Titel: | Bremsung bei Zügen mit Hochgeschwindigkeiten. |
Autor: | Hans A. Martens |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 309 |
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Bremsung bei Zügen mit
Hochgeschwindigkeiten.
Von Eisenbahn-Bauinspektor Dr.-Ing. Hans A.
Martens.
(Schluß von S. 295 d. Bd.)
Bremsung bei Zügen mit Hochgeschwindigkeiten.
Die Versuche wurden nun so ausgeführt, daß die Versuchsperson – an erster Stelle
der Verfasser selbst – in zwangloser Stellung vor der Vorrichtung sich aufstellte,
so daß sie in Schwerpunkthöhe von dem Querstück des senkrechten Winkelarmes, ohne
Druck zu empfinden, leicht berührt wurde. Während einer beliebigen Unterhaltung – um
die Versuchsperson möglichst unbefangen zu halten – wurde dann unerwartet der
Winkelhebel ausgelöst und die Wirkung der in Nachahmung erzeugten Trägheitskraft
beobachtet. Die Versuche, die an einer so verhältnismäßig einfachen Vorrichtung
angestellt wurden, können natürlich die Entwicklungsdauer der Verzögerung nach
Bruchteilen von Sekunden genau nicht berücksichtigen, hatten jedoch ein recht
befriedigendes Ergebnis, indem sie den Zusammenhang zwischen Bremsverzögerung und
dem Verhältnis der Trägheitskraft zum Körpergewicht erkennen ließen, dessen für die
Bemessung der Höchstverzögerung grundlegende Bedeutung sich in Uebereinstimmung an
mehreren Personen zeigte. Von den Versuchswerten seien die nachstehenden als
besonders bemerkenswert genannt.
Zu 1, die Wirkung war unmerklich. Zu 2, der Druck wird zwar empfunden, ist aber weder
unangenehm noch gefährlich. Zu 3, der Druck wird bei allmählichem Wachsen leicht
aufgenommen und ausgeglichen. Bei plötzlichem Auftreten kann er schon den
Menschen bei ungünstiger Stellung zu Falle bringen. Obwohl der Druck beginnt
unangenehm empfunden zu werden, ist er doch nicht gefährlich zu nennen. Zu 4, bei
augenblicklicher Wirkung kann Umstürzen eintreten; der ruhende Druck wirkt lästig.
Zu 5, der ruhende Druck wirkt stark belästigend, da er starken Gegendruck zum
Ausgleich erfordert. Bei Augenblickswirkung tritt Fortstoßen ein.
NummerdesVersuchs
Verzögerunginm/Sek2
Verzögerungsdruck in
Abweichung derMittelkraft vonder
Senkrechten
kg
BruchteilenvomKörpergewicht
1
0,23
1,5
\frac{1}{44,3}
1° 20'
2
0,39
2,5
\frac{1}{26}
2° 10'
3
0,54
3,5
\frac{1}{18,6}
3° 10'
4
0,7
4,5
\frac{1}{14,4}
4°
5
1,0
6,5
\frac{1}{10}
5°
Die Versuche bestätigen in Uebereinstimmung mit den wirklichen Vorgängen im
Zuge, daß bei einer Verzögerung von 0,7 m/Sek.2 Gefahr und
Gefühl der Unbequemlichkeit für die Reisenden in die Erscheinung zu treten beginnen.
Wenn das Publikum sich an diesen hohen Verzögerungswert gewöhnt hat, und wenn er
namentlich bei Betriebsbremsungen allmählich erreicht wird, so darf mit diesem Wert
bei scharfen Betriebsbremsungen gerechnet werden. Lassen die sonstigen
Betriebsverhältnisse es zu, so sollten Verzögerungen von 0,6 m/Sek.2 die Regel sein. Für Gefahrbremsungen wird der
Höchstwert der Verzögerung von der Forderung abhängig zu machen sein, daß die
Bremsbauart einfach bleibt. Aus der Zusammenstellung der Bremswege ist zu entnehmen,
daß mit den ebengenannten Verzögerungswerten schon recht viel gewonnen ist im
Vergleich zu den heute üblichen Verzögerungen. Hierzu ist zu bemerken, daß die
Bremsprozente in den neuen Technischen Vereinbarungen des Vereins Deutscher
Eisenbahnverwaltungen, nach den Beschlüssen der Vereinsversammlung vom 3. bis 5.
