Titel: | Zuschrift an die Redaktion. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 764 |
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Zuschrift an die Redaktion.
(Ohne Verantwortlichkeit der
Redaktion.)
[Zuschrift an die Redaktion.]
Die Betriebssicherheit der Heißdampf-Lokomotive, Bauart Schmidt.
Geehrte Redaktion!
Indem ich von der freundlichst bewilligten Gelegenheit zu nochmaliger Entgegnung auf
die Ausführungen von Herrn Osthoff in Heft 39, S. 621
mit dem Ausdrucke meines verbindlichen Dankes Gebrauch mache, beschränke ich mich
auf folgendes:
Bei dem Neubau von Heißdampflokomotiven für die Preußische Staatseisenbahn Verwaltung
werden jetzt nur die Zylinder etwas kleiner und die Rahmen etwas stärker ausgeführt,
der Schmidtsche Ueberhitzer wird dagegen unverändert
beibehalten. Die von Herrn O. erwähnten, vom kgl.
Eisenbahn-Zentralamt vorgeschriebenen Verstärkungen würden auch gegen Wasserschläge
nicht helfen, wohl aber gegen die statischen Beanspruchungen der hinteren
Zylinderdeckel durch den starken Kreuzkopfdruck infolge Federns der Rahmen. Warum
brechen denn die vorderen Zylinderdeckel nicht, wenn es sich wirklich um
Wasserschläge handelt?
Die schnell und stetig wachsende Zahl der Heißdampflokomotiven mit Kolbenschiebern
und die Anwendung der Kolbenschieber bei mehr als der Hälfte aller in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika in letzter Zeit überhaupt beschafften
Lokomotiven spricht am besten für deren allerorts anerkannte Ungefährlichkeit.
Die zahlreichen Brüche an Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung gibt Herr O. selbst zu.
Ueber die Ursachen kann man ja dann doch noch verschiedener Ansicht sein. Warum haben denn die Lentz-Ventile nicht gehalten? und warum war die Härtung der Stangen
und Rollen nicht „sachgemäß“, da doch die
Ausführung den besten Händen anvertraut war und reichliche Erfahrungen an ortsfesten
Maschinen vorlagen? Der wirkliche Grund ist doch nur der, daß die Beanspruchungen
der Ventile sich im Betriebe der Lokomotiven als weit stärker erwiesen als
theoretisch errechnet worden. Es sind, was Herr O. nicht erwähnt, an Maschinen mit Lentz-Ventilsteuerung auch wiederholt Brüche der Ventilkasten vorgekommen, die doch wohl nicht auch
versehentlich aus Weichguß hergestellt waren.
Im übrigen hat die Lentz-Ventilsteuerung für Lokomotiven
weder in bezug auf Dampfverbrauch noch sonst wie Vorteile ergeben, welche den
erheblichen Mehraufwand an Beschaffungs- und Unterhaltungskosten für die
vielgliedrige Lentzsche Steuerung rechtfertigen
könnten.
Zu 2. Die Meinungsverschiedenheiten drehten sich von Anfang an vorwiegend um die
Betriebssicherheit. Alles andere kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Die
„Dampflässigkeit“ gut gearbeiteter Kolbenschieber
mit federnden Ringen ist nach meiner
persönlichen Wahrnehmung und eingehenden Untersuchungen an der zweiten
Heißdampflokomotive in Cassel im Jahre 1900, nicht erheblich größer als die eines
gut unterhaltenen Flachschiebers.
Zu 3. Die Preußische Staatseisenbahnverwaltung besaß am 1. April d.J. erst 1540
Heißdampflokomotiven im Betrieb. Bei der von Herrn O.
angegebenen Zahl von 2000 Heißdampflokomotiven sind die laufenden Bestellungen für
1909 mitgerechnet. Federnde Schieberringe sind seitens
derselben Verwaltung schon im Jahre 1900 an einigen Heißdampflokomotiven verwendet
worden und neuerdings wieder seit Mai d.J. Zwischen federnden und nichtfedernden Dichtungsringen
ist eben der große Unterschied, daß die ersteren bei Wasserschlägen nachgeben können
und dabei eine ringförmige Oeffnung zu beiden Seiten des Kanals freigeben,
wohingegen starre Ringe nicht nachgeben können.
