Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 460 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Das Hochofenwerk Lübeck.
Im Jahre 1905 wurde die Aktien-Gesellschaft Hochofenwerk
Lübeck gegründet und im Jahre 1907 wurden schon beide Hochöfen dieses
Werkes angeblasen.
Die Erze kommen zu Wasser an; sie werden durch vier Verladebrücken der Benrather Maschinenfabrik gelöscht und auf den
Lagerplatz oder auch direkt in die Füllrümpfe an den landseitigen Stützen geschafft,
von wo sie in Hängebahnwagen abgezogen werden. Auf jeder Brücke läuft eine
Auslegerkatze (D. P. J. 1909, S. 3) von 5 t Tragkraft für Selbstgreiferbetrieb; die
Hubgeschwindigkeit beträgt 42 m/Min. Der Hubmotor leistet dabei 62,5 PS, der
Katzefahrmotor 41 PS bei einer Fahrgeschwindigkeit von 180 m/Min.
Die Spannweite der Brücken beträgt 75 m. Jede Brücke schafft stündlich 75 t Erz von
Schiff auf Mitte Platz oder von Mitte Platz in die Hängebahn. Die Hängebahn schafft
das Erz in die Erzbunker, die zusammen 4080 t Erz fassen.
Die Hochöfen werden durch Schrägaufzüge bedient; die Nutzlast der Förderwagen beträgt
2000 kg bei 1 m sekundlicher Geschwindigkeit. Die Begichtung geschieht nach dem
Verfahren von Tümmler-Neumark; dieses gestattet eine
gleichmäßige Beschickung bei zentraler Gasführung. Die Winde des Schrägaufzuges wird
elektrisch betrieben; sie besitzt Schützensteuerung (D. P. J. 1908, S. 401), die
Fahrgeschwindigkeit wird gegen Hubende selbsttätig verzögert. Die Höhe der Hochöfen
beträgt 21,1 m.
Die Gasreinigungsanlage ist für 400 bis 500 cbm in der Minute bemessen; ihr
Wasserverbrauch beträgt dabei 300 l. Die Gießhalle wird durch einen
Massenverladekran mit Fallhammer- und Transportkatze, letztere mit Klappkübel und
Lastmagnet, bedient.
Der Wind wird in zwei Verbundgebläsemaschinen der Siegener
Maschinenbau-A.-G. erzeugt; es werden in der Minute 600 cbm Luft angesaugt;
die höchste Pressung beträgt 1 Atm. Zur Erzeugung elektrischer Energie dienen
zwei liegende Tandem-Dampfmaschinen von je 700 PS Nutzleistung bei 125 Umdrehungen.
Jede ist unmittelbar mit einer Gleichstromdynamo für 525 V gekuppelt. Für die
Beleuchtung werden 250 V verwandt; hierfür sind je ein Spannungsteiler vorhanden.
Die elektrische Einrichtung ist von der A.E.G.
geliefert worden. Die Zentraleinspritzkondensation ist für 16000 bis 20000 kg Dampf
in der Stunde bemessen.
Die Dampfkesselanlage von A. Leinweber & Co. in
Gleiwitz umfaßt 12 Flammrohrkessel von 100 qm Heizfläche mit Vorfeuerung für Gicht-
und Koksofengas und einem Planrost für Kohlenfeuerung. Drei Niederdruckkreiselpumpen
fördern in der Minute 8 cbm Wasser bei 17 m Förderhöhe in einen Sammelbehälter; drei
Hochdruckkreiselpumpen schaffen weitere 4 cbm bei 40 m Förderhöhe in einen 200 cbm
fassenden Hochbehälter. Das Wasser aus diesem Behälter dient nur für die besonderen
Zwecke des Hochofenbetriebes.
Trink- und Kesselspeisewasser wird vier artesischen Brunnen von 60 m Tiefe entnommen;
diese liefern in der Stunde 20 bis 30 cbm.
Die Schlacken werden granuliert und in der Schlackensteinfabrik weiter
verarbeitet.
