Titel: | Untersuchungen über die Zementation von Stahl. |
Autor: | K. Arndt |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 729 |
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Untersuchungen über die Zementation von
Stahlsiehe D. P. J.S. 359 d.
Bd..
Von K. Arndt,
Charlottenburg.
Untersuchungen über die Zementation von Stahl II.
F. Giolitti hat in Gemeinschaft mit F. CarnevaliGazetta
chimica italiana, 38. Jahrgang, Teil II, S. 309. seine
Untersuchungen über den Zementierungsvorgang fortgesetzt und zwar in der Richtung,
daß er als Zementierungsmittel gasförmige Kohlenstoffverbindungen benutzte:
Kohlenoxyd, Methan, Aethylen und Leuchtgas.
Das angewandte Eisen war sehr arm an Kohlenstoff: es enthielt 0,06 v.H. Kohlenstoff,
0,17 Mangan, 0,01 Silizium, 0,04 Schwefel und 0,05 Phosphor. Die
Versuchstemperaturen waren 800°, 900°, 1000° und 1100°; es wurde bei gewöhnlichem
Drucke und bei Drucken unterhalb 1 Atm. gearbeitet.
Bei den 48 Zementierungsversuchen, die Giolitti und Carnevali durchführten, wurden jedesmal vier
Eisenstäbchen obiger Zusammensetzung von 9–10 mm und etwa 50 mm Länge
hintereinander in ein innen glasiertes Porzellanrohr geschoben, das in einem
elektrischen Platinwiderstandsofen (von W.C. Heraeus)
erhitzt wurde. Die aus dem Ofen herausragenden Enden des Rohres waren mit
Gummistopfen verschlossen; durch den einen Stopfen ging das Gaszuleitungsrohr, der
andere Stopfen ließ das Gasableitungsrohr und das Le-Chatelier-Pyrometer hindurch. Das Gas wurde auf seinem Wege vom
Gasbehälter zum Ofen durch Waschflaschen gereinigt und durch Trockentürme
getrocknet.
Die chemische Reinheit von Kohlenoxyd, Aethylen und Methan wurde durch die Analyse
geprüft. Das benutzte Leuchtgas hatte folgende (etwas schwankende) Zusammensetzung:
Kohlensäure 1,6 v.H. des Volumens, schwere Kohlenwasserstoffe 3,4 v.H., Sauerstoff
0,2, Kohlenoxyd 10,8, Wasserstoff 52,0, Methan 31,6, Stickstoff (Rest) 0,4.
Der Grad der Zementation wurde durch Analyse und durch mikroskopische
Untersuchung festgestellt. Zum Anätzen der Schliffe diente eine 4prozentige Lösung
von Salpetersäure in Amylalkohol.
Zunächst wurden 18 Versuche bei Temperaturen um 800° C durchgeführt. Tabelle 1 zeigt
die Versuchsbedingungen, sowie die erzielten Ergebnisse. Die letzte Spalte teilt
mit, welchen der beiden von Giolitti aufgestellten
Zementationstypen – nachstehend an Versuch 1 u. 2 erläutert – der Querschnitt des
Stahls zeigt.
Die Mikrophotograhie des Querschnittes zeigt bei den Stäbchen des Versuches No. 1
(Zementierung mit Kohlenoxyd) nur eine sehr schwache
oberflächliche Zementierung; die gekohlteIch
will „zementieren“ durch „kohlen,“
„Zone“ durch „Gürtel“ wiedergeben. Zone ist nicht
über 0,1 mm breit; ihr Kohlenstoffgehalt ist selbst an der Außenseite sehr klein.
Der Schliff zeigt bei 60facher Vergrößerung neben den grauen Perlitsäumen die weißen
Inseln des FerritsFerrit ist
bekanntlich kohlenstoffreies α-Eisen. bis zum äußersten Rande;
also enthält der gekohlte Gürtel selbst an der Oberfläche weniger Kohlenstoff als
dem reinen Eutektikum (Perlit: 0,9 V.H. Kohlenstoff) entspricht. Eine Schätzung der
von den beiden Gefügebestandteilen eingenommenen Flächen führt etwa zum Werte 0,6
v.H. für den Kohlenstoffgehalt der unmittelbar an der Oberfläche liegenden
Schichten. Der Kohlenstoffgehalt nimmt stetig von außen
nach innen bis zur Grenze des gekohlten Gürtels ab.
