Titel: | Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. |
Autor: | Otto Arendt |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 455 |
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Neuerungen im Telegraphen- und
Fernsprechwesen.
Von Otto Arendt, Kaiserl.
Telegrapheningenieur.
(Fortsetzung von S. 446 d. Bd.)
Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen.
Eine ähnliche Zentrale besteht beim Haupttelegraphenamt in Berlin. An sie sind
vor allem die Berliner Stadtpostanstalten und einzelne Vororte (z. Zt. 113
Anstalten) angeschlossen, welche auf diesem Wege die für ihren Bestellbezirk
bestimmten Telegramme erhalten und ebenso die bei ihnen aufgelieferten Telegramme
schnell an das Haupttelegraphenamt absetzen. Der beim Haupttelegraphenamt
aufgestellte Klappenschrank gestattet, die Leitungen mit einem Abfrageapparat oder
mit einer anderen Leitung zu verbinden oder sie in Gruppen zur gleichzeitigen
Beförderung von Nachrichten zusammenzuschalten. Im allgemeinen wird auf einen Anruf
hin die Leitung mit dem Abfrageapparat eines freien Beamten verbunden. Aemter mit
stärkerem Verkehr erhalten dauernde Verbindung mit einem bestimmten Abfrageapparat.
Die Schaltung ergibt Fig. 35 (vergl. Kehr,Neue Einrichtungen beim Haupttelegraphenamt,
Archiv f. Post und Telegr. 1909, Heft 12). Für vorübergehende Verbindungen wird eine
Schnur mit zwei Stöpseln und dazwischenliegendem Schlußzeichen-Galvanoskop und
Schlußklappen benutzt, für Dauerverbindungen werden statt dessen zwei schnurlose
Stöpsel in die beiden Klinken eingesetzt. Die Leitungen sind über einen
Ausgleichwiderstand, der den Widerstand jeder Leitung auf 100 Ohm ergänzt, an einen
Gruppenumschalter (nach Fig. 34) geführt, um
gemeinsame Nachrichten (z.B. die Wettertelegramme oder das Uhrenzeichen)
gleichzeitig abgeben zu können.
Auch in Bremen befindet sich eine Ferndrucker- und zugleich
Börsendruckerzentrale beim Telegraphenamt, die hauptsächlich zur Verbreitung der
Schiffsmeldungen dient. Wer auf die Zustellung der beim Telegraphenamt gesammelten
und täglich mehrmals ausgegebenen Meldungen über den Schiffsverkehr in Bremen und
Bremerhaven abonniert ist, erhält einen an die Zentrale angeschlossenen
Börsendrucker. Wer außerdem Telegramme empfangen und an das Amt von seinem Hause aus
telegraphisch absetzen will, erhält gegen erhöhte Gebühr einen Ferndrucker. Der
Klappenschrank der Zentrale, dessen Stromlauf Fig.
36 zeigt (vergl. Weise, Die reichseigene
Ferndruckerzentrale in Bremen, Archiv f. Post und Telegr. 1909, Heft 2), vereinigt
die über einen Ausgleichwiderstand und Gruppenschalter an die Anrufklappe geführten
Ferndruckerleitungen und ermöglicht ähnlich wie in Berlin die Einschaltung des
Abfrageapparates durch den Abfragestöpsel und die Verbindung der Anschlußleitung mit
dem Aufnahmeapparat eines freien Beamten (Arbeitsferndrucker in Fig. 36) oder mit einer zweiten Leitung durch die
Verbindungsstöpsel (Fig. 36). Nach der Aufnahme
eines Telegramms meldet der Beamte seinen Apparat durch Niederdrücken eines
Druckknopfes frei. Mit Hilfe der Steckdosen a bis m, die untereinander durch Schnüre zu verbinden sind,
können verschiedene Teilnehmer in vorher verabredeten festliegenden Gruppen (durch
die Gruppenumschalter) oder nach freier Wahl zusammengeschaltet werden, und zwar sowohl
Teilnehmer mit Ferndruckern wie solche mit Börsendruckern. Zur gleichzeitigen Abgabe
der Nachrichten für beide Arten von Empfängern dient ein Börsendruckersender, der
mit einem Ferndruckersender kombiniert ist und zwei Kommutatorscheiben besitzt.
Seine Schaltung gibt Fig. 37 (aus dem Archiv f. Post
und Telegr. a. a. O.).
Textabbildung Bd. 325, S. 456
Fig. 35.
