Titel: | Der Einfluß erhöhter Temperaturen auf die mechanischen Eigenschaften der Metalle. |
Autor: | M. Rudeloff |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 577 |
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Der Einfluß erhöhter Temperaturen auf die
mechanischen Eigenschaften der Metalle.
Von Prof. M. Rudeloff, Gr.
Lichterfelde.
(Fortsetzung von S. 566 d. Bd.)
Der Einfluß erhöhter Temperaturen auf die mechanischen
Eigenschaften der Metalle.
Zur Bestimmung des elastischen Verhaltens des Materials
und der Streckgrenze nach der Größe der bleibenden Dehnung ist der Verlauf
der Dehnung mit wachsender Spannung während des Versuches festzustellen. Die
Bestimmung der Bewegungen der Einspannteile gegeneinander reicht hierzu nicht hin,
vielmehr sind zuverlässige Werte nur zu erzielen, wenn die Meßwerkzeuge unmittelbar
an die Probe angelegt werden. Große Schwierigkeiten entstehen hierbei dadurch, daß
die Meßwerkzeuge aus dem Bade oder Ofen herausragen müssen und daher ihre Teile
verschiedenen Wärmeeinflüssen unterliegen. Die ersten brauchbaren Einrichtungen hat
Martens [11] geschaffen. Unter Verwendung seiner
bekannten Spiegelapparate, bei denen die Dehnung in Kippbewegung rhombischer
Stahlkörper und mit ihnen verbundener Spiegel umgesetzt wird. Die Messung erstreckt
sich (s. Fig. 1) über zwei Stabteile von
verschiedenem Durchmesser; der auf die Versuchslänge (dünnerer Stabteil) entfallende
Betrag der beobachteten Gesamtdehnung ist daher durch Rechnung zu ermitteln. Eine
geringe Ungenauigkeit entsteht hierbei dadurch, daß der obere, aus dem Ofen
herausragende Teil der Meßlänge nicht gleichmäßig erwärmt ist und ihm daher nicht,
wie der Rechnung zugrunde gelegt, die gleiche Dehnungszahl α zukommt als dem
unteren, höher erhitzten Teil. Eine weitere Fehlerquelle liegt darin, daß auch
Wärmeschwankungen in die Messung eingehende Längenänderungen verursachen. Diesem
Fehler ist aber dadurch möglichst begegnet worden, daß mit dem Versuch erst begonnen
wurde, nachdem konstanter Wärmezustand im Stabe und den Einspannteilen errreicht war
– daran zu erkennen, daß der Wagehebel unter der Anfangsbelastung dauernd feststand
– und an der Heizeinrichtung dann während des Versuches nichts mehr geändert
wurde.
Bei meinen Versuchen sind ebenfalls Martenssche
Spiegelapparate verwendet, die Uebertragung der Dehnung- auf den Spiegelträger
erfolgte aber in anderer. Weise. Bei Benutzung des Ofens Fig. 5 lagen die Endpunkte o und u der Meßlänge in der Achse des kurzen Probestabes P und zwar im Innern der beiden Stabköpfe, von wo
mittels Federn f angepreßte Gestänge S, a, t und S1 zu dem Spiegelträger hinführten. Letzterer ruhte
bei h mit einer Spitze auf der oberen Endfläche der
Stange S1 und mit einer
zweiten Spitze auf dem Ringe g, der mit dem unteren
Meßpunkt verbunden war. Die Bewegung dieser beiden Stützpunkte gegeneinander
entsprach der Dehnung des Probestabes und bewirkte das Kippen des an dem Arm n gestützten Spiegels m.