September 1908 zu Amsterdam, unter Voraussetzung eines größten Bremsweges von 700 m
berechnet sind. Dementsprechend wären die Bremsverzögerungen aus
90
km/Std.
rund
0,45
m/Sek.2,
100
„
„
0,55
„
110
„
„
0,7
„
120
„
„
0,8
„
anzunehmen. Ist es angängig, einen Notbremsweg von 700 m
zuzulassen und das Signalwesen demgemäß auszubilden, so dürfte die konstruktive
Ausbildung der Bremse auch für die Einhaltung genannter Verzögerungen bei
Hochgeschwindigkeiten bis zu 120 km/Std. nicht allzu schwierig sein. Betriebssicherer
erscheint es, den Notbremsweg mit Rücksicht auf plötzlich auftretende Gefahrstellen
(Schienenbruch, Dammrutsch) auf rund 500 m herabzudrücken, wozu bei 120 km/Std. wenig mehr
als 1,0 m/Sek.2 Verzögerung nötig ist.
Die Beanspruchung des Oberbaues, der Radreifen und Bremsklötze und der Festigkeit der
Fahrzeuge durch hohe Verzögerungsdrucke ist noch keineswegs durch Erfahrungen
geklärt; sie darf jedenfalls nicht außer acht gelassen werden. Auch die sichere
Lagerung größerer Gepäckstücke in den Gepäcknetzen scheint bei deren gegenwärtigen,
schwerlich zu ändernden Form ernstlich bedroht zu sein. Immerhin bedürfte auch diese
Frage eingehender Prüfung.
Die vorstehenden Betrachtungen haben zu dem Ergebnis geführt, daß die theoretisch
größtmögliche Verzögerung mit Rücksicht auf die Reisenden nicht angewendet werden
darf; der zulässige Höchstwert ist etwa zwischen 1,0 und 1,2 m/Sek.2 anzunehmen. Die nachfolgenden Ueberlegungen
sollen zeigen, in welcher Weise dieser Wert der Verzögerung erreicht werden
kann.
Voraussetzung ist, daß bei Schnellzügen mit Hochgeschwindigkeiten alle laufenden
Achsen Bremsachsen sind.
Eine vollkommene Bremsung ist eine solche, bei der die Bremsung augenblicklich mit
Vollwirkung eintritt und der Klotzdruck so groß ist, daß die geringste Vergrößerung
desselben Feststellen der Räder bewirken würde; d.h. die größte Bremsleistung tritt
ein, wenn die infolge des Achsdruckes mögliche abbremsbare Kraft gleich der durch
den Bremsklotzdruck erzeugten abbremsenden Kraft ist.
Es sei:
G =
Gesamtraddruck eines Wagens (Eigengewicht).
Q =
Gesamtbremsdruck an einem Wagen.
fs =
Wertziffer
für
die
Reibung
zwischen
Rad
und Schiene,
fk =
„
„
„
„
„
„
u. Bremsklotz,
P = abbremsbare
Gesamtkraft,
R = abbremsende Gesamtkraft.
Die Bedingung für die vollkommene Bremsung lautet:
R = P,
fk .
Q = fs . G,
woraus
Q=\frac{f_s}{f_k}\,.\,G.
Die Reibungswertziffern sind aus den Versuchen von Wiehert und Galton zu entnehmen; neuere
Versuche sind bisher nicht bekannt geworden. Wird für fs ein mittlerer Wert von 0,19 angenommen,
so ist der Bremsdruck als eine Abhängige von fk zu ermitteln.
Die konstante Verzögerung beträgt 1,9 m/Sek.2.
