Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 574 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Die 7000. Lokomotive von A.
Borsig.
Textabbildung Bd. 324, S. 574
Die Lokomotivfabrik von A. Borsig, Berlin-Tegel,
bekanntlich die älteste Lokomotivfabrik Deutschlands, hat am 22. Juni er. die 7000.
in ihren Werkstätten gebaute Lokomotive zur Ablieferung gebracht. Der Zufall hat es
gefügt, daß die 7000. Lokomotive zugleich die 100. Lokomotive war, die von der Firma
A. Borsig für Frankreich bzw. französische
Besteller geliefert worden ist. Die Lokomotive ist eine ⅗ gekuppelte 4-zylindrige
Schnellzugs-Verbund-Lokomotive und hat folgende Abmessungen:
Zylinderdurchmesser,
Hochdruck
340
mm
„
Niederdruck
540
mm
Kolbenhub für Hoch- und Niederdruck
650
mm
Treibrad
1660
mm
Laufrad
1000
mm
fester Radstand
3930
mm
gesamter Radstand
7885
mm
größte Länge der Lokomotive
11380
mm
Kesseldurchmesser
1500
mm
gesamte Heizfläche
189,50
qm
Rostfläche
2,48
qm
Dampfdruck
15
kg/qcm
Leergewicht
57500
kg
Dienstgewicht
62600
kg
Adhäsionsgewicht
44500
kg
Die Lokomotive wurde von der Compagnie de Chemins de Fer de
Paris à Lyon et à la Meditèrrannèe in Auftrag gegeben und ist für die
französische Kolonie Algerien bestimmt. Die Tatsache, daß der Export Borsigscher Lokomotiven nach allen Staaten des
europäischen und überseeischen Auslandes eine stete Zunahme erfährt, ist gewiß ein
Beweis für die Beliebtheit, der sich die Lokomotiven der Firma A. Borsig wegen ihrer soliden Bauart und
Leistungsfähigkeit erfreuen.
Es ist interessant, aus den nachstehenden Angaben die wachsende Produktionsfähigkeit
der Lokomotivfabrik von A. Borsig zu ersehen. Die 5000.
Lokomotive wurde im Jahre 1902 fertiggestellt, ihr folgte die 6000. im November
1906, während zwischen der Ablieferung dieser und der jetzt gelieferte 7000.
Lokomotive nur ein Zeitraum von 2½ Jahren liegt. Gegenwärtig ist bereits die 7400.
Lokomotive in Auftrag gegeben.
Selbsttätig wirkendes Schmiergefäß.
Das in Fig. 1 abgebildete Schmiergefäß, System King-Pribil, besteht im wesentlichen aus dem
Oelbehälter A, dessen unterer Teil die Kugel B aus gehärtetem Stahl aufnimmt, und aus dem in das
Gefäß eingeschraubten Rohrstück G, dessen Bohrung durch
die Kugel B verschlossen gehalten wird, wenn sich das
ganze in Ruhe befindet. Bewegt sich jedoch der Teil, auf welchem das Schmiergefäß
aufgeschraubt ist, so gibt die Kugel die Oeffnung zeitweise frei und läßt das Oel
austreten. Da die Kugel genau auf ihren Sitz aufgepaßt ist, so wird der Oelaustritt
vollkommen unterbrochen, wenn die Maschine stillsteht. Der Oeler entspricht damit
einer für Maschinen mit häufig unterbrochenem Gang- aus Rücksicht auf den Oelverbrauch sehr
wichtigen Bedingung. Je schneller aber die Maschine läuft, desto häufiger wird die
Kugel von ihrem Sitze abgehoben; die Schmierung erfolgt also, wie ebenfalls
wünschenswert ist, immer reichlicher, je schneller der Gang ist. Da man den Abfluß
des Oeles nach Bedarf einstellen kann, so wird jedes Verspritzen auch bei schnellem
Gang vermieden. Selbsttätige Wirkung und Wirtschaftlichkeit im Verbrauch sind daher
Kennzeichen des vorliegenden Schmiergefäßes. Bemerkt sei noch, daß schon die
geringsten Erschütterungen ausreichen, um die Schmierung in Betrieb zu setzen, daß
also mit diesem Oeler auch Lager geschmiert werden können, welche z.B. in Mauern
fest eingebaut sind. Die Anwendung dieses Schmiergefäßes ist keineswegs auf bewegte
Maschinenteile beschränkt.