Auch bei dieser Einrichtung umfaßt die Meßlänge Stab teile von verschiedenem
Durchmesser; die wahre Dehnung ist also ebenfalls zu berechnen. Die Länge des
stärkeren Teiles ist aber nur gering und vor allem liegt sowohl der ganze Meßbereich
als auch der Meßapparat innerhalb des Ofens, so daß die Beobachtungen durch
Wärmeschwankungen nicht beeinflußt werden. Vergleichende Versuche [14] bei
Zimmerwärme mit diesem Apparat und dem gewöhnlichen Martensschen Spiegelapparat haben dargetan, daß die Unterschiede in den
Ergebnissen beider Reihen nicht größer waren, als diejenigen bei mehreren Versuchen
mit dem Apparat alter Bauart. Die Handhabung des Apparates erwies sich aber als sehr
schwierig, zumal Erschütterungen leicht Gleiten der Stützspitzen verursachten. Daher
sind auch bei meinen späteren Versuchen [15], [20], [23] wieder die Martensschen Spiegelapparate verwendet; nur die
Meßfedern erhielten die aus Fig. 10 ersichtlich
veränderte Form, bei der zwei Paar Federn m und m' an den Stab angelegt und oben die Spiegelträger S dazwischen eingeklemmt werden. Hierdurch ist der
Vorteil erreicht, daß Längenänderungen der Federn infolge Temperaturschwankungen die
Dehnungsmessungen kaum beeinflussen, weil alle Federn gleichweit aus dem Ofen
herausragen, also den gleichen Temperaturschwankungen unterliegen.
Textabbildung Bd. 324, S. 577
Fig. 10. Spiegelapparat nach Rudeloff.
Beiliegender Anordnung des Probestabes und Flüssigkeitsbädern haben sich die
gewöhnlichen Martensschen Spiegelapparate gut bewährt.
Die Achse der Spiegelträger ist möglichst lang aus dem Deckel des Bades
herauszuführen und unter dem Spiegel sind leichte Scheiben zum Abhalten der
aufsteigenden Dämpfe anzubringen.
Der Bestimmung der Temperatur des Probestabes ist
besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bei Flüssigkeitsbädern dürfte es genügen, die
Temperatur des Bades zu bestimmen, sofern der Beginn des Versuches bis zum völligen
Wärmeausgleich hinausgeschoben wird, was leicht daran zu erkennen ist, wie schon
oben erwähnt wurde, daß der Wagehebel unter der Anfangslast oder Nullast in der
Gleichgewichtslage bleibt, während Wärmeschwankungen infolge der damit verbundenen
Längenänderungen des Stabes Anheben oder Abfallen des Hebels verursachen. Bei
Luftbädern ist die Wärme des Stabes unmittelbar zu messen. Am besten eignen sich
hierzu Thermoelemente, die eng an den Stab anzulegen und gegen das Luftbad durch
Asbest zu trennen sind. Die sichersten Messungen wird man erzielen, wenn neben dem
Probestab ein zweiter Stab desselben Materials und von denselben Abmessungen in das
Bad gebracht wird, dessen Achse zur Aufnahme des Thermoelementes ausgebohrt ist.
Die Abmessungen der Probe und die Anordnung der Einspannvorrichtungen können insofern von wesentlichem
Einfluß auf das Ergebnis sein, als von ihnen ganz besonders die gleichmäßige
Erwärmung des Stabes innerhalb der Meßlänge abhängt. Daß die Länge des Stabes zu
diesem Zweck wesentlich geringer sein soll, als die des Bades, ist oben bereits
gesagt. Martens [11] verwendete daher möglichst lange
Stäbe, die nur innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Strecke auf den gewünschten
Versuchsquerschnitt abgedreht wurden, (s. Fig. 1.)
Wegen des hiermit verbundenen großen Aufwandes an Material und an
Bearbeitungskosten, kamen bei meinen Versuchen [14, 15, 20, 23] möglichst kurze
Stäbe (l = 100 mm), s. Fig.