Textabbildung Bd. 325, S. 456
Fig. 36.
Die Anlage und der Ausbau der telegraphischen Leitungsverbindungen richten sich
naturgemäß nach den Ansprüchen des Verkehrs. Für die Entwicklung des deutschen
Leitungsnetzes ist das Bestreben maßgebend gewesen, möglichst alle, auch die
kleinsten Orte anzuschließen und dabei zugleich, soweit ausführbar, den
unmittelbaren Austausch der Telegramme zwischen der Aufgabe- und der
Bestimmungsanstalt zu ermöglichen.
Textabbildung Bd. 325, S. 456
Fig. 37.
Für kleinere Gebietsteile vermittelt meist einer der
bedeutenderen Orte den Verkehr, indem er die Telegramme von den Ortschaften seines
Umkreises entgegen nimmt und an den Bestimmungsort oder an eine andere
Vermittlungsanstalt befördert. Je nach den Handels- oder sonstigen
Verkehrsbeziehungen sind jedoch einzelne Orte ohne Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit
zu einem engeren Kreise unmittelbar untereinander verbunden. So hat sich das
Leitungsnetz bisher den Bedürfnissen des Verkehrs gut angepaßt.Andere Systeme zielen darauf hin, kleinere
Bezirke grundsätzlich nur an eine zentral gelegene Vermittlungsanstalt
anzuschließen, u. U. durch sogen. Omnibusleitungen, welche einer größeren
Anzahl von Anstalten gemeinsam sind, sodann die Vermittlungsanstalten
wiederum strahlenförmig zusammenzufassen und die so gebildeten Knotenpunkte
untereinander zu verbinden. Während für den Betrieb der kleineren Aemter die
einfacheren Apparate ausreichen, werden für den Verkehr der
Vermittlungsanstalten leistungsfähigere Apparate, auf den Hauptstrecken
Schnell- und Vielfachtelegraphen benutzt. In Anstalten, welche
eine größere Zahl von Leitungen vereinigen, werden die stark belasteten Leitungen
dauernd mit einem Empfangsapparat verbunden und durch einen besonderen Beamten
bedient; von schwächeren Leitungen sind mehrere einem Beamten zugeteilt. Um die
Apparate sowohl wie die Beamtenkräfte noch wirtschaftlicher auszunutzen, ist man
dazu übergegangen, mehrere schwach arbeitende Leitungen auf einem
Zentralanrufschrank zu vereinigen, an welchem der aus der Leitung kommende Anruf
durch optische und akustische Zeichen wahrnehmbar gemacht wird. Andererseits ist an
den Zentralanrufschrank eine gewisse Anzahl von Betriebsapparaten angeschlossen,
deren jeder mit einem Beamten besetzt ist. Erfolgt ein Anruf, so verbindet der
Beamte am Zentralschrank zunächst seinen eigenen Telegraphenapparat mit der Leitung
und fragt nach den Wünschen des rufenden Amtes. Ist ein Telegramm für das abfragende Amt
abzusetzen, so wird die Leitung mit einem freien Arbeitsapparat verbunden, im
anderen Falle mit derjenigen Leitung, in welcher das verlangte Amt liegt.
Textabbildung Bd. 325, S. 457
Fig. 38.
a Morsefarbschreiber. – b Klopfer
mit Schallkammer. – c Klappenschrank zu vier Telegraphenleitungen (M. 07). – d
vier Klopfertasten (älterer Art).– e vier Klopfertasten (neuerer Art). – f
Galvanometer.
Textabbildung Bd. 325, S. 457
Fig. 38a.
Zentralanrufschränke werden im Reichstelegraphengebiet für 4,50 und 100 Leitungen
verwendet. Der Klappenschrank zu vier Telegraphenleitungen (vergl. Ergänzungen zur
Beschreibung der in der Reichstelegraphenverwaltung gebräuchlichen Apparate, 1908)
vereinigt vier Leitungen an einem Arbeitsplatz. Die Anordnung der Apparate zeigt
Fig. 38, welche einen Tisch mit zwei
Klappenschränken und zwei Aushilfsplätzen darstellt. Die Ansicht des Schrankes gibt
Fig. 38a. Der ankommende Strom tritt nach Fig. 39 bei der Klemme L1 ein, verläuft über Feder und Auflager
der Klinke Kz durch das
Galvanoskop G und über die Taste T zum Hebelumschalter H.
Die beiden mittleren in der Fig. 39 länger
gezeichneten Federn werden durch einen z.B. in Fig.
