Titel: | Der Resonanz-Undograph, ein Mittel zur Messung der Winkelabweichung. |
Autor: | O. Mader |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 598 |
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Der Resonanz-Undograph, ein Mittel zur Messung
der Winkelabweichung.
Von Dipl.-Ing. O. Mader,
München.
(Schluß von S. 583 d. Bd.)
Der Resonanz-Undograph, ein Mittel zur Messung der
Winkelabweichung.
E. Anwendung des Resonanz-Undographen.
1. Untersuchungen an einem 35
PS.-Dieselmotor.
Nach Durchführung- der Prüfung- des Resonanz-Undographen, Modell II wurde teils
an der Betriebsdampfmaschine des Maschinenlaboratoriums der techn. Hochschule in
München, teils an einem 35 PS.-Dieselmotor der techn. Hochschule in München der
R.-U. praktisch anzuwenden versucht. Dabei stellten sich bereits früher
besprochene konstruktive Aenderungen als nötig- heraus. Nach deren Durchführung-
wurde der obenerwähnte Dieselmotor einer Untersuchung unterzogen, deren
Resultate im folgenden mitgeteilt werden sollen
Versuchsanordnung.
Textabbildung Bd. 324, S. 597
Fig. 54.
Gleichstromgenerator; 35 PS
Dieselmotor
Die im Untergeschoß des Lehrgebäudes für anorganische Chemie der techn.
Hochschule untergebrachte Maschinenanlage dient zur Erzeugung von
Gleichstrom. Zwei Dieselmotoren zu je 35 PS mit 190 Umdrehungen i.d. Min.
treiben durch Riemen je einen Gleichstromgenerator (Fig. 54). Die Motorwelle ist in den zwei
Lagern der Motorfundamentplatte und in einem Außenlager unterstützt. Auf die
beiden vorstehenden Wellenenden, auf der Schwungradseite, wie am freien
Wellenende waren gußeiserne, abgedrehte Scheiben von je 443 mm
aufgekeilt. Auf diesen Scheiben lief das Magnetrad des R.-U von 49,5 mm
. Der zur Erregung nötige Strom wurde einer Lichtleitung von 65 V
entnommen und die Spannung durch Vorschaltung einiger i Glühlampen
reguliert.
Die Zeitzeichen wurden in primitiver Weise durch eine Kontaktfeder gegeben:
Eine am Schubstangenkopf der Brennstoffpumpe befestigte Gummischnur zog
einmal pro Periode die Feder von ihrer Kontaktstelle ab, wodurch der
Stromkreis des Zeitschreibers zur Zeit der Brennstoffeinblasung
(„Zündung“) unterbrochen wurde.
Uebersetzungsverhältnis des
Schreibzeuges.
Es war bei den Versuchen:
Die auf die Hauptwelle des R.-U.
reduzierte Schreibhebellänge l
nach direkter Messung am Apparat
= 255
mm
nach Rechnung
= 256
„
Somit entsprach:
1 mm Winkelabweichung am Rad
1000 mm
=\frac{\frac{443}{2}}{1000} \cdot
\frac{256}{\frac{49,5}{2}}
= 2,29 mmam Schreibstift
2 oder 0,437 mm Winkelabweichung am Rad 1000
mm
= 1 mmam Schreibstift.
Resultate.
Sämtliche Versuche wurden vorgenommen, ohne den normalen Betrieb irgendwie zu
beeinflussen, da sie einer Untersuchung des R.-U., nicht aber des Motors
galten. Für letzteren Fall müßte man, um weitergehende Folgerungen ziehen zu
dürfen, die Belastung konstant halten, sowie eine genauere
Kontaktunterbrechung für den Zeitschreiber verwenden. Die Belastung
schwankte bei den Versuchen zwischen ¾ bis 1/1, einmal war sogar nur ½
Belastung vorhanden.
