Titel: | Motorlastzüge und Lastenförderung mit Motorfahrzeugen. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 761 |
Download: | XML |
Motorlastzüge und Lastenförderung mit
Motorfahrzeugen.
(Fortsetzung von S. 699 d. Bd.)
Motorlastzüge und Lastenförderung mit Motorfahrzeugen.
Motor-Schleppzüge.
Die im Vorstehenden beschriebenen Motorlastwagen, die in der Form von leichten
Motorlastzügen auch zur Not einen Anhängerwagen mitführen können, unterscheiden sich
von den Motor-Schleppzügen, der Gruppe 3. unserer einleitenden Einteilung dadurch,
daß sie einen wesentlichen Teil der zu befördernden Nutzlast aufnehmen. Das ist bei
den vor Motor-Schleppzüge gespannten Maschinenwagen nicht der Fall. Ihr verfügbarer
Laderaum wird, soweit ein solcher überhaupt vorhanden ist, ausschließlich von den
mitgeführten Betriebsstoffen und Werkzeugen in Anspruch genommen, die Nutzlast
dagegen muß auf die Anhängerwagen verteilt werden, deren Anzahl im allgemeinen etwa
5 bis 7 betragen darf.
Textabbildung Bd. 324, S. 761
Fig. 26 u. 27: Motorlastwagen von 32 PS mit Seilwindentrommel.
Für die Leistungsfähigkeit des Motor-Schleppzuges in bezug auf Nutzlast,
Geschwindigkeit und Bewältigung von Steigungen ist, abgesehen von der Motorleistung,
das Adhäsionsgewicht maßgebend:
μ . P = (P +
Q) (f + tg α)
worin μ = Reibungsziffer der Straße,
P = Adhäsionsgewicht
der vorgespannten Maschine,
P + Q
= Gesamtgewicht des Lastzuges,
f = Reibungsziffer der
Bewegungswiderstände der Wagen,
tg α = Neigung der
Straße.
μ hat bei trockenem Wetter auf normaler Straße etwa den Wert = 0,45, bei schlechtem
Wetter geht dieser Wert aber auf 0,2 zurück und, wenn die Straße mit Eis und Schnee
bedeckt ist, auf noch viel weniger. f ist je nach dem
Zustande der Straße mit 0,01 bis 0,03 zu veranschlagen. Am wichtigsten ist aber die
Steigung. Während man auf ebener Strecke unter normalen Gewichtsverhältnissen der
Fahrzeuge auf je 1000 kg Gesamtgewicht des Zuges (P +
Q) etwa 675 kg Nutzlast rechnen kann, sinkt dieser
Wert auf 300 kg, wenn eine Steigung von 10 v.H. zu bewältigen ist und es ist
verhältnismäßig einfach auszurechnen, auf welcher Steigung der Zug gerade noch ohne
Nutzlast heraufkommen würde.
Aus dieser Ueberlegung geht aber auch hervor, daß es im allgemeinen schwer fallen
wird, mit Vorspannmaschinen nennenswert größere Nutzlasten zu befördern, als z.B.
mit den zuerst besprochenen leichten Motorlastzügen. Selbst wenn wir sehr günstige
Verhältnisse annehmen, wo auf 1000 kg Zuggewicht etwa 500 kg Nutzlast entfallen,
so sehen wir, daß für eine Nutzlast von 10000 kg das Zuggewicht bereits 20000 kg
betragen würde, und daß, um dieses Gewicht auf Steigungen fortzuschaffen, die
Vorspannmaschine eine Adhäsion entwickeln müßte, welche mit der Tragfähigkeit
unserer Straßendecken und Brücken nicht mehr zu vereinbaren ist.
Man darf daher kaum erwarten, mit Vorspannmaschinen und Motor-Schleppzügen wesentlich
höhere Nutzlasten auf einmal fortzuschaffen, als mit den leichten
Motorlastzügen.
Textabbildung Bd. 324, S. 762
Fig. 28 Antrieb der Hinterachse und der Winde.
Wenn trotzdem diesen Maschinen noch immer großes Interesse entgegengebracht wird, so
liegt das wohl abgesehen davon, daß sie die ältesten und daher bewährtesten
Motorfahrzeuge sind, daran, daß man für gewisse Zwecke, z.B. für das Fortschaffen
schwerer, aber nur langsam beweglicher Geschütze, den Vorspann nicht entbehren will,
sowie ferner daran, daß die meisten dieser Vorspannmaschinen mit Dampfbetrieb
arbeiten, also ein sehr sanftes Anfahrmoment haben und mit billigen Brennstoffen
betrieben werden können.
