Titel: | Verwaltungsjuristen – Verwaltungsingenieure. |
Autor: | W. Franz |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 498 |
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Verwaltungsjuristen –
Verwaltungsingenieure.
Von W. Franz.
Verwaltungsjuristen – Verwaltungsingenieure.
Im Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich in Deutschland ein Begriff gebildet,
der in dem Wort Verwaltungsjurist festgelegt ist.
Gebräuchlicher und allgemein verwendet seit etwa 4–5 Jahrzehnten wird mit diesem
Wort eine Persönlichkeit gekennzeichnet, die aus der Schule der Jurisprudenz
hervorgegangen ist und nach kürzerer Tätigkeit im Dienste der Rechtspflege sich
einem anderen Berufe, dem Berufe der höheren Verwaltung, zugewendet hat oder – wie
es gewöhnlich heißt – zur höheren Verwaltung „übergetreten“ ist. Und in der
Folge hat sich in allen Ländern deutscher Zunge hieraus eine ganz eigentümliche
Ideenverbindung zwischen Jurisprudenz und Verwaltung
vollzogen. Wir knüpfen an das Wort „Jurist“ ohne weiteres die Fähigkeit, jede
Verwaltungstätigkeit auszuüben. In ganz Deutschland gilt deshalb auch das Bestehen
der ersten juristischen Prüfung als ein Beweis dafür, daß der Inhaber des
Prüfungszeugnisses die wissenschaftlichen Grundlagen für das weite Gebiet der
höheren Verwaltung erworben hat. Ja – wir sehen schon in jedem, der einmal bei einer
juristischen Fakultät eingeschrieben war, den wissenschaftlich gebildeten,
prädestinierten Verwaltungsbeamten. Das Studium der Jurisprudenz, das in erster
Linie für zukünftige Richter und Rechtsanwälte bestimmt ist, ist also in Deutschland
zugleich das Berufsstudium der höheren Verwaltung. Dabei ist es aber nicht etwa
erforderlich, daß der Verwaltungsjurist als Richter oder Rechtsanwalt tätig war. Es
wird diese Tätigkeit des Rechtsprechens und Rechtfindens – überhaupt eine längere
und ausschließliche Beschäftigung mit den Materien des Rechts und seiner Anwendung –
neuerdings sogar als ein Mangel in der Vorbildung der Verwaltungsjuristen
betrachtet.
Diese eigentümliche Begriffsbestimmung, die das vorige Jahrhundert gebildet hat, ist
auch in dem neuen Jahrhundert durch einen wichtigen Gesetzesakt wieder festgelegt
worden. In dem preußischen Gesetz von 1906 – das erst nach langen ausgedehnten
Verhandlungen zustande gekommen ist – wird an das Bestehen der ersten juristischen
Prüfung nicht nur die ausschließliche Berechtigung zur
Laufbahn der höheren Verwaltung geknüpft, es wird auch gesagt, daß nur mit dem
Bestehen dieser – und keiner anderen – Prüfung die Befähigung erlangt werde. Wie sehr diese Anschauung in unser Bewußtsein
eingedrungen ist, wird uns erst wieder klar, wenn wir von einer Ausnahme hören. Wenn
z.B. ein Minister berufen wird, der kein juristisches Prüfungszeugnis aufweisen
kann, so empfinden wir das Fehlen dieses Zeugnisses geradezu als einen Mangel in
seiner Vorbildung; wir sind jedenfalls leicht geneigt, anzunehmen, daß er nur eine
geringere Befähigung zum Verwalten haben könne.
