Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 429 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Güterzug-Heißdampflokomotive.
Die neuen 8/8 gekuppelten Güterzug-Heißdampflokomotiven der Moskau–Kasan-Bahn
besitzen bei einfacher Bauart hohe Zugkraft, wodurch die Leistungsfähigkeit der
russischen Bahnen, die größtenteils eingleisig sind, erheblich vergrößert werden
kann. Bei Versuchsfahrten mit einer solchen Lokomotive war die Geschwindigkeit 21,4
km/St, mit 1050 t Wagengewicht auf einer Strecke mit 8 v.T. Steigung und Krümmungen
von 640 m Radius. Der Wasserverbrauch betrug hierbei 0,396 kg, der Kohlenverbrauch
0,0274 kg für 1 t/km Zuggewicht. Vergleichsfahrten mit Verbundlokomotiven ergaben
für die Heißdampflokomotive 3 bis 10 v.H. Kohlenersparnis. Der Zylinderdurchmesser
dieser Lokomotiven beträgt 575, der Hub 650 mm, die gesamte Heizfläche 163 qm, die
Ueberhitzerheizfläche 40 qm, die Rostfläche 3 qm, der Dampfüberdruck 12 Atm, das
Dienstgewicht 64 t.
Die Lokomotiven sind mit Rauchrohrenüberhitzer, sowie Kolbenschiebern Bauart Schmidt ausgerüstet. Die vorderste Kuppelachse hat 12
mm Spiel nach jeder Seite. Die beiden vorderen Achsbüchsen bewegen außerdem noch
eine besondere Rückstellvorrichtung. Sobald in Krümmungen der seitliche Druck
zwischen Schiene und Spurkranz 3500 kg übersteigt, wird eine Feder zusammengedrückt,
so daß die Achse seitlich ausweichen kann. Wenn dieser Druck sinkt, bringt diese
Feder die Achse wieder in ihre Mittelstellung zurück. Der Tender ist mit der
Lokomotive durch Federn mit 2000 kg Anfangsspannung auf besondere Art gekuppelt. Die
Vorrichtung, die schon seit einer Reihe von Jahren mit bestem Erfolge angewandt
wird, erteilt diesen Lokomotiven mit kurzem Radstand einen auffallend ruhigen Gang,
was von günstigem Einfluß auf die Unterhaltungskosten ist. [Zeitschrift d. Vereins
deutsch. Ingenieure 1909, S. 481–483].
W.
Lokomotivlösche.
Bei vier elektrischen Kraftwerken der Eisenbahndirektion Königsberg sind mehrere
Sauggasgeneratoren im Betriebe, welche diese Lösche als Brennstoff verwerten. Die
für diesen Brennstoff besonders gebauten Gaserzeuger besitzen Treppenrostfeuerung
und es muß dabei die durch den hohen Aschengehalt der Lokomotivlösche entstehende
Schlacke während des Betriebes leicht entfernt werden können. Das Aufschütten der
Lösche soll in kurzen Zwischenräumen geschehen, so daß der Schüttrumpf im Generator
stets nahezu gefüllt bleibt, um so die meist feucht aus dem Lokomotivbetrieb
kommende Lösche zu trocknen. Je feinkörniger und aschenhaltiger die Lösche ist,
desto mehr Arbeit muß auf die Entschlackenung der Generatoren verwendet werden. Der
Verbrauch an Kohlenlösche für die geleistete PS und Std. ist etwa 1,5–1,6 kg. Die
kalorimetrische Untersuchung der Lösche aus ober-schlesischer Kohle hat einen
Heizwert von 6050 bis 6230 WE/kg bei einem Aschegehalt von 19–23 und einen
Wassergehalt von 5–30 v.H. ergeben.