Die Resultate sind in der Tabelle IV zusammengestellt. Zum Vergleich sind die
nach der üblichen Rechnung aus dem den Figuren 1 u. 2 zugrunde gelegten
Tangentialdruckdiagramm bei der Annahme eines Ungleichförmigkeitsgrades δ =
1/80 sich ergebenden Amplituden beigefügt. Die nicht für den 35 PS-Motor,
sondern für einen älteren 8 PS-Motor gültige Tangentialdrucklinie wurde
einer im Besitze des Laboratoriums f. theor. Maschinenlehre der techn. Hochsch.
München befindlichen Zeichnung entnommen.
Unter dem in Tabelle IV angegebenen „Phasenwinkel“ ist der Winkel
verstanden, den die Maschinenkurbel vom oberen Totpunkt bei Zündung bis zur
maximalen voreilenden Winkelabweichung (ξ''max) beschreibt.
In Tabelle V sind die Verhältnisse der Amplituden der Schwingungen von
verschiedener Periode zusammengestellt, in Fig.
55 sind die an der Schwungradseite gemessenen Winkelabweichungen
von jeweils größter Amplitude übereinander gelagert dargestellt und zum
Vergleich die aus dem Tangentialdruckdiagramm sich ergebende Kurve der
Winkelabweichungen aus Fig. 2
übertragen.
Textabbildung Bd. 324, S. 598
Fig. 55.
Gemessene Winkelabw.;
Gerechnete Winkelabw.
Tabelle IV.
Schwingungenpro
Periode
Amplitude der Winkelab-weichung
in mm.
Mittlerer Phasen-winkel in
Graden.
am Schreibstift
am Rad. 1 m.
Messungen an
derSchwungradseite.
1234
14,5–16–266–8–11,32,5–70–3,5–4,2
6,3–6,9–11,42,6–3,5–4,91,1–3,10–1,5–1,8
380 (360–400)225–255unsicher
(150)135–175
Messungen an demfreien
Wellenende
1234
12–18–27 (35bei ½
Belastung)7–9–143–5,50–?
5,2–7,9–11,8(15,3)3–3,9–6,11,3–2,40–?
380–400
(540)270180–
Aus Tangential-druckdiagramm
er-rechnet ρ . δ = 1 : 80.
1234
––––
12,54,01,850,57
450225180135
Tabelle V.
Verhältnisse der Amplituden der Schwingungen von
verschiedener Periode.
Schwingun-gen proPeriode
1
2
3
4
Messung
anSchwungrad-seite
1
0,41
0,17
0
Kleinste
gemesseneAmplituden
1
0,43
0,27
0,16
Größte
Messung
anfreiemWellenende.
1
0,58
0,25
0
Kleinste
gemesseneAmplituden
1
0,52
0,20
–
Größte
Errechnet
ausTangential-druckdiagr.
1
0,32
0,15
0,045
Bemerkenswert ist an den Versuchen, daß die zweite Schwingung der
Winkelabweichung bei den Messungen sich größer herausstellte, als nach der
Rechnung zu erwarten wäre, wahrscheinlich infolge des Kolbengewichtes, das
elastische Verbiegungen hervorruft. Bei gleichzeitiger präziser Durchführung
der Messung an beiden Seiten des Motors ließe sich aus den Unterschieden der
Resultate die Torsionsbeanspruchung der Welle beurteilen.
2. Untersuchung einer 850
KW-Drehstrommaschine.
Die Versuche an dem Dieselmotor der techn. Hochsch. waren eben bis zu dem oben
mitgeteilten Resultate gediehen, als der Verfasser auf Anregung und durch
Vermittlung des Herrn Geh. Rat Prof. Dr. M.
Schroeter von der Direktion der städtischen Elektrizitätswerke München
beauftragt wurde, mit dem Resonanz-Undographen die Gleichförmigkeit des Ganges
einer der 1200 PS-Dampfmaschinen des städtischen Elektrizitätswerkes an der
Isartalstr. zu untersuchen. Gleichzeitig sollte der Ungleichförmigkeitsgrad
durch einen Tachographen, sowie durch Entwicklung der Tangentialdruckkurve
untersucht werden, eine Aufgabe, deren Durchführung Herr Dr.-Ing. W. Deinlein, übernahm.