Tatsächlich verfügt ja auch unsere Heeresverwaltung über zwei Dampfvorspannmaschinen
dieser Art, welche von John Fowler & Co in Leeds
erbaut sind, und von welchen die größere, „Mungo“ genannt, zwei Anhänger von
je 5000 kg Nutzlast zu befördern vermag. Diese Maschinen mögen sich noch so wenig
als leistungsfähige Lastenförderungsmittel bewährt haben, die Heeresverwaltung
dürfte sie trotzdem kaum missen wollen, denn bei allen in der letzten Zeit so häufig
abgehaltenen Versuchsfahrten mit Motorlastwagen haben sich diese Dampfmaschinen als
die einzigen Retter erwiesen, wenn es sich darum handelte, irgendein Fahrzeug
aus dem Graben herauszuholen oder auf eine besonders schwierige Steigung
hinaufzuschaffen. Solange wir bei den modernen Motorfahrzeugen nicht jene
Zuverlässigkeit erreicht haben werden, welche den Dampfbetrieb kennzeichnet, solange
werden einzelne Dampfvorspannmaschinen immer noch gute Dienste leisten,
Selbstverständlich kommen diese Maschinen für eine moderne Lastenförderung auf
Landstraßen nicht mehr in Betracht. Ihre höchste Fahrgeschwindigkeit ist für die
heute mit anderen Motorfahrzeugen erfüllbaren Ansprüche viel zu niedrig, außerdem
wäre es für Privatbetriebe unbequem, all die Belästigungen in den Kauf zu nehmen,
welche der Betrieb eines Dampfkessels auf offener Straße verursacht.
Während also nach dem vorstehenden Vorspannmaschinen der gekennzeichneten Art für
unsere Verhältnisse im allgemeinen nur untergeordnete Bedeutung haben dürften, ist
die Sachlage in anderen Ländern, z.B. in England, ganz anders. Hier hat sich der
gewissermaßen geschichtlich überlieferte Bau von Straßenlokomotiven bis auf den
heutigen Tag lebhaft fortentwickelt, und ihre Anwendung hat auf allen jenen Gebieten
großen Umfang erlangt, welche bei uns den leichten Motorlastzügen zufallen würden.
Neuerdings beginnt man allerdings der Verwendung von Verbrennungsmotoren zum Antrieb
solcher Straßenlokomotiven auch in England große Aufmerksamkeit zu schenken, da man
einsehen gelernt hat, daß es für eine z.B. beider Heeresverwaltung verwendbare
Maschine unbedingt erforderlich ist, Strecken von etwa 150 bis 160 km ohne Aufnahme
von Brennstoff oder Wasser zurücklegen zu können, und daß bei Dampfbetrieb diese
Bedingung niemals, selbst nicht bei Verwendung von Kondensatoren und Feuerung mit
flüssigen Brennstoffen, erfüllt werden kann.
Die Erfahrungen, welche die englische Heeresverwaltung auf diesem Gebiete,
insbesondere bei den vor kurzem abgehaltenen Prüfungsfahrten, gesammelt hat, stimmen
aber so auffallend mit den unsrigen überein, daß die Vermutung, die Frage der
Lastenförderung mit Motorfahrzeugen auf Straßen werde in England eine ähnliche
Entwicklung nehmen, wie bei uns, an Wahrscheinlichkeit immer mehr gewinnt.
Bei den erwähnten Prüfungsfahrten der englischen Heeresverwaltung hatte man nämlich
vorgeschrieben, daß die Maschinen eine Nutzlast von etwa 8000 kg auf Strecken von
160 km befördern sollten, ohne Brennstoff und Wasser aufzunehmen und dabei nicht
mehr als 6 bis 7000 kg Betriebslast aufweisen sollten. Von den gemeldeten 13
Fahrzeugen waren aber beim Beginn der Fahrten nur 3 zur Stelle, ein Dampfwagen und
zwei mit Petroleummotoren ausgerüstete, und bei diesen haben sich im Verlauf der
Prüfungen die gleichen Schwierigkeiten ergeben, wie bei den mit Spiritusmotoren
versehenen Vorspannmaschinen, welche vor einigen Jahren von der Deutschen
Landwirtschaftsgesellschaft geprüft worden sind. Der Umstand nämlich, daß auf
einigermaßen hohen Steigungen die Adhäsion der Treibräder nicht mehr ausreicht, um
das ganze Zuggewicht von der Stelle zu schaffen, hat auch bei uns schon früher
Veranlassung dazu gegeben, die Vorspannmaschinen mit einer Windevorrichtung
auszurüsten, welche dazu dient, die Wagen, nachdem die Maschine allein vorausgefahren und
entsprechend verankert worden ist, auf die Steigung- heraufzuziehen, die aber auch
dazu benutzt werden kann, den ganzen Zug sich an dem oben verankerten Seil
emporwinden zu lassen.
