Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 603 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Eine 1200 V-Gleichstrombahn.
Auf der 25 km langen Strecke Stockton–Lodi der Central
California Traction Company wird bis auf einen kleinen Teil den Fahrzeugen
Gleichstrom mit 1200 V Spannung zugeführt. Hierzu wird eine etwa 18 kg/m schwere
dritte Schiene verwendet, die in Abständen von etwa 3,6 m durch Träger aus
schmiedbarem Eisenguß gehalten wird. Diese Träger sind auf 3 m langen Querschwellen
befestigt. Die 35 t schweren Wagen sind mit vier 75 PS-Motoren ausgerüstet, die mit
einer Zahnradübersetzung von 23 : 51 den Fahrzeugen 80 km/St, als höchste
Fahrgeschwindigkeit verleihen. In Stockton, wo auf 3 km Länge den Fahrzeugen aus
einer Oberleitung über Rollenstromabnehmer Strom von 550 V Spannung zugeführt wird,
beträgt die Höchstgeschwindigkeit nur 35 km/St.
Von besonderem Interesse ist eine auf jedem Fahrzeuge befindliche Hilfsmaschine,
die bei der Fahrt mit 1200 V einen Strom von 600 V zur Speisung der Steuerschalter,
der Beleuchtung, des Motorkompressors und der Heizung liefert. Sie besitzt einen
Anker mit zwei Wicklungen, die in gemeinsamen Nuten übereinander angeordnet und jede
zu einem besonderen Kommutator an verschiedenen Enden des Ankers geführt sind. Die
Leistung beträgt etwa 10 KW. Beim Uebergange von der mit 550 V auf die mit 1200 V
gespeiste Strecke gelangt der Rollenstromabnehmer auf ein stromloses Stück der
Fahrleitung; infolgedessen fällt der den entsprechenden Stromkreis schließende
elektrisch gesteuerte Hüpfer selbsttätig in die Ausschaltstellung. Läuft hierauf der
Gleitschuhstromabnehmer auf die dritte Schiene auf, so wird der 1200 V-Hüpfer
geschlossen, die Hilfsmaschine läuft an und die Hilfsstromkreise werden gespeist.
Bei der Fahrt
in umgekehrter Richtung wiederholen sich die Vorgänge entsprechend. Der Wagenführer
muß jedoch den 550 V-Hüpfer mittels eines besonders einzuschaltenden Steuerstromes
schließen. Ferner muß bei jedem Uebergange auf eine andere Betriebsspannung der eine
Stromabnehmer aus- und der andere eingeschaltet werden. Die beiden angegebenen
Hüpfer sind derart gegeneinander verriegelt, daß immer nur einer von ihnen
geschlossen sein kann. Bemerkenswert ist, daß die beschriebenen Vorgänge sich
während voller Fahrt abspielen.
Um einen Vergleich zwischen dem Energieverbrauch des 550 Voltbetriebes und des 1200
Voltbetriebes zu erhalten, wurde dieselbe Strecke unter Verwendung gleich großer
Motoren in den Fahrzeugen ein halbes Jahr lang mit der einen und ein weiteres halbes
Jahr lang mit der anderen Spannung betrieben. Es ergab sich hierbei, daß die
Antriebsmaschinen der Stromerzeuger für die höhere Spannung 9,1 v.H. weniger Energie
als die für die 550 V Stromerzeuger verbraucht hatten, wobei überdies die ersteren
sehr ungünstig belastet waren und mit einem entsprechend verringerten Wirkungsgrade
arbeiteten. Die Anfahrstromstärke bei 1200 V beträgt etwa 150 Amp.; dieser Strom
geht bei der Steigerung bis zur vollen Fahrgeschwindigkeit auf etwa 70 Amp. herab.
Isolationsschwierigkeiten haben sich bei der höheren Betriebsspannung nicht ergeben,
trotzdem bei den hohen Sommertemperaturen die Wagen täglich 320 km und mehr
zurückgelegt haben und im Winter die Gleise bisweilen 120-150 mm tief von Wasser
bedeckt waren. Als besonderen Vorteil der höheren Betriebsspannung wird angeführt,
daß die ziemlich lange Strecke ohne ein Unterkraftwerk gespeist wird. [Electric
Railway Journal Bd. I 1909, S. 738 bis 739].
Pr.
Gebirgslokomotiven.
Mit 4/6 gekuppelten
amerikanischen Gebirgslokomotiven hat die italienische Staatsbahnverwaltung
ebenfalls eingehende Versuchsfahrten ausgeführt (s. auch D. P. J. 1909, S. 589). Im
Jahre 1907 wurden zehn solche Lokomotiven bei der Lokomotivfabrik Baldwin-Philadelphia bestellt, da diese Fabrik imstande
war, dieselben in kürzester Zeit zu liefern; außerdem wollte diese
Eisenbahnverwaltung Erfahrungen mit amerikanischen Lokomotiv-Baumaterialien
sammeln.