38 sichtbaren Hebel gemeinsam nach links oder nach rechts gegen die
Kontakte der benachbarten Federn bewegt. In der Ruhestellung findet der Strom hier
seinen Weg weiter zum Klappenelektromagneten K. und
über die Klemme L2 zur
Erde. Durch das Umlegen des Hebelumschalters H in die
Arbeitsstellung (in Fig. 39 nach rechts) wird an
Stelle der Klappe K ein Morse- oder Klopferapparat M Angeschaltet.
Die Klemmen V, R, OB dienen zur Anschließung von
Hilfsapparaten, z.B. für den Fall, daß die Leitung mit einem Relais betrieben wird.
Für jede an den Schrank geführte Leitung ist ein System nach Fig. 39 vorhanden, also auch für jede Leitung eine
Sendetaste (vergl. Fig. 38), jedoch für alle
Leitungen nur ein gemeinsamer Empfangsapparat, an welchen die vier Hebel H in Hintereinanderschaltung angeschlossen sind. In der
Regel nimmt der Beamte des Klappenschrankes die Telegramme selber auf, rufen jedoch
mehrere Aemter zu gleicher Zeit, so verbindet er die zweite oder dritte Leitung mit
einem der Aushilfsapparate, zu welchem die Zuführungen in einer dreilitzigen Schnur
mit dreiteiligem Stöpsel zusammengefaßt sind. Der Stöpsel wird in das eine Loch der
Doppelklinke Kz (in
Fig. 39 das obere) eingesetzt. Die Spitze des
Stöpsels hebt die Klinkenfeder von ihrem Unterlager ab, trennt damit die Leitung vom
Klappenschrank und verbindet sie durch die an die Stöpselspitze angeschlossene Litze
mit dem Aushilfsapparat. Sind zu gleicher Zeit Hilfsapparate umzuschalten, so wird
ein in beide Klinkenlöcher zu setzender Doppelstöpsel mit einer mehrlitzigen Schnur
verwendet.
Textabbildung Bd. 325, S. 457
Fig. 39.
Die mit der Zentralisierung der Anrufe sich ergebende Möglichkeit, zwischen
verschiedenen nicht in einer Leitung liegenden Aemtern durch die Zusammenschaltung
am Zentralanrufschrank eine unmittelbare Verbindung herzustellen, wird z. Zt. in
größerem Umfange, z.B. in dem dicht von Leitungen durchzogenen Industriegebiet des
Oberpostdirektionsbezirks Dortmund, ausgenutzt, um die Telegramme unmittelbar vom
Aufgabeort an den Bestimmungsort abzusetzen (vergl. Archiv f. Post u. Telegr. 1906.
S. 593 ff.). In Belgien ist dies Verfahren besonders ausgebildet. Das Leitungsnetz
ist dort für diesen Zweck derart organisiert, daß neben einer Omnibusleitung, die
viele Anstalten untereinander verbindet, eine sogen. Vermittlungsleitung verläuft,
die nur in die größeren Aemter, möglichst in jedes dritte oder vierte Amt eingeführt
ist, während schließlich die Endpunkte solcher Leitungen durch direkte Verbindungen
verkehren. Bei den kleineren Aemtern sind die beiden Leitungszweige der
Omnibusleitung dauernd untereinander verbunden, die durchgehenden Zeichen können
jedoch mit Hilfe des Buelschen Relaiss. E. T. Z. 1905, S. 508. stets
mitgehört werden, so daß der Anruf des Amtes wahrgenommen und nach Trennung der
Leitung beantwortet werden kann. Die Aemter der Vermittlungsleitungen und die
Endämter überwachen die am Zentralschrank ankommenden Anrufzeichen und verbinden,
wenn ein in einer anderen Leitung liegendes Amt gerufen wird, ohne weiteres mit
dieser Leitung, sofern sie frei ist (vergl. Archiv f. Post u. Telegr. 1901, S.
577). In ähnlicher I Weise ist seit 1907 das österreichische Liniennetz umgestaltet
worden (vergl. die Denkschrift des k. k. Handelsministeriums in Wien über die k. k.
Telegraphenzentrale in Wien 1907). Auch in den Niederlanden (Journal telegraph.
1902, S. 241) und in England (Archiv f. Post u. Telegr. 1006, S. 578) ist die
Zentralisierung der Anrufe in ähnlicher Weise eingeführt.
(Fortsetzung folgt.)