Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 622 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Untersuchungstriebwagen.
Auf der Strecke Blankenese–Hamburg–Ohlsdorfs. D.
P. J.S. 94 u. 141 d. Bd. können Arbeiten an der mit 6300 V 25
Perioden Wechselstrom gespeisten Fahrleitung nur vorgenommen werden, wenn die
letztere spannungslos ist. Ein zur Untersuchung verwendetes Fahrzeug muß daher
unabhängig von der Fahrleitung bewegt werden können. Man hat dementsprechend zwei
Untersuchungswagen, die in ihrem mechanischen Aufbau im wesentlichen mit den
normalen gedeckten Güterwagen übereinstimmen, mit Gleichstrommotoren und
Akkumulatorenbatterien ausgerüstet. Die Wagen, welche bei 4 m Radstand 7,5 m Länge
zwischen den Buffern besitzen, wiegen vollständig ausgerüstet 20,5 t. Hiervon
entfallen auf die Akkumulatorenbatterie 3 t und auf die übrige elektrische
Ausrüstung etwa 6,5 t. Die Batterie, welche bei fünfstündiger Entladung 183 Amp./St.
Kapazität besitzt und einen Strom von 36 Amp. liefert, ist teils in pult-förmigen
Vorbauten an den Stirnseiten des Wagenkastens, teils im Wageninnern untergebracht.
Die hierzu benutzten Räume sind durch Klappen von außen zugänglich und nach dem
Wageninnern hin luftdicht abgeschlossen. Die Motoren, welche mit einfacher
Zahnradübersetzung von 1 : 4,12 die Fahrzeugachsen antreiben, leisten je 15 PS und
ergeben als höchste Fahrgeschwindigkeit 20 km/St.
Auf dem Wagendach ist vorn und hinten je ein in senkrechter Richtung verschiebbarer
Bügelstromabnehmer angebracht, die vor Beginn irgendwelcher Arbeiten an der
Fahrleitung an die letztere angelegt werden, um sie zu erden. Die Erdung des
Fahrzeuges selbst wird durch Drahtbürsten gesichert, die verstellbar an den
Bahnräumen befestigt sind und auf den Fahrschienen aufliegen. Die Arbeiten werden
von einer auf dem Dache des Wagens angebrachten Plattform aus vorgenommen. Diese
Plattform kann mittels einer Handkurbel vom Wagen aus gedreht werden, wenn an den
außenliegenden Isolatoren der Stützstreben oder an Leitungen über einem benachbarten
Gleise Arbeiten ausgeführt werden sollen. Das Wageninnere ist als Werkstatt mit
Schraubstock, Feldschmiede und Werkzeug ausgerüstet; ferner sind Material und
Ersatzteile dort untergebracht. Zur Beleuchtung des Wageninnern, der
vorgeschriebenen Lokomotivsignale und der Arbeitsstelle auf dem Wagendache sind
elektrische Glühlampen verwendet. Als Schlußsignal dient eine Petroleumlaterne und
zur Heizung des Wagens ein eiserner Ofen. (Freund)
[Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen 1909, S. 251 bis 252].
Pr.
Untersuchung einer 300 KW-Parsonsturbine.
Die Untersuchungen an der Parsonsturbine im Maschinenbaulaboratorium der Technischen
Hochschule Charlottenburg erstreckten sich auf den Einfluß der Dampfuberhitzung und
eines geringen Gegendruckes; zur möglichst genauen Aufstellung der Bilanz der
aufgewendeten, nutzbaren und verlorenen Energie waren eine Reihe besonderer
Messungen notwendig. Die Turbine leistete bei 2400 Umdreh.-Min. 300 PS, besaß 65
Stufen und war mit einer Gleichstromdynamo mit getrennter Erregermaschine direkt
gekuppelt.
Die Messungen der Leistung der Dynamomaschine geschah mit sorgfältig geeichten
Instrumenten. Die Messung der Drucke durch Feder- und Quecksilbermanometer und der
Temperaturen mit Ausnahme der Temperatur des Abdampfes mittelst Thermoelementen. Die
Messung des niedergeschlagenen Dampfes erfolgte durch Ausfluß aus
Poncelet-Oeffnungen, durch Ablesung der Stauhöhe in bestimmten Zeitabschnitten.