Bei den Versuchsfahrten ergaben sich anfangs Unannehmlichkeiten: Brüche im
Antriebsmechanismus der Steuerung, großer Dampfverbrauch durch Undichtigkeit der
Kolbenringe, großer Kohlenverbrauch infolge unrichtigen Arbeitens der
Feuerungsanlage. Diese Uebelstände führten dazu, die Beanspruchung der
Versuchslokomotive (No. 7206) zu begrenzen und ihre Leistung unterhalb des
Erwarteten zulassen. Die während der Versuchsfahrten ausgeführten Ausbesserungen
brachten eine Zunahme der Leistungsfähigkeit, doch nicht derart, daß die Lokomotiven
anderen bewährten Gebirgslokomotiven gleichkamen. Sie durchfuhren bei den Versuchen
im Gefälle Kurven mit 300 m Radius mit einer Geschwindigkeit von 60 km/St, ohne
Schwierigkeiten, aber weniger leicht als z.B. die Lokomotiven der Gruppe 730.
Weiterhin wurden auch Versuchsfahrten mit einer Gebirgslokomotive (No. 4701) mit 5
gekuppelten Radachsen ausgeführt. Die ersten Lokomotiven dieser Bauart, die für die
Gebirgsstrecken des Appenins und der Mont-Cenis-Bahn bestimmt sind. Da die Tunnels
nicht künstlich entlüftet werden können, war die Möglichkeit gegeben, daß durch
Lokomotiven mit größerer Leistung eine Verschlechteung der Tunnelluft herbeigeführt
wird durch die größere Menge von Verbrennungsprodukten und von Wasserdampf. Die
Versuchsfahrten haben aber ergeben, daß infolge der größeren Geschwindigkeit die
Luft keineswegs mehr verschlechtert wird, als es bei den alten Lokomotiven der
Gruppe 45 1 der Fall war. Da die Lokomotiven auf diesen Strecken mit dem Führerstand
voraus fahren, so bietet die Durchfahrt der Tunnels keine Belästigung des
Lokomotivpersonals. Da bei dieser Anordnung der Lokomotive im Zuge der Kessel eine
besondere Aufmerksamkeit beansprucht, so wird diese Anordnung nur bei den langsam
fahrenden Güterzügen angewendet, aber nicht bei Personenzügen. Die Lokomotiven
dieser Bauart entsprechen allen Erwartungen und sie gewähren noch bei 55 km/St.
Geschwindigkeit einen ruhigen Gang. Die Einfahrt in Kurven mit 300 m Radius
geschieht ohne Anstrengung, da die erste und letzte Kuppelachse seitlich
verschiebbar angeordnet sind, und die Räder der mittleren Achse glatte Radreifen
besitzen.
Die größte entwickelte Leistung war 1200 PSi bei einer Zuglast von 204 t und einer
mittleren Geschwindigkeit von 40 km auf einer Strecke mit 25 v.T. Steigung. Mit
einer Last von 220 bis 240 t wurde diese Strecke in 45 bis 52 Minuten zurückgelegt,
während die alten Lokomotiven der Gruppe 451 49 Minuten bei 110 t und 70 Minuten
Fahrzeit bei 100 t Zuglast hatten. Bei den alten 4fach gekuppelten Lokomotiven war
das Zuggewicht auf 270 t begrenzt, bei Verwendung dieser Lokomotive und der neuen
5fach gekuppelten Lokomotive als Schiebelokomotive konnte das Zuggewicht auf 320 bis
340 t erhöht werden, bei Verwendung von zwei solcher 5fach gekuppelten Lokomotiven
stieg das Zuggewicht auf 400 bis 435 t. Auch für die Schiebelokomotive ergaben sich
in den Tunnels dank der größeren Geschwindigkeit bessere Luftverhältnisse. (Il
monitori tecnico 1909, S. 145–147.)
W.
Reinigung von Abwasser zu Flußwasser„Gewinnung von Reinwasser aus
Flußwasser,“ s. D. P. J. 1909, Bd. 324, S.
317/318..