Textabbildung Bd. 324, S. 575
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 324, S. 575
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 324, S. 575
Fig. 3.
Die Wirkungsweise dieses Schmiergefäßes ist von der Zähflüssigkeit des verwendeten
Oeles so gut wie unabhängig, vorausgesetzt, daß das Oel nicht zu zähflüssig ist.
Versuche bei Lokomotiven der Oesterreichischen Staatsbahnen, bei denen diese Oeler
gegenwärtig im Gebrauch sind, haben z.B. ergeben, daß der Oelaustritt durch die
Aenderungen der Zähigkeit des Oeles infolge der Temperaturwechsel während eines
Jahres keine größeren Schwankungen als iov. H. erfährt und daß verschiedene
zähflüssige Oele nur bis zu 5 v.H. Schwankungen des Oelaustrittes zeigen. Aus der
eigenartigen Wirkungsweise des Oelers folgt ferner, daß man damit auch Stellen
schmieren kann, welche bis 80 mm höher liegen als der Spiegel des Oelbehälters A. Wohl erfolgt der Abfluß des Oeles in die Oeffnung
des Rohrstückes C ausschließlich unter dem Einfluß der
Schwerkraft, wenn die Kugel B abgehoben worden ist.
Indem die Kugel aber auf ihren Sitz zurückfällt, wirkt sie wie ein Kolben, und der
Ueberdruck, den sie dabei in der Bohrung von C erzeugt,
genügt, um das Oel an eine höhere Stelle zu befördern.
Die konstruktive Ausbildung des Oelers erfährt gegenüber der Fig. 1 dargestellten Ausführung eine Abänderung in
solchen Fällen, wo die Unterlage, auf welche der Oeler aufgeschraubt ist, starken
Bewegungen ausgesetzt ist. In diesem Falle wird die Kugel B noch von einem durchlöcherten Behälter D umschlossen, siehe Fig. 2, welcher dazu dient, die Bewegungen der Kugel
zu begrenzen. Fig. 3 zeigt den Einbau des Oelers in
den Kopf einer Lokomotivschubstange. Durch Drehen des Behälters D kann man das Spiel der Kugel B verändern. Dieses soll bei Lokomotivschubstangen nicht mehr als 0,1 mm
betragen. Der Oeler ist auch bei 10 Lokomotiven der französischen Nordbahn
versuchsweise eingebaut worden. Wie ersichtlich ist, eignet er sich sehr gut zur
Verbesserung der vorhandenen Schmiergefäße bei Lokomotivstangen. (Le Génie Civil
1908/09 S. 84).
H.
Das Kraftwerk Svälgfos der Norsk hydro-elektrisk
Koälstofaktieselskab bei Notodden in Norwegen.
Den Ausbau der Svälgfos-Kraftanlage, deren Strom in erster Linie zur Erzeugung von
Salpeter auf elektrischem Wege in großem Maßstabe bestimmt ist. kann man als den
Eintritt einer neuen Epoche in der Geschichte der Wasserkräfte von Norwegen ansehen.
Die hochgelegenen Niederschlagsgebiete mit zum Teil zahlreichen Seen, das starke und
auf kurzen Lauf zusammengedrängte Gefälle der Flüsse, der außergewöhnlich starke
Niederschlag, das schwach bevölkerte Land, und der geringe Wert des Grundbesitzes,
all dies sind Bedingungen, wie sie günstiger für den Ausbau von Wasserkräften nicht
gedacht werden können, und die die Aufmerksamkeit der Industrie in so hohem Maße
gerade auf dieses Land gelenkt haben.