Das erzeugte Gas besitzt einen Heizwert von 987 bis 1050 WE/cbm, die Analyse
ergab folgende Zusammensetzung: Kohlenoxyd 17,6–24,2, Wasserstoff 20–9,2 und
Kohlensäure 10,4–4,8 v.H. Die Rauchkammerlösche erwies sich dabei als ein völlig
garer Koks ohne teerige Bestandteile. Bei Sauggasgeneratoren mit Anthrazitfeuerung
braucht man 0,4, mit Koksfeuerung 0,5 kg, im Werte von 0,8 – 1,5 Pf. für 1 PS/St.
Für dieselbe Leistung sind 0,75 kg Lösche im Werte von 0,14 Pf. notwendig.
Der Löschebedarf dieser vier Elektrizitätswerke mit zusammen 1300 PS, wird aus dem
Betriebe von 490 Lokomotiven mit 53000 km Jahresleistung gedeckt. Der ganze Gewinn
an Rauchkammerlösche wird z.Z. auf 7500 t im Jahre geschätzt (s. D. P. J. 1908, S.
238). [Glasers Annalen f. Gewerbe u. Bauwes. 1909, S. 101 bis 107].
W.
Gleislose elektrische Automobilbahnen.
In Oesterreich verbreiten sich die von der Oesterreichischen
Daimler-Motoren-Gesellschaft hergestellten gleislosen elektrischen
Automobilbahnen „System Mercédès-Electrique-Stoll“ immer mehr. Hierbei findet die Verbindung
eines Automobils mit einer elektrischen Oberleitungsbahn Anwendung, die überall da
von Vorteil ist, wo eine Schienenbahn nicht lohnend ist, der Verkehr sich aber mit
zeitweisen Unterbrechungen stärker fühlbar macht, z.B. in Gegenden mit starkem
Touristenverkehr. Die Anschaffungskosten sind viel geringer als für elektrische
Schienenbahnen, ebenso die Betriebskosten. Eigenartig ist der Einbau der Motoren,
die mit den Rädern der Wagen derartig vereinigt sind, daß sie die Naben der Räder
bilden. Sie sind vollständig gegen Beschädigung geschützt, da sie bei
Vorderradantrieb weder vorne über die Radfelge, noch bei Hinterradantrieb über die
Bremsscheibe hervorragen. Für Hinterradantrieb sitzt auf dem, wegen der Kabelführung
hohlgemachten Achsstummel drehbar, durch einen Bund gegen seitliche Verschiebung
geschützt, eine Büchse, die mit dem Auge der Pendelstange fest verbunden ist, und
auf welche die drei Hauptbestandteile des Motors aufgeschoben werden; zuerst der
mittels Kugellager auf der Büchse drehbare rückwärtige Ankerdeckel. Er trägt
rückwärts zwei angegossene Bremsscheiben, auf welche die an der Pendelstange
gelagerten Bremsbänder wirken. Sodann wird auf die Büchse der mit dieser
festzuverkeilende Stern und drittens der Anker aufgeschoben, der vorne an einer
geschlossenen Wand den Plankollektor, weiter das zweite Kugellager und an seinem
äußeren Umfange die Radspeichen und die Felgen trägt. Ein über den Kollektor
geschraubter Deckel verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit und Staub in den
Motor. Der Hauptvorteil dieser Anordnung ist der, daß alle kraft- und platzraubenden
Konstruktionsteile, wie Ketten, Zahnräder, Getriebe usw., wie sie bei indirektem
Antriebe nötig sind, wegfallen. Aehnlich ist der Einbau der Motoren für
Vorderradantrieb, nur sind sie hierbei auf einem hohlen Rotationskörper montiert,
der mittels Drehbolzen auf der Achse befestigt ist. Die Motoren laufen vollständig funkenlos, da
durch die Anwendung- eines Plankollektors und einer günstigen
Bürstenhalterkonstruktion das Abspringen der Kohle an der Kollektorfläche selbst bei
schlechten Wegen und schneller Fahrt vollständig vermieden wird. Der Kontroller der
Oberleitungswagen hat sechs Fahr- und drei Bremsstufen. Zweckmäßig- ist der
doppelpolige Stromabnehmer System „Stoll,“ der
aus vier kleinen Metallrollen mit Kugellagern besteht und durch ein Federgehänge an
die Drähte federnd angedrückt wird. Infolge einer automatisch wirkenden Kabeltrommel
für 10 bis 12 m Kabel und einer Schleife ist es dem Wagen möglich, die ganze
Straßenbreite zu benutzen, jedes andere Fuhrwerk zu überholen und überall
umzukehren. Das Oberleitungsmaterial entspricht den normalen
Straßenbahnaufhängungen. Als Fahrdraht wird hartgezogener Fasson-Kupferdraht
verwendet. Der durchschnittliche Stromverbrauch beträgt pro t/km bei guter ebener
Strecke nur 50 Wattstunden. Die gesamten Betriebskosten für 1 Wagenkilometer
betragen 21 bis 23 Heller. (Honigmann, Elektrotechnische Zeitschrift 1909, S.