5 u. 10, zur Anwendung, die mit
Gewindeköpfen in Verlängerungsstangen eingeschraubt wurden. Aehnliche Stäbe haben
später auch Bach [24, 25, 30, 31, 33] Fig. 2 und Stribeck [29,
32] Fig. 9 verwendet. Die Materialanhäufungen an den
beiden Verbindungsstellen sind nur von Nutzen, indem sie gleichsam als Wärmespeicher
dienen und den Einfluß der Wärmeableitung nach außen vom Probestab fernhalten.
Der Einfluß der Belastungs- oder Streckgeschwindigkeit
macht sich bekanntlich bei den Versuchen bei Zimmertemperatur insofern geltend, als
unter sonst gleichen Umständen mit abnehmender Geschwindigkeit geringere
Festigkeiten und größere Dehnungen erzielt werden. Die Abnahme der Festigkeit mit
der Belastungsgeschwindigkeit tritt auch bei höheren Temperaturen deutlich hervor
und zwar besonders dann, wenn die Probe vorher nicht mindestens bei der
Versuchstemperatur ausgeglüht wird, sondern durch die voraufgegangene Behandlung
irgendwie eine Härtung erfahren hat, weil dann auch der Einfluß der Glühdauer auf
die Enthärtung mitwirkt. So fand z.B. Le Chatelier [26]
für hartgezogenen Kupferdraht mit 50 kg/qmm Festigkeit bei 250° C folgende
Werte:
Dauer:
20
Sek.;
10
Min.;
30
Min.:
Festigkeit:
34
„
24,7
„
18
kg/qmm;
dagegen ergaben sich für geglühte Kupferstäbe folgende
Werte:
Temperatur
200° C
330°C
440° C
Versuchs-dauer
45''
1' 50''
10'
2' 15''
10'
20'
56''
2'
5' 30''
17' 30''
Zugfestigkeitkg/qmm
20,4
18,6
17,9
15,7
15,2
14,7
10,6
9,7
8,2
7,8
Bruchdeh-nung v.H.
39,0
35,0
36,0
37,9
34,4
31,1
21,0
16,2
12,9
11,4
Stribeck [29] stellte für Kupfer fest, daß die
Festigkettsabnahme mit wachsender Temperatur beim schnellen Versuch erst bei 300° C
begann, beim sehr langsamen Versuch dagegen schon bei 200° C.
Ganz besonders empfindlich gegen die Belastungsgeschwindigkeit ist Zink (s. Martens [10]). Auch Kürth
[38] fand bei Kugeldruckproben, daß bei Zink und Zinn selbst nach einigen
Stunden gleicher Belastung noch kein Gleichgewichtszustand erreicht war, während er
bei den meisten Metallen schon nach 5–10 Minuten eintrat.
Die Bruchdehnung unterliegt bei höheren Temperaturen nicht dem gleichen Einfluß der
Geschwindigkeit wie bei Zimmerwärme. Wie schon vorstehende Beobachtungen von Le Chatelier zeigen, nimmt die Dehnung bei Kupfer mit
abnehmender Geschwindigkeit nicht zu, sondern ab. Stribeck gelangte zu demselben Ergebnis und gibt an, daß die Stäbe bei
langer Dauer stumpf abbrachen, während beim schnellen Versuch und derselben
Temperatur dem Bruch erhebliche Einschnürung voraufging. Ob und in wie weit der
eingangs besprochene Einfluß der Oxydation im Luftbad mitwirkte, möge dahingestellt
bleiben. Die angeführten Beispiele dürften zur Genüge beweisen, daß zur Erzielung
vergleichbarer Ergebnisse einheitliche Belastungsgeschwindigkeit erforderlich ist.
Sie sollte, um praktisch wertvolle Ergebnisse zu erhalten, möglichst gering gewählt
und das Probematerial sollte vorher ausgeglüht werden.
Versuchsergebnisse.
1. Schweißeisen.
Textabbildung Bd. 324, S. 578
Fig. 11. Schweißeisen.
Zugfestigkeit σB, Streckgrenze
σS, Dehnung δ; ● nach. Kollmann, ○ nach Rudeloff.
