Titel: | Die Verbilligung des Materialtransportes durch Seil- und elektrische Schwebebahnen. |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 465 |
Download: | XML |
Die Verbilligung des Materialtransportes durch
Seil- und elektrische Schwebebahnen.Vortrag,
gehalten auf dem V. internationalen Kongreß für Bergbau, Hüttenwesen, angewandte
Mechanik und praktische Geologie zu Düsseldorf 1910.
Von Oberingenieur Georg v. Hanffstengel,
Leipzig.
Die Verbilligung des Materialtransportes durch Seil- und
elektrische Schwebebahnen.
Daß in technischer Beziehung, in der Fähigkeit, schwierige Aufgaben zu lösen,
die Schwebebahn in ihren verschiedenen Bauarten zu den vollkommensten
Transportmitteln gehört, bedarf keines Beweises. Ihre konstruktive Entwicklung ist,
soweit sie Einzelheiten betrifft, heute zu einem gewissen Abschluß gediehen, und es
handelt sich daher heute durchweg um die Frage: Wo lassen sich mit Schwebebahnen
wirtschaftliche Vorteile erreichen? Zu untersuchen ist einerseits der Transport der
Rohstoffe zum Werke, anderseits der Verkehr im Innern und endlich die Fortschaffung
der Abfallstoffe und der Erzeugnisse.
Textabbildung Bd. 325, S. 465
Fig. 1. Diagramm der Förderkosten von Drahtseilbahnen, verglichen mit
Eisenbahnfrachten.
Im eigentlichen Fernverkehr kann die Drahtseilbahn nie mit der Eisenbahn in
Wettbewerb treten, die für Güter aller Art sowohl wie auch für Personen benutzbar
ist und daher eher wirtschaftlich arbeitet. Mit sinkender Entfernung steigen
aber, wie Fig. 1 veranschaulicht, die
Eisenbahnfrachten für 1 t/km sehr rasch an, weil hier die hohen Kosten für die
Abfertigung auf den Stationen ausschlaggebenden Einfluß ausüben. Grundsätzlich
anders verlaufen die Kurven der Drahtseilbahn, deren Förderkosten bei den größeren
Entfernungen nahezu gleich bleiben und erst unter 10 km langsam zu steigen
beginnenDie Abszissen der
Drahtseilbahnkurve ändern sich ihren absoluten Werten nach
selbstverständlich mit den örtlichen Verhältnissen, doch bleibt die Form der
Kurven, auf die es bei diesem Vergleich hauptsächlich ankommt, dieselbe. Den
Kurven in der Abbildung sind die einfachsten Verhältnisse zugrunde gelegt.
Alle Werte sind für deutsche Verhältnisse berechnet.. Bei
kleineren Entfernungen zwischen Grube und Werk herrscht daher die Drahtseilbahn
uneingeschränkt und wird auch einer bestehenden Eisenbahnlinie gegenüber immer
günstige Ergebnisse zeitigen, wenn nur die Fördermengen nicht zu klein sind. Ein
augenfälliges Beispiel hierfür ist die 4 km lange Bahn eines westfälischen
Hüttenwerkes, die den Koks von der Zeche auf die Hochofengicht befördert und fast
parallel zur Eisenbahn geführt ist.
Textabbildung Bd. 325, S. 465
Fig. 2. Rentabilitätsdiagramm eines schwimmenden Ueberladekranes.
Von wann an der Bau eines eigenen Transportweges sich überhaupt lohnen wird, ist eine
Frage, die mit der Abbauwürdigkeit der Grube zugleich untersucht werden muß. Zu
berücksichtigen sind die Entfernungen vom Werk, von der nächsten
Eisenbahnhaltestelle oder vom Meer, die jährlich zu fördernde Menge und der Wert des
Fördergutes. Bei Beförderung wertvoller Erze in sehr schwierigem Gelände pflegt
schon eine Sehr geringe Fördermenge zu genügen, um die Anlage lohnend zu machen. Ich
nenne nur das Beispiel eines Gold- und Silber-Bergwerkes, dessen Seilbahn bei 1500 m
Länge, 750 m Gefälle und etwa 25000 M Anlagekapital sich schon bei 10 t
Tagestransport als wirtschaftlich erwies. Ein Kupferbergwerk in Chile besitzt eine
Bahn von 2100 m Länge und einer Leistung von 10 t/Std., die sich bereits in zwei Jahren
vollauf bezahlt gemacht hat. Bei der großen Bleichertschen Drahtseilbahn in den argentinischen Kordilleren, die bei 35 km Länge und 3400
m Gefälle Kupfererz nach dem Schmelzwerk am Fuße des Gebirges befördert, betragen
die Transportkosten bei der jetzigen Förderung von ungefähr 200 t täglich 2–12 M/t, bei
zehnstündigem Tagesbetrieb mit der vollen Leistung von 40 t/Std. nur 5,30 M,
während früher beim Transport mit Maultieren 50 M/t gezahlt werden mußten. Obwohl die
große Länge und die ungewöhnlichen Schwierigkeiten beim Bau dieser durch das
wildeste Felsengebirge gelegten Bahn die Baukosten sehr erhöht haben, rentiert sich
also die Anlage vollauf.