Die Abwässer einzeln gelegener Fabriken und Gemeinden ebenso wie die aus der
Kanalisation ganzer Städte dürfen heute nur ausnahmsweise noch so, wie sie sind,
ungereinigt, dem nächstliegenden Bach, See oder Fluß zugeführt werden. Rücksicht auf
Gesundheit und wirtschaftliche Betriebe aller übrigen noch an dem öffentlichen
Gewässer un- oder mittelbar Beteiligten verlangt, daß die Abwässer bis zu einem
bestimmten Grade frei seien von Säuren, Giften und Fäulnisstoffen sowie von Schwimm-
und Schwebestoffen. Welche Reinigung darum für ein Abwasser anzuwenden ist, hängt
zunächst natürlich von seiner eigenen Beschaffenheit ab; anderseits auch von dem
Selbstreinigungsvermögen des Gewässers, des Vorfluters, also von seiner Größe und
Fließgeschwindigkeit, seinem Kalk- und Magnesiagehalt, und ganz besonders von der
Art und Zusammensetzung der in ihm lebenden Mikro-Fauna und -Flora. Beispielsweise
kann die Reinigung überflüssig sein bei städtischem Kanalisationsabwasser; es kann
sich von ihm, nach Pettenkofer, ein Fluß dann selbst
wieder reinigen, wenn seine Wassermenge bei niedrigstem Wasserstand wenigstens das
Fünfzehnfache von der durchschnittlichen Menge des Abwassers an regenfreien Tagen
beträgt, und wenn die Geschwindigkeit des Flusses keine wesentlich geringere ist als
die des zufließenden Abwassers. Aber im allgemeinen kann doch nur erst eine
sorgfältige Analyse und Bewertung aller vorliegenden Verhältnisse feststellen, ob
und dann bis zu welchem
Grade chemischer und physikalischer Reinheit das Abwasser, allerwenigstens,
aufgebessert werden muß.
Die Reinigung- kann geschehen zunächst einfach durch Auffangen der ungelösten
Schwimm- und Schwebestoffe aus dem strömenden Wasser mit Sieben oder Rechen, von
denen die angesammelten Teilchen in bestimmten Zeiträumen oder fortwährend entfernt
werden. Es gelingt hiermit, Teilchen bis zu 2½ mm aufzufangen, was bei
Kanalisationswasser etwa 20 bis 25 v.H. aller Schwimm- und Schwebeteilchen
entspricht. Bei ganz ruhigem Fließen dagegen wagerecht oder lotrecht, in Klärbecken
oder Klärtürmen, mit einer Geschwindigkeit von 20 mm/Sek. und noch weniger, setzen
sich aus Kanalisationsabwasser 80 bis 90 v.H. ab. Sollen aber auch die allerfeinsten
Teilchen aus Rücksicht auf den Vorfluter ausgeschieden werden, so erzeugt man einen
chemischen Niederschlag im Wasser, durch Zusatz von Kalk oder Thonerde, der sie mit
sich zu Boden zieht. Das Ergebnis ist dann zwar ein spiegelblankes, aber keineswegs
fäulnisfreies Wasser, da zwar alle ungelösten, aber keine gelösten, fäulnisfähigen
Stoffe ausgeschieden worden sind. Dies kann dagegen auch mit denselben Einrichtungen
erreicht werden, wenn man, nach Degener, dem Abwasser
eine Beimischung von einem sehr feinen Braunkohle- oder Torfbrei gibt (1 bis 2
kg/cbm Abwasser) und nach einiger Zeit die feinen Kohleteilchen wiederum durch einen
Niederschlag von Aluminium- oder Eisensulfat ausscheidet. Es ziehen nämlich die
Kohleteilchen die gelösten fäulnisfähigen Stoffe fest an sich, ohne sie jedoch
chemisch zu zerstören; und die ungelösten, die Schwebestoffe, sinken ja beim
Ausfällen der Kohleteilchen ebenfalls zum Boden. Das so gereinigte Abwasser ist
darum spiegelblank und völlig fäulnisfrei. Der Kohlebrei kann brikettiert und dann
verbrannt werden.
Das waren die nur mechanischen und mechanischchemischen Ausscheidungsverfahren. Ihnen stehen gegenüber die biologischen Zersetzungsverfahren. Die Räume, in denen die Zersetzung
vor sich geht, sind die Poren im natürlichen Erdboden, am besten torf- und
thonfreiem Sandboden; oder unabhängig von den Bodenverhältnissen und mit viel
kleineren Gesamtabmessungen, die Hohlräume in Koks- oder Ziegelschrotschüttungen.
Erreicht wird hier stets Klarheit durch Filterung und dazu Fäulnisunfähigkeit durch
gleichzeitige Absorption, chemische Bindung, Luftoxydation und Bakterientätigkeit.