Eigentliche Wassersäcke können in dem Rauchröhrenüberhitzer kaum entstehen, sonst wären die Dampfsammelkästen
leicht seitlich anzuordnen und zu Wasserabscheidern auszubilden. Bei dem Rauchkammerüberhitzer ließe sich der Gefahr eines
Wasserschlages, wenn sie bei der Beobachtung der gewöhnlichsten Vorsichtsmaßregeln
wirklich noch erheblich wäre, durch einen guten Wasserabscheider im Dom des Kessels,
wie bei Naßdampflokomotiven, vorbeugen. Richtig bemessene Zylindersicherheitsventile
genügen indessen erfahrungsgemäß auch schon.
Es ist eben ein großer und höchst bedauerlicher Fehler, aus allen möglichen anderen Ursachen erfolgende Brüche den Kolbenschiebern zur
Last zu schreiben, während die letzteren nur in den seltensten Fällen die Schuld
daran tragen.
Zu 4. Es handelte sich nicht darum, die unbestrittene Ungefährlichkeit der Flachschieber nachzuweisen, sondern für Herrn O. darum, die Gefährlichkeit der Kolbenschieber und für
mich, die Unzulänglichkeit der Lentz-Ventile gegen
Wasserschläge zu begründen.
Gerade in den ersten Jahren der Heißdampflokomotiven sind, trotz der Kolbenschieber,
keine Brüche vorgekommen. Die jetzige Brauchbarkeit und Betriebssicherheit der Lentzschen Steuerung für Lokomotiven muß dagegen noch
bewiesen werden.
Zu 5. Für einfache Besetzung der Lokomotiven habe ich gar
nicht gesprochen, vielmehr habe ich starres Festhalten hieran stets als
Kapitalvergeudung betrachtet. Gegen doppelte Besetzung
habe ich nicht das mindeste einzuwenden. Durch Hervorheben von mehrfach mittels Sperrdrucks glaubte ich die Möglichkeit eines
Mißverständnisses ausgeschlossen zu haben. Die von Herrn O. angeführten, auf mangelhafter Schulung und Sachkenntnis des Personals
beruhenden Uebelstände können indessen nur bei einer dem längst historisch
gewordenen, selbst in Amerika aufgegebenen, first in first out nahekommenden mehrfachen Besetzung der Lokomotiven entstehen, wie von
mir früher ausdrücklich hervorgehoben ist. Der Vorwurf nicht hinreichend
„modern“ zu sein, trifft mich deshalb nicht.
Zu 6. Es war überhaupt nur von Wasserschlag die Rede. Die von Herrn O. zugegebene sehr ungünstige Vergangenheit der Lentz-Ventilsteuerung ist sicher noch kein Beweis für
ihre jetzige Zuverlässigkeit. Im übrigen besitzt die Preußische
Staatseisenbahnverwaltung nur 13 Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung, darunter 12 Heißdampflokomotiven. Die von Herrn O. angegebene Zahl 40 wäre also noch zu begründen.
Zu 7. Meine Theorie ist nicht widerlegt. Ein vollständig dichtes Lentzsches Auslaßventil einer Lokomotive kann sich
unter der Wirkung eines von dem Dampfzylinder herkommenden Druckes von 12 Atm. gar nicht öffnen und kann deshalb
auch nicht als Sicherheitsventil wirken. Wohl aber läßt sich die hierzu
erforderliche kleine Undichtheit bei einem Versuch leicht durch Drehen der Spindel
herstellen.
Der Durchmesser der feinen Bohrungen in den federnden Ringen der Schmidtschen Kolbenschieber ist nicht theoretisch,
sondern rein empirisch so bestimmt, daß die Ringe nicht
zusammengedrückt werden, wenn der darauf von außen wirkende Druck, ob groß oder
klein, Zeit hat sich durch die feinen Bohrungen nach der Innenseite der Ringe
fortzupflanzen. Nur bei plötzlich auftretendem äußeren Druck, wie bei einem
Wasserschlage, wenn die Zeit zum Druckausgleich nicht reicht, klappen die Ringe
zusammen.
Die geringere Beweglichkeit des Wassers gegenüber dem Dampf, namentlich gegenüber dem
überhitzten Dampf, spielt dabei auch eine Rolle. Indessen ist schon bei sehr
schnellem Oeffnen des Reglers das Geräusch der zusammenklappenden Ringe deutlich
wahrzunehmen.
Zu 8. Um so auffallender sind die früheren Angaben von Herrn O., die doch nicht mißverständlich waren. Wenn das Wasser rechtzeitig aus
dem Dampfzylinder entfernt wird, so kommt sicher kein Wasserschlag zustande. Deshalb
sind die „Vorgänge vor dem (dann ausbleibenden) Wasserschlage“ sehr wichtig.