Textabbildung Bd. 325, S. 466
Fig. 3. Bleichertscher Elektro- Hängebahnwagen mit Winde.
Textabbildung Bd. 325, S. 466
Fig. 4. Schiffsentladung mit Bleichertscher Elektro-Hängebahn.
Bei geringwertigen Stoffen wird sich ein längerer Transport natürlich nicht so leicht
lohnen. Handelt es sich um Abfälle, Schlacken, taubes Gestein usw., die aus dem
Werke entfernt werden müssen, so bleibt eben nichts anderes übrig, als das billigste
Transportverfahren her- auszusuchen. Befördert man aber das Material zu dem Zwecke,
es weiter zu verwerten, so ist die Bedingung für eine besondere Transportanlage, daß
größere Mengen zu bewegen sind. Einer der interessantesten Fälle dieser Art ist die
aus zwei Drahtseilbahnen von je ungefähr 4 km Länge bestehende Anlage der Harpener Bergbau A.-G. in Dortmund, die Versatzmaterial
von einer Schlacken- und Berghalde des Hörder Vereines
nach den beiden Zechen Scharnhorst und Courl schafft.s. D.
p. J. S. 65 d. Bandes. Gegen 2000 t werden hier täglich auf jeder
Bahn befördert, und zwar in vollständigen Grubenwagen, so daß die Einzellast
1400–1500 kg beträgt. Die Kosten betragen ungefähr 34 Pf./t, wobei die
Anlieferung des Materials, die Abschreibungen auf die große Füllrumpfanlage und die
Drahtseilbahn, die Unterhaltung der Linie und alle anderen Ausgaben einbegriffen
sind.
Textabbildung Bd. 325, S. 466
Fig. 5. Schema einer Elektro-Hängebahnanlage zur Entladung von Schiffen,
Bedienung der Kesselhausbunker und des Lagerplatzes, Beladung und Entladung von
Eisenbahnwagen und zum Aschetransport.
Dem Transport auf große Entfernungen kann die Schwebebahn nur insofern dienstbar
gemacht werden, als sie den Verkehr mit den Eisenbahn- und Schiffshaltestellen
vermittelt oder die Ein- und Ausladung bei diesen Verkehrsmitteln verbilligt.
Handelt es sich um große Mengen, so kommen natürlich zuerst Krananlagen in Betracht.
Fig. 2 zeigt die Kurven der
Wirtschaftlichkeitsberechnung einer von Adolf Bleichert
& Co. ausgeführten großen Ausladevorrichtung, die
den Zweck hat, im Jahr 400000 bis 500000 t Erz aus Seeschiffen in Leichter
umzuladen. Die Ersparnis ist hier so hoch, daß die Anlage sich bereits bei halber
Ausnutzung in einem einzigen Jahre bezahlt macht.
In Fällen, wo es sich um einfache Transporte handelt, wie hier, ebenso, wenn der
Lagerplatz oder die Bunker sich am Ufer entlang erstrecken, beherrscht der Kran
unbedingt das Feld. Die Schwebebahn aber tritt dann auf den Plan, wenn vom Schiffe
nach einer weiter entfernten Stelle gefördert werden muß. Das kommt nicht selten in
älteren Werken vor, wo man die Anlage erweitern und Gelegenheit zum Aufstapeln
größerer Mengen Rohstoffe schaffen will, für die sich aber in der Nähe des Wassers
kein Platz findet. Man ist in diesen Fällen nicht selten gezwungen, den Lagerplatz
nach einem nur durch schmale Durchgänge zwischen den Gebäuden her zugänglichen
Punkte zu verlegen, und die Frage des Transportes wird dann ziemlich verwickelt. Bei
großen Leistungen errichtet man gewöhnlich eine aus Kranen und Schwebebahnen
kombinierte Anlage. Für direkten Transport ohne Umladung haben aber die letzten
Jahre ein in seiner Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit geradezu
unübertreffliches System gebracht, das besonders für kleine und mittlere Leistungen,
bis zu etwa 40 oder 50 t/Std., vorteilhaft ist, nämlich die Elektro-Hängebahn mit
Windenwagen (Fig. 3).
