Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 380 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Abdampf-Turbinen.
Schon im Jahre 1837 nahm Sir James Anderson ein Patent
auf eine Turbine, welche den Abdampf von Kolbendampfmaschinen ausnutzen sollte, ein
ähnliches Patent nahm 1846 auch Sir H. Bessemer. Zu
wirklicher Anwendung ist dieses Verfahren erst im Jahre 1902 durch G.A. Parsons gekommen und gleichzeitig mit diesem durch
Prof. Rateau in Frankreich, der mit seinem
Wärmeakkumulator als der eigentliche Begründer und Förderer der Abdampfverwertung zu
Kraftzwecken angesehen werden kann.
Die Vorteile der Turbine in der Ausnutzung niedergespannten Dampfes werden deutlich,
wenn man die außerordentliche Volumvergrößerung von Wasserdampf bei niederen Drücken
betrachtet. Gesättigter Dampf von 12 Atm. abs. Druck z.B. hat ein spezifisches
Volumen von 0,17 cbm. Dehnt sich 1 kg dieses Dampfs ohne Wärme Ab- oder Zuführung
aus, so daß sein Druck 0,07 Atm wird, so wird das Volum 16 cbm, während 23 v.H. des
Dampfes kondensiert werden. Ist der Enddruck des Dampfes aber etwa 1,1 Atm, so
beträgt des Dampfvolumen nur 1,3 cbm, während 13 v.H. des Dampfes kondensieren. Im
ersten Fall wird durch die Ausdehnung eine Arbeit von 79000 mkg, im letzseren von
43000 mkg geleistet, wenn von Verlusten abgesehen wird. Während nun in der
Kolbendampfmaschine die Arbeit, die in der starken Volumvergrößerung gewonnen werden
kann, nicht voll ausnutzbar ist, weil die Zylinderdimensionen entsprechend den
großen Dampfvolumina so groß werden müßten, daß der dadurch entstehende größere
Verlust den Gewinn wieder aufheben würde, machen der Dampfturbine, bei welcher die
Dampfgeschwindigkeiten etwa 100 mal größer sind wie in der Kolbendampfmaschine, die
großen Dampfvolumina keine Schwierigkeiten. Trotz dieses Vorteils der Dampfturbine
erreicht diese doch nicht die Kolbendampfmaschine an Oekonomie, und das rührt zum
Teil daher, daß der im Hochdruckgebiet arbeitende Teil der Turbine infolge des
kleinen spezifischen Dampfvolumens mit größeren Spaltverlusten und Verlusten bei der
Rotation arbeitet, während bei einer Kolbendampfmaschine die Erhöhung des Druckes
keine solche Nachteile mit sich bringt, wenn der Druck auf mehrere Zylinder verteilt
wird. Unter diesem Gesichtspunkt müßte eine Verbindung einer Kolbenmaschine, in
welcher der hochgespannte Dampf verarbeitet wird, mit einer Turbine, welche den
Abdampf der ersteren auf einen und dessen Energie noch ausnützt, von Vorteil sein-
Für eine Neuanlage werden indessen Anlagekosten und Raumbedarf zu groß. In den
Fällen aber, wo Maschinen vorhanden sind, die ihrer Betriebweise nach mit Auspuff
arbeiten, kann ohne zu hohe Kosten durch Hinzufügen einer Turbine mit Kondensation
eine Ausbeute aus dem Abdampf von 30 bis 80 v.H. der Leistung der Primärmaschinen
gewonnen werden. Bei der Ausnutzung des Abdampfes sind 3 Fälle zu unterscheiden: 1.