Ganz anders wie Kohlenoxyd wirkte Kohle beim Versuch No.
2. Es wurde grobes Holzkohlenpulver
Tabelle 1.
No.
KohlendeSubstanz
Temp.etwa
Druck
Dauer inStunden
Gasmengein Liter
Ausschei-dung vonKohle
Dicke derzement-tiertenSchicht
Typus
1
Kohlenoxyd
810
Atm.
6
10
nicht
sehrklein
I
2
Holzkohle
820
„
7
–
–
?
II
3
Holzkohle undKohlenoxyd
810
„
6
6
–
0,25 mm
II
4
Holzkohle
760
„
6
–
–
0
5
Kohlenoxyd
760
„
7
10
nicht
0,05
I
6
„
„
657 mm
7
10
„
0
7
„
770
568
7
10
„
0
8
„
„
450
6
10
„
0
9
Kohlenoxydu. Holzkohle
780
548
7
?
–
fast 0
10
Kohlenoxyd
„
Atm.
7
10
nicht
0,2
I
11
Aethylen
„
„
6
10
reichlich
0,3
II
12
„
„
454
7
7
nicht
fast 0
I
13
„
„
„
7
12
„
„
I
14
Methan
„
Atm.
6
8
spärlich
„
15
„
„
453
8
8
fast 0
0
16
Leuchtgas
„
Atm.
7
15
mäßig
fast 0
17
„
„
613
7
15
gering
„
18
„
„
463
7
15
nicht
0
benutzt, das durch Behandeln mit Salzsäure fast ganz von Asche
befreit war. Wie aus der Tabelle 1 zu ersehen, waren alle
übrigen Versuchsbedingungen denen von No. 1 fast gleich. Auch hier war die Kohlung
nur schwachDie im Kohlenpulver
liegenden Stäbchen waren nicht auf der ganzen Oberfläche, sondern nur in den
Mantelstreifen gekohlt, wo die Berührung zwischen Kohlenpulver and
Eisenzylinder inniger war, unten, wo die Berührung durch das Gewicht des
Zylinders bewirkt wurde, und oben, wo die Kohle durch ihr eignes Gewicht
sich anpreßte. Daraus geht hervor, daß die Zementierung nicht etwa
ausschließlich durch kohlenstoffhaltige Gase, sondern, wo diese Gase fehlen,
durch direkte Lösung von festem Kohlenstoff in γ-Eisen bewirkt
wird. und die gesamte Breite der gekohlten Zone nicht größer wie bei
No. 1, aber das Gefügebild zeigte einen Unterschied im Kohlenstoffgehalt und besonders in der Verteilung des Kohlenstoffs auf die verschiedenen konzentrischen
Schichten: An der Oberfläche erreicht und überschreitet der Kohlenstoffgehalt den
eutektischen Wert 0,9 v.H., nach der Mitte zu nimmt der Gehalt erst schnell, dann
langsam ab. Giolitti bezeichnet diese mit festem
Kohlenstoff erhaltene Zementationsform als Typus II,
während er die mit Kohlenoxyd erhaltene Form, bei welcher der Kohlenstoffgehalt an
der Oberfläche bedeutend unter 0,9 v.H. liegt und gleichmäßig nach innen abnimmt, Typus I
nennt.
Den zweiten Typus erhält man immer, wenn man als Zement
(Kohlungsmittel) eine Substanz benutzt, die festen Kohlenstoff enthält oder
unter den Versuchsbedingungen Kohle abscheidet, wie dies viele
Kohlenwasserstoffe tun, die man in der Technik zum Kohlen anwendet.
Im dritten Versuche wurde das Porzellanrohr mit Holzkohlenpulver beschickt und
Kohlenoxyd durchgeleitet. Die gekohlte Zone war etwa 0,25 mm dick und
Tabelle 2.
