Titel: | Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerindustrie im 2. Halbjahr 1908. |
Autor: | A. Stift |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 412 |
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Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem
Gebiete der Zuckerindustrie im 2. Halbjahr 1908.
Von k.k. landw. techn. Konsulent A.
Stift (Wien).
(Fortsetzung von S. 395 d. Bd.)
Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der
Zuckerindustrie im 2. Halbjahr 1908.
Textabbildung Bd. 324, S. 412
Fig. 18.
A. MüllerZentralblatt
für die Zuckerindustrie 1908. 17. Jahrg. S. 123. hat sich mit der
Lösung der Saftfängerfrage, die alljährlich von neuem
aufgeworfen wird, eingehend beschäftigt und kommt nach vielen Versuchen zu der
Ueberzeugung, daß der beste Saftfänger eigentlich gar kein Saftfänger ist. Eine
Vorrichtung, welche das Zerstäuben und Ueberreißen von Saft absolut verhütet, glaubt
Müller in den von ihm seit Jahren in mehreren
Fabriken eingeführten Sprudelhauben gegeben zu haben. Eine derartige Vorrichtung
besteht aus einem dicht über der Heizfläche stehender oder liegender Verdampf- und
Kochapparate angeordneten umgekehrten Blechtrichter, der etwa 7.5 v.H. der zentral
gelegenen Heizfläche überdeckt und dadurch die in der kochenden Flüssigkeit
aufsteigenden Dampfbläschen vor ihrem Austritt aus der Flüssigkeit zu größeren
Blasen vereinigt. Die Gesamtoberfläche der Blasen wird dadurch wesentlich
verringert, ihr Auftrieb vielfach vergrößert und durch die gleichzeitig verminderte
Oberflächenspannung diese Wirkung noch gesteigert, so daß die
Auftriebgeschwindigkeit nahezu mit der dritten Potenz des Blasenradius anwächst. Bei
richtiger Konstruktion ergibt sich die auffallende Erscheinung, daß die nach der
Trichteröffnung zusammengedrängten Saftblasen stets fast annähernd soviel Saft oder
Saftgemisch aus dem von der Haube bedeckten Raum durch ihren Auftrieb in die Höhe
fördern, als ihr eigenes Volumen beträgt. Der so erzielte stürmische Saftumlauf kann
durch zunehmende Verdampfung noch mehr gesteigert werden, so daß seine Intensität
innerhalb gewisser Grenzen von der Heizdampfzuführung und der Saftdampfentnahme
abhängt. Die besonders günstige Wirkung der Einrichtung zeigt sich in dem
Augenblick, wo bei richtig eingestelltem Saftstande der durch das über der Haube
vorgesehene Prellblech umgekehrte Saftstrahl eine bestimmte Geschwindigkeit
erreicht, bei der es bloß den größten Saftblasen möglich ist, den Umlaufstrom zu
verlassen, während die kleineren Blasen mitgerissen werden und durch die nicht
überdeckten Rohre wieder zurück zum Boden des Apparates gelangen. Es wird dadurch
ein konstanter Kreislauf von kleinen, im Saft verteilten Bläschen aufrecht erhalten,
der das spezifische Gewicht der Flüssigkeit entsprechend erniedrigt, was einer
Verdünnung des Saftes oder einer Erhöhung des Transmissions-Koeffizienten
gleichkommt. In den Fig. 18 bis 20 ist die Art und Weise angedeudet, wie in
bestehenden Apparaten mit stehend angeordneten Heizrohren durch Anbringung einer
Sammel- oder Sprudelhaube unmittelbar über der Heizfläche und unterhalb des normalen
Saftstandes die Sammlung der Gasblasen behufs Erzielung eines stürmischen
Flüssigkeitsumlaufes erfolgt. Da der aus der Trichteröffnung springbrunnenartig
steigende Saftstrahl eine zu große Höhe erreichen würde, muß in entsprechendem
Abstande über der Oeffnung eine Prellhaube angeordnet werden, die den Saftstrahl
umkehrt und zentrifugal verteilt, so daß dann der Gasaustritt ohne jede bemerkbare
Zerstäubung von Flüssigkeit vor sich geht. Beachtung verdient diese Tatsache
besonders aus dem Grunde, weil bei dem vor 6 Jahren erfolgten ersten Einbau der
Sprudelhauben die Befürchtung gehegt wurde, daß durch die künstliche Beschleunigung
des Blasenauftriebes auch die Saftzerstäubung eine Zunahme erfahren würde, weshalb
man vorsichtigerweise den in Fig. 18 dargestellten
tangentialen Innensaftfänger nach dem D.R.P. No. 150364 anordnete, der
erfahrungsgemäß das Ueberreißen von Saft- und Füllmasse in sicherer Weise zu
verhindern vermag. Nun zeigten aber vergleichende Versuche, daß bei Benutzung der
Sprudelhaube vom Einbau von Saftfängern ganz abgesehen werden konnte, da in beiden
Fällen die Kondensate zuckerfrei blieben. Dies dürfte zu dem interessanten Schluß
führen, daß das lästige Zerstäuben von kochenden Flüssigkeitsteilen nicht, wie
bisher angenommen wurde, von der Austrittsgeschwindigkeit, sondern von der Zahl, vielleicht
sogar von der Größe oder dem Alter der austretenden Dampfblasen beeinflußt wird. Die
Zirkulationsvorrichtung wird derart ausgeführt, daß sie in einzelne Teile zerlegbar
ist und so durch das Mannloch leicht ein- und ausgebracht werden kann. Bei einem
stehenden Verdampfapparat mit zentralem Zirkulationsrohr wird dieses Rohr einfach
mit einer Blechplatte, welche mit einem durch die Prellhaube geführten
Entlüftungsstutzen und einer kleinen Zirkulationsöffnung versehen ist, überdeckt.