Zur Bestimmung der mechanischen und elektrischen Verluste dienten Auslaufversuche;
die Maschine wurde bei voller Tourenzahl von der Dampfleitung abgesperrt und sich
selbst überlassen. Es wurde die Umdrehungszahl in regelmäßigen Zeitabschnitten
festgestellt und dadurch die Verzögerung bestimmt. Die Versuche wurden bei erregter
und unerregter Maschine und bei verschiedenem Gegendruck vorgenommen; dabei konnten
die mechanischen Verluste und die elektrischen Verluste getrennt, ferner auch die
Dampfreibung des rotierenden Teiles der Turbine gesondert bestimmt werden, da
letztere bei dem extrapolierten Gegendruck 0 zu Null wird. Es ergab sich, wie auch
bei andern Versuchen, eine lineare Zunahme der Dampfreibung mit steigendem
Gegendruck. Mit Hilfe der Auslaufversuche konnten also die Verzögerungen durch die
widerstehenden Kräfte der Reibung, der Ventilation, der Antriebskraft für die
Oelpumpe und den Regulator bestimmt werden und nach Ermittlung des Trägheitsmomentes
der rotierende Teile waren auch die verzögernden Kräfte und deren Arbeiten gefunden.
Das Trägheitsmoment J wurde bei verschiedenen
Entlastungsversuchen mit Hilfe der vom Tachographen aufgezeichneten Tourensteigerung
im Mittel zu 5,79 kg/qm ermittelt und zwar mit Hilfe der bekannten mechanischen
Beziehung J=D \cdot \frac{\Delta\,t}{\Delta\,n} \cdot
\frac{30}{\pi}, worin D das überschüssige
Drehmoment zur Zeit der Entlastung, welches vor der Entlastung genau abgelesen
wurde, bedeutet. Die Zeit Δt, welche bis zur
Tourensteigerung Δn = 5 v.H. verfloß, wurde der
Aufzeichnung des Tachographen entnommen. Somit
konnten die Reibungsverluste von Turbine und Generator angegeben werden. Um
beide zu trennen, wurden besondere Auslaufversuche, genau wie vorher mit dem ganzen
Aggregat, mit der Turbine allein vorgenommen unter Veränderung des Gegendruckes. Bei
dem früheren Versuch mit verschiedenem Gegendruck bei angekuppelter Dynamo wurde die
Dampfreibungsarbeit der Turbinen bei 1,035 kg/qcm Gegendruck zu 8 PS bestimmt, die
natürlich unter den gleichen Verhältnissen für die alleinlaufende Turbine gerade so
groß ist. Damit ist der Maßstab festgelegt, welcher die Reibungsverluste der Turbine
allein bestimmen läßt. Bei 2380 Umdrehungen ergibt sich eine Reibungsarbeit der
Turbine (ohne Dampfreibung) zu 7,6 PS, des Generators zu 15,6 PS. Danach beträgt das
Trägheitsmoment der Turbine nur 0,72 kg/qm, es macht also nur einen geringen
Bruchteil des Trägheitsmomentes des Generators aus; die lebendige Kraft der Turbine
allein ist somit verhältnismäßig gering.
Einen Teil der Untersuchungen bildete auch die Feststellung der Strahlungsverluste
der Turbine. Zu diesem Zwecke wurde die Turbine an der Drehung verhindert und die
durchströmende Dampfmenge konstant gehalten. Da der Dampf an allen Punkten in der
Turbine überhitzt war, konnte sein Wärmeinhalt an jeder Meßstelle – es waren im
ganzen 6 – bestimmt werden. Mit dem Einlassen des Dampfes begann man mit den
Ablesungen; erst nach etwa 3 Stunden blieben die Temperaturen an den verschiedenen
Meßstellen konstant. Aus der stündlich durchgeschickten Dampfmenge und der Abnahme
des Wärmeinhaltes ergab sich für die Turbine eine stündliche Wärmeabgabe von 5620
W.E. entsprechend einem Arbeitswert von 8,9 PS. Dieser Betrag stellt jedoch nicht
den Energieverlust dar; denn aus den 5620 W.E. erhalten wir keine 8,9 PS, sondern
nur etwa ⅙ dieses Wertes nach dem thermodynamischen Wirkungsgrad, mit welchem die
Umsetzung der Wärmeenergie in mechanische Arbeit durch die Turbine erfolgt. Wir
sehen also, es ergibt sich als Energieverlust durch Strahlung ein verschwindend
kleiner Betrag, bei 300 PS Normalleistung nur ½ v.H. Die Dampfmenge, welche durch
Stopfbüchsen und Entlastungskolben verloren geht, wurde auf folgende Weise bestimmt:
es gelang nur, die Summe der durch den letzten Entlastungskolben und die vordere
Stopfbüchse tretende Dampfmenge zu messen, indem der Dampf in dem Abströmrohr durch
einen Kühlwassermantel niedergeschlagen wurde. Der austretende Dampf war überhitzt,
so daß seine Wärme bekannt war; aus der Menge und Temperaturerhöhung des Kühlwassers
konnte die durchströmende Dampfmenge berechnet werden. Die durch die Stopfbüchse
tretende Dampfmenge bleibt bei allen Belastungen gleich, weil immer das Vakuum gegen
Atmosphärendruck abzudichten ist; während der Entlastungskolben bei den wechselnden
Druckunterschieden verschieden große Mengen Dichtungsdampf braucht. Unter Beachtung
dieser Umstände war es möglich, die Dampfmengen für Stopfbüchse und
Entlastungskolben bei der graphischen Verarbeitung der Versuchsresultate voneinander
getrennt zu ermitteln. Hierbei ist von den Untersuchungen Stodolas über die Strömungsvorgänge durch Labyrinthdichtungen Gebrauch
gemacht worden; danach ist die durchtretende Dampfmenge proportional mit
\sqrt{p_1^2-p_2^2}, wenn p1 und p2 die Drucke vor bezw. hinter der Dichtung bedeuten.