Der natürliche Boden als biologischer Körper wird dauernd vom Abwasser berieselt,
oder täglich einmal mit einer Abwasserschicht von 5 cm Höhe beschickt; der Koks und
das Ziegelschrot dagegen ausschließlich in bestimmten Zeitabständen, oder noch
besser regenartig betropft. Die Leistung dieser verschieden betriebenen Anlagen in
einem Tage ist für I ha als Grundflächeneinheit, wenn städtisches
Kanalisationsabwasser gereinigt werden soll: Bei ununterbrochener Landberieselung 50
cbm Abwasser, bei aussetzweiser Beschickung 500 cbm. Bei Koks- oder
Ziegelschrotschüttung von 1 m Höhe mit 25 v.H. Porenvolumen, bei aussetzweiser
Beschickung, 5000 cbm; bei tropfender Beschickung und 2 m Höhe der Schüttung, 20000
cbm.
Mit dem erwähnten biologischen Verfahren ist eine so vollkommene Reinigung möglich,
wie sie praktisch überhaupt jemals verlangt werden kann. Ein zwar nicht ganz so
wirksames biologisches Verfahren anderer, aber dafür allereinfachster Art, ist nun
mit gutem Erfolge seit einiger Zeit zur Anwendung gelangt für die Abwässer der
Städte Bochum, Essen N.W. und Recklinghausen und vieler kleinerer Ortschaften sowie
Fabriken, im Sammelgebiet des Emscherflusses. Jeglicher Maschinenbetrieb ist
vermieden und eine ständige Bedienung ist nicht erforderlich. Die Anlagen sind
anpaßbar auch für sehr kleine Verhältnisse und in beliebigem Umfange
erweiterungsfähig; sie werden darum von Vorteil sein auch für technische Betriebe
wie Gerbereien, Brennereien, Zuckerfabriken, Schlachthäuser, Viehhöfe, Molkereien,
Papierfabriken. Die Einrichtung ist folgende:
Das Abwasser fließt ununterbrochen durch einen Grobrechen von 50 mm Schlitzweite
hindurch in ein Absetzbecken, und von hier weiter durch ein Abflußrohr zum Fluß. Im
Absetzbecken bleibt das Wasser ungefähr ¾ bis 2 Stunden lang, je nachdem nun seine
Geschwindigkeit 20 oder 8 mm/Sek. ist. Die Schwebeteilchen sinken infolgedessen zum
Boden nieder; Schwimmkörperchen auf dem Wasserspiegel werden im Absetzbecken
zurückgehalten durch eine ½ m sowohl über als auch unter den Wasserspiegel reichende
Querwand. Der Boden des Absetzbassins besteht aus zwei abwärts geneigten Flächen,
deren gemeinsame Schnittkante horizontal liegt, und parallel zur Fließrichtung. Sie
ist mit Schlitzlöchern versehen, durch die hindurch jene niedersinkenden
Schwebeteilchen in eine unter dem Absetzbecken befindliche Schlammgrube aus Beton
gelangen. Das Wasser in ihr steht still; die gesamte Tiefe der Grube von der
Wasseroberfläche im Absetzbecken ab ist ungefähr 8,5 m. Dort läßt man sich den
Schlamm 3 bis 6 Monate lang ansammeln; erst dann wird er entfernt; je länger er
gelagert, um so geruchloser ist er.
Die im Abwasser enthaltenen organischen Stoffe gehen erst nach durchschnittlich 12
bis 24 Stunden in Fäulnis über. Werden sie sämtlich innerhalb dieser Zeit dem Wasser
entzogen, so wäre es fäulnisunfähig geworden. Da bei diesem Absetzverfahren aber nur
die ungelösten Stoffe ausgeschieden werden, etwaige gelöste aber nicht, so wird die
Fäulnisfähigkeit nur zum größten Teil beseitigt. So erzieltes, nur noch schwach
fäulnisfähiges Wasser wird man aber einem Fluß überall zuführen dürfen, wenn die
Bezeichnung Fluß für das vorliegende Gewässer nicht gerade eben eine Uebertreibung
ist.
Der Schlamm unten in der Faulgrube beginnt nach dieser Zeit in Fäulnis überzugehen.
Es bilden sich Gase, Kohlensäure und Kohlenwasserstoffe, die im Wasser in die Höhe
steigen. Durch den schrägen Boden im Absetzbecken werden sie und die mit
emporgerissenen, in Fäulnis befindlichen Schlammfladen seitlich hin abgelenkt,
gelangen also nicht in das Absetzbassin. Das hier sich abklärende frische Abwasser
wird somit nicht etwa von dem Fäulnisvorgang in der Schlammgrube infiziert. Infolge
der Vergasung verringert sich die ursprüngliche Schlammmenge. Schließlich hört die
Gasbildung aus dem hinzugekommenen Schlamm auf; der Fäulnisvorgang ist beendet. Der
Wassergehalt des Schlammes ist dann 80 v.H. Wird jener auf freies, dräniertes Land
gebracht, so erreicht er bei trockenem Wetter in sechs Tagen Stichfeste, ohne in der
Umgebung einen andern als schwach teerigen Geruch zu verbreiten. Würde der
Klärschlamm dagegen bereits nach einigen Tagen frisch aus der Grube auf den
Trockenplatz gebracht werden, wenn er noch 95 v.H. Wasser enthält, so verpestete er
dort die Luft, weil er erst dort den Fäulnisvorgang durchmachte und mehrere Monate
Zeit brauchte, ehe er trocken werden könnte. Außerdem würde der Trockenplatz
bedeutend mehr Grundfläche beanspruchen: Vom fertig ausgefaulten Schlamm ergeben 5
cbm eine Trockenmasse von 1 cbm; beim frischen Schlamm ist dieselbe Trockenmasse in
20 cbm enthalten.