die Abdampfmenge ist konstant, 2. ist veränderlich, 3. wird mit Unterbrechungen
geliefert. Im ersten Fall bedarf es nur eines Auslaßventiles für etwa überschüssigen
Dampf und eines Reduzierventiles, um Frischdampf zuzulassen, falls von der Turbine
zeitweise eine größere Leistung verlangt wird. Der zweite Fall ist schon nicht mehr
so einfach. Er erfordert die Anwendung eines gemischten Turbinensystems, in dessen
Hochdruckteil bei geringer Abdampfmenge Frischdampf eingelassen wird, um die
Verluste des Reduzierventiles zu vermeiden. Im dritten Fall bei unterbrochener
Abdampflieferung aus Förder-, Walzenguß- oder Gebläsemaschinen hilft Prof. Rateau's Dampfakkumulator, ein mit Wasser gefüllter,
durch zahlreiche Eisenwände unterteilter Behälter, in welchem der Abdampf zirkuliert
und seine latente Wärme an das Wasser abgibt. Wenn die Abdampfmenge aussetzt, geht
die Verdampfung des Wassers im Akkumulator weiter, wobei die Wärme den heißen
Eisenplatten entnommen wird. Wegen der notwendigen großen Eisenmassen wird ein
solcher Akkumulator sehr schwer. Diesen Nachteil hat Rateau's neuer Akkumulator nicht, Derselbe besteht aus einem liegenden
Kessel von 2–3 m zu ⅔ mit Wasser gefüllt, mit mehreren ovalen Rohren
durchzogen, durch welche der Abdampf strömt, der dann durch zahlreiche Löcher in den
Rohren in das Wasser tritt und diesem infolge der entstehenden wirbelnden Bewegung
seine Wärme vollständig mitteilt. Beim Aussetzen der Abdampfmenge wird der für die
Turbine notwendige Dampf aus dem Wärmeinhalt des Wassers gebildet; der Druck im
Kessel nimmt dabei nur wenig ab. Für jedes kg zu bildenden Dampfes werden etwa 250
kg Wasser gebraucht. Bei diesem Akkumulator, wie bei einem solchen von Schwarz & Co. in Dortmund gebauten, muß ein
gewisser Verlust an Druck in Kauf genommen werden, um den Abdampf durch das Wasser
des Akkumulators zu treiben.
Ein Rateau-Akkumulator nach der neueren Bauart von 3,5 ×
10 m ist in den Hallside-Werken der schottischen
Stahlwerksgesellschaft eingerichtet. Der Abdampf aus den Stahlwerksmaschinen, aus
Dampfhämmern und einigen kleinen Maschinen, der früher in die Atmosphäre entwich, treibt zwei 450 KW
Gleichstromturbogeneratoren. In einem andern Fall werden ca. 7000 kg Abdampf in der
Stunde aus Gebläse- und Pumpmaschinen mit Hilfe eines Rateauakkumulators von 2,2 × 9 m zur Erzeugung von 400 KW ausgenutzt, die
fehlenden 350 KW bei größter Belastung werden durch Zuführung von Frischdampf in
einer gewöhnlichen Hochdruck Curtis-Turbine erzeugt.
Die Abdampfturbine ist mit einem Körting'schen
Stahlkondensator ausgerüstet.
Als Beispiel der Abdampfausnutzung durch Niederdruckturbinen in elekrischen Zentralen
ist die Kraftstation Rapid-Transit Comp. in
Philadelphia mit vier 1500 PS und einer 2200 PS Corliß-Auspuffmaschine zu nennen. Der Abdampf von 1,1 kg/qcm Spannung einer
Maschine mit einer Leistung von 1150 KW ist im Stande, in einer Turbine eine
Leistung von 750 KW zu liefern. Die Turbinen sind senkrecht angeordnet und laufen
mit 1200 Umdrehungen in der Minute. Abzüglich des Energieverbrauchs von 86 KW für
die Kondensation wird die Dampfausnutzung durch die Turbinen um 58 v.H. gesteigert,
während Kondensations-Kolbendampfmaschinen an Stelle der vorhandenen
Auspuffmaschinen nur eine um 25 v.H. höhere Ausnutzung ergeben würden. Vor dem
Einbau der Turbinen betrug die erzeugte Energie 29700000 KW-Stunden, die Kosten pro
KW-Stunde betrugen 3,05 Pfennige. Vom Januar 1906 bis Januar 1907 betrug die
erzeugte Energie 35000000 KW-Stunden; zwei Turbinen waren in Betrieb; die
Erzeugungskosten sanken auf 2,55 Pfennige für die KW-Stunde. Noch größer ist der
Nutzen wenn die Auspuffkolbenmaschinen, einer elektrischen Zentrale nicht sehr
ökonomisch arbeiten. In einer Zentrale in Edinburg, wo 8 Willans-und Bellismaschinen von je 1200 PS,
die für 64 cm Vakuum gebaut waren, mangels der nötigen Kühlwassermenge mit Auspuff
betrieben wurden, waren 2 Rateauturbinen von zusammen
1550 KW-Leistung aufgestellt, welche den Abdampf von 4 Kolbenmaschinen
verarbeiteten, und zwar konnten mit 20600 kg stündlicher Abdampfmenge, entsprechend
der vollen Belastung von zwei Kolbenmaschinen, 1250 KW also eine Leistungssteigerung
um 80 v.H. erzielt werden, abzüglich der Leistung der Hilfsmaschinen.