Für den Fall unveränderlichen Bremsdrucks muß dieser so bemessen werden, daß
Schleifen der Räder in keinem Augenblick der Bremsung eintritt. Dies wird
verhindert, wenn der konstante Bremsdruck höchstens den Wert erreicht, der zu
ermitteln ist aus der Gleichung:
f_{k_0}\,.\,Q=f_s\,.\,G,
Q=\frac{f_s}{f_{k_0}}\,.\,G=\mbox{ konstant}.
f_{k_0} ist die Reibungswertziffer im
Zustande der Ruhe zwischen Rad mit Bremsklotz. Um nichtzuverlässigem Arbeiten des
Bremsdruckreglers bei Leitungsbremsen, welches nicht vorschriftsmäßigen, höheren
Leitungsdruck erzeugt, Rechnung zu tragen, ist die Ermäßigung des berechneten
konstanten Bremsdruckes um 10 v. H. zweckmäßig. Dadurch wird dann mit Sicherheit
Schleifen der Räder (Festbremsen) gegen Ende der Bremsung kurz vor dem Stillstand
vermieden.
Die Verzögerung ist während des ganzen Bremsweges veränderlich und läßt sich
berechnen aus:
Q=\frac{f_s}{f_{k_0}}\,.\,G,
p=\frac{R}{M}=\frac{f_k\,.\,Q\,.\,g}{G}=\frac{g}{f_{k_0}}\,.\,f_k\,.\,f_s.
Je höher nun die Anfangsgeschwindigkeiten sind, aus denen gebremst wird, um so
schlechter wird die Bremswirkung, da für das im quadratischen Verhältnis der
Geschwindigkeit wachsende Arbeitsvermögen
\left(\frac{M\,v^2}{2}\right) immer nur der gleiche,
konstante Bremsdruck zur Vernichtung verfügbar ist. Die Bremswege werden daher bei
Hochgeschwindigkeiten so groß, daß die Betriebssicherheit nicht mehr gewährleistet
ist. Ueber die Versuchsergebnisse mit den sog. Schnellbahnbremsen wurde weiter oben
berichtet. Die Aufgabe, den Bremsdruck nach der theoretischen Linie für vollkommene
Bremsung selbsttätig abfallen zu lassen, ist ungeheuer schwierig, wenn man bedenkt,
wie vielen Zufälligkeiten der Bremslauf des Zuges ausgesetzt ist. Amerikanische
Fachleute vertreten daher vorzugsweise die Anschauung, durch eine Annäherung an die
theoretisch vollkommene Bremsung die Lösung zu suchen: Die Bremsung wird in zwei
Stufen mit gleichbleibendem Bremsdruck vorgenommen; in der Oberstufe wirkt der
höhere Bremsdruck, der aus den Reibungsverhältnissen der Grenze zu berechnen ist,
während in der Unterstufe der übliche Niederdruck von der Grenze bis zum
Zugstillstand beibehalten wird. Bei Verzichtleistung auf selbsttätigen Druckabfall
an der Grenze wird die konstruktive Ausführung einfacher sein, als wenn der
Druckabfall bei Erreichen der Grenzgeschwindigkeit selbsttätig erfolgen soll. Jedoch
ist die Vornahme der Druckerniedrigung von Hand durch den Lokomotivführer nicht unbedenklich, indem
es der erfahrungsmäßigen Auffassung des Bremsenden widerspricht, eine Verbesserung
der Bremswirkung durch Erniedrigung des Klotzdruckes, d.h. also durch teilweises
Lösen der Bremse einzuleiten. Eher ereignet sich das Umgekehrte: Der Führer sucht
bei zu geringer Bremswirkung den Bremsdruck zu verstärken, wodurch dann das
Schleifen der Räder im unteren Geschwindigkeitsbereich unausbleiblich wäre. Doch
würde der tatsächliche Erfolg einer vorschriftsmäßigen Handhabung der
Zweistufendruckbremse diese selbst bald zur Gewohnheit werden lassen. Auch könnte
eine geschickte Bauart des Führerbremshebels – Umlegen des Hebels zur
Druckermäßigung in der Unterstufe in der gleichen Richtung wie beim Anziehen der
Bremse in der Oberstufe – viel zu jener gewohnheitsmäßigen richtigen Handhabung
beitragen, deren Erlernen ja eigentlich nur anfangs Schwierigkeiten bereiten könnte.
