Titel: | Die Materialfestigkeit und Zugspannung im fertig geschlagenen Niet. |
Autor: | M. Rudeloff |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 421 |
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Die Materialfestigkeit und Zugspannung im fertig
geschlagenen Niet.
Von Professor M. Rudeloff.
(Mitteilung aus dem Königl. Materialprüfungsamt zu
Groß-Lichterfelde West.)
(Schluß von S. 404 d. Bd.)
Die Materialfestigkeit und Zug-Spannung im fertig geschlagenen
Niet.
2. Scherversuche.
Zur Ermittlung der Scherfestigkeit dienten vier Proben aus der Nieteisenstange und
vier Proben aus gepreßten Nieten; je zwei der gleichartigen Proben wurden ungeglüht
geprüft und je zwei, nachdem sie zuvor ausgeglüht waren. Der Durchmesser betrug bei
allen Proben 1,2 cm; die Prüfung erfolgte zweischnittig.
Die Ergebnisse (Tab. 4, s. S. 403) zeigen, daß
1. die Scherfestigkeit des Nieteisens (Stange) durch das
Ausglühen nur unwesentlich vermindert ist (von 3310 auf 3260 kg/qcm),
2. die Scherfestigkeit der gepreßten Niete nach dem Ausglühen
annähernd die gleiche war wie die des Nieteisens (3300: 3260 kg/qcm)
und
3.die Scherfestigkeit des Nietmaterials durch das Pressen
des Nietes wesentlich gesteigert war(von etwa 3300
auf 4220 kg/qcm). Die Festigkeitssteigerung betrug etwa 28 v. H. gegenüber der
Steigerung von 27 v. H. bei der Zugfestigkeit.
An den fertig geschlagenen Nieten konnten aus Mangel an Proben keine Scherversuche
angestellt werden. Man wird aber nach dem vorstehenden
Ergebnis unter 3 und nach den Ergebnissen der Zugversuche nicht fehlgehen, wenn man aus den vorliegenden Ergebnissen schließt, daß das
fertig geschlagene Niet ebenfalls um etwa 28 v. H. höhere Scherfestigkeit
besitzt als das Material der Nieteisenstange.
Tabelle 5.
Ergebnisse der Kerbschlagversuche.
Textabbildung Bd. 325, S. 422
Versuchsbedingungen; Verhalten der
Proben; Probe Nr.; Probe entnommen aus; Kerbwinkel in Grad; Lage des Stoßpunktes
über dem Kerb cm; Auschlagswinkel des Pendels in Grad; Hammergewicht;
Aufgewendete Schlagarbeit; Biegewinkel nach dem Schlag; Zustand der Kerbstelle;
Nieteisen-Stange; gebreßten Nieten; den fertig geschlagenen Nieten 7 u. 8 (Fig.
1); schwacher Anbruch; Starker Anbruch.
3. Kerbschlagversuche.
Hierzu wurden den Nieteisenstangen und den Nieten nach Fig.
4 Probestäbchen von 0,4 × 0,4 cm Querschnitt und 5,0 cm Länge entnommen
und in 1,5 cm Abstand von einem Ende 0,08 cm tief bei 60° Kerbwinkel scharf
eingekerbt (s. Fig. 5).
Die Prüfung erfolgte mittels Pendelhammers, Bauart Rudeloff derart, daß die Proben so in einen Schraubstock eingespannt
wurden, daß die scharfen Kanten der Schraubstockbacken mit dem Kerbgrunde in einer
Ebene lagen. Der Schlag wurde so ausgeübt, daß der Auftreffpunkt des Hammers auf die
Probe 2,5 cm über dem Stabkerb lag.