Textabbildung Bd. 324, S. 730
No.; Kohlende Gasart; Temp.; Druck;
Dauer in Std.; Gasmenge; Ausscheidung von Kohle; Typus; Dicke der gekohlten
Schicht in mm; übereutektisch; eutektisch; untereutektisch; gesamt; v.H. C an
der Oberfläche; Aethylen; Atm.; sehr reichlich; v.H.; weniger reichlich;
Kohlenoxyd; nicht; Methan; reichlich; Leuchtgas; Spur pulver. Kohle; noch
schwächer wie 26; mäßig; schwach; sehr schwach; fast; dichtermetallgl.
Niederschl.; sehr leichter Beschlag; Der ganze Querschnitt gekohlt
gleichmäßig am ganzen Umfang- des Zylinders; sie gehört dem zweiten Typus
an.
Im vierten Versuche wurde kein Kohlenoxyd übergeleitet,
aber Kohlenpulver genommen, das vorher in einem Kohlenoxydstrom auf 800° erhitzt und
in diesem Gasstrom erkaltet war. Auf der Oberfläche der Stahlzylinder schlugen sich
glänzende hexagonale Blättchen (vielleicht Graphit) nieder. Die Temperatur betrug
nur 760°. Das Gefüge zeigt keine Spur von Perlit, nicht einmal am äußersten Rande;
der ganze Querschnitt besteht aus reinem Ferrit. Es zeigt noch eine Besonderheit
aller Stahlzylinder, die der beschriebenen Behandlung unterworfen wurden: Die äußere
0,9 mm dicke Schicht des Zylinders besteht aus sehr großen Ferritkörnern; geht man
weiter zur Mitte, so haben dann ohne Uebergang die Ferritkörner wieder ihre
gewöhnlichen Maße.
Die Versuche 5–18 geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlaß. In Tabelle 2 sind für
die Versuche 19–48 außer Gasart, Temperatur, Druck in mm Quecksilber, Zeit, Gasmenge
und Auskunft über Kohlenabscheidung und Angabe des Typus noch die Dicken der drei charakteristischen Schichten des Typus
II, erstlich der Schicht mit mehr als 0,9 v.H. Kohlenstoff, (übereutektischen
Schicht), zweitens der eutektischen Schicht und drittens der untereutektischen
Schicht mit weniger als 0,9 v.H. Kohlenstoff, sowie die Gesamtdicke des gekohlten
Gürtels angegeben; die letzte Spalte nennt den Kohlenstoffgehalt an der
Oberfläche.
Bei Versuch 28, 40 und 45 wurden von den zementierten Stäben auf der Drehbank
konzentrische Schichten abgeschnitten und jede für sich analysiert. Tabelle 3 und
Fig. 1 geben Auskunft über die so ermittelte
Aenderung des Kohlenstoffgehaltes mit der Tiefe.
Tabelle 3.
Tiefe inmm
Kohlenstoffgehalt
No. 28
40
45
0,25
1,30
1,28
0,75
0,86
1,30
0,27
1,25
0,52
1,02
1,50
0,21
1,75
0,26
0,82
2,25
0,08
0,58
2,75
0,21
3
0,11
Beim letzten Versuche (48) war der 10 mm dicke Stahlzylinder durch und durch
zementiert; an der Oberfläche waren 1,5 v.H., in der Mitte 1,3 v.H. Kohlenstoff.
Aus der mikroskopischen Untersuchung der Schliffe hebt Giolitti folgendes hervor. Bei No. 19 (Aetylen bei 900°) besteht die
äußere, etwa 0,3 mm dicke, übereutektische Schicht aus Perlit, der von feinen
Zementitfäden durchquert wird; es folgt die aus reinem Perlit mit 0,85 v.H.
Kohlenstoff bestehende eutektische Schicht und dann die untereutektische Schicht, in
welcher der Kohlenstoffgehalt rasch abnimmt.
Während No. 19 ein vorzügliches Beispiel für Typus II bietet, gehört No. 22
(Kohlenoxyd bei 900°) dem Typus I an; schon an der Oberfläche ist der Gehalt kleiner
als 0,6 v.H.