Die Kokerei enthält 100 Oefen in zwei Batterien nach dem Regenerativsystem der Oberschlesischen Kokswerke. Deutsche Kohle liefert
78,59 v.H., englische 74 v. II. Koks. Die Kohlenzerkleinerungsanlage leistet
stündlich 60 t; sie enthält zwei Becherwerke, ein Tafelsieb, einen Steinbrecher,
zwei Desintegratormühlen, einen Kohlenturm aus Eisenbeton mit 15 Fächern, deren
jedes 100 t faßt. Nach der Kohlenmühle wird die Kohle in 20 t Selbstentladern
mittels elektrischer Lokomotive geschafft; diese bringt auch den Koks in kleinen
Wagen von 500 kg Inhalt an die Schrägaufzüge. Als Nebenprodukte der Kokerei werden
Ammoniak und Benzol gewonnen. Die Ammoniakfabrik ist schon im Betrieb; die
Benzolfabrik befindet sich noch im Bau. Das Werk besitzt. einen Hafen, der durch ein
Bassin von 400 m Länge, 30 m Breite und 7,6 m Tiefe gebildet wird.
Jeder Hochofen erzeugt täglich 175 t Roheisen. Zur Verhüttung kommen
hauptsächlich schwedische und spanische Erze. [Simmersbach, Stahl und Eisen 1909, S. 611–620].
Ds.
Bremsvorrichtungen für elektrische Straßenbahnwagen.
Gemäß den durch Fragebogen ermittelten letzten Erfahrungen der
Straßenbahngesellschaften strengt die elektrische Bremse (Kurzschlußbremse) die
Motoren stark an. Fast sämtliche Bahnen, welche die elektrische Bremse führen,
schreiben daher vor, mit ihr stets gleichzeitig die Handbremse zu betätigen. Ein Maß
für die größere Anstrengung der Motoren gibt die Temperaturerhöhung, welche im Anker
36 v.H., am Kollektor etwa 20 v.H. und in den Schenkelspulen 47 v.H. gegenüber der
Erwärmung bei vollständiger Ausschaltung der Kurzschlußbremse beträgt. Mit Rücksicht
hierauf geben Betriebe, welche Kurzschlußbremse und Luftdruckbremse verwenden (Große Berliner und Brüsseler Straßenbahn) bei
Neubeschaffungen der Luftdruckbremse den Vorzug. Zum Nachstellen des Bremsgestänges,
wozu bisher meistens Spannschlösser verwendet wurden, wird neuerdings anscheinend
mit gutem Erfolge vielfach die Nachstellvorrichtung von Chaumont (s. D. P. J. 1907 S. 785) verwendet. Sie ist besonders nützlich
bei Solenoidbremsen, die bekanntlich nur einen kurzen Hub haben und infolgedessen
eine häufige Nachstellung erfordern.
Ausführlich erläuterte Bremsversuche mit einem Motorwagen allein, sowie mit einem
oder zwei Anhängewagen ergaben, daß die Kurzschlußbremse bei mittleren und höheren
Geschwindigkeiten die kürzesten Bremswege auch im Vergleich mit Luftdruckbremsen
liefert. Sie wird nur bei höheren Geschwindigkeiten durch die in Verbindung mit der
Kurzschlußbremse verwendete Schienenbremse übertroffen. Zur Bremsung von Motorwagen
mit drei und vier Anhängewagen hat die Einkammer-Sicherheits-Luftdruckbremse sich
als günstiger als die direkt wirkende Luftdruckbremse und als die
Zweikammer-Sicherheits-Luftdruckbremse erwiesen. Hierbei muß jedoch berücksichtigt
werden, daß für diese Versuche eine Zweikammerbremse veralteter Bauart benutzt
wurde, während neuerdings durch Benutzung eines pneumatisch oder elektrisch
betätigten Steuerventils die Zweikammerbremse sehr vervollkommnet ist.
Interessant sind die Versuche über den Energieverbrauch für die Erzeugung der zum
Bremsen verwendeten Druckluft. Hierzu kann eine Luftpumpe durch die Wagenmotoren
angetrieben werden, indem sie entweder durch ein Exzenter oder durch Zahnräder mit
einer Laufachse gekuppelt ist, oder die Luftpumpe wird durch einen besonderen Motor
angetrieben. Für diese drei Fälle ergab sich ein Wattstunden-Verbrauch für den
Wagenkilometer bei Antrieb der Luftpumpe
1) auf der Stadtlinie
Wattstd. f.d.Wagenkm.
mittels
eines Exzenters
von
der
Wagenachse
41,5
„
Zahnräder
„
„
„
31,2
„
eines besonderen Motors
16,6
2) Auf der Außenlinie
mittels
eines Exzenters
von
der
Wagenachse
22,3
„
Zahnräder
„
„
„
14,6
„
eines besonderen Motors
6,32
Aus diesen Zahlen ist deutlich zu erkennen, wie durch das häufigere Bremsen auf der
Stadtstrecke ein größerer Luftverbrauch als auf der Außenlinie bedingt ist, und wie
ferner im letzteren Falle der Stromverbrauch der durch einen besonderen Motor
angetriebenen Luftpumpe wesentlich stärker herabgeht, da bei den anderen
Antriebsarten die Reibungsarbeit des Kolbens im Zylinder unabhängig von dem
Luftverbrauch dauernd und somit auch dann zu leisten ist, wenn keine Luft gefördert
wird. (Schörling) (Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen
1909 S. 111–116).
Pr.