Die durch Stopfbüchse und Entlastungskolben bei verschiedenen Belastungen tretende
Dampfmenge nahmen nun, wie man sich durch graphisches Auftragen überzeugte,
geradlinig mit \sqrt{p_1^2-p_2^2} zu; die Verlängerung der
Geraden bis zu dem Punkte, wo \sqrt{p_1^2-p_2^2}=0, ergab in
dem Abschnitt auf der Ordinatenachse den konstanten Betrag für die Dampfmenge,
welche durch die Stopfbüchse strömte; sie ergab sich für die vordere Stopfbüchse zu
45 kg/St. Die beiden Stopfbüchsen zugeführte Dampfmenge wurde zu 115 kg/St., d.s. ∾
3½ v.H. der Dampfmenge bei Vollast gemessen, so daß die hintere Stopfbüchse 70
kg/St, brauchte. Die so ermittelten Werte wurden dadurch geprüft, daß die eine
Stopfbüchse mit Dampf gesperrt wurde, während durch die andere Luft eintrat und
umgekehrt. Die auf beiden Seiten eintretende Luftmenge wurde beim Austritt aus der
Luftpumpe gemessen. Auf den Druckunterschied im Betrieb umgerechnet, ergab sich eine
Luftmenge von 43,5 kg vorn und hinten 71,5 kg/St, also eine gute Uebereinstimmung
mit den auf obige Weise ermittelten Werten.
Die Dampfmengen, welche durch den ersten und zweiten Entlastungskolben
hindurchtreten, konnten nicht gemessen werden. Um aber über ihre Größe einen Anhalt
zu bekommen, wurde folgender Weg eingeschlagen: Nach Stodolas Formel für die durch eine Labyrinthdichtung tretende
Dampfmenge
G=\mbox{const.} \cdot d\,\frac{\sqrt{p_1^2-p_2^2}}{z},
worin d den Durchmesser des
Labyrinthkolbens und g die Anzahl der Labyrinthe
bedeutet, wurde entsprechend den gemessenen Druckunterschieden vor und hinter jedem
Kolben das Verhältnis der Dampfmengen zu 3 : 1,75 : 1 bestimmt; die Belastung hatte
darauf keinen Einfluß. Da die durch den letzten Kolben tretende Dampfmenge in einem
Falle zu 185 kg/St. = 5,6 v.H. der Gesamtdampfmenge ermittelt worden war, so
errechnet sich für den 2. Kolben die durchtretende Dampfmenge zu 323 kg/St. = 10,14
v.H. und für den 3. Kolben, der gegen den eintretenden Hochdruckdampf abzudichten
hat, 550 kg/St. = 17,2 v.H. der gesamten der Turbine zufließenden Dampfmenge.
Für den Hochdruckteil von Parsousturbinen liegen also
die Verhältnisse ungünstig. Die erhaltenen Werte gelten aber nicht für alle Größen
von Parsousturbinen; für größere Maschinen werden sie
kleiner.
