mittels
Ketten und Handrad vom Eingang jedes Schuppens aus zu verstellen ist.
Textabbildung Bd. 324, S. 371
Fig. 6. Verteilungsstation im Retortenhaus.
Ein an diesen Wagen befestigter Anschlag j stößt an den Hebel,
der die Bodenklappen des Gefäßes am Hängebahnwagen hält, und löst auf diese Weise
die Klappen, so daß die Kohle während des Fahrens herausstürzt. Der Hängebahnwagen
fährt mit geöffneten Klappen bis zur Aufgabestation, wo er auf eine stromlose
Strecke kommt und stillsteht. Der Bedienungsmann schließt die Klappen und stößt den
Wagen bis hinter den Füllrumpf, füllt ihn und bringt ihn durch Schließen eines
Schalters wieder in Fahrt nach dem Schuppen. Es können also die Magazine ohne
menschliche Hülfe gefüllt werden, soweit es sich nicht um das Auseinanderstoßen der
dachförmig aufgeschütteten Kohle handelt.
Textabbildung Bd. 324, S. 371
Fig. 7. Anschlagwagen mit Kontaktschnur.
Textabbildung Bd. 324, S. 371
Fig. 8 und 9. Elektrohängebahnwagen von 2000 kg Tragkraft mit Fahrwerk.
(Fahrgeschwindigkeit v = 0,66 m/St.)
A Blanke Stromzuführung; B
Fördergefäß von 1,75 cbm Inhalt; C Stromabnehmer.
Während für diese Beschüttung des Lagers
Laufkatzen
verwendet werden, die nur mit Fahrwerk versehen sind (Fig. 8 u. 9), dienen zur Entnahme vom Lager Hängebahnwagen, die mit Fahrwerk und
Hubwerk versehen, aber nur für 1000 kg Kohle eingerichtet sind (Fig. 10 bis 13). Der Vorgang
spielt sich folgendermaßen ab: Zunächst werden die Klappen des Behälters über den
Brechern umgelegt, so daß der darüber hinfahrende Hängebahnwagen nach Heben des
Verschlußhebels die Kohle in dieselben und somit auf die Brecher abgeben kann, und
zwar geschieht dies während des Fahrens, so daß an dieser Stelle keine Bedienung
nötig ist. Die leeren Wagen fahren nach entsprechender Weichenstellung in einen der
Kohlenschuppen, wo an der Stelle, an welcher die Gefäße gefüllt werden sollen, der
Anschlagwagen festgestellt ist. Dieser Anschlagwagen hat eine Schiene, welche die
Kontaktrolle von der Leitung abdrückt und den Wagen so zum Stillstand bringt. Ferner
ist der Anschlagwagen mit einem genügend langen Zugseil (Fig. 7) versehen, das einen am Anschlagwagen befindlichen Steuerschalter
betätigt.
Textabbildung Bd. 324, S. 372
Fig. 10. Beladen der Hängebahnwagen.
Textabbildung Bd. 324, S. 372
Fig. 11. Elektrohängebahnwagen von 1500 kg Tragkraft mit eingebautem Fahr- und
Hubwerk. (Fahrgeschwindigkeit 0,66 m/Sek., Hubgeschwindigkeit 0,077
m/Sek.)Fig. 12. Fahrwerk zum Elektrohängebahnwagen.Fig. 13. Hubwerk
zum Elektrohängebahnwagen.
A Kabel 8 mm Durchm.; B Fördergefäß
von 1,25 cbm Inhalt; C Stromabnehmer; D Stromabnehmerwalze; E Bremsmagnet.
Durch Stellung dieses Schalters wird das Gefäß auf die Kohle
herabgelassen, und zwar erfolgt das Senken nur so lange, wie der Kontakt
betätigt wird, kann also in beliebiger Höhe, je nachdem die Kohlen gestapelt
sind, unterbrochen werden. Nach Füllung des Gefäßes wird der Schalter abermals in
der nämlichen Weise betätigt, bis das Gefäß die höchste Stellung erreicht hat und
hier selbsttätig den Fahrmotor einschaltet. Der gefüllte Wagen fährt bis in die
Aufgabestation; über dem Trichter werden die Klappen während der Fahrt geöffnet, und
die Kohle entleert sich durch den Trichter auf die Brecher, während der leere Wagen
zur Beladestation zurückkehrt. Eine Bedienung außer dem Einschaufeln ist demnach
nicht erforderlich.
Der Antrieb aller Maschinen erfolgt elektrisch von einer kleinen Zentrale, die in der
ersten Abteilung- des Kohlenschuppens untergebracht ist. Außerdem gibt das
benachbarte städtische Elektrizitätswerk nötigenfalls den Reservestrom.
Zur Verwendung gekommen sind ein Motor zum Betrieb der Kipperpumpe, zwei Motoren für
die Brecher und Siebe, zwei Motoren zum Antrieb der Elevatoren für grobe, bezw.
gebrochene Kohle und für die Bänder nach dem Retortenhaus (für jedes System ein
Motor), und zwei Motoren für die vier Bänder im Ofenhaus.