Titel: | Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahr 1908. |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 91 |
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Die Tätigkeit des Königlichen
Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahr
1908.
(Schluß von S. 76 d. Bd.)
Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen
Hochschule zu Berlin usw.
Die Abteilung für Papier- und textiltechnische Prüfungen hat neben den
zahlreichen regelmäßigen Untersuchungen zur Kontrolle der an Behörden gelieferten
Normalpapiere eine Reihe besonderer Untersuchungen ausgeführt, von denen die
folgenden hervorgehoben sein mögen:
1. Untersuchungen von Rohdachpappe auf den Gehalt an Wollschrenz führten zu dem
Urteil, daß sich brauchbare Rohpappen für die Dachpappenfabrikation mit einem
Wollgehalt von 90 v. H. kaum herstellen lassen; sie würden wegen ihrer
Weichheit und Schwammigkeit voraussichtlich die für die Weiterverarbeitung nötige
Widerstandsfähigkeit nicht besitzen. Dem Amt haben bisher Rohpappen mit einem
Wollgehalt von mehr als 45 v. H. zur Prüfung nicht vorgelegen.
2. In einer Strafsache wegen Fälschung der Unterschriften in zwei verschiedenen
Lohnlisten konnte auf Grund mikroskopischer und chemischer Prüfung der
Namensunterschriften begutachtet werden, daß die in Frage kommenden Unterschriften
mit großer Wahrscheinlichkeit mit derselben Tinte vollzogen waren.
3. In einer Streitfrage darüber, ob eine Zellstofflieferung gegen frühere
minderwertig sei, wurde die ursprüngliche Zellstoffprobe sowie Zellstoff aus der
beanstandeten Lieferung im Versuchsholländer des Amtes aufgeschlagen, vorsichtig
gebleicht und gewaschen. Aus dem so erhaltenen Material wurden Bogen geschöpft und
diese auf Festigkeit und Widerstand gegen Falzen geprüft. Die Ergebnisse zeigten,
daß die Lieferung hinter der Probe nicht zurückstand.
4. Das Auftreten bronzeartiger Flecke auf Tapeten konnte auf Grund umfangreicher
Versuche darauf zurückgeführt werden, daß das verwendete Papier nicht genügend
leimfest war. Die Zusammensetzung der verwendeten Farbe trug keine Schuld an dem
Fleckigwerden der Tapete.
5. Zum Schutze alter Handschriften gegen Zerfall scheint sich die im Amt hergestellte
Zelluloselösung gut zu bewähren und die Vorzüge der Zaponlösung zu besitzen, ohne
deren Nachteile zu zeigen. Der Königlichen Bibliothek zu Berlin, der vatikanischen
Bibliothek zu Rom und der Ambrosiana zu Mailand wurden Proben der Lösung zur
Vornahme praktischer Versuche übersandt. Ueber die Ergebnisse dieser Versuche wird
voraussichtlich im nächsten Jahresbericht näheres mitgeteilt werden können.
Ferner seien genannt Versuche mit Verschlußringen aus Gummi zur Feststellung der
Aenderung ihrer elastischen Eigenschaften unter dem Einfluß höherer Wärmegrade;
Prüfungen von Violinsaiten auf Festigkeit und von Klebemitteln auf ihre
Klebfähigkeit für Pergament- und Pergamynpapier, sowie Versuche mit ausländischem
Flachs auf Verwendbarkeit für die Papierfabrikation.
6. Blauschwarzes Seidengarn war auf die Ursache stellen weiser Brüchigkeit zu
untersuchen.