Wenn man den Begriff Verwaltungsjurist noch genauer
fassen will, so wird man auch darauf hinzuweisen haben, daß nach deutscher
Auffassung das juristische Wissen, wie überhaupt die akademische Bildung auf einer
bestimmten Hochschule, der Universität, erworben sein muß; eine andere
Hochschule ist aus geschlossen. Die Universität bezw. die juristische
Fakultät hat für das so weite und so vielgestaltige Gebiet der Verwaltung eine
ähnliche Monopolstellung erhalten, wie sie bis vor kurzem noch das humanistische
Gymnasium für die sogenannte Allgemeinbildung und die Zulassung zur Hochschule
besessen hatte. Das gilt nicht bloß für die höhere Verwaltung im Staate (die ist mit
einem verhältnismäßig nur kleinen Bruchteil beteiligt), sondern auch für die
Verwaltung der kommunalen Verbände, besonders der Städte, und in der Neuzeit in
immer steigendem Maße auch für die vielen wirtschaftlichen Vereinigungen. Wo immer
in der neuen Zeit eine Berufstätigkeit entstanden ist, die – wenn auch nur äußerlich
– die Formen der bestehenden Verwaltung angenommen hat – sie hat ihr Berufsstudium
in der Jurisprudenz erhalten. Zwischen den allgemein bildenden Fächern der
Mittelschule und der Jurisprudenz der Hochschule besteht auch insofern eine weitere
Aehnlichkeit, als man nahe daran ist, die akademisch juristische Bildung mit Bildung
überhaupt zu verwechseln. Das Studium der Jurisprudenz ist zum Studium katexochen
geworden. Und in der Folge sind alle Wissensrichtungen, die einen so bestimmenden
Einfluß auf die Gestaltung unserer neuzeitlichen Verhältnisse gewonnen haben, aus
der Vorbildung der obersten Beamten ganz ausgeschieden; in der führenden Schicht
unseres Landes haben die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, besonders aber die
angewandten Naturwissenschaften nur einen niedrigen Kurs. Akademisch gebildet –
überhaupt gebildet – darf sich hier jeder nennen, der während seiner Studienjahre
die genannten Wissenszweige vollständig ignoriert hat. Es genügt, wenn er drei Jahre
bei einer juristischen Fakultät eingeschrieben war – und sein Prüfungswissen beim
Repetitor geholt hat.
Ich glaube, wer auch nur versucht, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie denn
der große Organismus der Verwaltung noch funktionieren soll, wenn bei seiner
unmittelbaren Betätigung alle anderen Wissensrichtungen ausgeschaltet bleiben
sollen, der muß erkennen, daß wir auf einem gefährlichen Wege sind. Aber dieser
unmittelbare Nachteil, der sich aus der Einseitigkeit der Vorbildung ergibt, könnte
noch gering angeschlagen werden. Wir können hoffen, unter der großen Zahl derer, die
als Studenten nichts anderes denn jus studiert haben, doch immer wieder tüchtige
Verwaltungsbeamte zu finden – wenn das auch mit der Zeit sehr schwierig werden
wird. – Was mir bedenklicher erscheint, ist der mittelbare Nachteil, den dieses
System mit sich bringt.
Wenn in einem Land die Führung der Volksgemeinschaft immer ein und derselben Wissens-
und Geistesrichtung überlassen wird, wenn die leitenden, die regierenden Beamten von
Generation zu Generation aus der gleichen Schule hervorgehen, die zudem für ganz
andere Ziele bestimmt ist, so muß schließlich eine Zeit kommen, in der den
maßgebenden Stellen das Verständnis für den Wert einer anderen Geistesschulung ganz
verschlossen bleiben muß – in der sie auch bei gutem Willen gar nicht mehr die
Fähigkeit, das wirklich Richtige zu erkennen, besitzen. Auf diese Gefahr ist schon
vor 50 Jahren von einsichtigen Männern hingewiesen worden. Bei der Schulreform haben
wir dieselbe Erscheinung verfolgen können. Wer seine Mittelschulbildung
ausschließlich in der humanistischen Richtung des Gymnasiums erhalten hatte, dem
mußte es schwer fallen, zuzugeben, daß eine anders geartete Einwirkung auf die
Geistes- und die Charakterbildung die gleichen Resultate oder gar noch bessere
hervorbringen könnte. Da die überwiegende Mehrzahl aller in unserem Staatsleben
führenden und bestimmenden Persönlichkeiten durch die historisch gewordene, mit
weitgehenden Vorrechten ausgestattete, Mittelschule gegangen waren, so wäre der
Kampf der wenigen Einsichtigen erfolglos geblieben, wenn nicht ein mächtiger Wille