Daß aber auch die Verbindung von Abdampfturbinen mit sehr ökonomischen
Kondensations-Kolbenmaschinen einen Gewinn bringen kann, zeigt folgendes Beispiel:
Die Zentrale der Inter-Corough-Rapid-Transit-Comp. in
Newyork, die für eine Leistung von über 130000 PS bestimmt ist, besitzt gegenwärtig
11 Corlißmaschinen in liegend-stehender Anordnung von
je 7500 PS. Der Dampfverbrauch war mit 5,6 kg für 1 PS u. St. bei trockenem Dampf
von 12½ Atm. und hei 65 cm Vakuum einschließlich des Heizdampfes garantiert. Zwei
Parallelversuche mit Auspuff und Kondensation zeigten, daß die günstigste Belastung
bei Kondensationsbetrieb 4000 KW war; der Dampfverbrauch betrug 7,95 kg/KW St.
Zwischen 5000 und 7500 KW betrug der Dampfverbrauch im Mittel 8,6 kg-KW/St. Bei
Auspuff betrug die maximale Belastung ebenfalls 7500 KW. Die günstigte Belastung lag
hier bei 575° KW mit einem Dampfverbrauch von 10,3 kg-KW St. Die Abdampfturbine ist
eine stehende Curtisturbine mit drei Druckstufen, auf
dem Kondensator von etwa 1800 qm Kühlfläche aufgebaut. Bei voller Belastung brauchte
die Turbine 13,5 kg Abdampf für die KW-Stunde bei einem Anfangsdruck von ∾ 1,1 Atm.
und einem Vakuum von 72 cm. Liefern also die Kolbenmaschinen bei 7300 KW 7700 kg
Abdampf (92½ v.H. gelangen davon in die Turbine), so leistet die Turbine 5300 KW;
mit derselben Dampfmenge werden also jetzt 12600 KW geleistet, entsprechend 6,1
kg/KW St. Das Resultat wurde ohne Ueberhitzung des Dampfes erzielt.
Arbeitet die Anlage ununterbrochen, so ergibt sich eine tägliche Dampfersparnis von
750000 kg, und bei achtfacher Verdampfunge eine tägliche Kohlenersparnis von 93
Tonnen, welche bei dem augenblicklichen Kohlenpreis in Newyork die Anlagekosten der
Turbine in weniger als einem Jahr bezahlt macht. (Halliwell.) Engineering 1909 S. 197.
M.
Einschienenbahn.
In der Nähe von New York soll in nächster Zeit eine etwa 5,5 km lange Einschienenbahn
als Ersatz für eine Pferdeeisenbahn in dauernden Betrieb genommen werden. Die
Bezeichnung „Ein“-schienenbahn ist allerdings nicht ganz zutreffend, da außer
der auf Holzschwellen mit einer Betonunterlage verlegten Fahrschiene noch eine
besondere an Auslegermasten mittels einer Kettenlinienaufhängung befestigte
Hilfsschienenanordnung vorhanden ist, die aus zwei 730 mm voneinander entfernten und
durch leichte Quereisen miteinander verbundenen Winkeleisen besteht. Diese
Hilfsschienen dienen gleichzeitig zur Stromzuführung, und zwar sind an jedem der
beiden Stromabnehmer vier gleichsam in einem Drehgestell vereinigte Rollenkontakte
angebracht.
Die etwa 15 m langen und 2 m breiten Fahrzeuge werden mit je zwei zweiachsigen
Drehgestellen ausgerüstet werden, und zwar soll jedes Laufrad durch zwei jenseit der
Laufachslager fliegend aufgesetzten Achsmotoren angetrieben werden. Die normale
minutliche Umdrehungszahl der Motoren soll 800, ihre Pferdestärke je 25 PS und die
Betriebsspannung 550 Volt betragen. Man rechnet darauf, daß der mit 50 Fahrgästen
besetzte etwa 15 t schwere Wagen trotz der kurzen Fahrstrecke eine erhebliche
Geschwindigkeit erreichen wird, da auf dem größten Teil der Strecke keine Straße die
Schienen kreuzt. (Electric Railway Journal 1909, Bd. I, S. 75).