Webstuhl zur Herstellung endloser, aus einem fortlaufenden
Kettfaden gebildeter Bänder.
Für bestimmte Zwecke werden Bänder hergestellt, bei denen Anfang und Ende ohne Naht
sich wieder vereinigen müssen. Die Kette besteht in diesem Fall aus einem
fortlaufenden Faden, der so oft in geschlossenen Windungen herumläuft, wie die
Breite des herzustellenden Bandes es erfordert. Der Schuß wird bei dieser Webart
anfangs in üblicher Weise durch den Schützen eingetragen, dann, wenn Anfang und Ende
so nahe zusammengerückt sind, daß der Schützen im Fach nicht mehr Platz hat, mit der
Eintragnadel, und endlich im letzten Stück, nach Entfernung des Rietes und der
Schäfte, mit der Stopfnadel eingebracht, wobei gleichzeitig auch Anfang und Ende des
Kettenfadens gegen Herausziehen gesichert werden. Das Herrichten der Kette bot
bislang einige Schwierigkeiten, da diese Manipulation außerhalb der bisher benutzten
Webstühle erfolgen mußte, und die Ordnung der Kettfaden beim Einbringen in den Stuhl
leicht gestört wurde.
Die neue, einfache und zweckentsprechende Vorrichtung, die auch an vorhandenen
Stühlen nachträglich angebracht werden kann, gestattet das Vorrichten der Kette im
Stuhl selbst und vermeidet die Unzuträglichkeiten des besonderen Bäumens und des
Uebertragens der gebäumten Kette in den Stuhl. Die Einrichtung besteht in der
Hauptsache aus einem beweglichen Stützbaum, der im Verein mit dem Brustbaum und dem
Warenbaum ein Dreieck von bestimmtem, der Länge des herzustellenden Bandes
entsprechendem Umfang bildet. Um diese drei Stützpunkte kann der Kettfaden in
vielfachen Windungen bequem so gelegt werden, daß sämtliche Fadenlagen gleiche
Spannung erhalten. Hierauf wird der Stützbaum etwas gelockert, um Raum zur
Einführung einer gewichtsbelasteten Spannrolle zu geben. Letztere trägt an ihrem
Umfang feine Rillen, in die die einzelnen Windungen des Kettfadens eingelegt werden,
um ein Ineinanderschieben derselben zu verhindern. Der Stützbaum dient nun als
Streichriegel und hält die Kette in der für die Fachbildung geeigneten Ebene. Das
Rietblatt muß natürlich bei der Herstellung endloser Bänder zerlegbar sein, da es
erst nach dem Aufspannen der Kette eingebracht werden kann. Das letztere gilt auch
für die Litzen, die so beschaffen sein müssen, daß das Auge erst über dem einzelnen
Kettfaden geschlossen und nach Beendigung der Webarbeit leicht wieder geöffnet
werden kann. Das Weben selbst, bei dem die Kette um die angegebenen Stützpunkte
herumwandert, findet in der anfangs beschriebenen Weise erst mittels Schützen, dann
mit der Eintragnadel und endlich, nach Entfernung von Riet und Schäften, mit der
Stopfnadel statt, (Spezial-Nummer 1 der Leipzig. Monatsschrift f. Textilind.
1909).
Hg.