Versuchsanordnung.
Die zu untersuchende Maschine war eine liegende Dreifachexpansionsmaschine
mit geteiltem Niederdruckzylinder. Der direkt auf der Maschinenwelle
sitzende Drehstromgenerator hatte bei 50 Per. i.d. Sek. 83,5 Umdrehungen
i.d. Min. und leistete bei 5000 V Spannung 850 KW maximal. Das als
Schwungrad ausgebildete Magnetrad trug 72 Pole. (Näheres siehe Z.V.D.I.
1901, S. 439 u. 1905. S. 37).
Für das Antriebsrad des R.-U. stand als Lauffläche ein abgedrehter Vorsprung
des Generatormagnetrades von 4760 mm zur Verfügung. Bei dem
gewählten Durchmesser von 120 mm für das Antriebsrad ergibt sich eine
Tourenzahl des R.-U. zu
n=83,5\,\frac{4760}{120}=3300 i.d.
Min.
Die Aufstellung des R.-U. an der Maschine zeigen Fig. 56 u. 57. Die Erregung des
magnetischen Antriebsrades wie des Schwingmagneten erfolgte durch
Akkumulatorenstrom von 110 V Spannung, unter Vorschaltung, einiger Glühlampen.
Der Zeitschreiber, hinter den Zeitschreiber des Tachographen geschaltet,
wurde von einer bereits vorhandenen, zum Parallelschalten der Maschine
dienenden Kontaktvorrichtung betätigt, die sehr gut arbeitete.
Textabbildung Bd. 324, S. 599
Fig. 56.
Der Kontakt erfolgte, nach Angabe der Betriebsleitung,
im Totpunkt (Deckelseite) der Hochdruckkurbel (I in Fig. 58). Er bestimmt den Phasenwinkel einer
Schwingung, worunter der vom Moment des Kontaktes bis zur maximalen,
voreilenden Winkelabweichung von der Kurbel beschriebene Winkel verstanden
sei.
Uebersetzungsverhältnis des
Schreibzeuges.
Es war bei den Versuchen die benutzte Schreibzeugvergrößerung dauernd 1 : 4,
nach direkter Messung am Apparat.
Textabbildung Bd. 324, S. 599
Fig. 57.
Somit entspricht:
1 mm Winkelabweichung am Schreibzeug gemessen = ¼ mm
am Radius 2380 mm.
Textabbildung Bd. 324, S. 599
Fig. 58. Untersuchung einer 850 KW-Drehstrommaschine. n = 83,5 Spannung 5000 Volt, Periodenzahl
50 i.d. Sek. Zum Vergleich sind hier noch die Tachographenkurven,
vergrößert auf photographischem Wege, und die Resultate der
Tangentialkraftuntersuchung für Maximalbelastung eingetragen.
Bei 36 Wechselstromperioden pro Umdrehung wird die einer Periode
entsprechende Bogenlänge am Rad. 2380 mm des Schwungrades
=\frac{4760\,\pi}{36}=415 mm. Denkt man sich diese
Länge in 360 Teile geteilt, entsprechend 360 Periodengraden,
so wird: 1 mm Winkelabweichung am Rad. 2380 mm = 0,868 Periodengraden.
Diese Darstellung (vgl. Fig. 58) ermöglicht
die Beurteilung etwa fließender Ausgleichströme.
Resultate.