Der Grundgedanke der von der Firma Bleichert & Co. vor etwa sieben Jahren zuerst eingeführten
Elektro-Hängebahn ist bekannt. Jeder Wagen erhält einen mit dem Laufwerk
zusammengebauten Elektromotor, der durch Zahnräder eines oder beide Laufräder
antreibt und den Strom durch einen Schleifbügel der Fahrleitung entnimmt. Wesentlich
ist für den sicheren Betrieb einer solchen Bahn, die ohne jede Aufsicht arbeitet,
vor allem die Blockierung, durch welche die von einem Wagen soeben durchfahrene
Strecke jedesmal stromlos gemacht wird, so daß der nächste Wagen, wenn er sich dem
voranfahrenden
zu sehr genähert hat, selbsttätig hält und seine Fahrt erst dann wieder aufnimmt,
wenn der andere sich in sicherer Entfernung befindet. Weichen und Kreuzungen sind in
ähnlicher Weise gesichert. Es ist ein geradezu verblüffender Anblick, mit welcher
Sicherheit und Präzision die Wagen selbst bei den größten Anlagen hintereinander her
oder durcheinander fahren, ohne sich jemals zu nahe zu kommen, fast als ob es
verstandbegabte Wesen wären. In konstruktiver Beziehung sind die Laufwerke, Motoren,
Schalter usw. auf Grund eingehender Versuche so vervollkommnet worden, daß sie auch
den schärfsten Ansprüchen genügen.
Textabbildung Bd. 325, S. 467
Fig. 6. Förderkosten einer Elektro-Hängebahnanlage nach Fig. 5.
Die Wagen werden nun da, wo das Fordergefäß gehoben und gesenkt werden muß, wie bei
der Entladung oder Beladung von Schiffen, jeder mit einer Winde versehen, die durch
eine magnetische Schalteinrichtung von einem beliebigen Punkte aus gesteuert werden
kann, eine Arbeit, die bei der Einfachheit der Handgriffe jeder Ladearbeiter
nebenbei zu verrichten imstande ist. Ein anschauliches Bild des Betriebes gibt Fig. 4. Man hat bei dieser Anlage ein Längsgleis
ungefähr über Schiffsmitte angeordnet, von dem die Wagen an beliebiger Stelle
herunter gelassen werden können, so daß ein großer Teil des Kahnes sich ohne
Verholen entladen läßt. Da die Wagen sich selbsttätig entleeren und umsteuern oder
bei ringförmig gelegtem Gleis ohne Unterbrechung durchfahren, so ist zum Steuern nur
ein einziger Mann erforderlich.
Das Wesen und die kennzeichnenden Vorzüge der Elektro-Hängebahn lassen sich am besten
durch ein Idealbeispiel erläutern, dem ein ursprünglich ohne Rücksicht auf spätere
Erweiterung gebautes Werk zugrunde gelegt ist, so daß bei der erforderlich werdenden
Vergrößerung die Dispositionen des Erbauers in bezug auf den Materialienverkehr
vollständig über den Haufen geworfen werden. Es zeigt sich, daß trotzdem mit der
Elektro-Hängebahn ein geregelter Transport durchgeführt werden kann und so die
infolge der Umänderung auseinandergerissenen Teile des Werkes wieder zu einem
einheitlich arbeitenden Ganzen zusammengeschweißt werden.
Angenommen ist, daß es sich darum handelt, für die Kesselanlage eines größeren Werkes
mechanischen Transport der Kohle zwischen Schiff, Bunkern und Lagerplatz
einzurichten, daneben auch von und zur Eisenbahn zu fördern und die Asche mechanisch
zu entfernen. Der Lagerplatz muß an eine andere, ziemlich schlecht zugängliche
Stelle verlegt werden, da der vorhandene Raum nicht ausreicht und außerdem für die
spätere Erweiterung des Kesselhauses vorgesehen ist. Die Elektro-Hängebahnlinie wird
nun gemäß Fig. 5 so verlegt, daß sie sich zunächst
ein Stück parallel zum Ufer über Schiffsmitte hinzieht – Strecke a – und dann in das Kesselhaus eintritt, wo die Wagen
sich, falls Kohle gebraucht wird, entleeren, um auf dem nächsten Wege über die
Weiche b zum Ufer zurückzukehren. Bei vollen
Bunkern fahren die Wagen gefüllt bis zum Lagerplatz und kippen auf der
fahrbaren Brücke aus, die mit zugespitzten Zungen über die festen Gleise greift, so
daß die Wagen bei jeder Stellung darüber fahren können. Soll vom Lagerplatz aus
zurückgefördert werden, so werden die Transportgefäße von der fahrbaren Brücke aus
auf den Platz heruntergelassen. Da die Gleisstrecke c
über einem Schienengleis liegt, so ist es möglich, auch von den Eisenbahnwagen zum
Bunker oder zum Lager zu fördern, sowie vom Schiff oder vom Lagerplatz aus
Eisenbahnwagen zu beladen und auf diese Weise etwa noch ein benachbartes Werk zu
versorgen. Endlich dient die Anlage zum Aschetransport, indem die aus den
Aschegruben beladenen Fördergefäße von dem Windenwagen aufgezogen und nach dem
Aschebunker geschafft werden, von wo sich Fuhrwerke oder Eisenbahnwagen beladen
lassen.