Die Proben gingen bei 2,44 m/kg Schlagarbeit nicht zu Bruch, sondern verbogen
sich unter mehr oder weniger starkem Anbruch. Eine zahlenmäßige Größe für die
Kerbzähigkeit konnte daher nicht gewonnen werden, wohl aber lassen die erreichten
Biegewinkel und der Zustand der Anbrüche (s. Tab. 5) erkennen, daß der
Schlagwiderstand des Nieteisens durch das Pressen des Nietes und durch das Schlagen
des Nietes in gleichem Maße verändert worden ist; die Proben aus den Nieten haben
sich unter dem gleich starken Schlage etwas mehr durchgebogen und stärkeren
Anbruch erlitten als die Proben aus der Nieteisenstange.
4. Kugeldruckproben.
Um festzustellen, in welchem Maße die Härte des Materials der Niete durch das Pressen
und Schlagen verändert worden war und wie weit sich der Einfluß des Nietschlagens
vom Kopf aus nach dem Schaft zu erstreckte, wurde ein Abschnitt des Nieteisens sowie
ein gepreßter und ein fertig geschlagener Niet längs aufgeschnitten; die
Schnittfläche der einen Hälfte jeder Probe wurde eben poliert und die Härten mittels
Kugeldruckprobe zunächst im ungeglühten Zustand und dann nochmals nach Ausglühen der
Proben an den Stellen ermittelt, die in den in Fig.
6 dargestellten Längsschnitten gekennzeichnet sind. Hierbei bedeuten die
Punkte die Druckstellen vor dem Ausglühen und die Kreuze die Druckstellen nach dem
Ausglühen. Die Beobachtungswerte sind in Tab. 6 zusammengestellt und in Fig. 6 zu Schaulinien über den Meßstellen
aufgetragen.
Textabbildung Bd. 325, S. 422
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 325, S. 422
Fig. 5.
Aus den gestrichelten Schaulinien für die ausgeglühten Proben ergibt sich, daß die
Härte des gepreßten Nietes im allgemeinen etwas größer war, als die des Nieteisens
und des geschlagenen Nietes.Daß die beobachteten
Härteunterschiede nicht auf Steigerungen zurückzuführen sind, ergibt sich
aus der Lage der Meßstellen im Vergleich mit Fig. 7a–c. Auffallend ist die Erscheinung, daß an den Enden der Proben
geringere Werte für die Härten ermittelt sind, als in größerer Entfernung davon.
Vielleicht ist aber diese Erscheinung damit zu erklären, daß das Material an den
Enden seitlich auswich und die Kugel daher leichter eindringen konnte.
Textabbildung Bd. 325, S. 423
Fig. 6. Prüfung von Nieteisen und Nieten auf Kugeldruckhärte.
Das ungeglühte Nieteisen (s. die vollausgezogenen
Linien, Fig. 6) zeigt etwas größere Härte als das
geglühte; der Unterschied ist aber weniger groß als bei dem gepreßten und dem
geschlagenen Niet.
Beachtenswert sind bei dem Nieteisen die großen
Härtewerte an den Enden der Probe im Gegensatz zu den besprochenen auffallend
geringen Werten bei der geglühten Probe in gleicher Entfernung vom Rande. Hier
scheint Härtesteigerung beim Abschneiden der Probe mittels Säge eingetreten zu
sein.
Tabelle 6. Ergebnisse der Prüfung auf
Kugeldruckhärte.
Druck-Belastung P = 10 kg. Härtezahl
= Belastung: Fläche des Eindruckkreises.
Probe aus
Nieteisenstange
gepreßtem Niet
fertig geschl. Niet
Probe aus
Nieteisenstange
gepreßtem Niet
fertig geschl. Niet
ZustandderProbe
Druck-steleNr.
Härte-zahlP/fkg/qmm
Druck-steleNr.
Härte-zahlP/fkg/qmm
Druck-steleNr.
Härte-zahlP/fkg/qmm
ZustandderProbe
Druck-steleNr.
Härte-zahlP/fkg/qmm
Druck-steleNr.
Härte-zahlP/fkg/qmm
Druck-steleNr.