–––––
Im übrigen bin ich der Ansicht, daß das sachliche Interesse an der Erörterung jetzt
so ziemlich erschöpft ist. Zur Klarstellung der tatsächlichen Verhältnisse ist
vieles erreicht. Was an Meinungsverschiedenheiten übrig bleibt, beruht auf
persönlicher Ansicht, und da ich auf absehbare Zeit voraussichtlich keine
Gelegenheit mehr hätte auf etwaige, durch meine Ausführungen veranlaßte neue
Behauptungen Herrn O. ausführlich zu antworten, so
sollen nur noch zum Schlusse die nicht unwesentlichen Punkte hervorgehoben werden,
in denen Herr O. mit mir völlig einverstanden ist.
Das ist: 1. die unzweifelhafte Ueberlegenheit des stark überhitzten Dampfes über den
gesättigten, auch für Lokomotivbetrieb;
2. das Nichtvorhandensein einer Gefahr für die Bildung von Oelkrusten und dadurch
veranlaßte allmähliche Verkleinerung des schädlichen Raumes in den Schieberbüchsen
und den Dampfzylindern;
3. das bisherige, durch die Ventilsteuerung selbst veranlaßte, häufige Vorkommen von
Brüchen und sonstigen Betriebsstörungen an Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung.
C. Guillery, Kgl. Baurat.
–––––
Mit Herrn Guillery bin ich völlig derselben Meinung, daß
das sachliche Interesse an der Erörterung schon lange erschöpft ist. Hierzu kommt
noch, daß Herr G. mehrfach hier nicht hergehörende
Sachen in die Erörterungen hineingezogen hat, was zur Klärung der Frage bzgl. der
Wasserschläge beizutragen nicht geeignet war.
Bevor ich auf die einzelnen Punkte der Zuschrift eingehe, möchte ich bzgl. der von
Herrn G. angeführten Mitteilungen der fremden
Bahnverwaltungen folgendes vorweg bemerken. Nach Herrn G's eigenen Angaben im „Archiv für Eisenbahnwesen,“ Jahrgang 1909,
Heft 5, Seite 1130, betrug die Anzahl der im Betriebe jener fremden Verwaltungen
befindlichen Heißdampflokomotiven, welche also die Unterlagen für die Mitteilungen
abgegeben haben, im April 1909 für die Belgischen Staatsbahnen: 235 (193),
Bayrischen Staatsbahnen: 104 (22), Sächsischen Staatsbahnen: 88 (24), Schwedischen
Staatsbahnen: 61 (49), Italienischen Staatsbahnen: 48 (119), Schweizerischen
Bundesbahnen: 44 (45), Bosnisch-Herzegowinischen Staatsbahnen: 20 (0),
Württembergischen Staatsbahnen: 17 (20), Holländische Eisenbahn-Gesellschaft: 14
(10), Nord-Mailänder Eisenbahn: 13 (3), Rhätische Bahn: 8 (3) und für die
Französische Südbahn (Midi): 7 (30). Die eingeklammerten Zahlen stellen die
Neubeschaffungen für 1909/10 dar. Bezüglich der Böhmischen Nordbahn und der
Außig-Teplitzer Bahn enthält der Aufsatz keine Zahlenangaben. Es wird dort die
Anzahl der Heißdampflokomotiven also wohl geringer sein als 7 Stück. Vergleichen wir
die Gesamtzahl der Heißdampflokomotiven bei den von Herrn G. angeführten fremden Bahnen mit den im April 1909 vorhandenen 1551 (450)
Heißdampflokomotiven der Preußischen Staatsbahnen, so ergibt sich, daß letztere im
April 1909 rund dreimal soviel Heißdampflokomotiven wie jene fremden Bahnen zusammen
besaßen. Hierzu kommt noch, daß die Preußischen Staatseisenbahnen die
Heißdampflokomotiven viel eher eingeführt haben und diese Lokomotiven hier nicht als
Mustermaschinen mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt werden wie etwa bei den
fremden Bahnen mit nur einzelnen Heißdampflokomotiven. (Eine einzige preußische
Betriebswerkstätte, z.B. Osnabrück besaß im April 1909 mehr Heißdampflokomotiven wie
z.B. die Bayrischen Staatsbahnen!) Entsprechend diesen Zahlen und Verhältnissen ist
der Wert der Mitteilungen der fremden Bahnverwaltungen im Vergleich etwa zu den auf
Seite 553 angeführten Mitteilungen des Preußischen Eisenbahnzentralamtes
einzuschätzen.
