Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 300 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Ueber das zurzeit zweckmäßigste Lohnsystem für
gewerbliche Arbeiter.
Hierüber verbreitet sich in einem lesenswerten Aufsatz der
„Werkstatts-Technik“
Fr. Selter. Er bespricht zunächst die verschiedenen zur
Anwendung gekommenen Systeme, Zeitlohn, Stücklohn, Kontraktstücklohn, Prämienlohn in
seinen verschiedenen Formen, Differentiallohnaufteilung von Taylor, und die Gewinnbeteiligung. Da seine Ausführungen sich ungefähr mit
dem decken, was hierüber an dieser Stelle erst kürzlich berichtet ist,Siehe D. p. J. 1909, Bd. 324. 24.Nur in einer Beziehung weicht Selter entschieden
von den a. a. O. wiedergegebenen Anschauungen ab, nämlich in seinem Urteil
über das System von Taylor. Dessen Grundgedanke
ist ihm meines Erachtens unverständlich geblieben, da er sonst nicht den
Satz hätte niederschreiben können: „Wenn Taylor behauptet, daß es (nämlich sein System) vollkommen sei,
so hat er allerdings darin recht, daß es vollkommen für den Arbeitgeber
ist. Für den Arbeiter ist es aber um so ungerechter.“ so
kann auf ein nochmaliges Eingehen darauf verzichtet werden. Nur der damals nicht
behandelten Gewinnbeteiligung mögen ein paar Worte gewidmet sein.
Von dieser unterscheidet Selter vier verschiedene
Arten:
1. diejenige, die man als eine Art von Wohlfahrtseinrichtung bezeichnen kann und die
sich in der Gründung von Kranken-, Pensions- und Unterstützungskassen sowie der
Schaffung besserer Wohnräume für die Arbeiter mit Hilfe eines Teiles des
Unternehmergewinns ausdrückt. Trotzdem sie dem Geiste der heutigen, den früheren
patriarchalischen Verhältnissen fast völlig entwachsenen Zeit nicht mehr ganz
entspricht, kann man diese Art noch als zweckmäßig bezeichnen;
2. diejenige, die die privatrechtliche Wirtschaftsreform in eine genossenschaftliche
hinüberleiten soll. Diese Art der Gewinnbeteiligung ist für gewerbliche Betriebe
fast bedeutungslos;
3. diejenige, die ein sparsames Umgehen mit Zeit und Arbeitsmitteln dadurch erreichen
will, daß als Lohn hierfür nach bestimmten Regeln der Arbeiter einen, meist sehr
bescheidenen, Teil des Gewinnes erhält. Hier handelt es sich im Grunde genommen um
ein unvollkommenes Prämiensystem;
4. diejenige, die man als die eigentliche Gewinnbeteiligung betrachten muß, um die
der Widerstreit der Meinungen so heftig tobt, die auf der einen Seite als die Lösung
der sozialen Frage, auf der anderen Seite als der Ruin der heutigen Industrie
gekennzeichnet wird. Ihrem begeistertsten Verteidiger, dem Berliner Fabrikanten Freese, können die Ansichten so bedeutender Männer wie
des Professor Abbe, des Gründers und Leiters der Zeißwerke in Jena, und von Alfred Krupp entgegengehalten werden. Es kann diese Art der
Gewinnbeteiligung bei der heutigen Bildung unseres Arbeiterstandes noch nicht als
die geeignete Lohnform bezeichnet werden, da er in seiner großen Masse eine
Steigerung seines Einkommens gern hinnimmt, bei einem Niedergange aber meist nicht
objektiv genug sein wird, nicht der Leitung des Unternehmens, sondern den
Zeitverhältnissen Schuld zu geben. Wenn überhaupt, so muß also das Ziel sein, ihn
nicht am ganzen Gewinn zu beteiligen, sondern nur an demjenigen, der aus seiner Tätigkeit
fließt, während er keinen Teil haben sollte an dem Teile, der von dem schwankenden
Wert der Rohstoffe und von den Unkosten abhängt, und gegebenenfalls in Verlust
umschlagen kann.
