Titel: | Neuerungen in der Herstellung von Luftsalpeter. |
Autor: | Arndt |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 141 |
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Neuerungen in der Herstellung von
Luftsalpeter.
Neuerungen in der Herstellung von Luftsalpeter.
Die elektrischen Oefen von Birkeland & Eyde
(scheibenförmiger Wechselstromlichtbogen im magnetischen Felde) und von Schönherr (fadenförmiger Lichtbogen mit tangential
eintretender Luft)s. D. p. J. 1906, Bd.
321, S. 398, 1908, Bd. 323, S. 623. arbeiten jetzt friedlich
nebeneinander im südlichen Norwegen. Die Ergebnisse einer neuen jetzt bei Notodden
im Bau befindlichen Fabrik sollen entscheiden, ob für die geplante große Anlage die
Oefen der Badischen Anilin- und Sodafabrik oder die von
Birkeland & Eyde benutzt werden sollen.
Textabbildung Bd. 325, S. 140
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 325, S. 140
Fig. 2.
Unterdes ist in Patsch bei Innsbruck von der Salpetersäure-Industrie- Gesellschaft Gelsenkirchen eine Fabrik erbaut
worden, die nach dem Verfahren von H. & G. Pauling
(Flammenbogen zwischen Hörnerblitzableitern, Fig. 1)
arbeitet. Unten, wo die beiden Hörner a eng
zusammenstehen, wird der Lichtbogen zwischen zwei verstellbaren messerartigen
Schneiden b entzündet; er bewegt sich aufwärts zwischen
den Hörnern, muß sich dabei immer mehr verlängern und reißt schließlich ab, um unten
von neuem zu entstehen. Bei etwa 200 KW Stromverbrauch ist die Flamme etwa 1 m lang;
sie brennt ruhig mit blendend weißem Lichte. Die Elektroden a sind aus Eisen, werden mit Wasser gekühlt (s. a. Fig. 2) und halten im Mittel etwa 200
Betriebsstunden. Die gegenseitige Entfernung der Zündschneiden b muß von Zeit zu Zeit wegen Abbrand wieder geregelt
werden. Hierzu dienen die durch Zwischenstücke c
isolierten Stellvorrichtungen d.
Von unten tritt in diese Flamme ein vorgewärmter Luftstrom von etwa 40 mm Breite aus
einer Düse, welche so geformt ist, daß der Luftstrom sich ausbreitet und die
Elektroden ihrer ganzen Länge nach bespült.Eine
ähnliche Anordnung haben W. Cramps und B. Hoyle zu ausführlichen experimentellen
Untersuchungen benutzt. [Electrochemical and Metallurgical Industry 1909. S.
74–76.] Um das entstandene Stickoxyd beim Austritt aus der Flamme
durch rasche Abkühlung vor dem Wiederzerfallen möglichst zu bewahren, wird in
den oberen Teil der Flamme von der Seite her „Umlaufluft“ eingeführt, d.h.
stickoxydhaltige Luft, welche aus den Ofengasen vor deren Eintritt in die
Kondensvorrichtung abgezweigt wurde; die Geschwindigkeit dieses zum Abschrecken
dienenden Gasgemisches ist geringer bemessen als die des Hauptluftstromes.
Die aus dem Ofen austretenden Gase enthalten 1,5 v. H. Stickoxyd.
Je zwei Lichtbögen brennen in einem aus feuerfesten Steinen aufgemauerten Ofen (Fig. 2). Jeder Ofen verbraucht 400 KW bei einer
Spannung von 4000 Volt; stündlich gehen 600 cbm Luft durch den Ofen, die Umlaufluft
nicht gerechnet. Gegenwärtig sind in der Fabrik 24 Oefen aufgestellt. Ein Mann kann
bis 6 Oefen beaufsichtigen. Die Wasserkraft von 15000 PS wird von der Sill
geliefert.
Um mehrere Flammenbögen von einem Stromkreise ohne Störung zu speisen, wird eine
eigenartige Schaltung benutzt. In jedem Ofen sind zwei Flammen hintereinander
geschaltet und der so entstandene, sorgfältig gegen die Erde isolierte Mittelpol mit
einem der beiden Außenpole durch einen hohen Widerstand verbunden. Dann wird die
ohne Nebenschluß arbeitende Flamme zunächst mit der vollen Betriebsspannung
entzündet werden; nach erfolgter Zündung sinkt die in dieser Hälfte verbrauchte
Spannung auf einen geringen Betrag, so daß nun die zweite Flamme etwa die gleiche
Zündspannung erhält. Sobald die beiden hintereinander geschalteten Bögen brennen,
kann die Stromspannung beträchtlich erniedrigt werden; man kann den zum Zünden
nötigen hochgespannten Hilfsstrom ausschalten.
Die Gase verlassen den Ofen mit etwa 700–800°, ihre Wärme wird zum Vorwärmen der
Gebläseluft und des Ofenwindes, sowie zum Eindampfen der Säure und der Nitritlösung
ausgenutzt.
Die Kondensationsvorrichtung besteht aus Steinzeugrohren und Türmen; sie liefert
Salpetersäure von 35 bis 40 v. H., die bis auf 60 v. H. eingedampft wird. Die den
Ofengasen durch Wasser nicht entzogenen Stickstoffoxyde werden von Natronlauge
aufgenommen und auf Natriumnitrit verarbeitet.