Inzwischen ist mir von den Belgischen Staatsbahnen, welche nächst den Preußischen die
größte Anzahl Heißdampflokomotiven besitzen, auf meine Anfrage die dankenswerte
Mitteilung zugegangen, daß bei Verwendung von Sicherheitsventilen von 60 mm an den
dortigen Heißdampflokomotiven Brüche an Zylindern, Deckeln und Kolben infolge
Wasserschlags vorgekommen sind, und daß erst seit Vergrößerung der
Sicherheitsventile auf 100 mm die Verhältnisse bzgl. der Wasserschläge
wieder „normale“ geworden sind. Brüche infolge Wasserschlags sind also auch
dort vorgekommen und sind demnach die von Herrn G. auf
S. 540 angeführten Mitteilungen der Belgischen Staatsbahnen in einem sehr
wesentlichen Punkte unvollständig. Ferner habe ich in Wien erfahren, daß auch dort
bei der Staatsbahn Deckelbrüche infolge Wasserschlags an Heißdampflokomotiven
vorgekommen sind.
Nun zu den einzelnen Punkten der Zuschrift.
1. Die Behauptung Herrn G's, daß die Brüche an den
hinteren Zylinderdeckeln nur allein auf übermäßige Beanspruchung infolge des
normalen starken Kreuzkopfdruckes zurückzuführen sind, ist schon deshalb hinfällig,
weil auch Brüche an den vorderen Deckeln vorkommen, wo doch der Kreuzkopf fehlt. Die
Längsrisse in den vorderen und hinteren Teilen der Zylindergußstücke lassen sich
doch sicherlich nicht auch auf normalen Kreuzkopfdruck zurückführen. Daß die
vorderen Zylinderdeckel verhältnismäßig selten er brechen als die hinteren, rührt
daher, daß dieselben infolge ihrer Form ein viel größeres Widerstandsmoment besitzen
als letztere, und zu ihrer Zerstörung somit ein bedeutender Wasserschlag
erforderlich ist. Die Drücke der hinteren Deckel auf Durchfedern der Rahmen bei
normalen Kolbenkräften usw. zurückzuführen, ist auch nicht angängig. Bei normalen
Kolbenkräften dürfte der Rahmen steif genug sein, nicht aber bei Wasserschlag im
Zylinder, wo, wie wir auf Seite 167 gesehen haben, der Rahmen zwischen Zylinder und
Treibachse durch den Wasserwiderstand so enorm auf Druck bzw. Zug beansprucht wird.
Die Ursache des möglichen Federns der Rahmen und weiterhin der Deckelbrüche hinten
dürfte also der Wasserschlag im Zylinder sein.
In den Vereinigten Staaten wird der Kolbenschieber auch bei Naßdampflokomotiven sehr
viel verwandt. An dieser Stelle aber ohne nähere Kenntnis über amerikanische
Verhältnisse zu urteilen, halte ich für unzulässig. Ich möchte nur auf folgendes
hinweisen. Bei der geringen Schulung der amerikanischen Lokomotivführer wird auch
bei Naßdampflokomotiven, trotz des fehlenden großen Rauminhaltes eines Ueberhitzers,
wohl des öfteren beim Anfahren viel Wasser in die Zylinder mit übergerissen werden,
und somit die Vorbedingung für das Eintreten von Wasserschlägen gegeben sein. Man
vergleiche hierzu nun in Gorbe
„Dampflokomotiven“ den Abschnitt über – die in den Vereinigten Staaten
ausschließlich verwandten – Barrenrahmen, wo u.a. auf Seite 146 steht, daß
Rahmenbrüche am häufigsten an der Stelle zwischen Zylinder und Treibachse vorkommen.
Es scheint demnach, daß dort der Barrenrahmen, welcher eine geringere Festigkeit
besitzt als unser Blechrahmen, die schwächste Stelle des Triebwerkes ist. Ferner
vergleiche man Seite 1022 in „Stahl und Eisen,“ 1909, wo über
Festigkeitsversuche an Lokomotivzylindern aus Stahlguß berichtet wird. Ohne Not
werden gerade die Amerikaner anstelle der gußeisernen nicht die zwar festeren aber
bedeutend teureren Stahlgußzylinder verwenden.