Ueberblickt man die ganzen gekennzeichneten Lohnsysteme, so findet man, daß von allen
das Stücklohnsystem doch noch das vorteilhafteste ist. Und wenn man dann näher auf
die Nachteile eingeht, die mit ihm verbunden sein sollen, so zeigt sich, daß sie
sich durch zweckmäßige Anordnungen wenn nicht vermeiden, so doch erheblich
vermindern lassen. Seine Fehler liegen hauptsächlich:
1. in der geringen Stetigkeit des Systems, beruhend auf ungenauer Festsetzung des
Stücklohns;
2. in der häufig ungerechten Verteilung des Stücklohnverdienstes.
Von diesen beiden Fehlern wird der erste hauptsächlich dadurch hervorgerufen, daß in
den meisten Werken die Festlegung der Stücklöhne in der Hand der Meister liegt. Er
setzt den Preis auf Grund einer ähnlichen Arbeit willkürlich fest, oder er schätzt
ihn „aus dem Handgelenk“ ab, oder im allerschlimmsten Falle nennt er ihn
nachträglich auf Grund einer ersten Ausführung. Der Willkürlichkeit ist Tür und Tor
geöffnet, der Meister wird erfahrungsgemäß stets geneigt sein zunächst hohe Akkorde
zu zahlen, um Streitigkeiten mit den Arbeitern zu vermeiden, diese müssen dann auf
Druck von „Oben“ verkleinert werden, was stets böses Blut macht, und der
Arbeiter, der alle diese Ungerechtigkeiten einmal an sich erfahren hat, hält von
vornherein mit seinen Leistungen zurück, die Maschinen werden nicht voll ausgenutzt,
kurz alle jene Nachteile sind da, von denen man behauptet, daß sie mit dem Stücklohn
unzertrennlich verbunden seien. Sie verschwinden aber, oder werden wesentlich
geringer, wenn man an die Stelle des Meisters ein besonderes Bureau setzt, das, mit
allen Zahlen und Tabellen über die vorhandenen Maschinen ausgerüstet, imstande ist,
die Stücklöhne von vornherein so genau zu berechnen, den einen aus dem anderen
logisch so zu entwickeln, daß eine Aenderung nachher nie oder nur äußerst selten
nötig wird.
Den zweiten der oben erwähnten Fehler, der in der ungerechten Verteilung des
Stücklohns begründet ist, vermeidet man am einfachsten, wenn man an die Stelle des
Gruppenstücklohns, bei dem jene Verteilung einzig in Betracht kommt, den
Einzelstücklohn setzt. Die Fälle, in denen sich das nicht durchführen läßt, sind
sehr selten. (Fr. Selter.) [Werkstattstechnik, Januar
1910.]
F. Mbg.
Die Anwendung der Elektrizität zur Fortbewegung von
Seeschiffen.
Zwei Einrichtungen, die eine direkte Anwendung des Elektromotors zum Schiffsantrieb
gestatten, bespricht W. L. R. Emmet. Die erste ist für
ein Doppelschraubenschiff gedacht. Auf jeder Schraubenwelle sitzt eine
Niederdruck-Dampfturbine und ein Elektromotor, im Maschinenraum befindet sich
außerdem noch eine Schnellauf ende Dampfturbine mit einer Dynamomaschine direkt
gekuppelt. Diese Generatorturbine hat zwei Dampfausströmungsöffnungen, die eine
befindet sich hinter der zweiten Druckstufe, die andere hinter der fünften. Bei
einer Schiffsgeschwindigkeit von 20,5 Knoten in der Stunde geht der gesamte Dampf
durch die erste Oeffnung der Generatorturbine zur Niederdruckturbine auf der
Schraubenwelle; für geringere Geschwindigkeiten, unter 15 Knoten, wird diese
Niederdruckturbine ausgeschaltet, die Antriebskraft für die Schrauben wird dann
allein durch die Elektromotoren geliefert. Zwischen 15 und 20,5 Knoten geht ein Teil
des Dampfes durch die Niederdruckturbine, der übrige Teil durch die weiteren
Druckstufen der Generatorturbine zum Kondensator. Generator und Motoren erzeugen bei
einer Geschwindigkeit von 20,5 Knoten etwa ⅖ der notwendigen Antriebskraft, die
restlichen ⅗ werden von der Niederdruckturbine erzeugt, die mit dem Abdampf der
Generatorturbine gespeist wird. Die Niederdruckturbine ist mit einer zweistufigen
Rückwärtsturbine vereinigt, auch kann sie hochgespannten Dampf verarbeiten; für
diesen Zweck sind besondere Düsen eingebaut. In letzterem Falle, wenn also die
Niederdruckturbine Kesseldampf direkt bekommt, wird eine Höchstgeschwindigkeit von
etwa 19 Seemeilen bei demselben Dampfverbrauch erzeugt, der bei der kombinierten
Antriebsmethode 20,5 Knoten ergab.