231).
J.
Betonpfähle System Strauß.
Bei der Herstellung der Straußpfahle wird zunächst an
einem über der Einrammstelle stehenden Dreibock ein eisernes Leitrohr aufgehängt.
Durch das im Rohr hängende Bohrgerät wird der im Rohr befindliche Boden
herausgeholt, so daß sich das Rohr allmählich auf die gewünschte Tiefe senkt. Nach
Entfernung des Bohrgerätes wird an einem schwächeren Seil des Bockes an dem einen
Ende eine Einbringebüchse, an dem anderen Ende ein 50 kg schwerer Stößel aufgehängt.
Durch die Einbringebüchse wird in das Rohr Beton eingebracht, der unter
gleichzeitigem Hochziehen des Leitrohres mit dem Stößel gestampft wird. Hierbei
quillt der Beton über die unteren Ränder des Leitrohres seitlich heraus. In festen
Bodenschichten ist die hierdurch entstehende Verdickung des Pfahles nur gering,
während sich im weichen Boden Knoten von 3 bis 4 fachen Rohrdurchmesser bilden. Der
Pfahl paßt sich also mit seinen Abmessungen den verschiedenen Bodenarten an.
Gleichzeitig dringt das Zementwasser in den Boden und erhärtet die den Pfahl
umgebenden Schichten, so daß eine innige Verbindung des Pfahles mit dem Boden
entsteht. Die Straußpfähle übertragen daher
hauptsächlich durch die Mantelreibung ihre Belastung auf den Baugrund, während durch
die Endfläche des Pfahles etwa nur der zehnte Teil der ganzen Belastung übertragen
wird.
Auf dem Baugrund des Kriegsministeriums in Wien wurde ein 9,5 m langer Straußpfahl, der 9,2 m tief im aufgefüllten Boden stand
mit 52 t belastet. Die Einsenkung betrug nur 7 mm. Das 25 cm weite Leitrohr
ermöglichte eine Verdickung des Pfahles auf durchschnittlich 38 cm. Die
Pfahlkopfbelastung betrug 46,5 kg/qcm.
Bei der Gründung der Widerlager der Ikwabrücke der Kremenetzer Strecke der Russischen
Südwest-Eisenbahnen lag unter der Humusdecke bis 5,5 m Tiefe schwarzer, faseriger
Torf über Triebsand, Schlamm und Wasser. Ohne Wasserhaltungsarbeiten wurden bis 8,5
m Tiefe unter dem gewachsenen Boden 42 Pfähle eingerammt, deren Köpfe jedoch nur so
hoch betoniert wurden, daß sie 50 cm in das spätere, mit seiner Unterkante 4,3 m
unter der Oberfläche liegende Betonfundament hineinragten. Die Pfähle können also
von vornherein auf die richtige Höhe gebracht werden und brauchen nicht wie fertige
Pfähle abgeschnitten zu werden.