Das Nachlassen des Bremsdruckes wäre natürlich nur möglich unter Zuhilfenahme eines
Geschwindigkeitsmessers, an dem die Stufengrenze abzulesen wäre; letztere liegt
zweckmäßig bei 30 km/Std. nach den Versuchen auf der amerikanischen New
Jersey-Zentral-Bahn.
Der Bremshochdruck für die Oberstufe ergibt sich aus:
f_{k_30}\,.\,Q_0=f_s\,.\,G,
Q_0=\frac{f_s}{f_{k_30}}=\mbox{ konstant}.
Für die Unterstufe bleibt der übliche Bremsdruck:
Q_u=\frac{f_s}{f_{k_0}}\,.\,G=\mbox{ konstant.
Für die Oberstufe wird die Verzögerung:
p_0=\frac{g}{f_{k_30}}\,.\,f_k\,.\,f_s.
Für die Unterstufe ist sie, wie schon ermittelt:
p_\mu=\frac{g}{f_{k_0}}\,.\,f_k\,.\,f_s.
Der Hochdruck kann auf zweierlei Weise erzeugt werden, entweder durch Erhöhung des
Leitungsdruckes oder durch Anwendung von Zusatzbremszylindern, die mit dem normalen
Luftdruck einen zusätzlichen Bremsdruck schaffen. Die erste Art scheint bisher auf
Schwierigkeiten gestoßen zu sein, da die Kupplungsschläuche gegen den hohen Druck
nicht ausreichend stark genug sind. Die zweite Art ist bei den Schnellbahnbremsen
benutzt worden.
Die drei Bremsungen lassen sich am besten an Hand der mit ihnen erzielten Bremswege
vergleichen und beurteilen. Nachstehende Zusammenstellung ist mit Hilfe des von KramerElektrische Bahnen und Betriebe, 1906. Kramer. Das Versagen der Straßenbahnbremsen.
abgeleiteten allgemeinen Ausdrucks für einen unendlich kleinen Weg im Bremslauf
d\,s=\frac{G}{g}\,\frac{d\,v\,(2\,v_1-d\,v)}{2\,f_k\,.\,Q}
berechnet worden.
Aus dem Vergleich dieser Werte folgt die Ueberlegenheit der Zweistufendruckbremse
über die Einstufendruckbremse. Da die Bremsdrucke vollwirkend vom ersten Augenblick
des Bremsens angenommen sind, und der Wirkungsgrad des Bremsgestänges nicht
berücksichtigt ist, so müssen alle Werte entsprechend erhöht werden; ein
Gesamtwirkungsgrad von 0,8 darf als zulässig erachtet werden, so daß sich die Werte
der Bremswege im umgekehrten Verhältnis derselben erhöhen. Auch dann gibt die
Zweistufendruckbremse noch Bremswege, die für den Schnellzugsdienst annehmbar
erscheinen, während die normale Bremse zu Bremswegen führt, die betriebsgefährlich
genannt werden müssen, weil ihnen das Signalwesen nicht mehr gerecht zu werden
vermag. Da die Zweistufendruckbremse ohne Zweifel einfachere Bauart als die Bremse
mit selbsttätig ständig abfallendem Bremsdruck aufweisen wird, so darf es als ratsam
hingestellt werden, Bauart und Betrieb der Zweistufendruckbremse eingehenden Studien
zu unterwerfen, um sie vielleicht als neuzeitliche Schnellbahnbremse
auszubilden.
Gesamt-Bremsweg
aus Fahr-geschwindigkeitin km/Std.
vollkommenerBremsung
in m beiBremsung mit kon-stantem
Bremsdruck
Zweistufen-Druckbremsung
120
295
958
510
110
248
782
420
100
205
627
340
90
166
490
269
80
131
372
209
70
100
271
157
60
73
189
115
50
50
122
81
40
32
72
55
30
18
37
37
20
8
14
14
10
2
3
3
Ein weiteres Mittel, die Bremsung kräftig zu gestalten, liegt im Sanden der Schienen.