eingegriffen hätte. Auf dem Gebiete, das uns heute beschäftigt, liegen die
Verhältnisse auch in diesem Punkt ganz ähnlich. Seit einem halben Jahrhundert etwa
ist die akademische Bildung aller höheren Verwaltungsbeamten der juristischen Schule
überlassen, und schon können wir ganz deutlich beobachten, wie bei den führenden
Männern unserer Staaten, in den Ministerien und den Parlamenten jede andere
Möglichkeit, einen brauchbaren Nachwuchs in der höheren Verwaltung zu erzielen, von
vornherein als unmöglich betrachtet wird, wenn nicht einer bestimmten Hochschule das
bestehende Monopol belassen wird. Man ist überzeugt, daß die bisherige Vorbildung
mit vielen Mängeln behaftet ist, daß es so nicht weiter gehen kann; man ist sich
auch bewußt, daß die juristische Schule, diese eigentümliche Verbindung von
Verwaltungs- und Richterstudium auf die Dauer nicht beibehalten werden kann –
jedenfalls nicht als ausschließliches Berufsstudium für zwei ganz verschiedene
Berufe. Aber unter der großen Zahl derer, die als Staatsmänner oder Parlamentarier,
als Verwaltungsbeamte und Sachkenner über das Problem geredet und geschrieben haben,
ist nicht ein Einziger, der eine andere Möglichkeit der Vorbildung auch nur erwähnt
hätte – eine andere Vorbildung als das Studium auf einer Universität. Sie haben
selbst alle auf der Universität studiert, sind alle bei einer juristischen Fakultät
eingeschrieben gewesen, und können sich deshalb überhaupt nicht vorstellen, daß es
eine andere Möglichkeit der Vorbildung gibt.
Als das vorerwähnte Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst
vorbereitet wurde, hat man in den preußischen Ministerien die verschiedenen
Möglichkeiten doch gewiß erwogen. Ueber die Frage nach der Hochschule ist man mit
einem einzigen Satz hinweggegangen, der ungefähr so lautete: Der zukünftige höhere
Verwaltungsbeamte muß naturgemäß auf der Universität studiert haben. Wenn es
selbstverständlich war, daß keine andere Hochschule bei der akademischen Vorbildung
der deutschen Verwaltungsbeamten mitwirken könne, so durfte naturgemäß auch keine
weitere Erwägung angestellt werden.
Fürst Bülow hat kürzlich von der Engherzigkeit und Kurzsichtigkeit der deutschen
Regierungen aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts gesprochen. Solche Phasen sind
in jedem Zeitalter möglich. Meiner Ansicht nach sind wir wieder mitten in einer
solchen Zeit. Engherzig versperren Regierungen und Parlamente die Laufbahn der
höheren Verwaltung und kurzsichtig verschließen sie sich den vorhandenen
Möglichkeiten einer zeitgemäßen Vorbildung unserer Führerschaft.
Ich entnehme aus dieser Erscheinung die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses aller
der Volkskreise, die sich noch die Einsicht in die drohende Gefahr bewahrt haben. In
erster Linie müßte die technische Intelligenz aufstehen und verlangen, daß neben der
Jurisprudenz auch die angewandten Naturwissenschaften wieder als wissenschaftliche
Grundlagen der Verwaltungstätigkeit in Regierung und Diplomatie zur Geltung kommen.
Die einseitig juristische Schulung müßte verschwinden, der Nachwuchs der
Führerschaft müßte wieder lebensfrischer werden. „Fort mit dem
Juristenmonopol!“ – das müßte die Losung werden. Dieses einfache Programm
von der gesamten technischen Intelligenz aufgestellt, würde eine große Zugkraft
haben.
Für die praktische Ausführung unserer Forderung brauchten wir nur dem
„Verwaltungsjuristen“ den „Verwaltungsingenieur“
gegenüberzustellen, um weite Kreise davon zu überzeugen, daß eine Wandlung zum
Bessern ohne Ueberstürzung und auf durchaus sicherem Wege zu erreichen ist. Ich habe
das wiederholt ausgeführtVergl. „Der
Verwaltungsingenieur.“ Verlag Oldenbourg,
München-Berlin.. Ganz analog dem vorher gekennzeichneten Begriff
„Verwaltungsjurist“ hätten wir unter einem Verwaltungsingenieur einen
Akademiker mit voller Mittelschul- und voller Hochschulbildung zu verstehen, der in
dem Milieu des technischen Fortschritts studiert hat. Seine Universität ist die
Technische Hochschule; er geht aus der Schule der Ingenieurwissenschaften hervor; er
hat die für zukünftige Ingenieure geforderte Abschlußprüfung bestanden, um sich frühzeitig der praktischen Verwaltungstätigkeit zu
widmen.