Eine Gründung mit Straußpfählen auf festem Baugrund
ist bei dem Bau der evang. Garnisonkirche in Ulm ausgeführt. Der festgelagerte
Kiesboden liegt erst bei – 9,35 m unter der Oberfläche. Dazwischen ist Auffüllung,
Humus, Tuffsand, Lehm, Moorboden und Letten gelagert. Die Belastung wird durch 284
bis zu 9,5 m lange Pfähle aufgenommen. Jeder Pfahl trägt 25 t. Die Pfähle stehen 2 m
tief im Grundwasser und erhielten im oberen Teile Eiseneinlagen zur besseren
Verbindung der Pfahlköpfe mit der über diese weglaufenden Eisenbetonplatte.
Bei der kath. Kirche in Kiew bestand der Baugrund bis 9,5 m Tiefe aus Torf, Schlamm
und Triebsand. Die 11800 t schweren und 67 m hohen Türme stehen auf 320 Straußpfählen mit je 36,8 t Balastung und 9,5 m
Länge.
Das Fundament des fünfstöckigen Direktionsgebäudes der Süd-West-Bahn in Kiew zeigte
infolge von Setzungen Risse vom Fundament bis zum Dach. Zu beiden Seiten der
Fundamente wurden Straußpfähle eingerammt. Eine
Verbindung der Pfahlköpfe durch Balken, die die Fundamente unterfangen sollten,
konnte unterbleiben, da ohne dieselben die Setzungen zum Stillstand kamen.
Bemerkenswert ist, daß die 8,5 m langen Pfähle in einem nur 4 m hohen Keller
eingerammt wurden. (Colberg.) [Beton u. Eisen 1909, S.
54 bis 58.]
Dr.-Ing. Weiske.
Kohlenturm aus Eisenbeton.
Auf der Zeche Recklinghausen 11 der Harpener-Bergbau-Aktien-Gesellschaft ist ein neuer Feinkohlenturm mit 8
Behältern in reiner Eisenbetonkonstruktion erbaut worden, weil die Entwässerung der
Koksfeinkohlen bei der in Eisenfachwerk und Eisenkonstruktion hergestellten alten
Anlage ungenügend war und zulange dauerte, nämlich 36 bis 40 Stunden. Bei der neuen
Anlage sind nur 24 Stunden erforderlich. Die jährliche Menge der gewaschenen
Feinkohlen beläuft sich auf 190000 bis 200000 t. Die 8 älteren eisernen Behälter
faßten nur 120 t, während die neuen Eisenbetonbehälter einen Inhalt von 160–170 t
haben. Bei dem alten Feinkohlenturm war der unter den Trichtern der Behälter zur
Entnahme der entwässerten Feinkohlen angeordnete Bühnenraum durch eiserne Stützen
und Streben vollständig verbaut, also dunkel und wenig übersichtlich. Bei der neuen
Anlage befinden sich unter den Trichtern der Behälter nur drei quadratische Säulen
von 1,03 m Wandbreite, so daß dieser Raum hell und übersichtlich ist. Vorteilhaft
ist ferner der Fortfall an Unterhaltungskosten bei dem neuen
Eisenbetonfeinkohlenturm, die bei der in Eisenkonstruktion hergestellten alten
Anlage sehr erheblich waren. Der neue Feinkohlenturm besteht aus einer 6,5 m Gelände
liegenden Ladebühne, aus 8 großen, rechteckigen, im unteren Teil trichterförmig
gestalteten Entwässerungsbehältern und der Dachkonstruktion. Die für 800 kg/qm
Nutzlast berechnete, auf 15 Stützen ruhende Ladebühne ist mit so stark bemessenen
Unterzügen ausgeführt, daß sie mit den Stützen biegungssteife Portale für die
Aufnahme des ganzen Winddruckes bei leeren Behältern bilden. Die lotrechten
Außenwände besitzen unten eine Stärke von 30 und oben eine solche von 15 cm. Die
Mittelwände sind unten 25 cm und oben 15 cm stark. Beide sind einseitig kreuzweise
bezw. doppelseitig kreuzweise armiert. Die Trichterwände sind in den Mittelrippen
eingespannt und liegen auf einer Randverstärkung der Trichterböden frei auf. Sie
sind als einfach armierte Platten ausgebildet und wegen der dynamischen Wirkungen
des herabstürzenden Schlamms und fester Teile stärker ausgebildet als die lotrechten Wände.