Zwei weitere Fabriken für 10000 PS werden nach dem Paulingschen System in Südfrankreich und in Oberitalien gebaut.Die vorstehenden Angaben über das Paulingsche Verfahren sind einem Vortrage
entnommen, den Dr. F. Ruß im Verein
österreichischer Chemiker am 24. 3. 09 gehalten hat. (Oesterreich.
Chemikerzeitung 1909. Nr. 17 und Zeitschr. f. Elektrochemie 1909, 5.
544–548; 9 Abb.)
Um in den Kondensationstürmen möglichst hochkonzentrierte Salpetersäure zu erhalten,
leitet die Salpetersäure-Industrie-Gesellschaft nach D.
P. R. 196112 nur eine passend bemessene Menge Wasser oder Wasserdampf zu und kühlt
nach D. R. P. 205018 bis unter 0° ab.
Den gleichen Endzweck, aus den geringhaltigen nitrosen Ofengasen ein möglichst
angereichertes Produkt zu erhalten, erreichen die Elektrochemischen Werke
Bitterfeld nach D. R. P. 212423, indem sie die Stickoxyde durch Zinkoxyd
oder ein anderes durch Erhitzen wieder leicht zerlegbares Metalloxyd absorbieren.
Rührt man das gepulverte Oxyd während der Absorption um, so bildet sich das neutrale
salpetersaure bezw. salpetrigsaure Salz. Diese Salze werden dann in eisernen
Retorten langsam bis auf 500° erhitzt, wobei sie die Stickoxyde wieder abgeben.
Der zweite Weg, den Luftstickstoff zu binden, die Herstellung von Kalkstickstoff nach dem Verfahren und Frank und Caro (Leiten von
reinem Stickstoff über erhitztes Kalziumkarbidpulver)s. D. p. J. 1905, Bd. 320, S. 254.,
ist in letzter Zeit ebenfalls verbessert worden.Vortrag von Dr. N Caro auf dem VII.
Internationalen Kongreß für angewandte Chemie zu London (Zeitschrift f.
angewandte Chemie, 1909, S. 1178–1182). Statt nach dem Lindeschen Verfahren (Fraktionierung flüssiger Luft)
kann man nach N. Caro auch durch Verbrennen von
Generatorgas reinen Stickstoff für die Kalkstickstofffabrikation gewinnen, indem man
die Gase durch Leiten über eine Mischung von Kupfer und Kupferoxyd von Sauerstoff
und Kohlenoxyd befreit und die Kohlensäure durch Alkali zurückhält.Kohlensäure zersetzt Kalkstickstoff unter
Abscheidung von Kohle.
Bei der Reaktion zwischen Karbid und Stickstoff muß zu hohe Erhitzung vermieden
werden, weil über etwa 1360° das Kalziumcyanamid rückwärts in Karbid und Stickstoff
zerfällt. Bei kalkreichem Karbid liegt dieser Umkehrpunkt noch tiefer. Da bei der
Reaktion zwischen Karbid und Stickstoff Wärme frei wird, so muß man verhüten, daß
durch diese Reaktionswärme die Masse überhitzt wird. Dies wird dadurch erreicht, daß
man die Retorten nicht von außen, sondern von innen durch einen elektrisch
erhitzten Kohlenstab anheizt und den Heizstrom zeitig ausschaltet. An elektrischer
Energie werden hierzu kaum 3 PS-Jahre auf 1 Tonne gebundenen Stickstoff
gebraucht.
Das Produkt enthält etwa 20 v. H. Stickstoff. Durch überhitzten Wasserdampf kann
dieser Stickstoff in Ammoniak übergeführt werden.
Um den Kalkstickstoff auf Cyanide weiter zu verarbeiten,
schmilzt man mit Kochsalz, dann setzt sich das Kalziumcyanamid mit der im
Kalkstickstoff enthaltenen Kohle zu Kalziumcyamid um nach der Gleichung:
Ca CN2 + C = Ca (CN)2.
Durch besondere Anordnungen muß man verhindern, daß der durch obige Gleichung
bezeichnete Prozeß wieder rückwärts läuft.
Auch Harnstoff, Guanidin usw. werden aus Kalkstickstoff im Spandauer Werk hergestellt.
In diesen Verfahren zur Ausbeutung des Luftstickstoffes sind dem Chilesalpeter
beachtenswerte Nebenbuhler erstanden, welche ihn aus Dänemark völlig und aus
Schweden großenteils verdrängt haben.Nach:
Chemikerzeitung, 1909, S. 1162. Freilich wird auch nach Ausbau
aller geplanten Stickstoffwerke deren Produktion nur etwa 12 v. H. des gesamten
Weltverbrauches ausmachen.
Viel mehr als durch den Wettbewerb des Luftstickstoffs leidet die Salpeterindustrie
in Chile durch die wilde Konkurrenz im Lande selbst, die nach Zerfall des
Salpetertrustes begonnen hat. Die Zahl der durchschnittlich arbeitenden chilenischen
Salpeterfabriken ist auf 113 gestiegen, während der Salpeterpreis von 10 M. (Ende
1907) auf weniger als 9 M. (Ende 1908) für die Tonne gefallen ist.
Arndt.