Für den zukünftigen Verwaltungsbeamten ist auf diese Schule der Praxis der
allergrößte Wert zu legen. Sie ist mindestens ebenso wichtig
als das Hochschulstudium. In dieser frühzeitig einsetzenden praktischen
Schulung liegt auch der Erfolg begründet, den bisher die Verwaltungsjuristen – trotz
aller Mängel ihrer akademischen Vorbildung – gehabt haben. Der Verein deutscher
Ingenieure hat auf der diesjährigen Tagung in Wiesbaden diesem Gedanken seine
Unterstützung zugewandt. In seiner Resolution heißt es: „Wenn Akademiker aller
Berufsklassen zu den höheren, jetzt ausschließlich von Juristen bekleideten
Aemtern im Staats- und Kommunaldienst zugelassen werden wollen, so müssen sie
reine Verwaltungsbeamte werden und auf eine Betätigung in ihren eigentlichen
Fachgebieten verzichten. Sie müssen sich einer gleichen Ausbildung im
Verwaltungsdienst unterwerfen, wie die jetzigen Regierungsreferendare und die
vom Staate für die höheren Verwaltungsbeamten geforderte zweite Staatsprüfung
ablegen.“ Gibt es eine einfachere Lösung des Problems, die zugleich die Gewähr bietet, daß wir eine möglichst
gleichmäßig vorgebildete zu einheitlicher Tätigkeit bestimmte Beamtenschaft
erhalten? Man hat vorgeschlagen – um die Verwaltung vielseitiger zu gestalten – die
führenden Beamten aus allen Berufsständen, aus den Fachtechnikern, Kaufleuten,
Landwirten usw. zu entnehmen. Das mag für einzelne Fälle
ausführbar sein. Für ein System der Beamtenerziehung ist der Vorschlag-
untauglich. Ich glaube auch, daß eine solche Lösung – wenn sie überhaupt möglich
wäre, gerade die technische Intelligenz am ungünstigsten stellen würde. Einen
Kaufmann, einen Landwirt würde man vielleicht zum Landrat wählen und ernennen –
einen Fachtechniker niemals. Oder hat man jemals an irgendeiner Stelle erwogen,
einen Architekten oder den Kreisbauinspektor für die Besetzung des Landratsamtes in
Vorschlag zu bringen? (Gesetzliche Bestimmungen stehen dem nicht im Wege).
Ohne diese wichtige Stelle aber, die in Preußen das Sprungbrett zu allen Aemtern der
Staatsführung ist, würde das Ziel nicht erreicht werden können, die ganze Verwaltung
(und die Diplomatie) mit technischer und wirtschaftlicher Intelligenz zu
durchsetzen.
Es käme noch eine andere Lösung in Betracht: Technische und wirtschaftliche Studien
an der Universität. Damit wäre aber das Interesse der Techniker wenig gefördert,
während allein die Tatsache, daß ein Landrat auf derselben Hochschule studiert, auf
der auch der Kreisbauinspektor seine wissenschaftliche Schulung erhalten hat, für
das Ansehen und die Wertschätzung des letzteren von großer Bedeutung sein müßte.
Es ist in der letzten Zeit lebhaft darüber debattiert worden, wie wohl die Stellung
der akademisch gebildeten Techniker in den Behörden sowohl wie im freien Berufe
gehoben werden könnte. Auch für diese Frage gibt es m.E. keine einfachere Lösung als
die: Man trete dafür ein, daß die Hochschule des Kreisbauinspektors auch die
akademische Bildungsstätte des Landrats werde. Man fördere die Ueberzeugung, daß die
geistige Schulung auf einer Technischen Hochschule – daß die wissenschaftliche
Arbeit im Geiste des technischen Fortschrittes für die Vorbildung der führenden und
regierenden Beamten ebensogut ist, wie die zurzeit vorgeschriebene juristische
Schulung auf der Universität. Reform der Berechtigungen muß verlangt werden. – Das
bringt auch die Lösung der Technikerfrage.