Während man auf die Durchbildung der Bremse ganz außerordentliche Sorgfalt verwendet
und hohe Kosten für den Probebau der geistreich erdachten Bremseinrichtungen sowie
für ihre Erprobung in besonders zusammengestellten Versuchszügen nicht gescheut hat,
ist eine Hilfseinrichtung der Lokomotive fast gänzlich in Vergessenheit geraten,
wodurch man sich ihrer schätzenswerten Unterstützung beim Bremsen begeben hat: Es
ist der Lokomotivsandstreuer. Trotz guter Durchbildung als Preßluft- und
Dampfsandstreuer findet er für gewöhnlich nur selten Anwendung. Die Erfahrung lehrt,
daß andauernde Schienenglätte oder Gefahr im Verzüge sein muß, damit der
Lokomotivführer zum Sander greift. In der Regel wird der Sander beim Bremsen nicht
benutzt. Die kräftige Bremswirkung auf den englischen Bahnen glaubt Verfasser auf
den gewohnheitsmäßigen Gebrauch des Sanders zurückführen zu müssen, da er wiederholt
beobachten konnte, daß wenige Sekunden vor der Betriebsbremsung bei der Einfahrt in
einen Bahnhof gesandet wurde. Dadurch werden die Räder der Wagen auch leicht
gesandet, so daß sich die Reibungswertziffer für alle Zugelemente erhöht. Der
Vorteil ständigen Sandens bringt auch den guten Zustand des Sanders mit sich.
Der Gedanke der Einzelsandung jedes Fahrzeugs ist von der Gesellschaft für Adhäsionsapparate in Bern aufgegriffen und in die Tat
umgesetzt worden. Ein an jedem Fahrzeug angebrachter Sandbehälter wird selbsttätig
bei Notbremsung durch die Luftdruckbremse geöffnet, indem die Druckluft ein
Sandauslaßventil mittels eines Kolbens steuert. Der Einzelsander soll auch so
ausgebildet werden, daß er unabhängig von der Luftdruckbremse benutzt werden kann.
Versuche auf der Thunerseebahn und der Bern-Neuenburg-Bahn haben, allerdings bei nur geringen
Fahrgeschwindigkeiten, günstige Ergebnisse gehabt. Bei Bremsungen aus 50 km/Std. mit acht
Wagen zu zwei Achsen, von denen nur fünf mit Sandern ausgerüstet waren, betrugen die
Bremswege bei Schnellbremsung ohne Sandung:
125 m; mittlere Bremsverzögerung = 0,77 m/Sek2,
bei Schnellbremsung mit Sandung:
85 m; mittlere Bremsverzögerung = 1,13 m/Sek.2.
Das bedeutet eine Verzögerung des Bremsweges um 32 v. H.
Wäre die Verkürzung des Bremsweges auch nur um 25 v. H. erreichbar, so müßte man sie
schon als einen beachtenswerten Erfolg mit einer so verhältnismäßig einfachen
Einrichtung bezeichnen.
Für Ueberschlagsrechnungen sind nach Kramer die durch
kräftiges Sanden eintretenden Erhöhungen der Reibungswertziffern anzunehmen wie
folgt:
Schienenbeschaffenheit:
natürlicher Zustand:
mit Sanden:
trocken
f
s
f
k
3 fs 2 fk
schlüpfrig
0,5 fs0,56 fk
1,6 fs1,2 fk
Hierbei ist zu bemerken, daß diese Werte aus Versuchen mit geringen
Fahrgeschwindigkeiten gewonnen sind; für hohe Geschwindigkeiten ist die Giltigkeit
der Werte bisher nicht nachgewiesen worden.
Es liegt demnach alle Ursache vor, die Zugsandung mehr als bisher zum Gegenstand
eingehender Studien zu machen; auch bei der Erziehung und Unterweisung des
Lokomotivpersonals wird die Wichtigkeit des Sanders für die Bremswirkung mehr zu
betonen sein: Der Sander soll nicht nur im Gefahrfalle, sondern bei allen
Betriebsbremsungen aus hohen Geschwindigkeiten gebraucht werden.