Die eigentlichen Dampfverbrauchsversuche erstreckten sich auf das Verhalten der
Turbine bei verschiedener Belastung, Ueberhitzung und Kondensatorspannung. Soweit es
möglich war, wurde auch die Umlaufzahl verändert. Die Eigenreibung der Turbine in
ihren Lagern, für den Regulator und Oelpumpenantrieb wurde bei Normallast zu 1,5
v.H. bestimmt (7,6 PS). Die Radreibung ist unter die hydraulichen Verluste
gerechnet; sie ist auch kein vollständiger Verlust, weil ein Teil der Reibungswärme
in den folgenden Stufen noch nutzbar gemacht wird. Die für die Stopfbüchsen
gebrauchte Dampfmenge ist für sich bestimmt worden. Aus der Differenz mit der
gemessenen Gesamtdampfmenge erhält man die Dampfmenge, welche Arbeit verrichtend die
Turbine durchströmt. Die von dieser Dampfmenge wirklich ausgenutzte Wärme wurde aus
der Leistung mit Hilfe der Beziehung W=\frac{D \cdot (i-q_e)}{N}
berechnet, worin D die stündliche Dampfmenge vom
Wärmeinhalt i hinter dem Regulierventil, qc die
Flüssigkeitswärme des Kondensats und N die Leistung
bedeutet. Die aus dem Anfangs- und Endzustand des Dampfes berechnete, ausgenutzte
Wärmemenge war um etwa 5 v.H. höher. Dieses Resultat ist deshalb beachtenswert, weil
der Wirkungsgrad oft auf Grund des Dampfzustandes vor und hinter der Turbine
bestimmt wird. Im vorliegenden Fall kommt also dieser Ermittlung- eine Genauigkeit
von 5 v.H. zu.
Durch die Trennung der Arbeitsdampfmenge von der Gesamtdampfmenge konnte sowohl der
Gütegrad der Turbine als Ganzes wie der Energieumsetzung im rotierenden Teil
beurteilt werden.
Die Dampfmenge bei verschiedenen Anfangsdrucken ergab bei der graphischen Darstellung
sowohl für gesättigten wie für überhitzten Dampf eine gerade Linie, die jedoch nicht
durch den Anfangspunkt geht, sondern die Anfangsordinate in einer Höhe schneidet,
welche der Stopfbüchsendampfmenge entsprechen muß; dies ist auch mit ziemlicher
Annäherung der Fall. An einzelnen Stufen nahm der Druck linear mit dem Anfangsdruck
zu.
Bei Verbesserung des Vakuums um 1 v.H. erhöht sich in den Grenzen von 85 bis 95 v.H.
Vakuum auch der Dampfverbrauch um 1 v.H.; bei Aktionsturbinen ist der Einfluß des
verbesserten Vakuums größer. Wird das Kondensat in den Kessel zurückgepumpt, seine
Wärme also wiedergewonnen, so erscheint die Verbesserung des Wirkungsgrades bei
höherem Vakuum geringer und zwar entspricht einer Aenderung des Vakuums um 1 v.H.
eine Aenderung des Wärmeverbrauchs um 0,6 v.H.
Bezüglich des Einflusses der Ueberhitzung ist zu bemerken, daß für jede 7,3°
Ueberhitzungstemperatur eine Verminderung des Dampfverbrauchs um 1 v.H. eintritt.
Geht man jedoch richtiger auf den Wärmeverbrauch zurück, weil doch die
Ueberhitzungswärme nicht umsonst ist, so ergibt sich erst bei etwa 20°
Temperatursteigerung eine Verringerung des Wärmeverbrauchs um 1 v.H. Der
wirtschaftliche Gewinn von überhitztem Dampf von 300 im Vergleich zu gesättigtem
Dampf ist dann nur etwa 5 v.H., wenn gleicher Kesselwirkungsgrad in beiden Fällen
angenommen wird.
Trägt man die Gütegrade – auf die Wärmeausnutzung bezogen – als Funktion der
Turbinenleistung auf, so ergibt sich bis auf halbe Leistung herab eine nur
unwesentliche Abnahme des Wirkungsgrades. Von da an ist die Abnahme bei überhitztem
Dampf stärker, wohl infolge der höheren Strahlungsverluste. Auf die in der Turbine
arbeitende Dampfmenge bezogen bleibt der Wirkungsgrad der Wärmeausnutzung bei allen
untersuchten Belastungen konstant = 56 v.H. Dies ermöglicht es, aus einem bei
beliebiger Belastung ausgeführten Versuch die Betriebsverhältnisse, welche sich bei
veränderlicher Belastung ergeben, rechnerisch zu bestimmen.
Durch Messung von Druck und Temperatur in einzelnen Stufen konnte das in den
einzelnen Stufengruppen verarbeitete Wärmegefälle und durch Vergleich mit dem
verfügbaren Gefälle der Wirkungsgrad der einzelnen Gruppen ermittelt werden. Es
ergab sich, daß die Wirkungsgrade fast unabhängig von der Belastung sind. Die
mittleren Stufen arbeiten etwa mit einem Wirkungsgrad von 60 v.H., die
Niederdruckstufen mit 56 und die Hochdruckstufen mit nur etwa 40 v.H. Wirkungsgrad.
Es ist dies die Folge des hohen Spaltverlustes in der Hochdruckstufe. (Gensecke). Zeitschrift für das gesamte Turbinenwesen
1909, Heft 6 bis 10.
M.