Beim Versuche No. 26 (Leuchtgas bei 900°) zeigt das Gefüge
eine Mittelform zwischen Typus I und IL Die Aehnlichkeit mit I besteht darin, daß
die Oberflächenschicht weniger als den eutektischen Kohlenstoffgehalt (0,9 v.H.)
aufweist; die hellen Ferritfelder werden nach dem Rande zu allmählich im Verhältnis
zu den Perlitinseln kleiner, erreichen aber überall den Rand. Anderseit besteht
die Aehnlichkeit mit Typus II darin, daß der Kohlenstoffgehalt nach der Mitte zu
nicht gleichmäßig, sondern zuerst rasch, dann langsamer abnimmt.
In seinen allgemeinen Erörterungen bespricht Giolitti
zuerst den Widerspruch, daß unterhalb 780° sehr kohlenstoffarmes Eisen nicht
imstande ist, Kohlenstoff zu lösen, daß also unterhalb 780° keine Zementierung
möglich ist, während doch tatsächlich schon bei 760° No. 5) eine Kohlung des Eisens
festgestellt wurde. Er sucht diesen Widerspruch zu lösen, indem er das umkehrbare
Gleichgewicht
2CO ⇄ C +
CO,
berücksichtigtBeim Zerfall
von Kohlenoxyd in Kohle und Kohlendioxyd wird Wärme frei; folglich wird
diese Umsetzung mit steigender Temperatur zu ungunsten der Kohle und des
Kohlendioxyds verschoben. Nach Boudouard sind
bei 500 95 v.H. CO2 mit 5 v.H. CO über Kohle im
Gleichgewicht, bei 800 nur 10 v.H. CO2 mit 90 v.H. CO..
Kohlenoxyd diffundiert leicht in Eisen oberhalb 500°. Da nun ein den
Versuchsbedingungen entsprechender Teil des Kohlenoxydes in Kohlendioxyd und Kohle
zerfällt, ein Zerfall, der durch die Gegenwart von Eisen beschleunigt wird, so
scheidet sich im Innern der Metallmasse freier Kohlenstoff ab und das Eisen ist
gekohlt, ohne daß sich Kohlenstoff im Eisen unterhalb 780° gelöst hat. Es handelt
sich also um keine wahre Zementation, wenn man darunter die Lösung von Kohlenstoff
in β- und in γ-Eisen versteht.
Die wahre Zementation beginnt bei 780°, eine Temperatur, welche für einen Stahl der
von Giolitti benutzten Zusammensetzung dem Auftreten
von β- Eisen entspricht, das im Gegensatz zu α-Eisen Kohlenstoff löst.
Textabbildung Bd. 324, S. 731
Fig. 1.
Schon zwischen 780° und 810° tritt der Unterschied zwischen Typus I und II auf; er
wird noch viel schärfer bei höheren Temperaturen. Immer, wenn kohlenstoffarmes Eisen
zwischen 800° und 1100° mit einem Kohlenwasserstoff (Aethylen, Methan usw.) gekohlt
wird, so wird gemäß Typus II der gekohlte Gürtel gebildet erstens von einer äußeren
Schicht übereutektischen Stahles, die um so dicker ist, je höher erhitzt wurde und
je länger das Gas einwirkte – sie enthält 1 – 1,4 v.H. Kohlenstoff –; unter dieser
Schicht folgt eine zweite, deren Dicke 0,5 mm nicht überschreitet, mit dem
Kohlenstoffgehalt des Eutektikums 0,85 v.H. Schließlich ist die dritte Schicht,
deren Dicke sehr von der Art des Zements abhängt, durch einen Kohlenstoffgehalt
gekennzeichnet, der rasch nach innen zu abnimmt.
Wenn man dagegen ein kohlenstoffarmes Eisen zwischen 900° und 1100° mit reinem
Kohlenoxyd zementiert, so erhält man gemäß Typus I einen ziemlich gleichmäßig
gekohlten Gürtel, in welchem der Kohlenstoffgehalt gleichmäßig zwischen ziemlich
engen Grenzen von außen nach innen abnimmt.
Der Kohlenstoffgehalt des gekohlten Gürtels Typus I hängt in erster Linie von
der Temperatur, dann vom Druck und von der Geschwindigkeit des Gasstromes ab. Je
kleiner der Gasdruck, um so geringer unter sonst gleichen Umständen der
Kohlenstoffgehalt. Je größer die Kohlenoxydmenge ist, die mit der Einheit der
Oberfläche des Stahls in Berührung kommt, um so größer wird der Kohlenstoffgehalt.
