Titel: | Die Verbilligung des Materialtransportes durch Seil- und elektrische Schwebebahnen. |
Autor: | Georg v. Hanffstengel |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 481 |
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Die Verbilligung des Materialtransportes durch
Seil- und elektrische Schwebebahnen.
Von Oberingenieur Georg v. Hanffstengel,
Leipzig.
(Fortsetzung von S. 468 d. Bd.)
Die Verbilligung des Materialtransportes durch Seil- und
elektrische Schwebebahnen.
In gewisser Weise ähnlich wie beim Löschen von Schiffen liegen die Verhältnisse
beim Entladen von Eisenbahnwagen.
Textabbildung Bd. 325, S. 481
Fig. 10. Kesselhausbekohlung der Firma Haniel & Lueg, Düsseldorf.
Schon bei dem in Fig. 5 gezeigten Beispiel war
Eisenbahnwagenentladung mit Windenwagen eingeschlossen. Eigens für diesen Zweck
gebaute ausgedehntere Anlagen sind allerdings nicht so häufig, weil die Bahnzufuhr
regelmäßiger ist und das Gleis leichter bis an die Verbrauchsstelle herangeführt
werden kann. Der Elektrohängebahn fallen daher meist nur kürzere Transporte zu, wie
in dem Falle der Fig. 10, wo das Kesselhaus einer
Maschinenfabrik durch eine einfache, billige Anlage, deren Wagen ihren Inhalt
unmittelbar in die Aufschüttrichter der Kesselfeuerungen fließen läßt, mit Kohle
versorgt wird. Ganz anders liegt der Fall allerdings, wenn, was freilich nur für
kleinere Betriebe in Frage kommt, durch die Anlage einer Schwebebahn, welche etwa
dazwischenliegende Straßen mit Schutzbrücken kreuzt, das Anschlußgleis überhaupt
gespart werden kann. Man spart auf diese Weise nicht allein ganz bedeutend an
Anlage- und Betriebskosten, sondern vermeidet auch jede Störung des
Straßenverkehrs.
Sehr häufig werden derartige Bahnen nicht mit selbsttätigen Elektrohängebahnwagen,
sondern mit Greiferlaufkatzen betrieben, die von einem mitfahrenden Führer
gesteuert werden (Fig. 11). Man hat hier wieder
höhere Anlagekosten, kommt aber bei größeren Leistungen und kurzen Transportwegen
infolge der Ersparnis an Arbeitslöhnen doch billiger weg.
Textabbildung Bd. 325, S. 481
Fig. 11. Eisenbahnwagen-Entladung durch eine Führerlaufkatze mit
Greifer.
Mit der Entladung von Eisenbahnwagen durch Kipper lassen sich diese
Schwebebahnsysteme nur schwer vergleichen, weil sie nicht wie jene das Fördergut in
eine Grube werfen, sondern eine Hebung und einen Transport in wagerechter Richtung
damit verbinden. Immerhin sind die Kurven der Fig.
12 beachtenswert, weil sie zeigen, daß zu ebener Erde entleerende
Wagenkipper – sogen. Niveaukipper – der Handentladung gegenüber bei billiger
Ausführung von 8000, bei teurerer Ausführung erst von 12000 Wagen im Jahr an
vorteilhaft sind, während die Wirtschaftlichkeit der Greiferentladung gleichwertigem
Handtransport gegenüber, der mit 2 M/t eingesetzt ist, schon bei ungefähr 2500 Wagen
beginnt. Bei Anwendung der selbsttätigen Elektrohängebahn liegt die Grenze natürlich
noch wesentlich tiefer.
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Fig. 12. Rentabilitäts-Diagramm für Eisenbahnwagenentladung mit Wagenkipper
und Greiferlaufkatze.
Weit enger als bei anderen Förderern steht bei Schwebebahnen die Ausladung der
Ferntransportmittel mit der Verteilung der Güter im Inneren der Werke in
Zusammenhang. Daher mußten auch die allgemeinen Grundsätze hierfür zum Teil im
Vorstehenden erörtert werden, und es erübrigt nur, die verschiedenen Aufgaben
des Innentransportes einzeln zu beleuchten.
Textabbildung Bd. 325, S. 482
Fig. 13. Schema einer einfachen Förderanlage.
Textabbildung Bd. 325, S. 482
Fig. 14. Diagramm der Förderkosten für Drahtseilbahnen und Elektro-Hängebahnen
bei einer Anlage nach Fig. 13.
Textabbildung Bd. 325, S. 482
Fig. 15. Transportanlage der Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G. zur Aufstapelung
und Rückverladung von Kohle.