Die Entfernung des Schlamms aus der Faulgrube geschieht durch ein bis zum Boden
hinabreichendes Rohr, dessen freie Ausflußöffnung oben etwa 1 bis 2 m tiefer liegt
als der Wasserspiegel im Absetzbassin. Infolge dieses Ueberdruckes wird der Schlamm
in die Höhe geschoben. Um seinen Eintritt in die Rohrleitung zu ermöglichen, ist um
die Rohröffnung am Boden eine vielgelochte Röhre herumgelegt, durch die man Wasser
hindurchpreßt. Dadurch wird die Oeffnung des Förderrohres freigespült, und der
Schlamm tritt in die Röhre ein.
Fehlt es an Trockenplätzen für den Schlamm, so wird er in einzelnen Fällen gleich von
der Schlammgrube fort als Düngemittel in geeigneten Wagen abgefahren; der
ausgefaulte Schlamm ist im Gegensatz zum frischen frei von Unkrautkeimen. In anderen
Fällen wird der stichfest gewordene Schlamm mit sehr geringem Zusatz von Kohle oder
auch sogar Müll in gewöhnlichen Müllverbrennungsöfen verbrannt.
Mit Rücksicht auf die zeitweilige Reinigung und ganz besonders, um den neuen gerade
erst in Fäulnis übergehenden Schlamm nicht gleich wieder durch frisch
niedersinkenden zu bedecken und seinen Fäulnisvorgang dadurch zu erschweren, ist es
auch bei kleinen Anlagen vorteilhaft, wenn nicht nur ein einzelner derartiger
Reinigungsbrunnen, sondern zwei nebeneinander angelegt werden, die dann, von Tag zu
Tag abwechselnd durch Umschaltung der Abwasserrohrleitung, beide benutzt werden. Die
Absetzbassins liegen hierbei unmittelbar hintereinander und werden auch
hintereinander vom Abwasser durchströmt. Da aber die meisten Schwebeteilchen schon
im ersten Bassin niedersinken, so bleibt die Schlammmenge in der Grube unter dem
zweiten Bassin während dieser Zeit so gut wie ungeändert.
Die gesamten Baukosten ohne Grunderwerb betrugen für eine täglich zu reinigende Menge
von 200 cbm Kanalisationsabwasser 7, 3000 cbm 60 und 16000 cbm 115 Tausend Mark.
(Kurgasz) Zeitschrift d.V.d. Ing. 1908, Seite
1713–1717. (Lübbert) Zeitschrift d.V.d. Ing. 1909,
Seite 26–31; 57–63; 135–142.
Schn.
Bestimmung der zulässigen Pfahlbelastung.
Man unterscheidet bei der Bestimmung des Eindringungswiderstandes eines Pfahles die
statische und die dynamische Methode. Bei der ersteren wird ein Pfahl oder eine
Gruppe von Pfählen allmählich bis zur äußersten Belastungsgrenze oder bis zu einer
bestimmten Setzungsgrenze belastet, um aus den Setzungen die zulässige
Pfahlbelastung zu ermitteln. Bei der Belastung von Pfahlgruppen wird den
Verhältnissen der Gründung eines Bauwerkes besser entsprochen, da mit der Anzahl der
Pfähle innerhalb einer bestimmten Bodenfläche die Tragfähigkeit der einzelnen Pfähle
infolge der Verspannung des Erdreiches steigt. Wegen der Umständlichkeit und der
hohen Kosten wird jedoch in der Regel von der Belastung einer Pfahlgruppe abgesehen.
Man beschränkt sich auf die Belastung einzelner Pfähle und hat schon Belastungen bis
zu 92 t ausgeführt. Die statische Methode ist sicher, aber zeitraubend und
teuer.