Einen solchen Motorlastzug, welcher von der Neuen
Automobil-Gesellschaft gebaut ist, besitzt auch die preußische
Heeresverwaltung. Sie benutzt ihn allerdings nur zum Befördern von
Werkstättenmaterial. Die Vorspannmaschine dieses Zuges ist in Fig. 26 und 27 dargestellt. Der
dargestellte, etwas ältere Wagen, welcher das Untergestell eines Motorlastwagens der
Neuen Automobil-Gesellschaft, wie sie früher gebaut
wurden, besitzt, wird durch einen Spiritusmotor a von
32 PS Leistung angetrieben, der in der üblichen Weise auf einem zwischen den
Hauptträgern verschraubten Gußgestell mit der Wellenrichtung in die Längsachse des
Wagens gelegt ist. Die mehrfach gekröpfte Welle b
dieses Motors treibt unter Vermittlung der bekannten, durch einen Fußhebel d ausrückbaren Kegelreibkupplung c das in einem gußeisernen Kasten e eingeschlossene Wechselgetriebe an, dessen zweite
Welle g außer den üblichen Gelenkkupplungen eine
Bandbremse f trägt. Diese wird beim Verstellen des
Fußhebels mit betätigt, so daß zunächst der Motor von dem Wagengetriebe losgelöst
und dann das letztere festgebremst wird. Die Bewegung der Welle g wird fernerhin auf das vereinigte Wagen- und
Windengetriebe übertragen, welches Fig. 28 im
Schnitt erkennen läßt. Von der in Kugellagern laufenden Welle g wird durch Kegelräder eine Muffe h gedreht, die durch Bolzen i sowohl mit dem feststehenden Teil j des
Ausgleichräderwerkes als auch mit der Hülse k gekuppelt
ist, welche, auf einem Längskeil verschiebbar, das Triebrad l für den Antrieb der Windentrommeln trägt. In der gezeichneten Stellung
ist das Windwerk ausgeschaltet, und die Drehung der Muffe wird durch die Kegelräder
m des Ausgleichgetriebes auf die Querwelle n übertragen, deren Zahnräder o
in die Zahnkränze der hinteren Wagenräder eingreifen. Wird aber die Hülse k nach rechts verschoben, so treten die in ihr
festgeschraubten Bolzen i aus dem Gehäuse j heraus, während die Triebräder e mit dem Zahnrad p des
Windenvorgeleges in Eingriff kommen. Die volle Motorleistung wird infolgedessen auf
die Windentrommeln übertragen.
Textabbildung Bd. 324, S. 763
Vorspannmaschine von Thornycroft.
Das oben Gesagte mag genügen, um ganz allgemein die Wirkungsweise einer solchen vom
Motor angetriebenen Windvorrichtung für die Anhänger eines Schleppzuges zu
kennzeichnen. Es leuchtet sofort ein, daß dort, wo das Hilfsmittel häufiger
angewendet werden muß, die Zeitverluste sehr erheblich werden. Die englischen
Versuche haben denn auch gezeigt, daß der eine Wagen von J.D. Thornycroft den anderen gegenüber im Vorteil war, weil das Umschalten
des Getriebes auf die Windevorrichtung vom Führersitz aus erfolgen konnte, während
bei den anderen die Führer jedesmal erst absteigen mußten.
Die in den Fig.
29 bis 31
wiedergegebene Vorspannmaschine von Thornycroft ist mit
einem Vierzylindermotor von 40 PS bei 700 Umdrehungen i.d. Minute abgerüstet, der
mit Benzin angelassen und mit Petroleum weiterbetrieben wird. Die Brennstoffbehälter
AA nehmen je 205 l Petroleum auf, während das
Benzin in dem Behälter B von etwa 9 l Inhalt mitgeführt
wird. Der Wasserbehälter D ist oberhalb des Motors
angeordnet und sein Inhalt wird durch einen Kühler C
gekühlt, dessen 7 Rohrwindungen so konstruiert sind, daß sie für sich abgeschaltet
werden können, wenn sie während der Fahrt leck werden. Eine Lamellenkupplung
überträgt die Motorleistung auf eine Längswelle, von welcher der Antrieb mit Hilfe
von Muffen GG auf eines der Kegelräder E, E übertragen werden kann. Diese sind ständig mit dem
Kegelrade F im Eingriff, das auf diese Weise entweder
vorwärts oder rückwärts gedreht wird, ohne daß der Motor seine Drehrichtung zu
ändern braucht.
Das auf der Welle des Kegelrades F angeordnete
Wechselgetriebe besteht aus drei Zahnräderparen 1,1, 2,2 und 3,3, welche für
Geschwindigkeiten von 2,4, 6,8 und 11,2 km i.d. Stunde bemessen sind. Auf dem Ende
dieser Welle sitzt ein kleines Zahnrad, welches, mit dem Stirnrade H in Eingriff gebracht, die Windentrommel K antreibt, während die Bewegung der Treibräder durch
die gelenkig ausgebildete Fortsetzung der dritten Welle L und eine Stirnradübersetzung abgeleitet wird.
Beachtenswert ist auch die Abfederung des Fahrzeuges mit Hilfe zweier Längsfedern,
die mit einem Ende auf der Treibachse, mit dem anderen auf einer Schraube M sitzen, welche eine Veränderung der Höhenlage des
Rahmens über der Straßenfläche gestattet.
(Fortsetzung folgt.)