Bei der zweiten der besprochenen Einrichtungen sollten auf jede Schraubenwelle zwei
Elektromotoren gesetzt werden, der eine mit einer Umschaltvorrichtung, um ihn für
kleinere Geschwindigkeiten geeignet zu machen, der andere lediglich für die hohen
Geschwindigkeiten. Die höchste Spannung, die für die Motoren in Anwendung kommt, ist
etwa 2200 Volt; hierbei dient also der elektrische Teil der Einrichtung lediglich
zur Reduktion der Umlaufszahlen der Generatorturbinen. Die Gründe, die zur Anwendung
der Elektrizität führen, sind folgende: Erstens kann mit Hilfe derselben die
Umlaufszahl der Generatorturbine in ausgedehntem Maße reduziert werden, im
vorliegenden Falle wie 50 : 6; zweitens wird auch die Oekonomie der Anlage bei den
verschiedensten Umlaufszahlen der Schraubenwellen nicht beeinträchtigt, und drittens
bringt ein Wechsel in der Umlaufszahl keine Komplikation oder Unsicherheit des
Betriebes mit sich. Der Wirkungsgrad dieser Kombination ist bei allen
Geschwindigkeiten 92 v. H. Das Gewicht einer solchen Anlage, etwa von der Größe der
Antriebsmaschinen der amerikanischen Schlachtschiffe „Wyoming“ und
„Arkansas“, beträgt insgesamt etwa 520 t für die erste, 354 t für die
zweite Antriebsart. [The Times Engineering Supplement vom 15. Dezember 1909.]
D.
Dichtungsarbeiten am Marne-Saône-Kanal.
Bei dem Bau des Marne-Saône-Kanales sind bemerkenswerte Dichtungsarbeiten des
Kanalbettes vorgenommen.
In den im Felsen gelegenen Einschnitten wurden im Anfang die Seitenwände durch
Bruchsteinmauerwerk mit der Böschung 1 : 20, die Sohle durch eine 20 cm starke
Betonplatte geschützt. Diese Ausführung wurde zu teuer, da bei voller Dichtigkeit
die Seitenwände zu stark wurden. Später wurde der Kanalboden durch 10–15 cm starke
Betonlagen geschützt, die einen doppelten Anstrich mit Zementmilch und einem
einfachen oder doppelten Ueberzug mit Asphalt erhielten. Die Ueberzüge bewährten
sich gut. Jedoch erfordern derartige dünne Betonlagen eine sehr sorgfältige
Zurichtung des darunter gelegenen Bodens, wenn sie nicht infolge ungleicher
Druckverteilung reißen sollen. Diese Zurichtung verteuert die Herstellung des
Betonbettes sehr.
Jacquinot empfiehlt die Auskofferung des Kanalprofiles
mit reichlich großen Abmessungen vorzunehmen und vor der Betonierung die Oberfläche
der Böschungen und der Sohle mit einer festgestampften Schicht aus mit Sand
vermengten Erde, dem sog. Erdmörtel zu bedecken. Auf diese vollständig gleichmäßige
und nicht nachgiebige Schicht halten sich selbst dünne Betonlagen rissefrei. Die
Dichtung des Kanalbettes im Auftrage geschah zuerst durch Herstellung eines Kernes
in der Mitte des Dammes, der von Hand gestampft wurde, diese Bauweise hat sich nicht
bewährt. Daher wurden in den letzten Baujahren folgende Maßnahmen getroffen.