Im ganzen erfüllt die Elektrohängebahn also acht verschiedene Aufgaben, deren Zahl
sich sogar noch beliebig vermehren ließe. Beim Ausbau des neuen Kesselhauses wird
eine Erweiterung, wie punktiert dargestellt, durch Weichen angeschlossen. Alle
Transporte vollziehen sich, und das ist besonders wichtig, ohne Umladung.
Wie Fig. 6 zeigt, steigen bei einer derartigen,
immerhin schon ziemlich ausgedehnten Anlage, 210 m Fahrbahnlänge und 20 t/Std. Leistung
vorausgesetzt, die Förderkosten für Kohle von etwa 18 Pf./t bei 60000 t Gesamtförderung im Jahr,
also voller Beanspruchung, auf 53 Pf./ bei der
geringsten angenommenen Ausnutzung, nämlich 6000 t Jahrestransport.
Textabbildung Bd. 325, S. 467
Fig. 7. Greiferkran mit einfacher Elektro-Hängebahn.
Für dieses Beispiel würde keine andere Förderart, ausgenommen bei sehr hohen
Leistungen, eine ähnlich einfache und billige Lösung ergeben. Nun kommen aber Fälle
vor, wo die Aufgaben weniger verwickelt liegen, und es ist eine sehr naheliegende
Frage, ob und wann sich hier die Vereinigung eines mit Selbstgreifer arbeitenden
Entladekranes mit irgend einem lediglich wagerecht arbeitenden Transportmittel, also
einer einfachen Elektrohängebahn ohne Windenwagen (Fig.
7) einem Gurtförderer oder auch einer Hochbahn mit von Hand geschobenen
Rollwagen, billiger stellen wird.
Auf diese Fragen geben die Kurven der Fig. 8 Antwort,
denen ungefähr 1500 Arbeitsstunden im Jahr zugrunde gelegt sind. Hier ist
angenommen, daß lediglich vom Ufer nach einem 150 m davon entfernten und noch 50 m weiter sich
erstreckenden Schuppen gefördert werden soll, während die Wiederaufnahme des
Fördergutes auf andere Weise geschieht. Die größte Entfernung beträgt also 200 m und
setzt sich aus zwei geradlinigen, unter einem Winkel zusammenstoßenden Stücken von
je 100 m Länge zusammen. Es zeigt sich, daß in der Tat nur bei geringer
Jahresförderung die Windenbahn, bei größerer dagegen die aus Kran und einfacher
Elektrohängebahn zusammengesetzte Anlage günstiger arbeitet, weil deren höhere
Anlagekosten in diesem Falle weniger ins Gewicht fallen, die Ersparnis an
Arbeitslöhnen infolge des selbsttätigen Greifens dagegen eine größere Rolle
spielt.
Textabbildung Bd. 325, S. 468
Fig. 8. Vergleichsdiagramm für die Förderkosten einer Windenbahn und einer
Kombination von Greiferkran und einfacher Elektro-Hängebahn.
Als Horizontaltransportmittel arbeitet, wie Fig.
9 zeigt, die Elektrohängebahn für diesen Fall bei jeder Beanspruchung am
günstigsten. Besonders überraschend ist es, wie schlecht der Gurtförderer
abschneidet, ein Ergebnis, das einerseits auf die hohen Anlagekosten, andererseits
auf den größeren Kraftverbrauch zurückzuführen ist. Allerdings liegen für ihn die
Verhältnisse hier nicht sehr günstig. Bei kurzen geraden Transportwegen und größeren
Leistungen sowie unter anderen baulichen Verhältnissen ist er der Elektrohängebahn
nicht selten überlegen. Im vorliegenden Falle würde sich übrigens auch die Seilbahn
mit der Elektrohängebahn nicht messen können. Alle diese Fördermittel sind aber noch
erheblich günstiger als Schubkarrentransport, der erst bei allergeringster
Transportmenge wirtschaftlich wird.
Textabbildung Bd. 325, S. 468
Fig. 9. Vergleichsdiagramm für die Förderkosten von einfacher
Elektro-Hängebahn, Gurtförderer und Rollbahn bei 200 m Entfernung.
(Fortsetzung folgt.)