Aus den schon 1837 angestellten Versuchen des Franklin-Institutes [2] geht hervor, daß die Zugfestigkeit des
Schweißeisens mit steigender Temperatur zunimmt. Knut
Styffe [6] kam 1863 zu demselben Ergebnis, zugleich nahm bei seinen
Versuchen die Bruchdehnung ab. Sie erstreckten sich auf Temperaturen nur bis
etwa 170° C und ihre Ergebnisse sind wegen der nach heutigen Verhältnissen
mangelhaften Versuchseinrichtung unzuverlässig, weshalb von der Wiedergabe der
Beobachtungswerte Abstand genommen ist. Huston [8]
fand für Holzkohleneisen ebenfalls Festigkeitszunahme und zugleich Abnahme der
Querschnittsverminderung bis 500° C. Kollmann [9]
dagegen fand keine Festigkeitssteigerung, sondern stetige Festigkeitsabnahme (s.
Fig. 11). Letzere war bis 300° C nur gering
(von 37,5 auf 33,8 kg/qmm), bei höheren Temperaturen bis zu 600° C aber
erheblich. Wenngleich die Kollmannschen
Temperaturbestimmungen mittels Kalorimeters keine große Genauigkeit erwarten
lassen, so können doch seine von den älteren abweichenden Beobachtungen nicht
ohne weiteres auf Versuchsfehler zurückgeführt werden, zumal ihre Ergebnisse
außerordentlich stetig verlaufen. Meine Versuche [14] (s. Fig. 11), bestätigen die Beobachtung Styffes und zwar ergab sich der Höchstwert der
Zugfestigkeit bei etwa 260° C (schätzungsweise 50 kg/qmm gegen 34
kg/qmm bei 20° C) und bei höheren Temperaturen trat wie bei den Kollmannschen Versuchen starke Festigkeitsabnahme
ein. Die Streckgrenze nahm zwischen 100 und 200° C stark ab, vorher und nachher
(bis 400° C) blieb sie fast unverändert. Die Bruchdehnung nahm zwischen 20 und
130° C von 30 auf 13 v.H. ab und stieg dann im Gegensatz zu den Versuchen von
Huston (Abnahme der Querschnittsverminderung)
mit wachsender Temperatur schnell an (bei 400° C bis 40 v.H.). Carpenters Versuche [19] ergaben ebenfalls die
höchste Festigkeit bei etwa 250° C und die geringste Dehnung bei etwa 130°
C.
2. Flußeisen.
Mit Flußeisen liegen Zug-Versuche bei verschiedenen Temperaturen vor von Huston [8], Kollmann
[9], Martern [11], Rudeloff [14], Charpy [16], Carpenter [19], Le
Chatelier [26] und Bach [31]. Die Versuche
von Kollmann ergaben für Bessemereisen stetige Abnahme der Zugfestigkeit mit wachsender
Temperatur, alle übrigen stimmen dahin überein, daß die Zugfestigkeit bei etwa
250° C einen Höchstwert erreicht, der weit über der Festigkeit bei
Zimmertemperatur liegt, und dann mit weiterem Erhitzen schnell abnimmt. Nach den
Versuchen von Martens und des Verfassers geht der
erwähnten Festigkeitszunahme eine Abnahme der Festigkeit vorauf, und zwar
scheint der geringste Wert bei etwa 50° C erreicht zu werden. Aehnliches
Verhalten des Flußeisens fanden Brinell [36] und
Kürth [38] bei Kugeldruckproben; während aber
Brinell sowohl für saures als auch für
basisches Material, bei fast völliger Uebereinstimmung des Verlaufes der zu
Schaulinien aufgetragenen Beobachtungen, den ersten Geringstwert bei etwa 200° C
und die Höchstwerte bei 300–400° C fand, liegen die beiden Wendepunkte der
Schaulinien von Kürth bei 150–190° C,
beziehungsweise bei 250° C.