Dies geht aus dem Vergleich des Versuches 38 mit 44 und 45 hervor; bei allen dreien
betrug die Eisenoberfläche 60c2.
Wenn Kohlenoxyd oberhalb 850° wirkt, so bleibt die Oberfläche des Stahls vollkommen
hell und blank; also löst sich der Kohlenstoff, der bei dem Zerfall des Kohlenoxyds
frei wird, vollständig im γ-Eisen, mit dem er in Berührung kommt, d.h. unter den
Versuchsbedingungen ist die Geschwindigkeit, mit der Kohlenstoff frei wird, kleiner
als die Geschwindigkeit, mit der sich derselbe Kohlenstoff im γ-Eisen als Austenit
und Martensit (je nach der Temperatur) löst.
Unter dieser Voraussetzung tritt bei den Versuchsbedingungen in dem umkehrbaren
Gleichgewicht
2CO ⇆ CO2 + C
eine neue Veränderliche auf: Die Konzentration des in y-Eisen
gelösten Kohlenstoffes. Jede Zunahme im Kohlenstoffgehalt dieser festen Lösung
verschiebt das obige Gleichgewicht von rechts nach linksDiese Annahme ist nach meiner Ansicht nicht
ohne weiteres zulässig. Das Gleichgewicht stellt sich zwischen den 3
Bestandteilen (CO, CO2, C) im Gasraum her; da aber nach
dem Verteilungssatz die Konzentration des vergasten Kohlenstoffes mit dem
Kohlenstoffgehalt der festen Lösung, die mit dem Gasgemisch in Berührung
stellt, zunimmt, so kann man jene Annahme von Giolitti zulassen, vorausgesetzt, das sich das Gleichgewicht
zwischen fester Lösund und Gas nicht zu langsam herstellt..
Am Beispiel des Versuches No. 30 verfolgt Giolitti diese
Betrachtung weiter. Die gesamte Oberfläche des Stahls war 60c2; da in 5 Stunden 7 l Kohlenoxyd
übergeleitet wurden, so war die Geschwindigkeit, mit der das Gas für jeden c2 der Oberfläche
erneuert wurde, 23,3c3 in der Stunde. Nun erfordert im System CO-CO2-C bei
1000° das Gleichgewicht 0,7 v.H. Kohlendioxyd, damit freier Kohlenstoff sich
abscheiden kann.
Auf Grund dieser Daten würde sich für die 2 mm dicke gekohlte Schicht ein mittlerer
Gehalt von 0,03 v.H. Kohlenstoff berechnen, während tatsächlich viel mehr gefunden
wurde (0.35 v.H. in der äußersten Schicht und 0,2 v.H. im Mittel). Daraus folgert
Giolitti, daß der sich abscheidende Kohlenstoff,
indem er sich im Eisen löst, sich derart verhält, als wenn er in einem Zustande
größerer Verdünnung wäre, so daß das obige Gleichgewicht sich stärker nach rechts
verschiebt und sich mehr Kohlendioxyd und freier Kohlenstoff bildet. Dieser
Kohlenstoff löst sich im γ-Eisen bis zu der Konzentration, die mit dem Gase im
Gleichgewicht ist. Das neue Kohlenoxyd, das an den Stahl herantritt, wird dieselbe
Zersetzung erleiden, aber in geringerem Grade und deshalb weniger Kohlenstoff an den
Stahl abgeben. So geht die Kohlung weiter und der Kohlenstoffgehalt der äußeren
Schicht nimmt rasch zu. Nach dem kohlenstoffarmen Innern wandert der von außen
aufgenommene Kohlenstoff infolge des Konzentrationsgefälles. Damit ist aber Typus 1
noch nicht ganz erklärt. Bei den mit Kohlenoxyd zementierten Stählen fällt der
Kohlenstoffgehalt von außen nach innen so schwach, daß entschieden bei der Diffusion
noch eine andere Ursache mitwirken muß. Diese Ursache ist das Eindringen von Kohlenoxyd in die Stahlmasse. Wenn das Gemisch von
Kohlenoxyd und Kohlendioxyd, das sich bei einer gegebenen Temperatur mit dem
Kohlenstoffgehalte der Oberflächenschicht des Stahls im Gleichgewicht befindet,
in die tieferen Schichten eintritt, die weniger Kohlenstoff enthalten, so gibt es an
deren γ-Eisen etwas Kohlenstoff ab; durch diese Abgabe wird das Gleichgewicht
verschoben und eine Zunahme des Kohlendioxyds hervorgerufen, welches seinerseits
einen Teil des Kohlenstoffes oxydiert, der mit höherer Konzentration in den äußeren
Schichten enthalten ist usw. Auf diese Weise gleicht das ins Eisen eindringende
Kohlenoxyd die Unterschiede im Kohlenstoffgehalt einigermaßen aus.