Der Fettgehalt lag bei allen drei Proben innerhalb der zulässigen Grenzen. Beide
Garne zeigten vereinzelt und in unregelmäßigen Abständen Unebenheiten des Fadens
(rauhe Stellen und Oeffnungen in der Drehung) und schon beim Zerreißen mit der Hand
zeigte sich die Seide an einigen Stellen merklich geschwächt, an anderen nicht. Bei
der mikroskopischen Prüfung erwiesen sich diejenigen Unebenheiten, an denen der
Faden nicht geschwächt war, als Flaum (duvet libre). Bei der Prüfung der übrigen
rauhen Stellen und Drehungsöffnungen wurden folgende Beobachtungen gemacht:
a) Einzelne Kokonfäden waren durchsetzt und überzogen mit einer
blauen und blauvioletten Masse, die diesen Stellen ein wulstartiges Aussehen
verlieh. An einigen der Wulste war der Beginn des Berstens des Kokonfadens zu
beobachten. Außerdem fanden sich halbgebrochene und in unmittelbarer Nähe der
Wulste auch ganz durchbrochene und zersplitterte Fäden, außerdem Fadensplitter,
völlig losgelöst vom Hauptfaden, vor. Die Zerstörung scheint somit durch die
eingelagerte Masse verursacht worden zu sein.
b) Einzelne Kokonfäden zeigten nicht die schwarze Grundfarbe
der Seide, sondern blaue, violette und blaugrüne Färbung. Es scheint, als ob
diese Fäden keine Beize erhalten haben oder als ob die Beize nachträglich wieder
weggeätzt worden ist, so daß sich die schwarze Farbe nicht entwickeln
konnte. Die Prüfung zeigte, daß die mürben Stellen in der Seide durch
Fehler in der Färberei entstanden waren und daß die Rohseide selbst nicht Schuld
an dem Auftreten des Uebelstandes war.
Ungleiches Anfärben von Wolle konnte darauf zurückgeführt werden, daß das Wollgarn
nicht einheitlich war und strangweise verschiedene Verwandtschaft zu bestimmten
Farbstoffen besaß.
Die Abteilung für Metallographie hat die Untersuchungen über den Einfluß
verschiedener Umstände auf den Angriff des Eisens durch Wasser und Salzlösungen
fortgesetzt. Hierbei hat sich ergeben, daß die Geschwindigkeit des Röstens
verschieden ist, je nachdem die Eisenprobe vollständig in die Flüssigkeit
eingetaucht oder teilweise daraus hervorragt. Im ersteren Falle erfolgt der Ersatz
des Sauerstoffes durch Diffusion von der Flüssigkeitsoberfläche her, und man erhält
den Einfluß der Art der Flüssigkeit auf die Schnelligkeit des Röstens ohne
Nebeneinflüsse. Tauchen die Proben dagegen nur teilweise in die Flüssigkeit, so
spielt der Rostbeschlag in der Nähe des Flüssigkeitsspiegels die Rolle eines
Sauerstoffüberträgers. Er wirkt wie ein Sauerstoffschwamm. Die Geschwindigkeit des
Röstens unterhalb des Flüssigkeitsspiegels ist nun nicht nur abhängig von der Art
der verwendeten Flüssigkeit und von der Geschwindigkeit der Sauerstoffdiffusion in
dieser, sondern auch wesentlich von der Beschaffenheit des Rostbeschlages. Ist
dieser locker, schwammig, so kann er den Luftsauerstoff gegebenenfalls schneller bis
zu bestimmten Tiefen unterhalb des Flüssigkeitsspiegels an das Eisen befördern, als
es bei der Diffusion durch die Flüssigkeit möglich gewesen wäre. Ist der
Rostbeschlag dichter und weniger schwammig, so tritt diese Nebenwirkung zurück.
So kann es z.B. im Gegensatz zum Verhalten der Proben bei vollständigem Eintauchen
vorkommen, daß ein teilweise in eine Natriumchloridlösung eingetauchtes
Eisenplättchen stärkere Gewichtsabnahme durch Rosten zeigt, als ein teilweise in
destilliertes Wasser unter gleichen Umständen eingetauchtes Plättchen. Der Grund
liegt darin, daß in destilliertem Wasser der Rostbeschlag dicht, fast körnig, in der
Natriumchloridlösung dagegen schwammig, voluminös ist. Die oben genannte
Nebenwirkung kann sich also bei der Natriumchloridlösung stärker geltend machen, als
beim destillierten Wasser.
