Titel: | Der Naphtalin-Motor der Gasmotoren-Fabrik Deutz. |
Autor: | K. Marold |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 666 |
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Der Naphtalin-Motor der Gasmotoren-Fabrik
Deutz.
Von K. Marold,
Köln.
Der Naphtalin-Motor der Gasmotoren-Fabrik Deutz.
Die Entwicklung des Verbrennungsmotorenbaus ist hauptsächlich durch die
Einführung neuer Brennstoffe und neuer, meist durch diese bedingter Arbeitsverfahren
gekennzeichnet. Die Ausnutzung der Hochofengase in der Gasmaschine zeichnete dem
Großgasmaschinenbau neue Bahnen, die Verwendung des Benzins schuf die Industrie der
Fahrzeugmotoren und Motorfahrzeuge für Land, Wasser und Luft. Der mit den
schwersiedenden Produkten der Petroleum- und Braunkohlendestillation arbeitende Dieselmotor erschloß der Verbrennungskraftmaschine als
Antriebsmotor für mittlere und große Kraftleistungen ein neues Arbeitsfeld.
Für den feststehenden Kleinmotor kamen neben dem Leuchtgas, das seine Bedeutung für
motorische Zwecke bis heute noch keineswegs eingebüßt hat, die verschiedensten
flüssigen Brennstoffe zur Verwendung wie Benzin, Petroleum, Spiritus, Benzol und
Autin. Begünstigt wurde die Verbreitung des Flüssigkeitsmotors auf Kosten des
Leuchtgasmotors dadurch, daß der letztere bei Störungen im Leitungsnetz in
Mitleidenschaft gezogen wird und bezüglich seiner Brennstoffkosten vollständig vom
Gaspreis des betreffenden Ortes abhängig ist.
Einen der letzten Fortschritte auf diesem Gebiet der Nutzbarmachung mannigfacher
Brennstoffe in der Verbrennungskraftmaschine stellt der Naphtalin-Motor der Gasmotoren-Fabrik Deutz dar. Nach eingehenden Versuchen
ist es dieser Firma gelungen, ein Verfahren auszubilden, welches die Anwendung
dieses wohlfeilen, in der Industrie bisher wenig verwerteten Nebenproduktes der
Steinkohlendestillation als Brennstoff gestattet.
Die früheren Vorschläge, feste Brennstoffe mittels der in den Abgasen enthaltenen
Wärme zu verflüssigen, konnten beim Naphtalin mit seinem wesentlich unter der
Temperatur der Auspuffgase liegenden Siedepunkt keine günstigen Resultate ergeben.
Selbst bei sehr sorgfältiger Bedienung lassen sich kaum Brennstoffverluste durch
Verdampfen und eine Verschlechterung der Luft im Maschinenraum durch die auf Augen
und
Schleimhäute sehr schädlich einwirkenden Dämpfe vermeiden.
Textabbildung Bd. 324, S. 666
Fig. 1.
Bei dem neuen Deutzer Verfahren wird das Naphtalin durch
das heiße Kühlwaser des Zylindermantels verflüssigt und durch den aus dem
Kühlwassergefäß abziehenden Dampf bis zum Austritt aus der Brennstoffdüse flüssig
erhalten. Ein Verflüchtigen des Brennstoffes ist bei der Temperatur des siedenden
Wassers ausgeschlossen. Dieses Verfahren, welches der Gasmotoren-Fabrik Deutz geschützt ist (D.R.P. Nr. 199205) wird durch die
schematische Zeichnung Fig. 1, welche der
Patentschrift entnommen ist, in einfacher Weise erläutert.
Die konstruktive Durchbildung dieses Grundgedankens zeigen Fig. 2 bis 4, die äußere Ansicht
der ausgeführten Maschine die Fig. 5. In dem
Kühlwasserbehälter a, der unmittelbar auf den
Zylindermantel aufgesetzt ist und somit einen Teil des Kühlwasserraumes bildet, ist
der Brennstoffbehälter b eingesetzt, welcher den
Brennstoff, in Pulverform oder in Platten gepreßt, aufnimmt. Der durch die
Kühlwasserwärme verflüssigte Brennstoff sammelt sich in dem Brennstoffbehälter c, nachdem er ein engmaschiges Drahtnetz passiert hat,
welches alle Verunreinigungen des Naphtalins zurückhält. Das unter Druck zu
fließende Kühlwasser tritt durch das Rohr e ein. Ein
Absperrventil im Innern des Wasserbehälters wird durch einen Schwimmer betätigt
und dadurch der Wasserstand stets auf gleicher Höhe erhalten. Durch diese
Anordnung wird eine plötzliche Temperaturerniedrigung des Kühlwassers und
Verzögerung der Naphtalinverflüssigung verhindert.
Der sich im Kühlwasserbehälter bildende Dampf wird durch das Rohr f zum Naphtalinschwimmergehäuse g geleitet. Innerhalb des Rohres f liegt die
Brennstoffleitung, die den Behälterraum c mit dem
Schwimmerraum verbindet. Auf diese Weise wird das Naphtalin in Leitung und Schwimmer
durch den umhüllenden Dampfmantel flüssig erhalten. Durch die Abdampfleitung h wird der Dampf ins Freie geführt.