Bei der dynamischen Methode werden die bei dem Einrammen eines Pfahles sich
ergebenden Eindringungen beobachtet. Durch die Rammung können jedoch starke
Bodenschwingungen erzeugt werden, die einen Teil der Rammbärenergie aufzehren, so
daß die Eindringungen des Pfahles kleiner ausfallen, als wenn die Gesamtenergie des
Bären zur Einrammung des Pfahles verbraucht würde. Diese Bodenschwingungen rühren
entweder von der sehr geringen Zusammendrückbarkeit der Erdschichten oder von
einer großen Klebrigkeit des lehmigen oder schlammigen Bodens her. Durch eine
Dauerbelastung nach der statischen Methode wird die zu günstige Verhältnisse
vortäuschende Klebefestigkeit besser überwunden. Schließlich kann noch ein
elastischer, dem Stoße entgegengesetzter Erddruck, der bei ruhender Belastung mit
der Zeit verschwindet, bei den dynamischen Versuchen den Eindringungswiderstand über
seine eigentliche und endgiltige Größe erhöhen. Es ist daher bei der dynamischen
Methode zur Bestimmung der zulässigen Pfahlbelastung besondere Vorsicht in der Wahl
der Sicherheitskoeffizienten um so mehr am Platze, als die eben genannten Umstände
sich rechnerisch schlecht oder garnicht fassen lassen.
Die ältere, von Eytelwein stammende Rammformel
W=(R+Q)+\frac{R^2 \cdot h}{(R+Q) \cdot \tau},
die vollkommen unelastische Rammkörper voraussetzt, liefert zu
große Werte für den Eindringungswiderstand W. Man
erhält sogar für die Eindringung bei einem Rammschlag τ = 0 einen unendlich großen
Widerstand W. Stern setzt unvollkommene elastische
Körper voraus und hat folgende allgemeine Rammformel aufgestellt:
1) . . .
W=\frac{\tau}{\kappa}\,\left[\sqrt{1+\frac{1}{\tau}\,\left(A+\frac{h}{\tau}\right)\,B}-1\right].
In dieser Formel ist:
\kappa=\frac{L}{F \cdot \varepsilon}=\frac{\mbox{Länge des
Pfahles}}{\mbox{Querschnitt des Pfahles über der Spitze ·
Dehnungskoeffizient}}
A = 2 κ ·
(R + Q)
B=\frac{2\,\kappa \cdot R\,(R+\eta^2 \cdot Q)}{R+Q}
hierbei ist R das Rammbärgewicht,
Q das Pfahlgewicht, η die Stoßelastizitätsziffer
(rd. 0,25), h die Hubhöhe und und τ die Eindringung für
einen Schlag der letzten Hitze. Diese Formel liefert geringere Werte von W, als die Eytelwein'sche
Formel und bietet daher größere Sicherheit.
Stern hat noch eine statisch-geometrische Methode zur
Bestimmung des Widerstandes W angegeben, die bei der
Gründung eines Wohn- und Geschäftshauses in Lemberg mit Hilfe von
Betonblechrohrpfählen mit gutem Erfolge zum ersten Mal angewendet ist.
Stern benutzt sowohl die aus dynamischen Versuchen
gewonnenen Eindringungstiefen t, als auch den aus einer ruhenden Belastung sich
ergebenden Widerstand Wmin, der auftritt, wenn der Pfahl durch eine Belastung bis zum oberen Rand
der Pfahlspitze in den Boden eindringt.
Um die Formeln für den Eindrindungswiderstand W zu
vereinfachen, führt er zwei Koeffizienten ξ und f in
die Rechnung ein. Das Verdrängungsmaß ξ ist ein für die Bodengattung gleichmäßiger
Dichte nahezu konstanter Wert, der die räumliche Ausdehnung des durch einen Pfahl
erzeugten Verdichtungsgebietes zu ermitteln gestattet, während f ein Wertmesser für die Druckfähigkeit des
verdichteten Bodens ist.
Es ist
2) . . .
\xi=2\,\left[\frac{tg\,\varphi}{2\,\mbox{min}\,W+d \cdot
\mbox{tg}\,\alpha \cdot \mbox{tg}\,\varphi} \cdot d \cdot
\frac{\mbox{sin}\,\alpha+\mu \cdot \mbox{cos}\,\alpha-1}{\mu \cdot
\mbox{sin}\,2\,\alpha}\right]
und
3) . . . f=\frac{2\,\mbox{tg}\,\varphi}{\xi \cdot
\left(1+\frac{\xi}{2}\right) \cdot \mu \cdot d^2\pi}
In dieser Gleichung bedeutet d den Durchmesser des
Pfahles in der Oberkante der Pfahlspitze, α den Winkel, den die Seitenlinie
der Pfahlspitze mit der Pfahlachse bildet, und μ den Reibungskoeffizient zwischen
Erdreich und Pfahloberfläche. (rd. 0,5)
tg ϕ ist das Maß für die Geschwindigkeit des Anwachsens des Eindringungswiderstandes
W mit der bis zur Oberkante der Pfahlspitze
gemessenen Eindringungs-tiefe t.