Pr.
Seesenkwerke aus Eisenbeton.
De Muralt in Schouwen ersetzt die zur Verteidigung des
Seevorlandes hergestellten Faschinensenkwerke aus Reisigbündeln mit Steinpackung
durch Eisenbetonsenkwerke, die aus einzelnen quadratischen Platten zusammengesetzt
sind. Diese Platten sind 1 m lang und 7 bis 10 cm stark. Bei flacher Neigung
unterseeischer Vorufer unter 1 : 4 sind die Oberflächen der Platten glatt und nur an
den Ecken erhöht, bei steilerer Neigung bis 1 : 2 ist die Unterseite längs des
Randes mit einer 10 cm hohen Rippe versehen, um ein Abgleiten zu verhüten. In
besonderen Fällen, wo noch eine Steinpackung erforderlich wird, sind auch an der
Oberseite Rippen vorhanden. Die Eiseneinlagen bestehen aus 4 längs des Randes
bogenartig eingelegten Rundeisen von 8 mm die an den Ecken aus der Platte
heraustreten und schlingenartig verbunden sind, und aus zwei Diagonaleisen von 5 mm
. Der Beton besteht aus 1¼ R.T.-Zement, ⅛ R.T.-Traß, 3 R.T. Sand und 4
R.T.-Kies. Im Alter von 3 Wochen wurden die Platten zu einem Senkstück verbunden.
Auf dem bei Niedrig-Wasser trockenen Gelände des Vorufers (Schlick) wurde eine Matte
aus Faschinen mit Schilfunterlage verlegt und durch Eisendrähte und Stöcke im Boden
befestigt. Auf dieser Unterlage wurden die Platten nebeneinander gelegt. Die
Schleifen wurden teils durch Bolzen, teils durch Flaschenzüge verbunden. Zur
Beförderung des Sinkstückes diente ein Schwimmer, der aus einzelnen Holzkästen durch
Eisenteile verbunden war. An den Ecken von je 4 rd. 1,9 m breiten Holzkästen sind sogenannte
Knotenpunktsrohre aufgeschraubt, durch die die Drähte nach den Flaschenzügen des
Senkstückes gezogen werden. Der 24,20 m breite und 16,2 m breite Schwimmer besteht
aus 117 Holzkästen und trägt 12 Winden, deren Drähte ein Senkstück aus 308 Platten
halten können.
Der fertige Schwimmer mit allen Geräten hatte ohne Senkstück 13 cm, mit Senkstück 21
cm Tiefgang.
Während der Flut wird der Schwimmer durch einen Dampfer nach einem Gestell neben dem
Senkstück geschleppt. Wenn das Wasser fällt, setzt sich der Schwimmer auf das
Gestell auf. Hierauf werden die Drähte der Winden durch die Knotenpunktsrohre nach
dem Senkstück hingezogen, dort mit den Flaschenzügen befestigt, wieder durch die
Rohre zurückgezogen und an den Winden angehängt. Steigt das Wasser, so wird der
Schwimmer flott und durch den Schleppdampfer nach dem Bestimmungsort gefahren. –
Hierbei werden die Drähte angezogen, so daß das Senkstück unmittelbar unter dem
Schwimmer hängt. Am Ort wird das Senkstück heruntergelassen, was selbst bei
stürmischem Wetter und unabhängig von Ebbe und Flut geschehen kann. Nach der
Verlegung werden die Drahtenden an den Haken gelöst und die Drähte aufgewunden.
Im Sommer können in jeder Woche 8 bis 10 Senkungen ausgeführt werden. Die neue
Bauweise ist rd. 50 v.H. billiger als die Bauweise mit Faschinensenkwerken. Die
Betonbefestigungen der Seeufer haben sich auf die Dauer bewährt.
Die im Jahre 1884 auf der Insel Schouwen am Böschungskopf verlegten Betonplatten sind
noch heute unversehrt. Bei den vor 4 Jahren dort angelegten Betonböschungen, die
täglich vom Seewasser mit mehr als 0,7 m Geschwindigkeit bespült werden, sind die
Abdrücke der Holzfasern der Schalung auf der Oberfläche heute noch ebenso deutlich
zu sehen, wie im Anfang. Auch ist nirgends festgestellt worden, daß der Traßbeton
vom Seewasser angegriffen wird.