Ich habe diesen Gedanken an das Wort „Verwaltungsingenieur“ geknüpft und
glaube, daß das letztere seine Berechtigung erweisen wird – schon deshalb, weil die
Analogie in der Bezeichnung „Verwaltungsjurist“ gegeben ist. Ein
Verwaltungsjurist ist – wie aus dem Vorhergehenden schon ersichtlich – ein Verwaltungsbeamter, der aus der Juristenschule
hervorgegangen ist, kein Jurist. Der zweite Wortteil bedeutet also die Herkunft, nicht die Berufstätigkeit. Man bezeichnet nicht etwa den
aufsichtsführenden Richter eines Amtsgerichts oder den Präsidenten eines
Landgerichts oder irgendeinen Verwaltungsbeamten der Justiz als
„Verwaltungsjuristen,“ sondern – um das noch einmal zu sagen – nur
denjenigen Akademiker, der aus der Juristenschule (und der juristischen Praxis) in
den Beruf der Verwaltung übergetreten ist. Auch der „Verwaltungsingenieur“
soll Verwaltungsbeamter werden, nicht etwa Fachtechniker – nicht Architekt oder
Wasserbauer, nicht Baumeister oder Betriebsingenieur. Der Verwaltungsingenieur soll
seinen Beruf in der Verwaltung finden, er soll den Geist der angewandten
Naturwissenschaften in den veralteten Organismus unserer Verwaltungen hineintragen,
er soll mit helfen zu modernisieren. Die „Modernisierung“ wird jetzt mit
allen Mitteln angestrebt. Das vorgeschlagene Mittel, mit dem auf Technischen
Hochschulen vorgebildeten Verwaltungsingenieur eine vorsichtig wägende und
entschieden auftretende Initiative direkt, und unmittelbar zur Wirkung zu bringen,
wird nicht das schlechteste sein.
Unsere Regierungen und unsere Volksvertretungen werden die Mitwirkung der Technischen
Hochschulen in der Zukunft nicht entbehren können. Darum gilt es vorzuarbeiten.
Die Erziehung von Verwaltungsingenieuren wird neben der Schulung von Fachtechnikern
– die stets die vornehmste und erste Aufgabe der Technischen Hochschulen bleiben muß
– die besondere Aufmerksamkeit dieser Bildungsstätten erfordern. Sie wird zunächst
auf die Bedürfnisse der Privatwirtschaften, der Industrie werke und der
wirtschaftlichen Verbände gerichtet sein müssen. Auch die öffentlichen Korporationen
und besonders die Städte zählen schon jetzt zu dem Kreise derjenigen, die an der
Erziehung von Verwaltungsingenieuren Interesse nehmen. Es wird deshalb auch das
immer noch wachsende Personalbedürfnis ihrer Verwaltungen schon jetzt zu
berücksichtigen sein. Und dies besonders deshalb, weil gerade der Dienst in den
Selbstverwaltungen eine vorzügliche Schule für den Verwaltungsingenieur ist und weil
ein Erfolg auf diesem Gebiete schließlich auch die Staatsleitung von der
Brauchbarkeit der Verwaltungsingenieure überzeugen wird.