Die Trichterböden bestehen aus einer kreuzweis armierten Platte. In jedem
Trichterboden sind 4 Gußeisentrichter eingebaut, deren Verschlüsse durch Zahnrad und
Zahnstange von der Abzugbühne aus betätigt werden. Zu diesem
Eisenbetonfeinkohlenturm sind 10 Doppelwagen Rund- und Stabeisen verschiedener
Stärke verwandt worden. Der über ein Jahr in Betrieb befindliche Turm hat bisher
keinerlei Undichtigkeiten aufgewiesen. Die Gesamtkosten des betriebfertigen
Kohlenturms haben rund 117700 M. betragen, also erheblich weniger als die einer
gleichartigen Betriebsanlage in Eisenkonstruktion. (Glückauf 1909, S. 50).
J.
Verwendung von Eisenportlandzement.
Der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten in Preußen hat durch Erlaß vom 6. März
1909 bestimmt, daß Eisenportlandzemente und Portlandzemente im allgemeinen als
gleichwertig zu achten sind. Die Eisenportlandzemente sind nach den „Normen für
die einheitliche Prüfung vom Portlandzement“ zu prüfen und bei den Bauten
zuzulassen, wenn sie bei Wasser- und Lufterhärtung befriedigende Ergebnisse zeigen.
Der Eisenportlandzement soll aus mindestens 70 v.H. Portlandzement und höchstens 30
v.H. Hochofenschlacke bestehen.
Dr.-Ing. Weiske.
Schmelzpunktmesser.
Sind von Mineralien, Salzen oder Metallen nur geringe Mengen verfügbar, so können
deren Schmelzpunkte besonders vorteilhaft mit einem neuen von Professor Joly herrührenden Apparate bestimmt werden, dessen
Wirkungsweise darauf beruht, daß die Länge eines elektrisch erhitzten
Platinstreifens in dem Augenblicke gemessen wird, wo durch ein Mikroskop eine
Formänderung erkennbar ist.
Bei der von der Cambridge Scientific Instrument Company
herrührenden Ausführung ist der verwendete Platinstreifen 100 mm lang, 4 mm breit
und 0,01 mm dick. Er ist mit seinen Enden an zwei zur Stromzuführung dienenden Armen
befestigt, von denen einer drehbar gelagert und nach rückwärts über seinen Drehpunkt
hinaus um das Doppelte verlängert ist. Eine auf diesen beweglichen Arm wirkende
Feder hält den Platinstreifen dauernd unter der gleichen Spannung. Die
Längenänderungen des Platinstreifens werden an der Bewegung des verlängerten Armes
mit Hilfe einer Mikrometerschraube mit 0,5 mm Ganghöhe bis auf 0,0005 mm geschätzt.
Mit seiner optischen Achse nach dem Streifen hin gerichtet ist auf einem Gestell ein
Mikroskop gelagert, welches durch je eine Schraube in Richtung des Streifens bewegt
und dem Streifen mehr oder weniger genähert werden kann.
Zur Messung wird der zu prüfende Stoff auf den Platinstreifen gelegt und der letztere
durch eine Haube gegen Zugluft geschützt. Hierauf wird das Mikroskop so weit
seitlich verschoben und seine Enfernung vom Streifen so eingestellt, daß das Bild
des Stoffes im Gesichtsfeld scharf erscheint, und alsdann über regelbare
Vorschaltwiderstände ein elektrischer Strom durch den Platinstreifen geschickt.