Textabbildung Bd. 324, S. 579
Fig. 12. Stahlguß.
Zugfestigkeit σB und
Bruchdehnung δ ; Nach Bach: Material: O = ●, K = ○, M = ×, OE = △; Nach
Rudeloff = □
Die Streckgrenze des Flußeisens nimmt mit wachsender Temperatur stetig ab. Die
Bruchdehnung nimmt mit steigender Temperatur zunächst ebenfalls beträchtlich ab,
z.B. nach Martens in einem Falle von 28,4 auf 8,4
v.H. und dann schnell zu; die geringsten Werte liegen im allgemeinen bei etwa
150° C, also bei niedrigeren Temperaturen als die Höchstwerte für die
Bruchfestigkeit.
Die anfängliche Abnahme der Dehnung und Zunahme der Festigkeit mit
steigender Temperatur erklärt die Blaubrüchigkeit des Eisens, auf die schon Valton 1877 (Berg- und Hüttenmännische Zeitung
1877, S. 25) auf Grund von Biegeversuchen hinwies.
Textabbildung Bd. 324, S. 579
Fig. 13. Gußeisen.
Zugfestigkeit σB : ○ nach Bach,
● nach Rudeloff.
3. Stahlguß.
Fig. 12 zeigt die vom Verfasser [23] und von Bach [30, 31] ermittelten Werte für die
Zugfestigkeit σs und Bruchdehnung δ von
Stahlguß. Bach macht folgende Angaben über die
Zusammensetzung seiner vier Stahlsorten:
Sorte
C
Mn
Cu
Si
S
P
As
O
0,193
0,322
0,096
0,187
0,087
0,081
0,056
K
0,165
0,726
0,121
0,498
0,038
0,019
0,041
M
0,200
0,819
0,273
0,112
0,048
0,053
0,073
OE
0,180
0,360
0,060
0,280
0,080
0,071
0,079
Der allgemeine Verlauf der Schaulinien ist für alle fünf
Sorten der gleiche. Die Zugfestigkeit wächst mit steigender Temperatur, erreicht
zwischen 200 und 300° C den Höchstwert und nimmt dann verhältnismäßig schnell
ab. Die Bruchdehnung ist durch die Temperatur im entgegengesetzten Sinne
beeinflußt: sie nimmt zunächst ab und dann schnell zu; die geringsten Werte sind
bei etwa 200° C erreicht.
Textabbildung Bd. 324, S. 579
Fig. 14. Temperguß.
Spannungen, Dehnungen für
Temperguß; Bruchspannung für Gußeisen.
Seiner Größe nach schwankt der Wärmeeinfluß bei den verschiedenen Stahlsorten;
besonders die Linien für die Dehnung gehen bei Temperaturen über 200°C weit
auseinander. Hierzu dürfte der Einfluß der Belastungsgeschwindigkeit jedenfalls
mit beigetragen haben, aber auch im übrigen lassen die Bachschen Versuche keinen gesetzmäßigen Einfluß der chemischen
Zusammensetzung des Materials auf dessen Widerstand gegen Temperatureinflüsse
erkennen. Es möge aber darauf hingewiesen sein, daß das Material OE, bei dessen Herstellung ganz besonders auf
günstiges Verhalten bei hohen Temperaturen Bedacht genommen war, die größte
Festigkeitssteigerung und im allgemeinen auch die größten Bruchdehnungen
aufweist.
Textabbildung Bd. 324, S. 580
Fig. 15. Stahlguß.
Bei der mittleren Zugfestigkeit σB von 41 kg/qmm
und Bruchdehnung δ von 27 v.H. bei Zimmerwärme wird man für Stahlguß folgende
Annäherungswerte für die Veränderung der Festigkeitseigenschaften bei höheren
Temperaturen annehmen können:
Temperatur °C
100
200
300
400
Aenderungin v.H. gegen20°
C
σB
+ 6
+ 12
+ 10
– 7
δ
– 30
– 50
– 33
± 0
Aehnlich. der Dehnung verhielt sich die
Querschnittsverminderung; ihre Abnahme mit wachsender Temperatur war aber
geringer. Die Streckgrenze ging mit wachsender Temperatur stetig zurück.
