Titel: | Die internationale Luftschiffahrts-Ausstellung in Frankfurt a.M. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 573 |
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Die internationale Luftschiffahrts-Ausstellung in
Frankfurt a.M.
Die internationale Luftschiffahrts-Ausstellung in Frankfurt
a.M.
Es war ein zeitgemäßer und glücklicher Gedanke, in Deutschland eine
Luftschiffahrts-Ausstellung zu veranstalten, und Frankfurt ist wegen seiner Lage und
als ein Zentrum des Fremdenverkehrs, wie auch durch den schönen Ausstellungsplatz
mit Festhalle für eine solche Ausstellung durchaus geeignet. Die Stadt hat auch
genügende Mittel und ist bereit, Opfer für eine gute Sache zu bringen, auch versteht
man in Frankfurt Ausstellungen zu arrangieren, wie die mustergiltige
Elektrotechnische Ausstellung bewiesen hat. Diese Ausstelllung, von Sonnemann, dem Gründer der Frankfurter Zeitung angeregt
und organisiert, war ein voller Erfolg, was man von der Ila bis jetzt noch nicht
sagen kann. Diese Ausstellung ist sogar ein Mißerfolg, wenn man die Betonung auf das
International legt, das Ausland ist nämlich so gut wie nicht vertreten, und ist
namentlich das Fernbleiben Frankreichs bedauerlich, weil dieses Land in der
Luftschiffahrt, vor allem in der dynamischen Luftschiffahrt, die Führung hat. Bis
vor kurzen fehlten auch noch die deutschen Haupt-Ausstellungsobjekte, die
Luftschiffe, ganz, abgesehen von der Gondel des Motorballons Ruthenberg und von einigen ausgestellten Modellen. Das Eintreffen des
neuen „Parseval“-Luftschiffes aus Bitterfeld und
der mehrtägige Aufenthalt des „Zeppelin II“ bei seiner Ueberführung nach Köln
gaben erst Gelegenheit, die hauptsächlichsten Vertreter unserer deutschen
Luftschiffsysteme zu sehen. Zeppelin hat die
Ausstellung des Z 3 zugesagt, welches Luftschiff Anfang September eintreffen dürfte.
Die weiter angemeldeten Luftschiffe von Dr. Ganz-Fabric
(System Dr. Ganz und Ingenieur Rodeck) der Rheinisch-Westfälischen
Motorluftschiff-Gesellschaft und Clouth werden
dort montiert und dürfte Clouth zuerst auf die
Ausstellung gelangen. Die Hallen zur Aufnahme derselben sind bereit. Es ist jedoch
immer etwas gewagt, eben fertiggestellte neue Konstruktionen auszustellen, wenn
nicht genügend Zeit vorhanden ist, um dieselben auszuprobieren. Beim Luftschiff der
Rhein. West f. Gesellschaft ist ja mit ziemlicher
Sicherheit anzunehmen, daß es gut funktionieren wird, da es sich an die bereits
mehrfach ausgeführte und erprobte Type von Renard-Kapferer anlehnt, die in den Luftschiffen „Ville de Paris“
und „Clement-Bayard“ bereits viele gelungene
Fahrten ausführte. Die Abweichungen gegenüber diesen Luftschiffen bei dem ersten
Luftschiff der Rhein. West f. Gesellschaft sind gut
durchdacht und dürften gut funktionieren. Dagegen stellt das System Dr. Ganz ein neues, bisher noch nicht ausgeführtes System
dar, das einer gründlichen Ausprobierung bedarf, und bei dem sich die
Kinderkrankheiten jeden neuen Systems auch zeigen dürften. Dr. Ganz gebührt jedoch ein großes Verdienst, daß er die
erheblichen Mittel zur Ausführung dieses neuen Luftschiff-Typs hergegeben hat, das,
wenn auch weniger für große Geschwindigkeiten geeignet, doch viele Vorteile für
militärische und Sportzwecke verspricht. Ueberhaupt hat Dr. Ganz viel für die Ila getan und läßt jetzt einen Wrightflieger für das Flugfeld kommen. Sonst sind die dynamischen
Flugapparate auf der Ila noch sehr schwach vertreten, da französische Aussteller
fehlen und in den anderen Ländern, Deutschland einbegriffen, diese Luftfahrzeuge
noch in der ersten Entwicklung stehen. Die Ausstellung in Paris im Dezember vorigen
Jahres im Anschluß an die Automobil-Ausstellung, war hierin viel reichhaltiger, und
man hatte außerdem Gelegenheit, in Issy les Moullineaux bei Paris und anderen
Orten diese Flugapparate fliegen zu sehen. Die Ila will zwar auch Flugkonkurrenzen
veranstalten, jedoch dürften dieselben mit den in Frankreich bereits erzielten
Flugleistungen nicht konkurrieren können, wenn es nicht gelingt, einen der
bedeutenden Aviatiker des Auslandes für die Ila zu verpflichten, denn, abgesehen von
Grade in Magdeburg und Euler in Frankfurt sind die deutschen Flieger noch im ersten Stadium ihrer
Flugversuche, und namentlich beim dynamischen Fliegen heißt es: Uebung macht den
Meister. Selbst wenn die ersten Apparate der deutschen Flugtechniker richtig gebaut
sind, ist ein Erfolg doch sehr zweifelhaft, wenn ein ungeübter Flieger sie lenkt.