Die Versuchsresultate sind in Tabelle VI und in Fig. 58 zusammengestellt Dazu sei folgendes bemerkt:
Vier Schwingungen pro Umdrehung waren nie zu konstatieren. Beim Uebergang von
45 Amp. zu 50 Amp. Belastung verschwand plötzlich die erste Schwingung. Bei
100 Amp. Belastung war die zweite Schwingung sehr gering, ihr Anwachsen war
aber sofort bei Belastungsänderungen zu bemerken (8 mm). In Fig. 58 wurden die beobachteten
Winkelabweichungen graphisch aufgetragen, und zwar wurden dazu gute
Diagramme von möglichst maximaler Amplitude gewählt. Die zu der beobachteten
Winkelabweichung ξk'' notwendigen
Geschwindigkeitsänderungen am Rad. 2380 mm sind darunter dargestellt. Sie
wurden berechnet aus der Umkehrung der früher abgeleiteten Beziehungen:
{v_k}''=\frac{d'\xi''}{dt}=\frac{d\,\{b_k\,\mbox{cos}\,k\,(\alpha_0\,t+\beta_k)}{dt}=-b_k
\cdot k\alpha_0\,\mbox{sin}\,(\alpha_0\,t+\beta_k)
Dabei ist für Kolbendampfmaschinen
\alpha_0=\frac{n\pi}{30}, also
\alpha_0=\frac{83,5\,\pi}{30}=8,74 somit
v1'' max = – 8,74 ξ1'' max
v2'' max = – 17,48 ξ2'' max
v3'' max = – 26,22 ξ3'' max.
Tabelle VI.
Maschinenbe-lastung bei5000
V.
Gemessene Ampli-tude am Rad.2380 mm
in mm.
Phasenwinkel.
Schwingungenpro Umdrehung.
Leerlauf mitErregung
2211–16,50,75 = 0
230°175°–
123
½ Bel. =50 Amp.
011–12,51–2
–115°0°
123
1/1 Bel. =100 Amp.
19–221,2–2,5–(8)0
185°40°–
123
Zur Belastung diente eine Synchronumformer, der eine Batterie mit Strom
versorgte und auf den der Generator allein geschaltet war.
Folgerungen.
Bei Leerlauf mit Erregung- folgt die Maschine noch am meisten dem aus dem
Tangentialdruckdiagramm sich ergebenden Winkelabweichungsgesetz.
Bei halber Belastung (50 Amp.) schwingt der Kranz mit
einer Periode = ½ Umdrehung,
bei voller Belastung (100 Amp.) mit einer Periode = 1
Umdrehung.
Hier sei besonders darauf hingewiesen, daß die Kenntnis des sogenannten
„Ungleichförmigkeitsgrades“ noch keinen Maßstab für die dem
Elektriker vor allem wichtige Winkelabweichung gibt. Es ergab z.B. bei
Vollbelastung:
Das Tangentialdruckdiagramm
δ = 1/260 u. 6,5° max. Winkelabweichung,
die Messung am Schwungrad
δ = 1/450 u. 5,0° Winkelabweichung.
Ein bedeutenderes „Pendeln“ der Maschine war nicht zu konstatieren.
Dies war auch nicht zu erwarten, da der Synchronumformer dämpfend wirken
mußte. Ein verstärktes Pendeln könnte erst beim Parallelbetrieb zweier
Antriebsmaschinen auftreten.
3. Anwendungsgebiete.
Wie aus dem bisher Mitgeteilten hervorgeht, ist der Resonanz-Undograph geeignet,
kleine, in raschen, stets gleichen Perioden wiederkehrende Winkelabweichungen zu
messen.
Beispiele für seine Anwendungsmöglichkeit sind bei Verwendung eines
Apparates:
die Messung des Ungleichförmigkeitsgrades einer Maschine an
einer beliebigen Stelle, wie z.B. Welle,
Schwungradkranz, Steuerwelle;
bei Anwendung zweier, gleichzeitig
arbeitender Apparate:
die Messung des Einflusses der Riemenübertragung auf den
Ungleichförmigkeitsgrad,
die Messung des Pendelns von Drehstrommaschinen,
die Messung von Torsionsschwingungen.
Auch als Torsionsindikator kann der R.-U. verwendet werden, jedoch muß die
konstante Verdrehung durch zwei Kontaktvorrichtungen, die die Zeitschreiber
betätigen, gemessen werden. Einen Vorteil besitzt der R.-U. für diese Verwendung
dadurch, daß er, unbeschadet dazwischen liegender Lager oder anderer
Maschinenteile, an jede zugängliche Wellenstelle, gleichgültig von welchem
Durchmesser, angelegt werden kann.