Die Abnahme eines Vorufers kann durch Ausspülung oder durch Ueberfälle verursacht
werden. Im ersten Falle genügt eine Verkleidung mit glatten Platten, im letzten
Falle werden Platten mit Rippen an der Oberseite und Steinpackung verwendet. Bei
Ufern mit Unebenheiten (Bänken) sollen die ebenen Flächen mit Betonsenkstücken, die
Bänke mit Steinpackung bedeckt werden. [De Muralt]
[Beton und Eisen 1909. St. 9–12 und S. 36–39].
Dr.-Ing. P. Weiske.
Studien über Löhnungsmethoden.
Welche Anforderungen sind an eine Löhnungsmethode zu stellen, damit sie Arbeitgeber
und Arbeitnehmer gleichmäßig zufriedenstellt, beider Interessen nach Möglichkeit
vertritt, ohne den einen zu ungunsten des anderen unzulässig zu bevorzugen?
I. Irgend welche Beschränkungen zur Wahrung der Interessen des Unternehmers, als
beispielsweise Lohnher ab Setzungen bei sich ergebenden, zu hohen Veranschlagungen
sind ganz zu vermeiden oder in weite Ferne zu rücken.
II. Einem besseren und schnelleren Arbeiter, der sich durch irgend ein sicheres
Zeichen von selbst als solcher ausweist, muß durch die Löhnungsart je nach seiner
sich ergebenden Tüchtigkeit ein entsprechend besserer Lohn gesichert sein.
III. Dem Unternehmer darf in keiner Weise aus den unter I. und II. festgelegten
Arbeiterbegünstigungen oder sonst irgendwie ein Nachteil erwachsen, vielmehr
muß ihm dadurch direkt oder indirekt selbst ein entsprechender Nutzen gesichert
bleiben.
Betrachten wir von dem durch diese drei Forderungen gekennzeichneten Standpunkte aus
die gebräuchlichen Lohnmethoden, so finden wir:
1. die Zeitentlöhnung entspricht ihnen in keiner Weise,
2. Bei Beurteilung der Akkord- oder Stücklöhnung sind folgende vier Fälle zu
unterscheiden:
a) ist der Stücklohn knapp und richtig veranschlagt, so sind
die Forderungen unter I und II, nicht aber die unter III erfüllt,
b) Gleiches gilt bei zu tief veranschlagtem Stücklohn,
c) ist der Stücklohn zu hoch und nützt ihn der Arbeiter aus, so
entspricht er keiner der drei gestellten Anforderungen und
d) ist der Stücklohn zu hoch und nützt ihn der Arbeiter nicht
aus (wohl der infolge des ganzen Vorgehens der Arbeiterschaft in solchen Dingen
häufigste Fall) so wird der Bedingung II entsprochen, aber der unter I und III
nur in sehr geringem Maße.
3. Die Kontraktstücklöhnung, bei der ein Gruppenführer den Gesamtstücklohn erhält und
mit den zu seiner Gruppe gehörenden Arbeitern verrechnet, befriedigt keine der
gestellten Forderungen, Sie ist wegen der Gefahr eines Ueberanstrengens der Apparate
und Maschinen, von Streitigkeiten unter den Leuten und dergl. m. immer seltener
geworden und nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen zu empfehlen.
4. Das Differential-Lohnaufteilungssystem ist von Taylor
entwickelt. Es setzt voraus, daß die geringste, für Leistung einer Arbeit
erforderliche Zeit bekannt ist. Multipliziert man diese mit einem sehr bedeutenden
Stundenlohn, wie ihn eben jener Arbeiter mit Recht verdienen würde, der nur die
genannte kürzeste Zeit zu der Arbeit gebrauchte, und zählt die für diese Zeit in der
betr. Werkstatt oder an der betr. Maschine gültigen Unkosten hinzu, so erhält man
die überhaupt möglichen geringsten Herstellungskosten für das betr. Arbeitsstück.