Härte-zahlP/fkg/qmm
wieein-geliefert,ungeglüht
1
168
1
220
1
234
geglühtbei 900° C
11
120
14
122
16
109
1a
154
11
201
10
229
12
139
15
134
16a
115
2
142
12
198
2
210
12a
170
16
134
17
121
3
139
13
186
9
217
12b
156
17
136
17a
129
4
142
2
181
3
210
12c
124
18
139
18
130
5
141
3
181
4
172
13
126
19
137
18a
130
6
142
4
179
8
165
14
124
20
138
18b
127
7
145
5
184
6
176
15b
135
21
140
19
120
8
146
6
178
7
174
15a
133
21a
127
19a
123
9
144
7
183
5
171
15
132
22
110
20
134
9a
158
7a
196
15
180
16
123
–
–
21
134
10
182
8
208
14
209
–
–
–
–
21a
123
–
–
9
209
13
227
–
–
–
–
22
123
–
–
10
207
12
231
–
–
–
–
22a
105
–
–
–
–
11
234
Bei dem ungeglühten, geschlagenen Niet zeigt sich
deutlich, daß Härtesteigerung des Materials durch das Schlagen des Nietkopfes
eingetreten ist; sie erstreckt sich über die ganze Länge des Nietes, ist aber an beiden Enden auf etwa je ¼ der Nietlange besonders
groß.
Das gepreßte Niet zeigt ebenfalls Zunahme der Härte nach
beiden Enden hin; die Zunahme ist aber geringer als bei dem geschlagenen Niet.
Fig. 7
zeigt die geätzten Probeflächen. Die dunklen Streifen sind die bekannten Folgen der
örtlichen Anreicherungen von Phosphor im Flußeisen. Bei Fig. 7a verlaufen sie
nahezu geradlinig; bei Fig. 7b und c sind sie
dagegen an den zu Köpfen angestauchten Enden der Proben eingeknickt. Der Knickbereich läßt den Bereich
der Stauchwirkung beim Schlagen der Nietköpfe erkennen. Er erstreckt sich über den
gleichen Teil der Proben, der sich bei den Kugeldruckproben als besonders hart
erwiesen hatte. Die Verschiebungen der dunklen Streifen am rechten Ende der Fläche
Fig.
7b deuten auf die Wirkungen des schneidenden Werkzeuges beim Abtrennen des
Nietes von der Eisenstange. Es bleibt aber auffallend, daß der Bereich der besonders
starken Härtung (s. Fig. 6) an diesem Ende länger
ist als an dem anderen Ende mit dem Nietkopf.
Textabbildung Bd. 325, S. 424
Zusammenfassung der Ergebnisse.
Die erzielten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. An einer der fertigen Nietverbindung entnommenen Probe
konnte aus der Verkürzung des Nietschaftes beim Lösen der Verbindung
nachgewiesen werden, daß die Zugspannung des Nietes in der Verbindung etwa 1250
kg/qcm
betrug. Bei einer zweiten Probe trat keine nennenswerte Verkürzung ein.
2. Durch das Pressen des Nietes war erhebliche Erhöhung der
Zugfestigkeit σB
(um 27 v. H.) besonders aber der Streckgrenze σS (um 68 v. H.) des Materials eingetreten; die
Scherfestigkeit war durch das Nietpressen ebenfalls um 28 v. H. gesteigert,
wahrscheinlich auch durch das Schlagen des Nietes.
3. Beim Ausglühen des Nietes – und daher auch beim Erhitzen vor
dem Schlagen des Nietes in der Konstruktion – war die durch das Pressen
verursachte Festigkeitserhöhung wieder verloren gegangen. An den fertig
geschlagenen, in der Verbindung erkalteten Nieten wurden aber annähernd die
gleichen hohen Festigkeitswerte gefunden, wie an den gepreßten Nieten.
4. Die Kerbzähigkeit des Materials erscheint sowohl durch das
Pressen als auch durch das Schlagen des Nietes vermindert.
5. Die Kugeldruckhärte des Nieteisens wird durch das Pressen
des Nietes gesteigert. Noch größer ist die Härtesteigerung in dem geschlagenen
Niet und zwar besonders innerhalb etwa ¼ der Länge von beiden Köpfen aus.