Die ersten Versuche in der großen Oeffentlichkeit vorzunehmen, wie der Flugplatz
einer internationalen Ausstellung ist nicht angebracht, da die ersten Versuche immer
mißglücken und daher die Sache des dynamischen Fluges nur in Mißkredit zu bringen
geeignet sind. Die ersten Versuche müssen, wie dies auch Grade und Euler machten, unter Ausschluß der
Oeffentlichkeit vorgenommen werden, das bewies auch der Mißerfolg von Zipfel in Berlin. Wenn man wie die Gebrüder Wright und ihre Schüler und wie Farman, Delagrange, Bleriot, Esnault-Pelterie, Latham und die anderen
französischen Aviatiker fliegt, kann man die Welt in einer internationalen
Ausstellung zum Zuschauen einladen. Das wissen auch die deutschen Aviatiker, die
schon etwas können, wie Grade und Euler und darum halten sie sich noch zurück. Das dürfte
der Grund sein, der Dr. Ganz veranlaßt, einen erprobten
Apparat zu kaufen und mit den öffentlichen Flügen einen Schüler von Wright zu beauftragen. Es heißt auch, daß der Belgier
de Carters, der mit einem Voisin-Zweidecker schon mehrfach geflogen ist, auf dem Flugfelde der Ila
fliegen wird. Sein Apparat soll schon eingetroffen sein.
Inzwischen sollen Gleitflüge auf dem Flugfelde der Ila veranstaltet werden, doch auch
hierzu ist es noch nicht gekommen, obwohl das Publikum durch die Programme schon
mehrfach hierzu eingeladen war. Ein Schaden ist dies nicht, denn Gleitflüge von 30
m, wie sie bisher durchschnittlich als gute Leistungen erreicht wurden, abgesehen
von den Leistungen Lilienthals und der Gebrüder Wright, befriedigen wenig und sind dabei für die
Ausübenden mit weit größeren Gefahren verknüpft als das Fliegen mit Drachenfliegern
und anderen dynamischen Flugapparaten mit Motor, Beweis, die mehrfachen tödlichen
Stürze. Der Gleitflug ist auch durchaus nicht erforderlich, um den Drachenflug zu
lernen, im Gegenteil, es nutzt nichts, denn die Technik des Gleitfluges ist ganz
verschieden von der des Drachenfluges. Abgesehen von den Gebrüdern Wright haben auch alle Aviatiker von Bedeutung, wie Bleriot, Farman, Delagrange, Santos-Dumont, Latharn,
die Schüler der Gebrüder Wright, den Gleitflug
überhaupt nicht geübt und haben es doch in verhältnismäßig kurzer Zeit zu
hervorragenden Leistungen im Drachenfluge gebracht. Es ist daher falsch, wenn in den
Vorträgen, die im Ila-Theater gehalten werden, der Gleitflug als die durchaus
notwendige Vorstufe des Drachenfluges dargestellt und zur Vornahme von
Gleitflugversuchen aufgefordert wird. Mit den heutigen Apparaten ist der Gleitflug
der gefährlichste Sport und dabei kann das Erreichte wenig befriedigen. Auch sonst
sind diese Vorträge, die von einem Nichtfachmann gehalten werden, der sich erst seit
Oktober vorigen Jahres mit Luftschiffahrt beschäftigt, nicht auf der Höhe, auf der sie in
einer internationalen Ausstellung- sein sollten. Dagegen verdienen die während der
Ila durch den Physikalischen Verein gehaltenen Vorträge von ersten Fachleuten und
Gelehrten alles Lob.
Die beiden auf der Ila in flugfähigen Apparaten ausgestellten Systeme von
Drachenfliegern, Wright und Voisin, sind aus den Veröffentlichungen der Zeitschriften wohl genügend
bekannt. Während der ausgestellte Apparat der deutschen Gesellschaft
„Flugmaschine Wright“ noch Original ist, hat
August Euler die von ihm ausgestellten zwei
Apparate System Voisin bereits in eigner Werkstatt
gebaut. Gegenüber den Original-Apparaten von Voisin
zeichnen sich die Drachenflieger von Euler durch ein
erheblich geringeres Gewicht aus. Auch der von Euler
eingebaute Adler-Motor ist sehr gut konstruiert
und zeigt gegenüber den französischen Luftschiff- resp. Flugmaschinen-Motoren viele
Verbesserungen. Sonst ist noch ein Uebergangsmodell von Etrich-Wells ausgestellt, ferner ein Modell von Dr. Gans. Beide machen nicht den Eindruck, daß Drachenflüge
damit gelingen können. Der neue Apparat von Jotho in
Hannover, der nach den Photographien vertrauenerweckend aussieht, soll in den
nächsten Tagen eintreffen, ebenso zwei Drachenflieger von Schüler. Sonst sind noch viele Modelle ausgestellt, die aber meistens
nicht vielversprechend sind.
Nach Eintreffen der Flugapparate und Fertigstellung der Luftschiffe wird es sich
lohnen, die Reise zum Besuch der Ila anzutreten, namentlich aber wenn der „Z
III“ eingetroffen ist.
Frankfurt a.M., 14. August 1909.
A. Vorreiter.