Bei Verdampfapparaten und Vakuen mit liegenden Heizrohren erfährt die Anordnung- der
Hauben eine sinngemäße Aenderung. Fig. 21a u. b zeigen z.B. den zwangläufigen Umlauf in einem
liegenden Nachprodukten-Vakuum beim Abkochen der Kornfüllmasse. Diese Sprudelhauben
finden nämlich auch Verwendung zum Kochen der Füllmasse, nur mit dem Unterschiede,
daß bei wasserarmer Erstprodukt-Füllmasse der Neigungswinkel der Trichter-flachen
ein steilerer wird, der dann entsprechend der Füllmassen-Viskosität bis 45°
anwachsen muß, während man zum Saftkochen mit ungefähr einem Neigungswinkel von 12°
für alle Säftedichten auskommt. Bei richtiger Saftzuführung, welche in horizontaler
Apparatprojektion gedacht, stets innerhalb und unterhalb der Trichtergrundfläche
erfolgen muß, und bei Einhaltung der durch Versuche für jede Einrichtung zu
ermittelnden günstigsten Saftstandshöhe bleiben die Kondensate der Verdampfapparate
vollkommen zuckerfrei. Der Einbau der Sprudelhauben in Verdampfapparate kann von
jedem geschickten Blecharbeiter nach den von den Maschinenfabriken gelieferten
Zeichnungen leicht und ohne nennenswerte Kosten durchgeführt werden. Bei
Vakuumapparaten ist wegen der beim Ablassen übermäßig dicht eingekochten Füllmassen
dann eintretenden Belastung der Hauben für eine genügende Stabilität Vorsorge zu
treffen. Die Mehrleistung der Heizflächen beträgt bei Verdampfapparaten normal etwa
25 v.H., sie läßt sich jedoch schätzungsweise auf das doppelte steigern, ohne daß
Saft übergerissen wird, vorausgesetzt, daß für Zuführung von Heizdampf, bezw.
Entnahme und Kondensation der Brüden entsprechend vorgesorgt wird. Eine Bräunung
oder anderweitige Schädigung der Säfte wurde während langjähriger Benutzung der
Hauben noch niemals beobachtet. Die Rohre konnten weit länger als sonst in
ununterbrochenem Betriebe bleiben, da die früher nach einer gewissen Betriebsdauer
stets auftretende und für die Verdampfung äußerst störend wirkende Verschlammung der
unteren Rohrenden durch weiche Ablagerungen bei der stürmischen, zwangläufigen
Saftbewegung in den Rohren niemals eintreten kann.
H. StoepelZentralblatt für die Zuckerindustrie 1908. 17. Jahrg. S.
152. bemerkt zu der vorstehenden Mitteilung Müllers, daß in der Zuckerfabrik Stavenhagen seit Beginn der
Rübenverarbeitung 1908 in zwei stehenden Verdampfapparaten die Sprudelhauben mit
ganz hervorragendem Erfolge arbeiten. Im nächsten Jahre sollen Saftkocher und der
vierte liegende Körper ebenfalls mit Müllerschen
Sprudelhauben versehen werden, da der Wärmetransmissionskoeffizient ein solch hoher
ist, wie er bisher in der Praxis noch nicht beobachtet worden ist.