Führt nun ein beliebiger Mann diese Arbeit in einer anderen, also selbstverständlich
längeren Zeit durch, so berechnet man die für diese Zeit gültigen Unkosten, zieht
sie von jener Summe ab und was übrig bleibt, ist der Lohn der dem Arbeiter zu zahlen
wäre. Das System ist an sich ideal und erfüllt alle oben genannten Forderungen, aber
die zu seiner Durchführung unumgänglich notwendige Bestimmung jener kürzesten
Arbeitszeit ist kostspielig und mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft.
5. Die Stücklöhnung mit Prämien beruht bekanntlich darauf, daß dem Arbeiter eine Zeit
bekannt gegeben wird, die für Herstellung des in Frage kommenden Stückes
durchschnittlich aufgewendet werden muß. Er erhält nun einen Normalstundenlohn und
außer diesem, wenn er zu der Arbeit weniger als jene festgesetzte Zeit braucht,
einen vorher verabredeten Prozentsatz des ersparten Lohnes.
Setzt man diesen Prozentsatz nach dem Vorgehen von Halsey von vornherein ein für allemal in unveränderlicher Größe fest z.B.
zu 25% oder 50%, so stellt sich der Uebelstand heraus, daß bei fehlerhafter
Veranschlagung jener Durchschnittszeit (und zwar wird es sich dabei meist um eine
Ueberschätzung handeln), die Selbstkosten des Arbeitsstückes für den Unternehmer
steigen. Dieser Uebelstand wird sich umso fühlbarer geltend machen, je höher jener
Prozentsatz gewählt ist; hält man ihn aber in so geringen Grenzen, daß jenes Steigen
der Selbstkosten ein für den Unternehmer unzulässiges Maß nicht erreicht, so wird
die Prämie so gering, daß der Anreiz durch sie für den Arbeiter nicht mehr genügend stark
bleibt.
Um das Gute des Systems beibehalten zu können? ohne seine Fehler in Kauf nehmen zu
müssen, sind schon von den verschiedensten Seiten Vorschläge gemacht worden, die
meist darin gipfeln, jenen Prozentsatz in der einen oder anderen Weise nach
bestimmten Gesetzen veränderlich zu machen. Auf diesem Wege ist auch Siebenfreud vorgegangen und gelangt schließlich dazu,
die eigentliche Prämie fortfallen zu lassen und dafür lediglich eine der
Unterbietung der Arbeitszeit nach einem gewissen Gesetze entsprechende Erhöhung des
Stundenlohnes einzuführen. Dieses Gesetz selbst ist empirisch gefunden durch
Vermittlung zwischen den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und ist aus
folgenden Zahlen ersichtlich: Es wird für eine Arbeitszeit a ein Stundenlohn b
bezahlt, der für die ganze Werkstätte ein für allemal festgesetzt ist z.B. 0,50 Mk.
für die Arbeitsstunde.
Braucht der Arbeiter nun eine Zeit
so steigt der Stundenlohn auf
0,9a
1,08b
0,8a
1,15b
0,7a
1,20b
0,6a
1,24b
0,5a
1,27b
0,4a
1,30b
0,3a
1,33b
(Siebenfreud) [Werkstattstechnik
1908 Oktober S. 531–542].
Dieser Vorschlag schließt aber, wie Alexander Rothert
nachweist, den folgenden Nachteil in sich: Während zunächst bei einer Verkürzung der
Arbeitszeit gegenüber der veranschlagten, die wir die Grundzeit nennen wollen, der
Ansporn für den Arbeiter ziemlich bedeutend ist, da fast im gleichen Verhältnisse,
in dem die Zeit sinkt, der Lohn für die Stunde steigt, wird bei weiterer Verkürzung
der Arbeitszeit der Ansporn immer schwächer und schließlich so schwach, daß der
Arbeiter es nicht mehr der Mühe für wert hält, um des nur unwesentlich größeren
Verdienstes willen sich so stark anzustrengen. Der Arbeiter wird also immer, mag nun
jene Grundzeit richtig oder falsch veranschlagt sein, sich in ziemlicher Nähe
derselben halten, da eine noch weitere Verkürzung ihm nur verhältnismäßig geringen
Mehrgewinn bringt. Ein Fehler in der Veranschlagung der Grundzeit wird demnach
praktisch, entgegen der Annahme Siebenfreuds zur
wesentlichen Erhöhung der Selbstkosten (Lohn + Unkosten) führen können.
