Titel: | Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. |
Autor: | Otto Arendt |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 692 |
Download: | XML |
Neuerungen im Telegraphen- und
Fernsprechwesen.
Von Otto Arendt, Kaiserl.
Telegrapheningenieur.
(Fortsetzung von S. 682 d. Bd.)
Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen.
Auch die weiter unten aufgeführten Telegraphenapparate sind zum großen Teil für
den Betrieb von Kabeln geeignet, meist jedoch nur auf kürzere Entfernungen. Es mögen
hier zunächst noch einige Hilfsmittel erwähnt werden, die im allgemeinen zur
Erhöhung der Telegraphiergeschwindigkeit in Kabeln angewendet werden, um dann kurz
die Betriebsapparate für die großen, die Weltmeere durchkreuzenden Kabel zu
schildern.
Textabbildung Bd. 324, S. 692
Fig. 36.
Um das unter der Wirkung der Ladungskapazität verzögerte Ansteigen und Abfallen des
Telegraphierstromes zu beschleunigen, werden von der Kabelader z.B. Rollen mit hohem
Widerstände und hoher Selbstinduktion, sog. Induktanzrollen, zur Erde
abgezweigt. Da die Zeit, in welcher der Strom im Kabel seinen vollen Wert erreicht,
nicht von der Batteriespannung abhängt (vgl. Fig.
33), so steigt er, wie Fig. 36 lehrt, um so
steiler an, je höher die Batteriespannung ist, mit welcher telegraphiert wird.
Textabbildung Bd. 324, S. 692
Fig. 37.
Der durch die Linie II
dargestellte Strom hat infolge verdoppelter Betriebsspannung die doppelte Stärke des
Stromes I. Da beide Kurven ihre relativen Werte
gleichzeitig erreichen, wird der bei einer Stromstärke c1 ansprechende Empfangsapparat bei
Verwendung der stärkeren Batterie um die Zeit t1–t2 früher das Telegraphierzeichen wiedergeben als
beim Betrieb mit der schwächeren Batterie. Die Dauer der Stromsendung am Anfang des
Kabels betrage die Zeit T. Nach Ablauf dieser Zeit
beginnt der Strom im Empfangsapparat zu sinken, infolge der Leitungskapazität jedoch
mit der durch die Kurven gezeigten Verzögerung, so daß er nach der Kurve I den Wert c1 erst nach der Zeit T +
t3 wieder erreicht. Ist der Empfangsapparat ein
gewöhnlicher Elektromagnet, so fällt dessen Anker aber infolge des remanenten
Magnetismus und seiner verminderten Entfernung von den Polen des Elektromagneten
erst ab, wenn der Strom noch weiter, etwa bis auf den Wert c2 gesunken ist, d.h. nach der Zeit T + t5. Die Kurve II erreicht den Wert c2 aber erst um die Zeit t6–t5 später. Mit der erhöhten Batterie beginnt das
Telegraphierzeichen im Empfänger also zwar früher, dauert aber anderseits länger; um
so länger muß mit der Absendung des zweiten Stromstoßes gewartet werden. Werden nun
an das Kabel nach Fig. 37 in Gestalt der Rollen r1 und r2 Nebenschlüsse zur
Erde angelegt, so fließt nur ein Teil des Batteriestromes in das Kabel und es kann
bei passendem Werte des Widerstandes von r1 die erhöhte Batterie verwendet werden, ohne daß
der stationäre Wert des Stromes denjenigen der Kurve I
(Fig. 36) übersteigt. Infolge ihrer hohen
Selbstinduktion jedoch wirkt die Spule im ersten Augenblick noch nicht als
Nebenschluß, sondern versperrt dem Strom zunächst den Weg. Dieser beginnt daher
anzusteigen, als ob die Spule nicht vorhanden wäre, d.h. nach Kurve II (Fig. 36). Je mehr
sich der Strom seinem stationären Wert nähert, um so geringer wird die Gegenkraft
der Selbstinduktion, bis die Rolle schließlich nur wie reiner Widerstand wirkt und
den Strom zu dem durch Kurve III gekennzeichneten
Verlauf veranlaßt. Induktanzrollen werden am Anfang und am Ende der Leitung (in
diesem Falle auch als magnetischer Nebenschluß zum Empfänger bezeichnet) oder an
Unterwegsorten eingeschaltet.
Textabbildung Bd. 324, S. 693
Fig. 38.