1. Die Dichtungsschicht wurde unmittelbar an die
Wasserseite als Begrenzung gegen das Wasser verlegt.
2. Die dichtende Erdmasse wurde nicht gestampft, sondern durch
eine Walze geknetet.
3. Die zur Dichtung geeigneten Bodenarten sind schon bei dem
Bodenaushub vom übrigen Boden abgesondert worden.
Der Dichtungskörper ist also ein Teil des Dammes und begrenzt seitlich unmittelbar
das Kanalbett; seine Oberkante liegt über dem höchsten Wasserstand. Da an der
Trennungsebene zwischen dem Dichtungskörper und dem gewachsenen Boden besonders
leicht Undichtigkeiten eintreten, ist der gewachsene Boden auf 20 cm Tiefe
abzugraben und von Wurzeln und Pflanzen zu reinigen. In der Mitte der Lagerfläche
für den Dichtungskörper wird ein keilförmiges Bett ausgehoben, das gleichfalls mit
Dichtungsmasse ausgefüllt wird, so daß sich der Dichtungskörper mit einer Art
Herdmauer an den gewachsenen Boden anschließt. Die einzelnen Lagen des dichtenden
Erdkörpers werden durch mit Rillen versehene Walzen zusammengeknetet und verdichtet.
Hierbei wurde zuerst Pferdebetrieb, später mit dem größten Erfolge
Petroleummotorbetrieb angewendet. Diese 2,5 t schwere Motorwalzen hatten eine
Arbeitsbreite von 1,2 m und walzten täglich bis 2400 cbm ein. Hierbei wurde der
Boden bis auf ein Gewicht von 2000 kg/cbm und mehr verdichtet.
Wenn das Kanalbett durch einen derartigen dichten Damm von durchlässigen
Felsschichten getrennt ist, können mit der Zeit Wasserverluste eintreten, da das
allmählich durchsickernde Wasser Erdteilchen aus dem Damm in die Felsspalten abführt
und den Damm undicht macht. Dieser Vorgang wird durch eine dünne Betonschale
zwischen dem dichten Damm und dem Felsboden verhindert.
Als Dichtungsboden ist Ton mit 30–70 v. H. Sand geeignet.
Jacquinot empfiehlt in geeigneten Fällen die
Dichtungsarbeiten erst nach Fertigstellung der Dämme herzustellen und zu diesem
Zweck die Böschungen mit einer 1 m starken, durch Motorwalzen zusammengepreßten
Dichtungsschicht zu bekleiden. Hierdurch werden die Bauarbeiten sehr
vereinfacht.
Gedichtete Kanaldämme sollen nicht bepflanzt werden, da die Wurzeln zur Bildung von
Wasseradern Anlaß geben. [Zentralblatt der Bauverwaltung 1910, S. 4–8.]
Dr.-Ing. Weiske.
Die Turbinen Versuchsanstalten und die Wasserkraftwerke mit
Wasserkraftspeicher der Firma J. M. Voith.
Anfangs 1907 hat die Firma J. M. Voith eine größere
Wasserkraft in Hermaringen an der Brenz erworben und hier in Verbindung mit einem
für die Versorgung der etwa 12 km entfernten Fabrik in Heidenheim bestimmten
Wasserkraft-Elektrizitätswerk eine umfangreiche Versuchsanlage errichtet, die zum
Prüfen von zeitgemäßen Schnellläuferturbinen sowie zu eingehenden Forschungen über
rechnerisch schwer zu behandelnde Fragen, z.B. über den Einfluß des Einbaues, der
Wasserzu- und -Abführung, des Gefälles usw. auf den Wirkungsgrad der Turbinen dienen
soll. Der Anlage steht eine mittlere Wassermenge von 4,2 cbm i. d. Sek. zur
Verfügung, die auf einen Mindeswert von 2,0 cbm i. d. Sek. zurückgehen, aber auch
bis auf 8 cbm i. d. Sek. steigen kann, und sie nutzt ein teilweise durch Höherstauen
des Oberwasserspiegels und Anlage eines tiefen Abwassergrabens gewonnenes
Höchstgefälle von 5,41 m aus. Das Maschinenhaus befindet sich an einer
Verbreiterung des Flusses und ist zum Teil in den Fluß hineingebaut, wodurch
besonders kurze Zuleitungen zu den Turbinen gewonnen werden. In Verbindung mit dem
Maschinenhaus, welches zwei Francis-Zwillingsturbinen
mit wagerechter Welle für je 3,5 cbm i. d. Sek. und 200 PS bei 215 Umdrehungen i. d.