Der Skien-Wasserlauf, an welchem das Svälgfos-Kraftwerk gelegen ist, bildet weiter
unten den Ablauf zweier großen Seen, des Nordsjö und des Hitterdalsvand, welche von
einer Reihe von Zuflüssen gespeist werden und ein Niederschlagsgebiet von 10658 qkm
umfassen. Die schon frühzeitig an diesem Wasserlauf errichteten Fabriken haben die
ersten Regulierungsarbeiten in Angriff genommen, welche im wesentlichen das
Aufdämmen von Seen und die Abgabe von Wasser in Zeiten des niedrigen Wasserstandes
bezweckten. Diese Regulierungsarbeiten sind in neuerer Zeit zum Teil auch mit
staatlicher Unterstützung fortgesetzt worden, insbesondere am Mösvand und am
Tinnsjö, so daß mit Beginn der Arbeiten am Svälgfos-Kraftwerk auf eine kleinste
Wassermenge von 67 bis 70 cbm in der Sekunde, d.h. auf eine Gesamtleistung von 30000
PS gerechnet werden konnte. In Verbindung mit dem Ausbau der gewaltigen Wasserfälle
am Rjukan-Fluß, dem Ablaufe des Mjösvand, welcher zwei Kraftanlagen von zusammen
240000 PS liefern soll, ist jedoch bereits eine weitere Erhöhung des Wasserspiegels
im Mjösvand ins Auge gefaßt. Dieser See, dessen Stauvermögen bereits 580000000 cbm
beträgt, soll durch weiteres Aufstauen um 2,5 m und Senken des niedrigsten
Wasserstandes um 2 m einen Wasserspiegelunterschied von 14,5 erhalten, was das
Aufspeichern von 800000000 cbm ermöglichen würde. Wenn alle Regulierungsarbeiten
ausgeführt sein werden, wird man beim Eintritt des Winters eine Wassermenge von
1700000000 cbm aufgespeichert halten können, d.h. etwa 20 v.H. der jährlichen
Gesamt-Abflußmenge.
Von den bereits ausgeführten Arbeiten sind die Staumauern am Mjösvand und am Tinnos
bemerkenswert. Die erstere, die auf eine Erhöhung des Wasserspiegels um 12,5 m
berechnet ist, hat 18 m Höhe, 181 m Länge und 2,3 m Kronenbreite, und machte
hauptsächlich wegen des kalten Klimas (900 m Höhe ü.M.) Schwierigkeiten. Die zweite,
welche die Aufgabe hat, den Wasserspiegel des Tinnsjö um 4 m zu heben, ist zum Teil
auf Schwimmsandboden errichtet, erforderte also bei den Gründungsarbeiten besondere
Maßnahmen.
Was nun die vorliegende Wasserkraftanlage selbst betrifft, so befindet sich ihr
Staudamm in einem engen, schluchtartigen Durchbruch des aus dem Tinnsjö austretenden
Wasserlaufes, welcher auf dem der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Stück ein
Gefälle von 33 m aufweist. Durch einen ganz aus Beton hergestellten Staudamm wird
das nutzbare Gefälle auf etwa 48,4 m erhöht, und, da die verfügbare Wassermenge 83
cbm in der Sek. beträgt, eine Leistung von 40000 PS verfügbar gemacht. Der Damm, s.
Fig. 1 und 2,
ist im Grundriß rechtwinklig angelegt. In seinem Hauptteile ist eine Kammer ausgespart,
welche eine Turbine von 75 PS mit Dynamo enthält. Diese Anlage wird zur Beleuchtung
des Werkes und zum Betätigen der Schützen verwendet, wenn das große Kraftwerk keinen
Strom liefern kann. Das angestaute Wasser gelangt durch einen 150 m langen
Einschnitt, dessen Einlaufsöffnung zwei 5 m breite Schutzgitter bedecken, in einen
510 m langen Tunnel von 40 bis 44 qm Querschnitt, an dessen Ende sich ein oberhalb
des Kraftwerkes liegendes, fast ganz aus Beton gemauertes Verteilbecken von 6800 cbm
Inhalt befindet. Aus diesem wird das Wasser durch 4 Kammern entnommen, an welche
sich 3,4 m weite Rohrschächte anschließen. Die eigenartige, durch die Schichtung des
Gesteins gebotene Führung dieser Schächte, die die eisernen, ziemlich dünnwandigen
Druckrohre aufnehmen, ist aus Fig. 3 zu ersehen.
Textabbildung Bd. 324, S. 576
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 324, S. 576
Fig. 2.
Das Krafthaus selbst ist 56 m lang und 11 m breit. Es enthält 4 große und 2
Erregerturbinen und ist auf einem Betonklotz erbaut, welcher den in der Längsachse
des Kraftwerkes verlaufenden Abwassergraben aufnimmt. In diesen reichen die
Saugeschächte der Turbinen hinein.