Aber nicht bloß Vorarbeit soll hiermit geleistet werden – es ist auch der Ausgleich
widerstrebender Meinungen ein Ziel, das mit dem Vorschlag erzielt werden soll. Der
Kampf zwischen Techniker und Jurist ist aussichtslos. Weder der eine noch der andere
kann entbehrt werden. Es ist aber weder der Jurist noch der Techniker für die
Führung einer Nation geeignet. „Mit Pandekten und deutscher Rechtsgeschichte“
sagt R.v. Mohl
„wird die Welt nicht regiert, und überhaupt gibt die ausschließliche
Beschäftigung mit positivem Rechte dem Geiste des jungen Mannes einen engen
Gesichtskreis und eine einseitige Auffassung, welche ihn zu allen anderen
Geschäften, als zum eigentlichen Rechtsprechen verderben.“ Ist nicht auch
bei dem Techniker eine engere Grenze gezogen? Folgt nicht aus der Zweckbestimmung
seines Berufsstudiums, daß der Fachtechniker (es handelt sich immer nur um
Fachtechniker) sich nicht gleichzeitig auf zwei Berufe vorbereiten kann? Wer
Baukünstler werden will, will doch nicht gleichzeitig auch alle die Studien treiben,
die für die Verwaltung unumgänglich sind. Und wer sich nach seinem Hochschulstudium
als Maschinen-Konstrukteur beschäftigt hat, hat das doch nicht getan, um Kenntnisse
und Erfahrungen für die Leitung eines Landratsamtes zu erwerben – er möchte
wahrscheinlich niemals Landrat werden. Was der akademisch gebildete Techniker –
gleichgültig ob er beamteter Wasserbauer oder Zivilingenieur ist – verlangt, ist die
Anerkennung der Gleichwertigkeit. Er verlangt die gleiche soziale Stellung mit dem
Richter und dem Rechtsanwalt, und er will im Amte mit dem „Juristen“ in
gleicher Linie arbeiten; seine Arbeit soll die gleiche
Würdigung finden. Aber da ist auch die Grenze. Er kann nicht verlangen, daß
der Richter bei Seite tritt und den Ingenieur Recht sprechen läßt, oder daß der
Landrat einem Baurat sein Amt überträgt. Jedem das Seine – das muß auch hier gelten.
Der jetzt herrschende Antagonismus zwischen Jurist und Techniker ist zum größten
Teil darauf zurückzuführen, daß beide sich gegenseitig nicht würdigen können. Sie stehen sich fremd gegenüber, weil von keiner
Seite eine Vermittelung, ein Uebergang, möglich ist. Dazu kommt, daß innerhalb der
Verwaltungskörper nicht der Jurist dem Techniker gegenübersteht, sondern oft als
jüngerer Verwaltungsbeamter ihm übergeordnet ist. Und
hier kommt dann leicht die Ueberhebung des juristisch vorgebildeten Akademikers
gegen den Techniker hinzu, der schon seiner Herkunft wegen als nicht gleichwertig
betrachtet wird. Aus der Schule der Ingenieurwissenschaften kann ja kein höherer
Verwaltungsbeamter hervorgehen. Und schließlich ist es auch dieses Empfinden der
vermeintlichen oder von der Gegenseite behaupteten Inferiorität, das den Techniker
niederdrückt. Diese Gegnerschaft würde in kurzer Zeit verschwinden, wenn neben den
Verwaltungsjuristen auch Verwaltungsingenieure in allen Verwaltungen tätig wären.
Damit wäre ein sicherer Weg des gegenseitigen Verstehens gegeben, der einseitigen
Ueberhebung wäre jeder Schein der Berechtigung genommen und was das wichtigste ist:
den Fachtechnikern wäre an allen Stellen im Innern der
Verwaltungskörper eine Persönlichkeit gegeben, welche die technische Arbeit voll
würdigen könnte und stets für die Gleichstellung juristischer und technischer
Intelligenz eintreten würde. Gibt es eine einfachere Lösung des Problems?
Bemerkungen der
Schriftleitung.
Auch wir möchten die Frage hiermit zur Diskussion stellen, auf welchem Wege die
zurzeit zweifellos unzulängliche Vorbildung der höheren Verwaltungsbeamten von
Reich, Staaten, Städten usw. den neuzeitlichen Forderungen angepaßt werden könnte.
Insbesondere wäre es uns erwünscht, wenn Vertreter der technischen Intelligenz ihre
Ansicht äußern wollten, in welcher Weise sie eine Beteiligung der Technischen
Hochschule bei den vorliegenden Aufgaben wünschen. Wir stellen diese Blätter hiermit
zur Verfügung und bitten besonders die Frage zu behandeln, ob die Technischen
Hochschulen gleich der Universität die akademischen Bildungsstätten der höheren
Verwaltung werden sollen oder ob sie bei der Schulung der wichtigsten Beamtenschaft
nach wie vor ausgeschaltet bleiben sollen.
Die Schriftleitung.