Min. und dem Normalgefälle von 5,41 m enthält und durch eine Hochspannungsleitung
für 10000 Volt an ein Transformatorenwerk in Heidenheim angeschlossen ist, steht die
eigentliche Versuchsanstalt. Diese ist mit Rücksicht auf das geringe vorhandene
Gefälle in erster Linie auf Niederdruck-Francis-Turbinen beschränkt, innerhalb der hierdurch sowie durch die
verfügbare Wassermenge gezogenen Grenzen aber für die verschiedensten Bauarten von
Turbinen geignet. An den von dem Einlaufgerinne abgezweigten, gleichzeitig als
Wassermeßkanal dienenden Einlauf der Versuchsanstalt schließt sich der von oben her
zugängliche, mit Hilfe eines Kranes leicht bedienbare Versuchsschacht, der gegen den
seitlich anstoßenden Brems- und Meßraum so abgedichtet ist, daß die Welle der zu
prüfenden Turbinen hindurchgefühlt und außerhalb des Versuchsschachtes belastet
werden kann. Senkrechte Turbinenwellen werden von oben her abgebremst. Als besonders
vorteilhaft für die Zwecke der Versuchsanstalt ist anzusehen, daß man das nutzbare
Gefälle der Anlage durch künstliches Aufstauen des Wassers im Abwasserkanal bis auf
1,6 m vermindern, jede Turbine also unter stark wechselnden Gefälleverhältnissen
untersuchen kann.
Wichtig sind ferner die verwendeten Meßvorrichtungen: Das nutzbare Gefälle wird durch
zwei Schwimmer aus Kupferblech bestimmt, die an Drähten aus Siliziumbronze
aufgehängt und durch Gewichte gespannt sind. Diese Drähte kommen oben im Meßraum
zusammen, wo der eine mit einem Meßstab, der andere mit je 1 m voneinander
entfernten Zeigern versehen ist. Außerdem wird durch eine Anordnung von
kommunizierenden Röhren auch ein unmittelbares Ablesen der Höhenunterschiede
zwischen Ober- und Unterwasser ermöglicht. Zum Messen der verbrauchten Wassermenge
wird nach dem bekannten Verfahren von Schmitthenner ein
in das bereits erwähnte Meßgerinne passender, auf Rollen fahrbarer Schirm benutzt,
dessen Geschwindigkeit mittels einer elektrischen Kontaktvorrichtung genau
beobachtet werden kann. Von dem 20 m langen Meßkanal dienen nur 10 m für die
Messungen. Der Kanal ist 3,5 m breit und hat bei normalem Oberwasserstand 2,2 m
Wassertiefe, so daß sich bei einem Höchstverbrauch von 8 cbm i. d. Sek. eine höchste
Geschwindigkeit des Schirmes von 1,04 m i. d. Sek. ergibt. Außer der
Wassergeschwindigkeit muß zur Bestimmung der Wassermenge auch die Wassertiefe
gemessen werden. Die Leistungen der Turbinen werden durchweg mit dem Pronyschen Zaum gemessen, der sich bei den hier in
Frage kommenden Leistungen und Umdrehungszahlen als einfach und zweckmäßig erwiesen
hat. Für Turbinen mit stehender Welle ist eine Bremsvorrichtung mit 2200 mm
Scheibendurchmesser und 340 mm Backenbreite vorhanden, auf der bei 30 bis 40
Umdrehungen i. d. Min. noch etwa 150 PS abgebremst werden können. Der Bremszaum
besteht aus einem gußeisernen Balken und einem Bremsband, die beide mit Holzklötzen
gefüttert sind. Der Balken überträgt die Umfangskraft durch einen Winkelhebel auf
eine Dezimalwage. Die Bremse wird von innen mit Wasser gekühlt, wobei das Wasser
tangential gegen den Scheibenkranz geführt wird.