Aus dem Schwimmergehäuse tritt der Brennstoff in die Brennstoffbrause im
Zerstäubungsgehäuse i. Der Schwimmer ist mit einem den
Brennstoffzufluß regelnden Nadelventil in der Weise verbunden, daß der Brennstoff in
der Zerstäubungsdüse bis unmittelbar an die Ausströmöffnung emporsteigt. Erzeugt nun
der Saughub der Maschine einen Unterdruck im Zerstäubungsgehäuse, so tritt der
Brennstoff aus und zerstäubt sofort. Gleichzeitig strömt durch das Luftrohr k die zur Verbrennung nötige Luft in das
Zerstäubungsgehäuse ein, streicht an der Brennstoffbrause vorbei, reißt den
zerstäubten Brennstoff mit und tritt mit diesem vermischt in den Zylinder ein. Bevor
die Luft in das Rohr k gelangt, wird sie mittelst der
Ausströmgase dadurch vorgewärmt, daß das Luftansaugrohr l das Ausströmrohr m vollständig umhüllt.
Durch das Erwärmen der Luft wird verhindert, daß das Naphtalin nach seinem Austritt
aus der Brennstoffbrause oder in der Brause selbst wieder erstarrt. Der Luftzutritt
kann mittels des Hahnes n von Hand geregelt werden.
Textabbildung Bd. 324, S. 666
Da der Betrieb mit Naphtalin erst dann möglich ist, wenn das Kühlwasser die zum
Schmelzen des Naphtalin nötige Temperatur angenommen und einen Teil desselben
verflüssigt hat, muß der Betrieb mit einem anderen flüssigen Brennstoff eingeleitet
werden. Der Zerstäubungsraum ist für beide Brennstoffe gemeinsam. Unterhalb der Naphtalindüse
ist eine Düse für flüssigen Brennstoff angeordnet, welcher der Brennstoff vom
Schwimmer für flüssigen Brennstoff o aus zufließt.
Sämtliche der Brennstoffzuführung und Verteilung dienenden Teile sind leicht
zugänglich.
Der Deutzer Naphtalinmotor ist in seinen
Hauptbestandteilen mit dem Flüssigkeitsmotor der entsprechenden Größe völlig
identisch und nur bei den Teilen zur Verflüssigung des Naphtalins und Zuführung des
zum Ingangsetzen dienenden Brennstoffs ist den besonderen Anforderungen des
Naphtalins Rechnung getragen. Daß sich daraus für den Besitzer des Naphtalinmotors,
der seine Maschine im Bedarfsfall für irgend einen anderen Brennstoffumbauen kann,
beträchtliche Vorteile ergeben, ist ohne weiteres klar.
Beim Inbetriebsetzen des Naphtalinmotors wird der Naphtalinzufluß mittels der
Absperrspindel p an den Einlaß- und Austrittsöffnungen
des Naphtalinschwimmer gehäuses abgesperrt und die Maschine so lange mit flüssigem
Brennstoff, meist Benzol betrieben, bis sie warm geworden und genügend Naphtalin
verflüssigt ist. Dieser Zustand wird nach etwa ¾ Stunden erreicht. Alsdann wird die
Maschine durch einfaches Absperren des Benzol- und Oeffnen des Naphtalinzuflusses
auf Naphtalinbetrieb umgeschaltet.
Durch die Einrichtung für zwei Brennstoffe und Vorrichtungen zur Verflüssigung des
Naphtalins stellen sich die Anschaffungskosten des Naphtalinmotors etwas höher als
die eines Motors für flüssigen Brennstoff, den höheren Anschaffungskosten stehen
indessen die geringeren Brennstoff kosten gegenüber. Der Naphtalinmotor wird in
Größen von 8–16 PS gebaut und verbraucht höchstens 350–300 g/PS-Std. Bei einem
Naphtalinpreis von 9 M./100 kg an der Erzeugungsstelle oder 10 M. an der
Gebrauchsstelle betragen die Brennstoffkosten bei einem 10 PS Motor 3,1 Pf./PS-Std.
Zum Vergleich sei erwähnt, daß sich die Brennstoffkosten bei Verwendung von
Leichtbenzin auf 8,5 Pf., Benzol auf 6,3 Pf., Petroleum auf 9,9 Pf. und Spiritus auf
13,7 Pf. stellten.
Einer der ersten Deutzer Naphtalinmotoren von 8 PSe wurde im Maschinenbaulaboratorium der Kgl. Techn.
Hochschule Charlottenburg von Prof. E. Josse einer
eingehenden Prüfung unterzogen. Aus der Zusammenstellung der Leistungs- und
Brennstoffverbrauchsmessungen sind folgende AngabenAus: „Neuere Kraftanlagen“ von E. Josse, Prof. a.d. Techn. Hochschule zu
Berlin. von besonderem Interresse:
Textabbildung Bd. 324, S. 667
Fig. 5.
Mittl. minutl.Umlaufzahl
344,9
340,5
337,0
339,1
337,0
339
338,3
Effekt. Leistunga.d. Bremse PSe
3,85
4,75
5,65
5,68
5,68
6,62
8,03
Belastungsgrad(bezogen auf
dieNennleistung)
0,481
0,594
0,706
0,71
0,706
0,828
1,0
Brennstoff Naph-talin:
Verbrauchpro 1 PS-Std. g
360
339
310
306
310
289
304
i.M. 309
Kühlwasser:
Kühl-wasserverbrauchpro 1 PS-Std. g
1,18
1,25
1,28
1,21
1,40
1,65
2,26
i.M. 1,30
Prof. Josse fast sein Urteil in folgenden Worten
zusammen: (S. 99)
„Der zwölftägige Dauerbetrieb ergab somit einen durchaus einwandfreien Betrieb
des Naphtalinmotors bei günstigen Verbrauchsziffern.
Cöln-Deutz, den 6. September 1909.