In der französischen Zuckerfabrik Châlon sur Saône wurde nach der Mitteilung von LègierDie Deutsche
Zuckerindustrie 1908, 33. Jahrg. S. 974. eine von Perrin konstruierte neue Filterbatterie aufgestellt, die sechs Filter, nämlich zwei für Dünnsaft,
zwei für Dicksaft und zwei für die Abläufe umfaßt. Der Filterdruck beträgt für die
Saftfilter 6 m, für die Abläufefilter einige cm, und bleiben erstere Filter 48
Stunden, letztere Filter 3–4 Stunden im Betrieb. Die Batterie genügt für eine
tägliche Verarbeitung von 3500–4000 Meterzentner Rüben, kann aber nach Belieben
durch Zufügen weiterer Filter vergrößert werden. Die Anordnung dieser Batterie ist
die folgende: Eine runde, gußeiserne Schale (Fig.
22) besitzt in der Mitte einen kurzen Rohrstutzen b, der beim unmittelbaren Uebereinandersetzen der Platten den
Zuführungskanal für die zu filtrierende Flüssigkeit bildet.
Textabbildung Bd. 324, S. 413
Fig. 19.
Textabbildung Bd. 324, S. 413
Fig. 20.
Dieser Rohrstützen trägt ein Lager b, auf dem ein gelochtes Blech aufliegt, das auf einem an dem Außenrand
der Schale angebrachten Lager eine zweite Stütze findet. Dieses Blech besitzt einen
Durchmesser von 900
mm und ist dazu besimmt, das Filtermaterial aufzunehmen; zwischen ihm und dem Boden
der Pfanne bildet sich also eine Kammer, aus der die filtrierte Flüssigkeit durch
den Hahn c abgelassen wird.
Textabbildung Bd. 324, S. 414
Fig. 21a.
Textabbildung Bd. 324, S. 414
Fig. 21b.
Textabbildung Bd. 324, S. 414
Fig. 22.
Damit jede einzelne Pfanne, die auf der unteren aufliegt,
hermetisch in sich geschlossen ist, ist in dem oberen Außenrand ein runder Falz m eingelassen, in den ein gleichgeformter Kautschukring
n hineinpaßt. Durch sechs Riegel s wird das Ganze zusammengepreßt und dadurch absolute
Dichte gesichert. Zwecks schnellen und sicheren Schließens sind Boden und Deckel mit
im Guß vorgesehenen Ohren für die Riegel versehen. In A
ist bei p eine kleine Rinne eingefräßt, die bei der
Zusammenpressung eine kleine Menge Filtermaterial einschließt und auf diese
Weise eine gute Dichtung bewirkt. Bei r liegt eine
runde durchlochte Scheibe von 200 mm auf, die gleichfalls verhindern soll,
daß die filtrierende Flüssigkeitzwischen b und f unfiltriert hindurch geht. Als Filtermaterial dient
ein mit warmem Wasser in einem Mischapparat eingerührter Zellulose- oder Papierbrei.
Der Mischapparat ist so beschaffen, daß der Brei in ständiger Bewegung bleibt. Ein
durch einen Hahn verschließbares Beschickungsrohr dient zum Speisen der
Filterplatten. Die Scheiben werden auf einer flachen, einen geneigten Boden
besitzenden Bank wagrecht aufgelegt und mit einen Rand versehen. Man läßt den
Papierbrei über die Fläche laufen, das Wasser rinnt schnell ab und dann werden nach
Entfernung des Randes die fertig präparierten Platten mittels einer Bleichertschen elektrischen Winde in den Rahmen
gebracht. Die zu filtrierende Flüssigkeit dringt durch das, durch den Hahn l absperrbare Rohr K in
das zusammengestellte Filter und verteilt sich in die einzelnen Kammern. Der
Verbrauch an Filtermaterial ist ein geringer, da dasselbe stets in einem Pülpefänger
ähnlichen Apparat ausgewaschen und von neuem verwendet werden kann. Nach Filtration
der Abläufe werden die Filter abgesüßt und die Absüßwässer gehen in den Saft. Zur
Bedienung des Filters genügen zwei Arbeiter; ein dritter Arbeiter ist mit dem
Waschen des Papierbreies beschäftigt. Das Filtermaterial ist unter der abfiltrierten
Schutzdecke völlig weiß und unverändert. Das langsame Laufen der Sirupfilter ist
demnach rein mechanisch und wird durch den abgesetzten Niederschlag selbst bedingt.
Die Auswechslung eines sechsfachen Filters geht rasch vor sich und erfordert nur
eine halbe Stunde.
(Schluß folgt.)