Untersuchungen werden zurzeit darüber angestellt, ob der Rostbeschlag etwa als
halbdurchlässige Membran wirken kann, die gewissen Ionen den Zutritt zum Eisen
erschwert oder erleichtert.
Beim Dampfkesselbetriebe kann die Art der Zuführung des Speisewassers zum Kessel von
wesentlichem Einfluß auf den Rostangriff sein. Ist hierbei dem kalten Wasser
Gelegenheit gegeben, reichlich Sauerstoff aufzunehmen (sich mit Luft zu sättigen),
so wird der Sauerstoff bei der Erwärmung des Wassers im Kessel in Form von Bläschen
wieder ausgeschieden. Die Bläschen setzen sich an den Eisenteilen fest und bewirken
dort starken örtlichen Rostangriff.
In fünf untersuchten Fällen, in denen Siederohre von Dampfkesseln stark angefressen
waren, ergab sich kein Anhalt dafür, daß der starke örtliche Rostangriff auf
Materialfehler zurückzuführen sei. Die Schuld lag an der Art der Speisung der Kessel
und an der Art des zur Speisung verwendeten Wassers. In fast allen Fällen wurde mit
sehr reinem Wasser, Kondenswasser und destilliertem Wasser gespeist, was allerdings
zu vermeiden ist, da das reinste Wasser (destilliertes Wasser) bei gleichzeitiger
Gegenwart von Sauerstoff Eisen erheblich stärker angreift, als die meisten der
gewöhnlichen Verbrauchswässer (Leitungswasser usw.).
In zwei Fällen, bei denen in Ueberhitzerrohren starke örtliche Anfressungen
auftraten, konnte nachgewiesen werden, daß in den Rohren zeitweilig Wasser gestanden
hatte. Da es sich hier auch nur um Kondenswasser, also sehr reines Wasser, handeln
konnte so ergab sich hieraus eine ungezwungene Erklärung für den auffallenden
starken örtlichen Rostangriff in den Ueberhitzerrohren.
Bei einem stark angegriffenen Wellrohr ließ sich auf Grund der
Gefügeuntersuchung nachweisen, daß das Rohr nach erfolgtem Rostangriff, also
vermutlich im Betriebe, zum Erglühen gekommen war. Welchen Einfluß die Glühung auf
das Anfressen des Eisens gehabt hat, entzog sich der Beurteilung, da nicht bekannt
war, unter welchen Umständen und wie lange das glühende Eisen mit Wasserdampf oder
Luft in Berührung stand.
Schlechtes Verhalten von Material im Betriebe (Brüchigkeit) konnte in vielen Fällen
auf starke Steigerungserscheinungen zurückgeführt werden.
In einem Fall (Welle) war nur geringe Zonenbildung vorhanden. Die Welle zeigte in der
Oberflächenschicht gröbere Kristallkörner als in den mittleren Teilen des
Querschnitts. Kerbschlagproben, aus der grobkristallinischen Schicht entnommen,
ergaben, daß das Material der Welle im Zustand der Einlieferung ins Amt weniger
widerstandsfähig gegen Schlag im verletzten Zustande war als nach dem Ausglühen bei
900 C°. Es war somit Ueberhitzung an der Oberfläche vorgekommen.
In einem anderen Fall zeigte das Gefüge eines gebrochenen Automobilseitenträgers an
der Bruchstelle und in deren Umgebung sehr grobkristallinischen Aufbau, während es
an Stellen, die vom Bruch entfernt lagen, feinkristallinisch war. Diese Unterschiede
im Gefügeaufbau können nur durch verschiedenartige Wärmebehandlung hervorgebracht
sein.
Bei gehärteten Tischlerbeiteln und einem gehärteten Stempel, die im Betriebe
gebrochen waren, ließen sich alte Anbrüche, die von Härterissen herrührten,
feststellen.