Textabbildung Bd. 324, S. 580
Fig. 16. Gußeisen.
4. Gußeisen.
Howard [12] fand, daß Gußeisen bis 386° C. nur wenig
an Festigkeit einbüßte. Bei höherer Temperatur nahm die Festigkeit
allmählich ab, jedoch in so geringem Maße, daß es schließlich dieselbe
Festigkeit besaß wie weicher Stahl. Vor dem Bruch traten zahlreiche Risse
auf.
Meine Versuche [23] und die von Bach [25] s. Fig. 13 bestätigen die Beobachtung von Howard, daß die Festigkeit von Gußeisen erst bei
Temperaturen über 300–400° C nennenswert an Festigkeit verliert. Setzt man die
Festigkeit bei Zimmerwärme gleich 100, so ergeben sich folgende
Verhältniszahlen:
Temperatur °C
20
300
400
500
570
Ver-hältnis-zahlennach
Bach
100
99
92
76
52
Rude-
loff
100
88
107
68
38
Textabbildung Bd. 324, S. 580
Fig. 17. Temperguß.
Dabei war die durchschnittliche Zusammensetzung des
Versuchsmaterials:
bei denVer-suchenvon
Graphit
ge-bund.Koh-lenstoff
Ge-samt.Koh-lenstoff
Man-gan
Sili-cium
Kupfer
Schwe-fel
Phos-phor
Bach
2,85
0,79
3,64
1,73
1,178
0,170
0,085
0,158
Rude-
loff
–
–
3,56
0,93
2,650
–
0,054
0,517
Die Versuche von Kürth [38] ergaben, daß die
Kugeldruckhärte des untersuchten Gußeisens mit steigender Temperatur zunächst
langsam abnahm, zwischen 200 u. 300° C wieder etwas wuchs und bei über 300° C
sehr schnell abnahm. Die Versuche zeigen also eine annähernde Uebereinstimmung
mit den Zugversuchen des Verfassers (s. Fig.
13).
5. Temperguß (getemperter
Eisenguß).
Versuche des Verfassers [23] mit Stäben von 12 × 6,5 mm Querschnitt lieferten die
in Fig. 14 dargestellten Ergebnisse, denen auch
die Linie für die Zugfestigkeit des Gußeisens [23] beigefügt ist. Nach ihnen wachsen
σP, σS und
σB anfänglich mit der Temperatur, erreichen
bei etwa 250–300° C ihre Höchstwerte und nehmen dann bei höherer Temperatur
schnell ab. Die Werte für σP stimmen bei allen
Temperaturen annähernd mit der Bruchfestigkeit des Gußeisens überein. Die
Dehnung α innerhalb σP nimmt bis 400° C wenig,
bei höheren Temperaturen schnell zu. Die an sich geringe Bruchdehnung ist durch
Temperaturänderungen kaum beeinflußt.
Fig. 15–17 sind
körperliche Darstellungen der Versuchsergebnisse [23] für Stahlguß, Gußeisen und
Temperguß. Fig. 15 zeigt deutlich, wie die
bei Zimmertemperatur scharf ausgeprägte Streckgrenze des Stahlgusses bei höheren
Temperaturen immer mehr verwischt wird und heruntergeht, so daß die Schaulinie
bei 600° C schließlich ähnlichen Verlauf zeigt, wie die für Gußeisen (Fig. 16) bei Zimmertemperatur. Zwischen Gußeisen
(Fig. 16) und Temperguß (Fig. 17) tritt ein scharfer Unterschied darin
zutage, daß die Festigkeit des Gußeisens bei über 400° C schroff abfällt, beim
Temperguß dagegen allmählich.
(Schluß folgt.)