Rollen am Anfang der Kabelader schützen zugleich den Empfangsapparat des eigenen
Amtes beim Senden gegen die aus dem Kabel zurückfließenden Entladungsströme. Wird
nämlich nach der Beendigung einer negativen Stromsendung die Taste T (Fig. 37)
losgelassen, so findet die infolge der Ladungskapazität im Kabel aufgespeicherte
negative Elektrizität, solange die Rolle r1 noch nicht angeschlossen ist, über den Ruhekontakt
der Taste und den Empfangsapparat einen willkommenen Weg zur Erde. Dieser
Entladungsstrom verursacht das als Rückschlag bezeichnete störende Ansprechen des
eigenen Empfangsapparates während des Sendens. Wird die Rolle r1 mit dem Anfang des
Kabels verbunden, so fließt ein Teil des negativen Telegraphierstromes von T über r1 zur Erde. Beim Loslassen der Taste wird dieser
Strom unterbrochen und hierdurch in r1 infolge der Selbstinduktion der Rolle eine
elektromotorische Kraft erzeugt, welche in dem nun geschlossenen Stromkreise von der
Erde durch r1 über den
Ruhekontakt der Taste T, den Empfangsapparat zur Erde
einen, dem Telegraphierstrom gleich gerichteten Strom hervorruft. Mit diesem Strom
begegnet sich der dem Telegraphier-(Lade-)ström entgegengesetzt gerichtete
Entladestrom. Diese beiden Ströme heben einander auf, wenn die Selbstinduktion
der Rolle dementsprechend auf die Kapazität des Kabels abgestimmt ist. Dies
wird durch die Verschiebung eines die Rolle umschließenden Eisenmantels erreicht.
Eine passende Abstimmung wird leicht erzielt, wenn an den Ruhekontakt der Tasten ein
polarisiertes Relais R (Fig.
38) derart angeschlossen wird, daß es auf den Entladungsstrom (gefiederter
Pfeil) anspricht. Wird dann der Eisenmantel M auf die
Rolle J geschoben und längs der Skala S langsam bewegt, so läßt sich eine Stellung finden,
bei welcher das Relais R auch bei empfindlichster
Regulierung nicht mehr anspricht, während die Taste T
geschlossen und geöffnet wird. Hierbei wird die Beobachtung des Relais R durch das Galvanometer G
erleichtert, das die geringsten Zuckungen der Relaiszunge durch Zuckungen seines
Zeigers deutlich erkennbar macht. Ist bei der Einstellung w an der Skala S diejenige Lage für den Mantel M gefunden, bei welcher die Zuckungen am Galvanometer eben aufgehört
haben, so bleibt das Relais auch in Ruhe, wenn der Mantel noch weiter aufgeschoben
wird, denn es überwiegt dann der von der Rolle J
erzeugte Induktionsstrom (ungegefiederter Pfeil), der entgegengesetzte Richtung hat
und daher den Hebel des polarisierten Relais nicht umlegen, kann. Werden aber jetzt
die Relaispole vertauscht, so daß der Induktionsstrom bei e ein- und bei a austritt, so spricht das
Relais wieder an und es läßt sich nun durch Zurückschieben des Mantels M wiederum eine Einstellung n1 finden, bei welcher die Zukkungen am
Galvanometer eben aufhören. Das arithmetische Mittel aus n und n1 gibt
eine praktisch gut brauchbare Einstellung- der Rolle.
Textabbildung Bd. 324, S. 693
Fig. 39.
Textabbildung Bd. 324, S. 693
Fig. 40.
Zur Versteuerung der Kurve des ankommenden Stromes dient – zugleich durch Bekämpfung
der Selbstinduktion des Empfangsapparates – ferner die sog. Maxwell-Erde (Fig. 39). Zwischen dem
Empfangsapparat E und die Erde wird ein hoher
Widerstand R (6000, 8000, 10000 Ohm oder dergl.)
geschaltet, zu welchem parallel die Kapazität C liegt.
Am sendenden Ende des Kabels wird die Batteriespannung so hoch gewählt, daß trotz des
erhöhten Widerstandes die stationäre Stärke des Stromes zur Betätigung des
Empfangsapparates ausreicht. Der Kondensator hat jedoch beim Empfang eines
Stromstoßes im ersten Augenblick dieselbe Wirkung, als wenn der Widerstand R überbrückt wäre. Die Stromkurve steigt daher infolge
der erhöhten Batterie steiler an (wie Kurve II in Fig.