Alle Ursachen, welche das Gleichgewicht der Umsetzung
2CO ⇆ CO2
+ C
nach rechts verschieben, erhöhen auch den Kohlenstoffgehalt
des Eisens entsprechend den Gleichgewichtsbedingungen. Deshalb begünstigt auch
Erhöhung des GasdruckesAlle Umsetzungen,
die mit Volumenverringerung verbunden sind, werden durch Druckerhöhung
begünstigt. die Zementation. Temperaturerhöhung dagegen
verschiebt das Gleichgewicht von links nach rechtsWeil die umkehrbare Reaktion CO2 + C = 2CO Wärme
bindet.; deshalb wird bei höherer Hitze eine geringere
Kohlenstoffkonzentration im Stahl erreicht (vgl. No. 22 mit 30 und 38).
Die Geschwindigkeit und die Tiefe der Kohlung wächst
natürlich stets wegen der erhöhten Diffusionsgeschwindigkeit mit steigender
Temperatur.
Beim Kohlen mit Aethylen und Methan, Substanzen, welche Kohle abscheiden (Typus II),
nimmt im Gegensatz zu Typus I (Kohlenoxyd) der Kohlenstoffgehalt nicht mit
steigender Temperatur zu, sondern bleibt ungefähr gleich; auch die drei
charakteristischen Schichten bleiben bestehen.
Der Einfluß des Druckes tritt bei Aethylen und Methan
weniger deutlich hervor, wie bei Kohlenoxyd; unterhalb 1000° wächst im allgemeinen
mit zunehmendem Druck die Tiefe der gekohlten Schicht.
Das mit Leuchtgas eine zwischen den beiden Typen liegende Kohlung erhalten wird,
leuchtet in Rücksicht auf die Zusammensetzung des Leuchtgases ein. Das Kohlenoxyd,
das zu 10–12 v.H. im Leuchtgas enthalten ist, wirkt wie ein reines Kohlenoxyd unter
vermindertem Druck; aber seine kohlende Kraft wird durch die Gegenwart der
Kohlenwasserstoffe (etwa 35 v.H. insgesamt) erhöht.
In der Technik kohlt man weder mit reinem Kohlenstoff noch mit reinem Kohlenoxyd;
daher werden die beiden Vorgänge, der Eintritt der karburierenden Gase in die
Metallmasse und die Auflösung von festem Kohlenstoff in γ-Eisen, gleichzeitig
verlaufen und ihre Wirkungen gegenseitig vermehren.
Diese Beobachtungen über das besondere Verhalten des Kohlenoxyds als Zement haben Giolitti schon zu verschiedenen praktischen Anwendungen
geführt. Bei den Kohlungen, die nach den in der Technik üblichen Verfahren
ausgeführten werden, bildet die äußere hoch gekohlte Schicht wegen ihrer Brüchigkeit
einen schweren Uebelstand, zumal bei gewissen Spezialstählen, z.B. Chromstahl. Man
kann diesen Uebelstand vermeiden, indem man die Temperatur, den Gasdruck des
Kohlenoxyd und die Geschwindigkeit, mit der man das Gas die Zementierungskammern
durchstreichen läßt, passend regelt; dann erhält man den gewünschten
Kohlenstoffgehalt. Wenn man gekohlte Schichten mit etwas höherem Kohlenstoffgehalt
bekommen will, so ist es, wie eine Versuchsreihe in großem Maßstabe ergeben hat,
günstig, dem Kohlenoxyd wechselnde (im allgemeinen kleine) Mengen von
Kohlenwasserstoffen beizumengen.