Dieser Strom wird allmählich verstärkt, bis durch das Mikroskop das Schmelzen
erkennbar ist. Gleichzeitig wird die Mikrometerschraube dauernd eingestellt, sodaß
im Augenblick des Schmelzens an der Mikrometerschraube die Längenausdehnung des
Platinstreifens abgelesen werden kann. Um die Berührung zwischen Mikrometerschraube
und Hebel zu überwachen, wird bei Berührung beider ein Stromkreis geschlossen,
in welchem sich ein kleiner am Mikroskop sitzender Elektromagnet befindet. Durch
diesen Elektromagneten wird ein kleiner Zeiger gesteuert, der in das Gesichtsfeld
des Mikroskops hineinragt und dem Beobachter bei der Betrachtung des zu
untersuchenden Stoffes gleichzeitig anzeigt, ob die zur Messung erforderliche
Berührung zwischen Mikrometerschraube und Hebel stattfindet oder nicht.
Um eine Temperatur von 1400° C. zu erhalten, ist ein Strom von etwa 6 Amp. nötig. Bei
Erwärmung des Streifens auf mehr als 1500° C. erfolgen dauernde Längenänderungen,
andererseits findet bisweilen zwischen) dem zu untersuchenden Stoffe und dem
Streifen eine Legierung statt, sodaß er aus diesem Grunde nach längerer
Gebrauchsdauer ausgewechselt werden muß.
Bemerkenswert ist die achsiale Verschiebung des Mikroskop es, zu der nicht wie üblich
Zahnstange und Trieb verwendet, sondern auf dem Mikroskoptubus eine Stahlleiste mit
V-förmig abgeschrägten oberen Rändern befestigt ist, gegen die eine kleine mit
entsprechender Eindrehung versehene Walze durch Federkraft angepreßt wird. Ein
Totgang ist bei dieser Anordnung ausgeschlossen und eine etwaige Abnutzung kann
durch Nachstellen der Federn ausgeglichen werden.
Das Eichen des Instrumentes wird zweckmäßig in der Weise bewirkt, daß die bekannten
Schmelzpunkte mehrerer Metalle und Salze beobachtet und hierfür die Längenänderungen
des Platinstreifens bestimmt werden. Ein sorgfältiger Beobachter soll bei 1000° C.
noch Unterschiede von 1° feststellen können. (The Electrician 1908/1909 S.
721–722).
Pr.
Herschels Gefällestärker.
Bei Wasserkraftanlagen mit namentlich bei hohem Wasserstand durch den Rückstau im
Unterwasserkanal stark verringertem Gefälle hat man schon früher daran gedacht, zur
Erzeugung eines höheren Wasserdruckes in der Turbine das überschüssige Kraftwasser
zu verwenden. Versuche, welche z.B. Sangey, der
Betriebsleiter der Wasserkraftanlage in Chevres bei Genf und die Société
Hydromotrice in einer Versuchsanlage an der Arve angestellt haben, zeigen, daß man
schon durch die saugende Wirkung des durch die Oeffnungen eines Schützenwehres
abfließenden Freiwassers eine Senkung des Unterwasserspiegels der Turbinen und damit
eine Vergrößerung des Nutzgefälles bis zu 38 v.H. erzielen kann. Auf einen ähnlichem
Gedanken beruht auch der Gefällestärker von Herschel,
welcher dem von ihm ausgearbeiteten Entwürfe für ein drittes Wasserkraftwerk der
Stadt Genf bei La Plaine zugrunde gelegt ist. Der Abflußkanal der Turbine für
gewöhnliche Niedrigwasserstände ist durch eine Klappe verschließbar, welche aber nur
dann betätigt wird, wenn der Gefällestärker benutzt werden soll. Bei Hochwasser
fällt der Oberwasserspiegel infolge des Oeffnens der Wehrschützen, während der
Unterwasserspiegel steigt. Für je zwei an einer senkrechten Welle arbeitende
Turbinen sind zwei Gefällestärker vorhanden, die nebeneinander den senkrecht unter
den Turbinen liegenden Fallschacht durchdringen. Jeder Gefällestärker besteht aus
einem vom Oberwasser gespeisten kegelförmig zulaufenden und wieder weiter werdenden
Rohr, welches innerhalb des Fallschachtes mit Sauglöchern versehen ist und dessen
Durchflußmenge durch Ventile geregelt wird. Das anschließende Ablaufrohr ist
elliptisch geformt, um den Raum darüber für den gewöhnlichen Betrieb frei zu lassen.