36). Je weiter jedoch die Ladung des Kondensators C zunimmt, um so weniger Strom lenkt er von dem Wege durch R ab. Der Widerstand R
kommt immer mehr zur Geltung und es tritt ebensolche Verschmelzung der Stromkurven
ein, wie sie für die Anschaltung von Induktanzrollen in Fig. 36 gezeigt ist. Analog erfolgt nach der Stromunterbrechung die
Versteuerung der abfallenden Kurve, welcher der im Empfangsapparat entstehende
Extrastrom sowie der Entladungsstrom des Kabels entgegenwirken, denn ein durch den
Wert von R bestimmter Teil des Entladungsstromes des
Kondensators C fließt über den Empfänger E zum Kabelanfang und dort zur Erde und wirkt auf
diesem Wege sowohl dem Extrastrom wie dem Entladungsstrom entgegen.
Textabbildung Bd. 324, S. 694
Fig. 41.
Textabbildung Bd. 324, S. 694
Fig. 42.
In den sehr langen Unterseekabeln ist die Wirkung der Ladungskapazität so groß und es
sammelt sich infolgedessen eine so erhebliche Menge von Elektrizität während der
Absendung eines Stromes in dem Kabel an, daß dessen Entladung noch nicht wieder
erfolgt ist, wenn ein zweiter Stromstoß abgesandt werden soll. Die Folge hiervon
ist, daß der zweite Stromimpuls im Empfangsapparat ankommt, während dieser noch von
dem ersten durchflössen wird, der im Begriffe steht, langsam, wie der absteigende
Ast der Kurven in Fig. 33, abzufallen. Zwischen zwei
Stromimpulsen ist der Empfangsapparat daher niemals ganz stromlos. Für eine Reihe
aufeinanderfolgender Stromstöße gleicher Richtung erscheint deshalb die Kurve des
ankommenden Stromes nicht als eine Wellenlinie, deren Täler immer wieder bis auf
eine Null-Linie hinabsteigen, sondern als eine in einem Winkel gegen die Null-Linie
stetig ansteigende Wellenlinie. Die Zahl der in gleichet Richtung hintereinander m entsendenden Ströme ist infolgedessen beschränkt
und es ist notwendig, zur Darstellung der Zeichen die entgegengesetzte Stromrichtung
zu Hilfe zu nehmen. Die Morse-Punkte und -Striche werden dann nicht mehr durch
Ströme gleicher Richtung, jedoch verschiedener Dauer, sondern durch Ströme gleicher
Dauer aber entgegengesetzter Richtung gekennzeichnet. Dementsprechend müssen die
Empfangsapparate eingerichtet sein. Diesen wird außerdem eine derart hohe
Empfindlichkeit gegeben, daß sie den ganzen Verlauf der Kurve des ankommenden
Stromes anzeigen und daher zwei aufeinander folgende Stromstöße auch dann erkennen
lassen, wenn der Wert des Stromes zwischen den beiden Impulsen nicht auf Null
zurückgeht. Diesen Zwecken dient der Heberschreiber (Siphon recorder) von W. Thomson sowie das Sprachgalvanometer von W. Thomson.
Beim Heberschreiber (Fig. 40) durchläuft der
ankommende Strom eine, in einem kräftigen (in seiner Stärke regulierbaren)
Magnetfelde schwingende Spule (Prinzip der Deprez-Galvanometer), deren Bewegungen durch ein Hebelwerk aus dünnen Fäden
vergrößert auf einen Heber (wie beim Undulator) übertragen werden. Während der Heber
des Undulators durch die Reibung zwischen dem Glasröhrchen, der auslaufenden
Schreibtinte und dem Papierstreifen gebremst wird, ist dieser Reibungswiderstand
beim Heberscheiber von Thomson dadurch fast ganz
beseitigt, daß der Heber das Papiergarnicht berührt, der Hebervielmehr durch einen
kleinen Wagnerschen Hammer in vibrierende Bewegung
versetzt wird und die Flüssigkeit in feinen Tröpfchen ausspritzt. Die Zeichen
erscheinen auf dem Papier daher als fein punktierte Linien.
Textabbildung Bd. 324, S. 694
Fig. 43.
Das Sprechgalvanometer von Thomson, in Fig. 41 schematisch erläutert, entspricht in seinem
Bau dem Thomsonschen Spiegelgalvanometer: ein winziges
Magnetstäbchen NS, das einen kleinen Spiegel trägt,
schwingt am Kokonfaden im Felde einer Spule, welche den Telegraphierstrom empfängt.