Wasserkraftwerke in Schweden. (s. S. 447.)
a. Das im Herbst 1906 in Angriff genommene, im Frühjahr 1908 dem Betrieb übergebene
Kraftwerk Sossefors an der norwegischen Grenze nützt
einen Fall des Fösse-Flusses von etwa 7,93 m Höhe und einer zwischen 8,50 und 206,7 cbm
in der Sek. wechselnden Wassermenge mit Hilfe eines Staudammes aus, welcher dazu
bestimmt ist, den Abfluß, der aus einem großen See oberhalb der Fälle gespeist wird,
so zu regeln, daß dem Werk eine Höchstwassermenge von 22,09 cbm in der Sek.
zugeführt werden kann. Der aus Granitblöcken und Zement erbaute, gekrümmte Staudamm
enthält 30 hölzerne Hochwasserschützen von je 1 m Breite und 3,05 m Höhe, welche in
Gruppen von je fünf, von Hand betätigt werden können, ferner ein bewegliches
Ueberfallwehr von 5,05 freier Breite für den Eisgang, und die üblichen Einrichtungen
zum Durchlassen von Fischen und Holzflößen. An dem einen Ende des Dammes befindet
sich das auf gewachsenem Fels gegründete Maschinenhaus, welches drei 600pferdige
Stromerzeugergruppen, und zwei ebenfalls von Turbinen angetriebene Erregermaschinen
enthält. Die großen Turbinen sind wagerechte Doppelturbinen und arbeiten in offenen
Kammern aus Eisenbeton (s. Fig. 1). Ihre Wellen sind
nach dem eigentlichen Maschinenhaus durchgeführt, wo die elektrischen Maschinen,
Regulatoren usw. aufgestellt sind. Das verbrauchte Kraftwasser wird in einem
gemeinsamen, in den Felsen gesprengten Kanal abgeleitet. Der mit 7000 V Spannung
erzeugte Strom wird nach einer benachbarten Holzstofffabrik und der etwa 6,4 km
entfernten Stadt Arvika fortgeleitet. Die Baukosten haben für die Baulichkeiten M.
360000, für die Maschineneinrichtung M. 132000, bei etwa 1700 PS Nutzleistung also
etwa M. 296 für 1 PS betragen.
Textabbildung Bd. 324, S. 462
Fig. 1.
b. Das für eine Gesamtleistung von 4000 PS bemessene Wasserkraft-Elektrizitätswerk Frykfors nutzt die Wasserkraft der aus einer
etwa 73 km langen Kette der Fryken-Seen gespeisten Nors-Flusses aus. Der
Wasserspiegel des Flusses ist mit Hilfe eines Staudammes aus Stampfbeton bis zu der
Plöhe der Seen angestaut worden. Außerdem dient der Damm dazu, den Abfluß innerhalb
der Grenzen von 15 bis 24,92 cbm in der Sek. zu regeln. Dem Kraftwerk wird durch den
Staudamm, welcher auf seiner ganzen Länge 29 Schützen von 0,92 m Breite und 3,96 m
Höhe aufnimmt, ein nutzbares Gefälle von 8,23 m Höhe zur Verfügung gestellt, welches
in 4 Maschinengruppen ausgenützt wird. Jede der großen Doppelturbinen, deren
senkrechte Wellen durch elastische Kupplungen mit den Drehstromerzeugern unmittelbar
verbunden sind, ist in einen besonderen Schacht eingebaut (s. Fig. 2), welcher bei den beiden mittleren Turbinen
auch die einfachen Erregerturbinen aufnimmt und dessen Betonmauerwerk den in
dem Felsen ausgesprengten Ablaufkanal überbrückt. An den Ablaufkanal schließen sich
ein Tunnel und ein offenes zum Fluß führendes Gerinne an. Der erzeugte Strom wird
mit 34000 V Spannung nach Karlstad übertragen, das außerdem von dem
Dejefors-Kraftwerk am Klara-Fluß mit Strom versorgt wird. Die Kosten der baulichen
Anlagen haben M. 700000, die der vorläufig aufgestellten 3 Maschineneinheiten, samt
Zubehörteilen M. 252000, zusammen also etwa M. 262 für 1 PS betragen.
Textabbildung Bd. 324, S. 462
Fig. 2.