Da bei Hochgeschwindigkeiten größere Bremswege unvermeidlich werden, so drängt sich
die Frage auf, ob die richtige Abschätzung der Entfernung für den Bremsweg von 900
bis 1000 m bei Betriebsbremsungen möglich sein wird. Man kann beobachten, daß
eingefahrene Lokomotivführer mit größter Gleichartigkeit die Vorbereitungen zum
Anhalten des Zuges immer an derselben Stelle vor den Bahnhöfen treffen, wobei sie in
der Regel ihre Merkmale in Gestalt von Brücken, Durchlässen, Wärterbuden, Signalen
oder auch bahnfremden, an der Strecke stehenden Gegenständen haben. Es ist
natürlich, daß solche Merkmale auch für das Ansetzen der Bremse aus
Hochgeschwindigkeiten sich herausbilden werden. Schwieriger wird zweifellos das
Zurechtfinden bei unsichtigem Wetter vom Zuge, der mit Hochgeschwindigkeit gefahren
wird, werden. Es wird dann keine bessere und einfachere Unterstützung für den
Lokomotivführer geben, als eine bestimmte Entfernung vor dem Hauptsignal durch ein
auffälliges Zeichen zu kennzeichnen; würde an dieser Stelle eine kräftige
Betriebsbremsung in üblicher Weise einsetzen, so würde der Zug mit Sicherheit vor
dem Signal zum Stillstand gebracht werden. An diesem Bremsmerkzeichen wäre auch mit
der Bremsung zu beginnen, sofern zweideutige oder nicht erkennbare Signale die
Weiterfahrt mit Streckengeschwindigkeit als gefahrvoll erscheinen lassen. Es
kann der eingangs erwähnte Signalankündiger mit dem Bremsmerkzeichen verbunden
werden. Versuche mit diesem vereinigten Signalankündiger und Bremsmerkzeichen sind
empfehlenswert; da die Errichtung der Sichtwand nennenswerte Kosten nicht bereitet,
so sind Versuche um so leichter in größerem Umfange durchzuführen. Die Entfernung
des Merkzeichens vor dem Hauptsignal mag zu 1000 m angenommen werden.
Die Erörterungen über die Bremsung bei Zügen mit Hochgeschwindigkeiten lassen sich
zusammenfassen:
1. Bremstechnik und Signaltechnik müssen sich gegenseitig
unterstützen; eine einseitige Anspannung der Forderungen auf dem einen oder
anderen Gebiet kann dem Fortschritt unter Umständen nur hinderlich sein. Das
Handinhandarbeiten auf brems- und signaltechnischem Gebiete ist daher durchaus
notwendig zu einer gedeihlichen Entwicklung der Betriebssicherheit.
2. Bei den Haupt- und Vorsignalen ist durch Ausbildung der
Signalbilder und Wahl des Standorts auf größtmögliche Fernsichtbarkeit
hinzuwirken.
3. Die Scheiben-Vorsignale mit minderwertiger Fernsichtbarkeit
sind zu ersetzen durch Flügel-Vorsignale, deren Tagsignalbild sich deutlich und
fernsichtbar vom Tagsignalbild des Flügel-Hauptsignals unterscheiden muß. (Die
Unterscheidung der Dunkelsignale bietet keine besonderen
Schwierigkeiten.)
4. Es sind Versuche empfehlenswert, auf die Haupt- und
Vorsignale durch besondere Signalankündiger, die gleichzeitig als
Bremsmerkzeichen dienen, vorzubereiten.
5. Die Verbesserung der Bremswirkung darf die Einfachheit der
Bremsbauart nicht außer Acht lassen.
6. Es erscheint aussichtsvoll, die Zweistufendruckbremsung
durch Versuche zu einer praktisch brauchbaren Bremsart zu entwickeln.
7. Es ist dringend notwendig, die Vorteile der Zugsandung bei
Verbesserung der Bremswirkung zu beachten. Versuche mit der Einzelsandung der
Zugelemente sollten den Einfluß auf die Bremswirkung ermitteln.
8. Der Höchstwert der Bremsverzögerung ist mit Rücksicht auf
die Reisenden zu 1–1,2 m/Sek2
anzunehmen.
9. Bei Betriebsbremsungen aus 120 km/Std. werden 900–1000 m, bei Gefahrbremsungen 700
m Bremsweg zu rechnen sein. Das Signalwesen wird unter Zugrundelegung dieser
Werte auszubilden sein.