In dem Schacht unter der Turbine wird durch die saugende Wirkung des in dem
durchlöcherten Rohre strömenden Wassers ein Unterdruck erzeugt, welches ein beschleunigtes
Abfließen des von der Turbine ankommenden Wassers bewirkt.
Um die Vorrichtung- auch im praktischen Betriebe zu erproben, hat Herschel Versuche angestellt, bei denen gewisse
Gleichmäßigkeiten zwischen den Wassermengen zum Betrieb der Turbine und des
Gefällestärkers sowie zwischen dem Druckhöhengewinn und der natürlichen Druckhöhe
abgeleitet worden sind, und die auch in der Berliner Versuchsanstalt für
Wassermotoren fortgesetzt werden sollen. (Eger).
[Zentralblatt der Bauverwaltung 1908, S. 634 bis 635.]
H.
Das Elektrizitätswerk Felsenau der Stadt Bern.
Dieses neuere Kraftwerk nutzt eine Wassermenge der Aare von höchstens 50 cbm in der
Sekunde mit 10,6 m Gefälle im Sommer und 12 m im Winter aus. Während die angegebene
Wassermenge in den Monaten April bis September zur Verfügung steht, sinkt sie in den
Wintermonaten soweit, daß vom Oktober bis Februar nur etwa 3100 PS, im März hingegen
wieder die normale Leistung von 4200 PS abgegeben werden können. Das auszunutzende
Wasser wird mit Hilfe eines Wehres mit drei Schützenöffnungen angestaut und durch
einen Einlaufschützen dem 470 m langen Triebwerksstollen von 5‰ Gefälle zugeführt,
dessen freier Querschnitt nach vollständiger Ausmauerung 26,2 qm beträgt. Dieser
Stollen mündet in ein 45 m langes und 9 m tiefes Wasserschloß, das mit fünf Kammern
für die Hauptturbinen und einer Kammer für die Erregerturbinen des Kraftwerkes
versehen ist und an der Auslaufstelle 34 m breit ist. Von hier aus gelangt das
Kraftwasser unmittelbar in die Turbinen, aus denen es durch die anschließenden
Saugschächte und die unmittelbar unter dem Maschinenhause gelegenen Ausläufe in die
Aare abfließt. Während die Hauptturbinen unmittelbar in die Kammern des
Wasserschlosses eingebaut sind, ist die Kammer der Erregerturbinen durch eine
eiserne Wand geteilt und durch Rohrleitungen mit den Maschinen im Maschinenraum
verbunden. Das Kraftwerk ist im ersten Ausbau mit drei Doppel-Francisturbinen wagerechter Bauart ausgerüstet, welche
bei 172 Umdrehungen in der Minute je 1250 PS, im Höchstfalle aber bis zu 1500 PS
leisten können. Sie sind mit Drehstromerzeugern mit feststehenden Ankern und
umlaufenden Polrädern unmittelbar gekuppelt, welche Strom von 3000 bis 3300 Volt
Spannung und 40 Perioden in der Sekunde liefern und normal je 1140 K.V.A., im
Höchstfalle 1370 K.V.A. leisten. Die beiden Erregermaschinen von je 85 KW bei 120
Volt werden von 150pferdigen Francisturbinen von 500
Umdrehungen in der Minute angetrieben. Von ihnen genügt eine für den Bedarf des
ganzen Kraftwerkes. Die Uebertragung des Stromes nach Bern erfolgt durch drei
dreiaderige Kabel von 100 qmm Kupferquerschnitt in jeder Ader, welche zum Schaltwerk
Monbijou führen, das auch den Strom aus dem Dampfkraftwerk erhält und so den Bedarf
auf beide Werke zu verteilen gestattet. [Schweiz. Bauzeitung 1909 I, S. 171 bis
172).
H.