Schäden allgemeiner Art aber nicht „zahlreiche Brüche“ an den ersten
Ventillokomotiven sind von mir niemals in Abrede gestellt. Dagegen sind Brüche
infolge Wasserschlags an den Lentzschen
Ventillokomotiven nicht vorgekommen. Zahlreich waren dagegen die Brüche usw. an den
ersten Heißdampfkolbenschieberlokomotiven. Baute man doch besondere
Brechstücke, z.B. Kupfermuttern ein, um beim Festklemmen der Kolbenschieber größere
Brüche in der Steuerung zu vermeiden.
Jeder Fachmann weiß, daß die Härtung langer, unregelmäßig geformter Stangen wie der
Nockenstangen große Schwierigkeiten bereitet. Die Ventile waren bei einigen
Lokomotiven nicht etwa infolge „Versehens“ aus Weichguß hergestellt, sondern
in voller Absicht aus übergroßer Vorsicht, obwohl die bisher z.B. an der ⅖ gek.
Mailänder Ausstellungslokomotive verwandten gußeisernen Ventile keine Anstände
ergeben hatten. Die Weichgußventile besaßen eine Menge sog. „kalter
Gußstellen“ und zersprangen an diesen Stellen infolge der vorhandenen
Gußspannungen. Nach Auswechslung dieser Ventile gegen gußeiserne haben sich irgend
welche Schäden nicht mehr gezeigt. Ob die von Herrn G.
erwähnten Brüche an den Ventilkästen ortsfester Lentzmaschinen auf Wasserschlag zurückzuführen sind, läßt sich ohne nähere
Kenntnis der Einzelheiten hier nicht entscheiden. Zu berücksichtigen bleibt, daß die
Auslaßventile, welche bei Lokomotiven hauptsächlich das Triebwerk gegen Wasserschlag
schützen, bei den ortsfesten Maschinen nach Fig. 28
S. 264 d. Bd. sich nicht öffnen können, und das Wasser hier durch die unter höherer
Federbelastung stehenden Einlaßventile entweichen muß.
Die auch nach langer Betriebszeit stets dichten Ventile haben andern
Steuerungsorganen gegenüber eben den Vorteil, daß der Minderverbrauch der
Heißdampflokomotiven nicht durch Undichtigkeiten (besonders der ungefederten
Kolbenschieber) wieder wettgemacht wird. Die Gesamtkosten der Ventilsteuerung bzgl.
Lizenz, Bau und Unterhaltung lassen sich vorläufig natürlich nur schätzen. Ich bin
der Ansicht, daß diese Kosten niedriger sein werden als z.B. die hohen Gesamtkosten
der bei den Preußischen Staatsbahnen eingeführten Schmidtschen Kolbenschieber.
2. Ueber die Dampflässigkeit verschiedener Steuerungsorgane können nur auf längere
Betriebszeit sich erstreckende Versuche an einer größeren Zahl von Lokomotiven,
nicht aber an einer einzelnen Maschine, Aufschluß geben. Ich bemerke nochmals, daß
bisher sämtliche Heißdampflokomotiven der Preußischen Staatsbahnen mit
verschwindenden Ausnahmen ungefederte Kolbenschieber besitzen. Erst für die
Neulieferungen ab Oktober 1909 sind federnde Kolbenschieber vorgesehen.
Vorausgesetzt, daß die Schmidtschen Federringe (bei
weiter Trennfuge) zusammenklappen können, wird der zu geringe Durchflußquerschnitt
der dann entstehenden Ringöffnung bewiesen durch die Beschädigungen an den
belgischen Lokomotiven, denn diese besitzen nach Herrn G's Angaben auf Seite 620 d. Bd., Punkt 3, federnde Ringe. Wirksame
Sicherheitsventile müssen so groß bemessen werden, daß es vorteilhafter ist,
dieselben gleich als hochwertige Steuerungsorgane auszubilden und den Kolbenschieber
ganz auszuscheiden. Zuverlässig wirksame Wasserabscheider an Lokomotiven gibt es
leider noch nicht. Die bloße Behauptung, daß ein konstruktives Problem sich leicht
wird lösen lassen, ist wertlos.
Im übrigen verweise ich auf das eingangs von mir Gesagte.
3. Die Gefährlichkeit der Kolbenschieber bei Wasserschlag an Heißdampflokomotiven ist
durch Tatsachen erwiesen. Für Brüche infolge Wasserschlags an Lentz-Ventillokomotiven, die sich auch sonst als
betriebssicher erwiesen haben, fehlt dieser Beweis durch Tatsachen. Günstiger wäre
es übrigens doch sicherlich, wenn die Brüche an den Heißdampflokomotiven während ihrer
Kinderjahre vorgekommen wären und jetzt aufgehört hätten, anstatt umgekehrt.