Die Ablenkungen eines von dem Spiegel reflektierten Lichtscheines auf der Skala A nach rechts und links (durch die einlangenden
positiven und negativen Telegraphierströme veranlaßt), entsprechen den Punkten und
Strichen des Morsealphabets. Um aperiodische Schwingungen zu erzielen, erfolgt eine
Dämpfung durch Wasser oder verdünntes Glyzerin oder mit Hilfe von Induktionsströmen,
die in einem, den schwingenden Magneten umschließenden Kupferkörper entstehen.
Um die in langen Unterseekabeln mit den soeben beschriebenen Apparaten erreichbare
Telegraphiergeschwindigkeit weiter zu erhöhen, werden besondere Hilfsmittel
angewendet, welche auf eine Versteuerung der Stromkurve abzielen. In Fig. 42 gibt die Kurve I
den Verlauf eines am Ende des Kabels ankommenden kurzen positiven Stromstoßes an
(vergl. die nach Thomson gezeichneten Kurven in Fig. 33). Um den absteigenden Ast dieser Linie
steiler umzubiegen und das Verschwinden des Telegraphierzeichens zu beschleunigen,
wird in gewissem Abstande dem positiven ein negativer Strom II von gleicher Stärke nachgesandt. Im Falle der Fig. 42 geht der Strom um 4 Zeitteilchen τ (vergl. S. 681) später
ab, erreicht das Kabel ende ebenfalls entsprechend später und zwar zu einer Zeit, wo
die Kurve I fast ihren Höhepunkt erreicht hat. Die
Summe beider Stromwirkungen ist durch die Kurve III
dargestellt. Man erkennt, daß man durch Veränderung des Abstandes zwischen den
Stromsendungen I und II
die Steilheit der Kurve III beeinflussen kann. Diese
Art, die Stromkurve steiler zu gestalten, wird von den Engländern, welche die
Methode eingeführt haben, „curb“ genannt; der dem Zeichen (I) nachgeschickte entgegengesetzte Stromimpuls (II) wird als curb current bezeichnet.
Zur Entsendung dieses Gegenstromes werden u.a. die sogenannten Entladungstasten
verwendet, die einen Kontakt besitzen, der beim Loslassen der Taste flüchtig berührt
wird und den Gegenstrom in die Leitung schickt. Zuverlässiger wirkt die Entsendung
des Gegenstromes mit Hilfe von Relais, etwa nach Fig.
43. Der abgehende Strom (bei Tastendruck) geht teils in die Leitung, teils
über das polarisierte Relais S, genannt Switch-Relais, und den hohen Widerstand R zur Erde. Das Switch-Relais spricht an. Sein Anker trägt die Feder f, die gegen den unteren Kontakt k1 gedrückt wird und den Zweck hat, die Berührung mit
diesem Kontakt noch einige Zeit aufrecht zu erhalten, wenn der Anker sich wieder in
die Ruhelage zum oberen Kontakt k bewegt. Solange
f gegen k1 anliegt, hat der Anker des Switch-Relais Verbindung mit der negativen Gegenbatterie B1, deren Strom in das
Kabel gelangt, sobald die Taste T nach der Beendigung
des Zeichens in die Ruhelage zurückkehrt und den Ruhekontakt k2 berührt. Der Anker des Switch-Relais und seine Feder f sind so einzustellen, daß f den Kontakt k1 erst kurz nach der
Schließung des Kontaktes k2 durch die Taste verläßt.
Auch der ankommende Strom teilt sich bei dieser Schaltung über das Switch-Relais S und über
die Taste und den Empfangsapparat A zur Erde. Der durch
S gehende Zweigstrom wird durch den Widerstand R so klein gehalten, daß S
nicht anspricht und dadurch nicht etwa den Weg zum Empfangsapparat A abschneidet. Da S ein
polarisiertes Relais ist, kann sein Ansprechen auf den ankommenden Telegraphierstrom
auch dadurch sicher vermieden werden, daß beide Aemter mit entgegengesetzter
Telegraphier-Batterie arbeiten.
Statt Gegenstrom zu entsenden, wird, um die Entstehung hoher, für die Isolation des
Kabels gefährlicher Spannungen zu vermeiden, auch vielfach die Kabelleitung zur
Entladung nach jeder Stromsendung für einen Augenblick mit Erde verbunden.
(Fortsetzung folgt.)