Der Winkel ϕ läßt sich zeichnerisch bestimmen. Man berechnet nach der allgemeinen
Rammformel von Stern (Gl. 1) die zu verschiedenen
Einsenkungstiefen t gehörigen W-Werte unter Benutzung der Rammprotokolle und trägt sie senkrecht zur
Pfahlachse als Ordinaten zu den zugehörigen t-Werten
auf. Die Verbindungslinie der Endpunkte ist die Widerstandslinie, die sich durch
eine Gerade ausgleichen läßt, deren Neigungswinkel zur £-Achse der gesuchte Winkel ϕ
ist.
Der Eindringungswiderstand W setzt sich aus zwei
Beträgen, W' und W''
zusammen: W' ist der Widerstand der Pfahlspitze, W'' derjenige des Pfahlschaftes, wenn der Pfahl sich
vom Kopf bis zur Spitze verjüngt. Bei zylindrischen Pfählen fällt der Beitrag W'' weg. Es ist daher unter allen Umständen günstiger,
sich verjüngende Pfähle zu verwenden.
Nach Stern ist:
4) . . . W'=\frac{1}{4}\,\xi \cdot f \cdot \pi \cdot
d^3 \cdot \frac{\mbox{sin}\,\alpha+\mu \cdot
\mbox{cos}\,\alpha}{\mbox{sin}\,2\,\alpha}
5) . . .
W''=\frac{1}{4}\,\xi\,f\,\left(1+\frac{\xi}{2}\right) \cdot \mu \cdot
d^2\,\pi\,(2\,t-d \cdot \mbox{tg}\,\alpha)
=\frac{1}{2} \cdot \mbox{tg}\,\varphi \cdot (2\,t-d \cdot
\mbox{tg}\,\alpha)
und
6) . . . W =W' + W''.
In der hier angegebenen Reihenfolge der Gleichungen sind unter Benutzung der aus dem
Rammprotokoll zu berechnenden W-Werte für die einzelnen
t-Werte und des aus der ruhenden Belastung
ermittelten Wertes Wmin
die Rechnungen bis zur endgiltigen Bestimmung des Pfahlwiderstandes W durchzuführen. Man erhält einen Wert von W, der viel besser den wirklichen Verhältnissen
entspricht, als aus der Benutzung der alten Eytelweinschen Formel. Bei der oben erwähnten Pfahlgründung in Lemberg wurde
der in der beschriebenen Weise ermittelte Pfahlwiderstand W durch eine Probebelastung nach der statischen Methode geprüft. Die
Ergebnisse zeigten eine befriedigende Uebereinstimmung. (Kafka). [Beton u. Eisen 1909, Seite 162–164, 196 bis 198, 212–216].
Dr.-Ing. Weiske.
Die Wasserkraft-Elektrizitätswerke am Hoosic River.
In vorbildlicher Weise wird die Wasserkraft des Hoosic River trotz einer
außerordentlich ungleichmäßigen Wassermengen bei den Orten Johnsonville und
Schaghticoke im Staate New-York ausgenutzt. Durch Anlage eines Beton-Staudammes von
annähernd 150 m Länge und 12 m Höhe ist oberhalb Johnsonville ein Becken von 9,6 km
Länge geschaffen worden, dessen Inhalt gestattet, die Maschinen des unmittelbar an
dem Staudamm errichteten Kraftwerkes in den trockenen Monaten, wenn die
Wasserzuflüsse auf die Hälfte des normalen herabgehen, einen Monat lang mit
ihrer vollen Leistung von 5000 PS bei 10,67 m Gefälle weiter zu betreiben. Das
Kraftwerk Johnsonville enthält zwei 1800 KW-Drehstromdynamos, welche von
2500pferdigen S. Morgan Smith-Doppelturbinen mit
wagerechten Wellen unmittelbar angetrieben werden. Die beiden Laufräder jeder
Turbine sind auf der gemeinsamen Welle so gelagert, daß sich die Achsschübe
gegenseitig aufheben, und sind mit unabhängigen Leitschaufelkränzen versehen, deren
Weite durch Lombardsche Oeldruck-Regulatoren
eingestellt wird. Die Turbinen liegen außerhalb des eigentlichen Maschinenraumes und
sind durch Kanäle, welche in dem Mauerwerk des Staudammes ausgespart sind, mit dem
Staubecken verbunden. Unmittelbar neben diesen Kanälen befindet sich ein Ueberlauf,
welcher das Schwimmeis von den Turbinenkammern ableitet.