4. Die Schuld an dem Mißverständnis liegt nicht auf meiner Seite.
5. Wenn überhaupt nur von Wasserschlag die Rede war, so verstehe ich nicht, weshalb
Herr G. die Beschädigungen an den ersten
Ventillokomotiven, die sich doch beim besten Willen nicht auf Wasserschlag
zurückführen lassen, hier in die Erörterung hineinzieht. Ich bin übrigens erstaunt,
daß Herr G., dessen vornehmlichste Aufgabe es nach
seiner eigenen Angabe unter Punkt 4 war, die Unzulänglichkeit der Lentz-Ventile gegen Wasserschlag zu begründen, so wenig
über die Ventillokomotiven, insbesondere ihre Zahl, unterrichtet ist. (Die näheren
Einzelheiten über die Beschädigungen sind übrigens zuerst von mir und nicht etwa von
Herrn G. angegeben!) Da Herr G. über die Schmidtschen Heißdampflokomotiven
sogar bei fremden Bahnen mit sieben und weniger solcher Lokomotiven Erkundigungen
eingezogen hat, so wäre es nicht mehr wie recht und billig gewesen, wenn Herr G. auch über die Ventillokomotiven Erkundigungen
eingezogen und hier veröffentlicht hätte, anstatt einfach vom grünen Tisch aus eine
Steuerung, welche an ortsfesten Maschinen in allen Kulturstaaten die weiteste
Verbreitung gefunden hat, jetzt trotz bereits günstiger Erfahrungen bei Lokomotiven
in Mißkredit zu bringen versuchen.
Nach Angabe der Firma Egestorff waren am 1. Okt. 1909 41
ihrer Ventillokomotiven im Betrieb, außer in Preußen noch in Oldenburg, Schweden,
Frankreich, Italien, Schweiz und bei einigen Privatwerken. Bestellt ist u.a. von den
Preußischen Staatsbahnen als Ausstellungslokomotive für Brüssel eine ⅖ gek. S9-Ventillokomotive.
6. Bezüglich des Oeffnens der Lentz-Ventile, deren
Bauart übrigens nach Fig. 2 (S. 146) Fig. 23 (S. 244) und Fig.
28 (S. 264) eine Drehung der Ventile garnicht zuläßt, beansprucht Herr G. Anerkennung für seine Theorie trotz
vorliegender, das Gegenteil beweisender Tatsachen. Bezüglich der feinen Bohrungen in
den Schieberringen zieht Herr G. dagegen den
praktischen Versuch der Theorie vor. Gesehen dürfte übrigens das Zusammenklappen der
Ringe wohl noch Niemand haben. Das von Herrn G. beim
raschen Oeffnen des Reglers wahrgenommene Geräusch kann außer von vielen andern
Ursachen auch von dem Aufschlagen der Ringe seitlich an die Stege des
Schieberkörpers oder bei viel seitlichem Spiel sogar von einem Auseinanderklappen
der Ringe (durch Dahintertreten von Dampf) an die Wände der Schieberbuchsen
herrühren.
Federnde Kolbenschieber, wie solche bei den Heißdampf- und den S7-Lokomotiven (bei letzteren sollten die Ringe
eigentlich viel eher zusammenklappen, weil die feinen Bohrungen hier fehlen)
angewandt werden, schützen das Triebwerk nicht bei Wasserschlägen, wie die Brüche an
den belgischen Heißdampf- und den preußischen S7-Lokomotiven beweisen.
7. Da ich mir keines Widerspruches bewußt bin, so kann ich die Sache wohl auf sich
beruhen lassen.
–––––
Genau gleicher Meinung wie Herr G. bin ich bzgl. der
Ueberlegenheit des Heißdampfes gegenüber dem Naßdampf.
Nur bei Verwendung geeigneter Oele und häufiger Reinigung der Schieber läßt sich die
Bildung von Oelkrusten vermeiden. Immerhin ist dauernde, äußerste Sorgfalt
erforderlich.
Ich habe bereits unter Punkt 1 Verwahrung dagegen eingelegt, daß „häufig“
Brüche und sonstige Betriebsstörungen an Lentz-Ventillokomotiven vorgekommen sind. Letztere haben ebenso wie jede
andere neue Lokomotivgattung, ihre Kinderkrankheiten durchmachen müssen und werden
auch ohne das Wohlwollen Herrn G's sich schon ihr Feld
erobern.
Dr.-Ing. Max Osthoff, Reg.-Baumeister.