An diesem Nachteil leidet übrigens, allerdings nicht in gleich starkem Maße, auch das
neben dem von Halsey bekannteste Prämiensystem von Rowan, bei dem der Stundenlohn sich um ebensoviel
Prozent erhöht, als an Arbeitszeit in Prozenten der Grundzeit gespart wird.
In dem Bestreben, eine Vermittlung zwischen den einzelnen gekennzeichneten Systemen
zu finden, eine Löhnungsart, bei der die Fehler, die einem jeden anhaften, nach
Möglichkeit gegen einander ausgeglichen sind, kam Rothert zu einem Gesetz, nach dem sich die Aenderung des Stundenlohnes
vollziehen müsse, nämlich zu dem „Gesetz des konstanten Ansporns.“ Dieses
besagt, daß der Mehrverdienst des Arbeiters immer proportional der Mehrleistung sein
soll, mag nun die Verkürzung der Arbeitszeit gegenüber der veranschlagten Grundzeit
groß oder klein sein. Auch der Stücklohn in seiner gewöhnlichen Gestalt ruft eine
Aenderung des Stundenverdienstes nach diesem Gesetze hervor, aber bei ihm ergeben
sich die oben geschilderten Uebelstände aus einer zu raschen Steigerung des
Stundenlohnes bei Verkürzung der Arbeitszeit, also aus einem zu großen Ansporn. Rothert schlägt daher vor, das Verhältnis, nach dem
beim Stücklohn der Stundenverdienst steigt, zu halbieren, oder etwa durch 3 zu
teilen. Im ersten Falle würde der Stundenlohn sich annähernd aus der Gleichung
y=a\,\sqrt{\frac{t}{T}}, im zweiten annähernd aus der
Gleichung y=a\,\sqrt{\frac{t}{T}} berechnen lassen, wo T die Grundzeit, t die
wirkliche Arbeitszeit und a den Stundenlohn für t = T
bezeichnet. (Beim gewöhnlichen Stücklohn ist
y=a\,\frac{t}{T}.)
Zur Bequemlichkeit der Arbeiter und der Lohnbuchhaltung, wären Tafeln anzufertigen,
die für jede Grundzeit, entsprechend abgestuft, und für jede geleistete Arbeitszeit
die mit einem festen Grundlohn zu bezahlende Arbeitszeit angeben.
Am Schlusse seiner Erörterung kommt Rothert zu dem
Ergebnis: 1. das System des konstanten Ansporns hat mit dem Prämiensystem nach Halsey und mit dem Stücklohn (der ja auch nur ein
Prämiensystem mit einer Prämie von 100% ist) die Eigenschaft gemein, daß ein
geringer Fehler in der Veranschlagung bis etwa 20% die Herstellungskosten (Lohn +
Unkosten) nur wenig erhöht 2. Bei im Vergleich zur Grundzeit wesentlich verkürzter
Arbeitszeit, bezw. infolge eines bedeutenderen Kalkulationsfehlers steigen die
Herstellungskosten zwar, gleiche wirkliche Arbeitszeit vorausgesetzt, wesentlich
schneller als beim System Rowan oder Siebenfreud, aber es ist durch das Prinzip des
konstanten Ansporns gewährleistet, daß die wirkliche Arbeitszeit erheblich kürzer
ist, als sie es unter der Herrschaft jener beiden Systeme sein würde. (Rothert) [Werkstattstechnik Februar 1909. S. 66 bis
73].
F. Mbg.
Verfahren zum Trennen doppelt- oder mehrfach breiter
Gewebe.