Etwa 1,6 km unterhalb von Johnsonville ist bei Schaghticoke ein Gefälle von etwa 48 m
Höhe verfügbar. Es lag demnach nahe, das von dem Johnsonville-Kraftwerk ablaufende
Wasser aufzufangen und seine Wasserkraft in einem tiefer gelegenen Werk abermals
auszunutzen, zumal die hier verfügbare Leistung viermal so groß sein kann, als die
in Johnsonville. Als Ablaufgraben des oberen Werkes dient das natürliche Flußbett.
Bei Schaghticoke ist dann ein neuer Betondamm von etwa 7,5 m mittlerer Höhe
errichtet, durch den abermals ein kleineres Staubecken geschaffen und das Wasser in
das Vorbecken des unteren Kraftwerkes abgelenkt wird. Von dem Vorbecken gelangt das
Wasser durch eine etwa 3800 mm weite und 270 m lange Leitung aus 10 mm dickem Blech
in ein kleines Wasserschloß, welches auf dem entgegengesetzten Ufer des Hoosic River
liegt und welche etwas tiefer liegt als der Spiegel des Vorbeckens und daher
gelegentlich auch Druck auszuhalten hat. Von diesem Wasserschloß führen vier
Druckleitungen von 1830 mm und eine von 610 mm Weite zu dem Kraftwerk, wo vier
Maschinengruppen von je 5000 PS und zwei Erregergruppen von je 250 PS aufgestellt
sind. Die großen Einheiten bestehen aus einfachen Francisturbinen, deren senkrechte Wellen oben die Stromerzeuger von 3000
KW bei 4400 Volt tragen. Die Turbinen laufen mit 300 Umdrehungen in der Minute und
sind mit Pelton-Oelregulatoren ausgerüstet, deren
Geschwindigkeit beim Parallelschalten vom Schaltbrett aus verstellt werden kann. Die
Erregerturbinen sind Peltonturbinen mit wagerechten
Wellen und treiben 150 KW bis 250 Volt-Innenpol-Gleichstromerzeuger mit 600
Umdrehungen i.d. Minute. Von dem Schaghticoke-Werk gehen drei
Drehstrom-Fernleitungen aus. Zwei davon führen nach dem 32 km entfernten
Schenectady, wo ein Umformerwerk die Verteilung des Stromes in die verschiedenen
Fabriken der General Electric Company besorgt, die dritte stellt die Verbindung mit
dem oberen Werk Johnsonville her. Der Betrieb der beiden Werke wird ähnlich, wie es
bei den Werken der California Gas and Electric Corporation am Kern River geschieht,
derart geführt, daß das obere Werk ständig mit voller Belastung von 3600 KW läuft,
während die Schwankungen der Belastung von dem unteren Werk allein aufgenommen
werden. Hierdurch wird erzielt, daß selbst bei reichlichem Wasserzufluß möglichst
wenig Kraftwasser ungenutzt abfließen kann. (Electrical World 1909, I, S.
1209–1214.)
H.
Eingesandt.
(Ohne Verantwortlichkeit der Redaktion.)
K.k. Technologisches Gewerbe-Museum.
Der XXX. Jahresbericht dieser Anstalt für das Studienjahr 1908/09, erstattet von
dem Direktor, Regierungsrat Lauboeck, bietet einen
Rückblick auf die im Verwaltungsjahre vorgekommenen, für das Institut Bedeutung-
habenden Ereignisse, stellt die ununterbrochen steigende Frequenz und die Erfolge an
den Fachschulen und den Spezial-Lehrkursen dar und liefert für die stets wachsende
Inanspruchnahme der Versuchsanstalten interessante Belege. Außer der Darstellung der
Wirksamkeit des Museums, sind die organisatorischen Aenderungen, die Berichte über
die Sitzungen des Kuratoriums, die Personalstatistik, die Schülerunterstützungen,
Studienreisen und Exkursionen, die Frequenz der Sammlungen usw. aus dem Berichte
ersichtlich.
Die Frequenz der Unterrichtsanstalten weist in Summe 1565 Schüler nach, von
denen 602 als Tagesschüler und 963 als Frequententen der Spezial-Lehrkurse das
Institut besuchten. In dem Berichtsjahre standen 115 Personen in Verwendung. Die
Tax-Einnahmen der Versuchsanstalten betrugen 80000 Kronen. Die Unterrichtsanstalten
haben in fachlicher Beziehungnennenswerte Ausgestaltungen erfahren, und auch die
Versuchsanstalten haben hinsichtlich ihrer Einrichtungen mancherlei Zuwachs an
Apparaten aufzuweisen.
Der Bericht, aus welchem die weitere gedeihliche Entfaltung der Tätigkeit dieser
Anstalt zu entnehmen ist, wird durch die Direktion an Interessenten zur Verfügung
gestellt.