Für Hochdruckturbinen und Regulatoren in Verbindung mit Hochdruckturbinen, welche an
lange Rohrleitungen angeschlossen sind, hat die Firma J. M.
Voith eine zweite Versuchsanstalt Brunnenmühle in der Nähe der Fabrik in
Heidenheim errichtet. Diese wird aus einer Quelle gespeist, welche im
Jahresdurchschnitt 1500 l i. d.
Sekunde liefert, und ist besonders durch die Anlage des Wasserkraftspeichers
bemerkenswert, der die bei Nacht ungenutzt abfließende Wassermenge verwertet. Der
runde Hochbehälter ist auf einen Hügel von 97,5 m Höhe über dem Wasserspiegel der
benachbarten Brenz aus Eisenbeton gebaut und hat 7000 cbm Inhalt bei 36 m
Durchmesser und 7 m Wassertiefe. An der Stelle, wo die Rohrleitung austritt,
befindet sich ein Schieberturm mit elektrisch verstellbarem Absperrschieber und
ebensolcher Drosselklappe sowie einem Rohrbruchventil. Die 1 m tief im Boden
verlegte Rohrleitung aus hauptsächlich schmiedeeisernen Teilen ist 400 mm weit und
320,5 m lang und ist in dem Maschinenhause zunächst an zwei Sulzer Kreiselpumpen angeschlossen, welche bei einer größten Förderhöhe
von 102 m 89 und 43 l i. d. Sek. fördern und 1500 Umdrehungen i. d. Min. machen.
Jede Pumpe wird von einem eigenen Drehstrommotor für 500 Volt angetrieben. Die
Ausnutzung des aus dem Hochbehälter abfließenden Wassers erfolgt in einer
Freistrahlturbine mit ellipsoidförmigen Schaufeln und zwei Einlaufdüsen, die bei 500
Umdrehungen i. d. Min. normal 240 PS leistet, aber bis zu 290 PS überlastet werden
kann und durch Nadelregulierung verbunden mit einer zum Schutz der Rohrleitung
bestimmten Druckregelung beeinflußt wird. Das Abwasser dieser Turbine wird in einer
Niederdruckturbine noch weiter ausgenutzt. Neben dem Maschinenraum liegt der
Versuchsraum, in welchen die ankommende Rohrleitung abgezweigt ist. Die hier
vorzunehmenden Versuche erstrecken sich auf Teile von Rohrleitungen für
Turbinenanlagen, Regulatoren für Turbinen mit langen Rohrleitungen, Hochdruck-,
Spiral- und Freistrahlturbinen und Einrichtungen für Holzschleifereien und
Papierfabriken. (Oesterlen.) [Zeitschrift d. Ver.
deutscher Ingenieure 1909, S. 1829 bis 1836, 1875 bis 1879, 1919 bis 1926 und 1958
bis 1961.]
H.
Ausnutzung der Rjukan-Wasserfälle in Norwegen.
Eine in jeder Hinsicht großartige Wasserkraftanlage, die in manchen Einzelheiten das
berühmte Trollhättan-Wasserkraftwerk des schwedischen Staates übertreffen dürfte,
ist an den Rjukan-Fällen im Westfjord bei Jelamarken im Entstehen begriffen. Durch
Entnahme des Wassers oberhalb dieser Fälle wird ein Nutzgefälle von 550 m Höhe
verfügbar gemacht, welches in zwei Stufen, entsprechend den Kraftwerken Rjukan I und
Rjukan II ausgenutzt werden soll.
Die Fälle liegen am Maane-Fluß, einem 32 km langen Wasserlauf, welcher zwei Seen, den
Moes-See und den Tinn-See, miteinander verbindet und auf dieser kurzen Strecke einen
Höhenunterschied von 700 m aufweist. Davon können 500 m bereits auf einer Länge des
Wasserlaufes von 9 km verfügbar gemacht werden. Der erste Schritt zur Nutzbarmachung
dieser Wasserkraft ist bereits in den Jahren 1904–1906 durch Anlage eines
Regulierwehres an der Abflußstelle des Tinn-Sees mit öffentlichen Mitteln geschehen,
wodurch der See, der eine Oberfläche von 56,5 qkm besitzt, zu einem Staubecken
ausgebildet wurde. Der hierfür erbaute Staudamm von 17,6 m größter Höhe und 130
m Länge aus Stampfbeton mit Granitverkleidung ergab bei einer größten
Wasserspiegelhöhe von 10 m über dem Niedrigwasserspiegel eine Stauwassermenge von
560000000 cbm.