Textabbildung Bd. 324, S. 576
Fig. 3.
Die Turbinen, die von J.M. Voith in Heidenheim gebaut
sind, verdienen nicht allein wegen ihrer großen Abmessungen, sondern auch wegen der
eingehenden Versuche, die damit angestellt worden sind, besonderes Interesse. Da die
Mittenabstände der Druckrohre und die Abmessungen des Maschinenhauses bereits
festgelegt waren, als die Turbinen bestellt wurden, so blieb für die Lösung der
Aufgabe, bei 250 Umdrehungen i.d. Min. je 10000 PS Nutzleistung jeder
Maschinengruppe zu erzielen, nur die Kesselturbine mit zwei Laufrädern übrig. Die
Hauptabmessungen dieser Maschinengruppe gehen aus Fig. 4 hervor. Im Gegensatz zu der üblichen Praxis bei großen Einheiten
sind Turbine und Stromerzeuger fest miteinander gekuppelt und nicht durch eine
elastische Kupplung verbunden. Die aus Siemens-Martinstahl hergestellten Wellen, die mit den darauf sitzenden
Laufrädern von 1500 mm je etwa 9000 kg wiegen, laufen in nur drei Lagern mit
Ringschmierung und Wasserkühlung. Zur Regulierung dienen Stahlguß-Drehschaufeln, die
von einem Servomotorzylinder von 275 mm und 375
mm Hub eingestellt werden.
Die beiden Erregerturbinen von je 519 PS bei 700 Umdrehungen i.d. Min. sind als
einfache Spiralturbinen konstruiert und erhalten ihr Betriebswasser aus Abzweigungen
der entsprechenden Hauptdruckrohre.
Textabbildung Bd. 324, S. 576
Fig. 4.
Die an Ort und Stelle vorgenommenen Abnahmeversuche haben sehr günstige Ergebnisse
geliefert. Zur Bestimmung der Wassermenge mit Hilfe eines Schirmes wurde in den
offenen Kanal vor den Turbinen ein hölzernes Meßgerinne von rechteckigem 4 × 5,2 qm
Querschnitt eingebaut, das sich dem Kanalprofil möglichst genau anschließen sollte.
In dieses Gerinne paßte der Meßschirm mit 10 bis 15 mm Spiel. Die Meßstrecke betrug
10 m. Die Zeit wurde durch elektrische Messungen bestimmt. Aus den Versuchen, bei
denen allerdings das vertraglich festgelegte Gefälle nicht ganz genau eingehalten
werden konnte, ergibt sich, daß die Turbinen wesentlich stärker geliefert waren, als
vorgeschrieben. Bezogen auf das normale Bruttogefälle von 46,5 m und die
Umdrehungszahl n = 250 leisten die Turbinen bei voller
Beaufschlagung 11750 PS, während 10000 PS gefordert waren. Bei einer Leistung von
etwa 7500 PS ergibt sich ein Wirkungsgrad von 84,9 v.H., bei einer solchen von etwa
10000 ein Wirkungsgrad von 86,2 v.H. Für das Mindest-Bruttogefälle von 40,0 m
berechnet sich die Leistung der Turbinen bei normaler Geschwindigkeit auf 9400 PS
bei einem Wirkungsgrad von 80,6 v.H., während dafür nur 7650 PS mit 76 v.H.
Wirkungsgrad zugesichert waren.
Die mit den Turbinen gekuppelten Stromerzeuger liefern Drehstrom von 10000 Volt bei
50 Perioden i.d. Sek. Ihr Wirkungsgrad beträgt einschließlich aller Verluste 95 v.H.
Der erzeugte Strom wird mit Hilfe einer 4,5 km langen Fernleitung nach Notodden
übertragen. Die Leitung, die längs des Tinnflusses verläuft, besteht aus drei
gesonderten, je 7, 5 m entfernten Mastenreihen, an denen auf 3 Querarmen je 6 Kabel
befestigt sind. Eyde und Kloumann (Zeitschrift d. Vereines deutscher Ingenieure 1909 S. 684 bis 694
und 735 bis 746).
H.