Schmale Gewebe z.B. Wischtücher, Handtücher u.a. stellt man heut häufig in mehreren
Breiten nebeneinander auf ein und demselben Webstuhl her, um dadurch eine Ersparnis
an Weblöhnen und anderen Unkosten zu erzielen. Nach Fertigstellung der Ware muß der
Zusammenhang der einzelnen schmalen Gewebebahnen miteinander gelöst werden, was
bisher durch Schneiden von Hand oder auf besonders hierfür konstruierten Maschinen
geschah. Diese Arbeit des Auseinanderschneidens der einzelnen Bahnen, das wegen der
leicht möglichen Beschädigung der Ware durch die Schneideorgane eine gewisse
Sorgfalt erfordert, war man bestrebt zu vereinfachen oder überflüssig zu machen. Man
versuchte, an den Trennungsstellen Metalldrähte als Kettfäden einzuweben, die nach
Fertigstellung der Ware beim Durchziehen durch Preßwalzen vermöge ihrer
doppelseitigen Schneidwirkung selbsttätig ein sicheres und sauberes Durchtrennen der
Schußfäden an den betreffenden Stellen bewirken sollten, Dies Verfahren hatte nicht
den gewünschten Erfolg, weil die Drähte beim Passieren der Preß walzen abgeflacht
und die Schneidwirkung dadurch mangelhaft wurde. In neuester Zeit webt man mit
besserem Erfolge an den Trennungsstellen Metallitzen ein, die zum Zwecke der
Trennung der Gewebe durch einen eingeschalteten elektrischen Strom soweit erhitzt
werden, daß die Schußfäden an den Berührungsstellen mit den Litzen verkohlen ohne zu
glimmen. Der Verband zwischen den einzelneu Stoffbahnen wird dadurch soweit
gelockert, daß die Gewebe sich leicht voneinander trennen lassen. Bei diesem
Verfahren findet eine fadenscharfe Trennung statt ohne faserige und ungrade Ränder,
wie bei der durch Schneidwirkung vorgenommenen. Die Metallitzen selbst bleiben
vollständig unbeschädigt und können immer wieder benutzt werden.
Glühende Metalldrähte sind zum Trennen mehrfach breiter Gewebe früher wohl auch schon
benutzt worden, bei dieser Methode ist aber die Gefahr vorhanden, daß die Gewebe zu
stark angesengt werden; auch hat sich gezeigt, daß die Trennung oftmals unregelmäßig
und keine genügende ist. (Oesterreichs Wollen und Leinenindustrie 1909 No. 5.)
Hg.
Wasserkraft-Elektrizitätswerk No. 15 der Rochester Railway and
Lighting Company.
Diese Gesellschaft betreibt bereits eine größere Anzahl von Dampf- und
Wasserkraftwerken, hauptsächlich am Genesee River, dessen wechselnde
Wasserverhältnisse jedoch auch den Bezug von elektrischem Strom aus dem
Niagara-Kraftwerk der Ontario Power Company
erforderlich machen. Ihr neuestes Wasserkraftwerk No. 15 liegt am Westufer des
Genesee-Flusses in der Nähe der Middle Falls und ist im Frühjahr 1907 in Betrieb
genommen worden. Die Maschinenausrüstung umfaßt zwei 900pferdige Morgan Smith-Doppelturbinen mit wagerechten Wellen, die
mit 500 KW.-Drehstromerzeugern der General Electric
Company gekuppelt sind. Die Stromerzeuger treiben ihre
Erregermaschinen unmittelbar an. Zwischen den Stromerzeugern und den Turbinen sind
die vom Schaltbrett aus einstellbaren Sturgess-Regulatoren angeordnet. Das ganze Kraftwerk ist unmittelbar an den
quer über den Genesee-Fluß gelegten Damm angebaut, welcher die 3 m weiten
Wasserzuleitungen zu den Blechgehäusen der Turbinen enthält. Durch Schließen der
Einlaufschützen läßt sich vor dem Kraftwerk innerhalb 20 Stunden eine Wassermenge
von 453000 cbm aufspeichern, die ausreicht, um 2½ St. lang eine Leistung von 1500
KW. zu erzielen. Auf diese Weise können in den Abendstunden Höchstbelastungen von
3750 KW. ohne Hilfsmaschinen bewältigt werden, wenn das verfügbare Gefälle etwa 8,3
m beträgt. Diese Eigenschaft des Kraftwerkes hat sich besonders kürzlich bei großem
Wassermangel gut bewährt, wo bei Tage kaum soviel Wasser zur Verfügung war, um die
Kondensatoren des Dampfkraftwerkes in Rochester zu kühlen. Man stellte die
Einlauf-Schützen der Kraftwerke No. 15 und No. 5 ab und bewältigte den Tagesbedarf
ausschließlich im Dampfkraftwerk. Gegen Abend hatte sich dann vor dem Staudamm des
Kraftwerkes No. 15 soviel Wasser angesammelt, daß man trotz der Trockenheit in der
Lage war, die Höchstbelastung des Netzes mühelos zu bewältigen. [Electrical World
1909, I, S. 151–154.]
H.