Mit der endgültigen Inangriffnahme der Wasserkraftanlagen ergab sich jedoch die
Notwendigkeit, den Ausbau des Staubeckens auf 14,5 m zu erhöhen und damit den
verfügbaren Inhalt auf 790000000 cbm zu steigern, wodurch es möglich wurde, die
mittlere Abflußmenge des Maane-Flusses bei niedrigem Wasserstand von 6 auf 47 cbm in
der Sekunde zu steigern.
Der Einlauf für die Wasserkraftanlage befindet sich etwa 8 km unterhalb des
Staubeckens an einem quer über das Bett des Maane-Flusses gelegten 90 m langen, bis
zu 12,8 m hohen und an der Sohle 11 m breiten Betonstaudamm, welcher das Wasser in
einem 4,2 km langen, mit 1 : 466 Neigung angelegten Stollen von 26 qm lichtem
Ouerschnitt ableitet. Der ganz in den gewachsenen Felsen gebohrte Stollen, an
welchem gegenwärtig von 20 Punkten aus gearbeitet wird, mündet in ein ebenfalls
ausgesprengtes Wasserschloß von 16000 cbm Inhalt, und von diesem aus soll das Wasser
durch 5 Druckstollen von je 24,4 m und 10 Druckleitungen von je 700 m Länge dem
Kraftwerk zugeführt werden. Die Druckleitungen werden aus nahtlos gewalzten
Stahlrohren von 10–25 mm Wandstärke hergestellt werden und erfordern wegen ihrer bis
zu 72 v. H. betragenden Neigung besonders sorgfältige Verankerungen.
An dem zunächst im Bau befindlichen Kraftwerk Rjukan I wird nach Abzug aller
Leitungswiderstände eine Druckhöhe von 275 m verfügbar sein, womit bei einer
Wassermenge von 47 cbm i. d. Sek. 130000 PS erzielt werden können.
Dieses Kraftwerk wird an einer Stelle errichtet, welche 140 m über dem Flusse gelegen
ist und erhält 10 Pelton-Turbinen von je 14500 PS, die
bereits bei J. M. Voith in Heidenheim und Escher, Wyß & Co. in Zürich bestellt worden sind.
Die bei Brown, Boveri & Co. bestellten Drehstromerzeuger sollen 11000 Volt Spannung ergeben und
die Fortleitung des Stromes ohne Zuhilfenahme von Transformatoren gestatten.
Die Inbetriebnahme dieser seit etwa zwei Jahren im Bau befindlichen Anlage ist gegen
Ende des nächsten Jahres zu erwarten. Bis zur Fertigstellung des Werkes Rjukan II,
welchem das Abwasser des Werkes Rjukan I durch einen Stollen von 5,45 km Länge und
26 qm lichtem Querschnitt mit einer nutzbaren Druckhöhe von 240 m zugeführt werden
soll, so daß es weitere 117000 PS liefern kann, wird das Wasser aus dem Kraftwerk
Rjukan I unmittelbar in den Maane-Fluß abgeleitet werden.
Unternehmerin der ganzen Bauten ist die Norsk
Kraftaktieselskab, die bereits seit längerer Zeit in Notodden eine Fabrik
für Luftsalpeter mit 35 Birkeland-Eyde-Stickstofföfen
betreibt und 30000–40000 PS in Form von elektrischem Strom aus dem
Wasserkraft-Elektrizitätswerk Svaelgfos bezieht. Die
hier beschriebenen Anlagen sind zur Versorgung einer großen Salpeterfabrik bestimmt,
welche die Gesellschaft etwa 5,6 km flußabwärts vom Werke Rjukan I zu errichten
beabsichtigt. Brofos. [Electrical World 1909 II, S.
1411 – 1412.]
H.