Ein Maschinenmesser, das sich im Betriebe als „zu spröde“ erwiesen hatte,
zeigte im Gefüge reinen Martensit, das Material war demnach nach dem Härten nicht
angelassen worden, wodurch die Sprödigkeit erklärt wird.
Auch bei einem vernickelten Bandstahl, der sich bei der Weiterverarbeitung als zu
spröde erwiesen hatte, konnte als Ursache der Sprödigkeit schroffe Abschreckung ohne
nachfolgendes genügendes Anlassen ermittelt werden. Durch allmählich gesteigerte
Anlaßhitzen wurde die Sprödigkeit ganz allmählich herabgemindert.
Bei einem im Betriebe gesprungenen gußeisernen Kesselglied ließ sich auf Grund der
Gefügeuntersuchung nachweisen, daß die Kesselgliedwandungen stellenweise zum
Erglühen gekommen waren. Es lag somit die Möglichkeit vor, daß das Kesselglied durch
Erglühen der Kesselwandung infolge Wassermangels gesprungen war.
Versuche über Zersetzungserscheinungen an Magnesium und Aluminium zeigten, daß beim
Magnesium die Menge und die Art der vorhandenen Verunreinigungen des Metalls
von wesentlichem Einfluß auf den Zersetzungsvorgang ist, während beim Aluminium der
Einfluß von Verunreinigungen des Metalls zurückzutreten scheint gegenüber anderen
Einflüssen, die zum Teil in der Art der Behandlung des Metalles während der
Fabrikation, zum Teil in der Art der mit dem Aluminium in Berührung kommenden Stoffe
liegen. Gegenwart von Feuchtigkeit in tropfbarflüssiger Form ist sowohl beim
Magnesium wie auch beim Aluminium Bedingung für das Auftreten von
Zersetzungserscheinungen.
An zwei Kondensatorrohre aus Messing, die nach kurzer Betriebsdauer stark zersetzt
waren, konnte nachgewiesen werden, daß die Zersetzung der Rohre in beiden Fällen mit
der Art des verwendeten Wassers (Nordseewasser) zusammenhing. Vorwiegend war der
zinkreiche Gefügebestandteil herausgelöst, während der kupferreiche
Gefügebestandteil fast garnicht angegriffen war. Die gewichtsanalytische Bestimmung
der herausgelösten Zinkmenge gibt ein Maß für die Angriffsfähigkeit irgend einer
Wassersorte auf Messing. Setzt man die durch Leitungswasser des Amtes herausgelöste
Zinkmenge gleich 100, so ergibt sich der Angriff von Nordseewasser zu 1151, während
destilliertes Wasser nur Spuren löst.
Bei Messingmatrizen einer Zeilensetzmaschine hielten die senkrecht zur Walzrichtung
eingeprägten Buchstaben eine längere Betriebsdauer aus als die parallel zur
Walzrichtung eingeprägten.
Unter den Arbeiten der Abteilung für allgemeine Chemie mögen die folgenden genannt
sein: Untersuchungen von Brennmaterialien auf Heizwert, von tropfsteinartigen
Auswitterungen an einer Brücke, von Sanden und Wasser auf Verwendbarkeit zur
Herstellung von Zementbeton und Zementmörtel, von Wasser mit flockiger Trübung auf
Verwendbarkeit zur Kesselspeisung, von bengalischen Zündhölzern auf Entzündbarkeit
zwecks Entscheidung über die Zulässigkeit der Beförderung auf Schiffen, von
Kautschuk unter Ausbildung neuer Verfahren zur Bestimmung der Füllstoffe und des
Gesamtschwefels in vulkanisierten Materialien, Phosphorbestimmungen in Wolframstahl,
Bestimmung der Koksausbeute von Steinkohlen durch Erhitzen der Kohle in
Wasserstoffstrom.
Die Untersuchungen der Abteilung für Oelprüfung erstreckten sich im Wesentlichen auf
Rohöle, Schmieröle, Brennöle, Benzin, verschiedene Fette, Pech, Lacke,
Säurebestimmungen in Harzen und die Nachprüfung zollamtlicher Prüfungsverfahren.