c. Das Wasserkraft-Elektrizitätswerk Yngeredsfors. Der
fast senkrechte, 10,06 m hohe Fall des Aetran-Flusses bei Yngeredsfors ist durch
Anlage eines 10 bis 12 m langen gekrümmten Staudammes noch erhöht worden, sodaß ein
Gesamtgefälle von 17,98 m verfügbar gemacht ist. Der auf einem Untergrund aus Gneis
aufgesetzte Staudamm ist teilweise als festes Ueberfallwehr mit 32 hölzernen
Schützen in Stampfbeton ausgeführt. Der Bau des Dammes war besonders schwierig, weil
er oft bei Temperaturen von – 16 bis 17° C fortgeführt werden mußte. Im Kraftwerk
sind drei Doppel-Francisturbinen aufgestellt, welche
bei 250 Umdrehungen in der Minute je 2750 FS leisten, und mit Drehstromerzeugern von
2400 Kilovoltampere bei 4000 V Spannung gekuppelt sind. Die Erregerturbinen leisten
je 110 PS bei 450 Umdrehungen in der Minute. Der Strom wird mit 40000 V Hochspannung
auf Doppelleitung aus je drei 5,58 mm dicken Kupferdrähten etwa 90 km weit nach
Mölndal übertragen. Diese Fernleitung ist dort, wo sie mit einer Spannweite von etwa
180 m den Viskan-Fluß kreuzt, aus Phosphorbronze mit einem Querschnitt von 25 qmm
ausgeführt. Die Gesamtlänge der Fernleitungen dieses Kraftwerkes beträgt
einschließlich der Abzweigungen nach Vorberg und Kungsbocka 120 km. Von den
Baukosten entfallen M. 780000 auf Baulichkeiten und M. 400000 auf die
Maschinenausrüstung, also zusammen etwa M. 156 auf 1 PS nutzbarer Leistung. In
Vorberg ist ein Dampfturbinenkraftwerk von 3000 PS zur Aushilfe errichtet, das im
ganzen etwa M. 133 für 1 PS Nutzleistung gekostet hat. (Engineering 1909 I, S. 342
bis 345).
H.
Windkraft-Elektrizitätswerke.
Elektrische Anlagen mit Windradantrieb haben in der letzten Zeit an Bedeutung
gewonnen, nachdem die Konstruktion der Windräder erheblich verbessert worden ist und
auch die Dynamomaschinen mit besonderer Wicklung versehen oder mit sicher
arbeitenden selbsttätigen Schaltern und Spannungsreglern verbunden werden können.
Allerdings hängt die Betriebssicherheit solcher Kraftwerke davon ab, wie die
einzelnen Teile zusammengebaut werden und ob die immerhin empfindlichen Schalt- und
Regelvorrichtungen in genügend sachkundiger Weise überwacht werden. Zwei neuere
Anlagen, welche sich bewährt haben sollen, sind in Askov und Valle Kilde in Dänemark
im Betriebe. Die vor kurzer Zeit umgebaute Anlage in Askov hat ein Windrad mit vier
Flügeln von 7,4 m Länge und 2,5 m Breite, von dem zwei Gleichstrommaschinen von je 9
KW Leistung angetrieben werden. Der Strom wird zum Zersetzen von Wasser und unter
Vermittlung einer Akkumulatorenbatterie zur Beleuchtung verwendet. Mehrere weitere
Anlagen dieser Art sind bereits ausgeführt worden. Die Windräder müssen so hoch
wie möglich aufgestellt werden. Die Flügel sind in Querfelder eingeteilt und
bestehen in den Feldern aus Fächern, die um 10 bis 25° gegen die Radebene geneigt
sind. Die Formel für die Berechnung der Leistung lautet N=\frac{S \cdot
v^3}{1250}, worin N die Leistung in PS,
S die gesamte Flügelfläche in qm und v die Windgeschwindigkeit in m i.d. Sekunde darstellt.
Bei dem Windkraftwerk in Valle Kilde auf Seeland ist ein gleiches Windrad vorhanden
wie bei dem Werk in Askov. Dieses leistet bei 24 Umdrehungen i.d. Minute 8,6 PS. Die
Dynamomaschine für 30 Ampere bei 110 bis 160 V wird von einer Riemenscheibe durch
ein Vorgelege angetrieben, das an einem mit einem Gewicht belasteten Hebel gelagert
ist. Infolge der drehbaren Anordnung des Vorgeleges beginnt der Treibriemen zu
gleiten, wenn die Umlaufgeschwindigkeit der vom Windrad durch Kegelräder und
stehende Welle angetriebenen Riemenscheibe zu sehr wächst. Die Dynamomaschine ist
außerdem mit einer Hauptstromgegenwicklung versehen. Die Akkumulatoren sind so groß
bemessen, daß sie an windstillen Tagen den gesamten Strombedarf auf längere Zeit
allein liefern können. Auch in der Schweiz sind von der Maschinenfabrik Oerlikon Windantriebe für Dynamomaschinen eingerichtet
worden. (Zeitschr. des Vereins deutscher Ingenieure 1909 S. 358.)
H.