A Förderbrücke; C
Fördermaschinenhaus; K Antriebsstation.
Von größter Bedeutung für Bergwerke ist die Frage der Aufstapelung größerer Mengen
auf Lagerplätzen, um im Falle von Wagenmangel oder bei Stockung im Absatz die
Erzeugung nicht unterbrechen zu müssen. Diese Anlagen müssen sehr oft auf
bestehenden Werken ein-gebaut werden, und die Anpassungsfähigkeit der Schwebebahn
pflegt daher in solchen Fällen sehr zur Geltung zu kommen. Da nicht selten
erhebliche Höhenunterschiede zu überwinden sind und große Ansprüche an die
Leistungsfähigkeit gestellt werden, so kommt Drahtseilantrieb vielleicht noch häufiger in
Betracht als elektrische Kraftzuführung.
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Fig. 16. Absturz- und Aufnahmebrücke auf dem Lagerplatz.
Zur Klärung der wichtigen Frage, wo das eine und wo das andere Transportmittel
vorteilhafter ist, dürfte am besten wiederum ein einfaches Beispiel geeignet sein,
und zwar sei nach Fig. 13 der Fall angenommen, daß
Kohle von einem Füllrumpf, der an der Längsseite eines Gebäudes liegt, nach dem an
der Querseite gelegenen Lagerplatz befördert werden soll. Technisch läßt sich diese
Aufgabe mit Drahtseilbahn und Elektrohängebahn gleich gut lösen, da auch erstere nur
an der Antriebstelle, die man an den Füllrumpf legen würde, Bedienung erfordert. Es
zeigt sich aber aus den Kurven der Fig. 14, welche
die Förderkosten für Entfernungen von 100, 300 und 600 m und für Leistungen von
50–200 t/Std.
wiedergibt, daß wirtschaftlich die Drahtseilbahn bei größeren Längen und Leistungen
überlegen ist, während die Elektrohängebahn, für welche die gestrichelten Kurven
gelten, jener gegenüber um so günstiger abschneidet, je kleiner die Ansprüche in
jeder Beziehung sind. Dieses Ergebnis, das hauptsächlich durch die für Verzinsung
und Tilgung einzusetzenden Beträge veranlaßt wird, erklärt sich daraus, daß das
Anlagekapital der Drahtseilbahn gewisse mehr oder weniger unveränderliche Werte
enthält, nämlich die Kosten für den Antrieb und die vier Kurven, die bei geringen
Leistungen sehr stark ins Gewicht fallen. Daher ist der Bau einer kleinen
Elektrohängebahnanlage erheblich billiger. Sobald
aber ein größerer Wagenpark gebraucht wird, steigen die Kosten der Elektrohängebahn,
da der einzelne Wagen ganz erheblich teurer ist als ein Drahtseilbahnwagen, sehr
rasch.
Hieraus erklärt sich einerseits, warum die Elektrohängebahn, selbst abgesehen von den
technischen Schwierigsten, niemals auf das Gebiet der Fernförderung vordringen
kann, andererseits, weshalb die Drahtseilbahn für die Anwendung im Inneren von
Werken eher einen neuen Anstoß als eine Hemmung durch das Aufkommen der
Elektrohängebahn erfahren hat. Praktisch tritt sehr selten ein Wettbewerb zwischen
beiden Bauarten ein, weil meist schon die technischen Bedingungen den erfahrenen
Konstrukteur auf ein bestimmtes Transportmittel hinweisen.
Wie ungemein schwierigen Verhältnissen sich selbst die scheinbar schwerfälligere
Drahtseilbahn anpassen läßt, dafür ist ein besonders kennzeichnendes Beispiel die
von Adolf Bleichert & Co. ausgeführte
Transportanlage der Gelsenkirchener
Bergwerksaktiengesellschaft, welche die Kohle vom Schacht Rheinelbe III nach dem Lagerplatz und von da zurück zur
Aufbereitung fördert. Die Ausführung war deshalb besonders schwierig, weil zwischen
dem Fördermaschinenhaus und der zum Schacht II
führenden Förderbrücke nur ein ganz enger Durchgang zur Verfügung stand.
Die Drahtseilbahn wagen werden, wie sich nach Fig. 15
verfolgen läßt, aus dem Füllrumpf E beladen, in den die
Förderwagen durch Kreiselwipper D entleert werden, und
fahren dann am Zugseil die schräge Strecke hinauf, um die Endumführung F und nach der fahrbaren Absturzbrücke G, wo sie selbsttätig kippen. Die entleerten Wagen
gelangen um die doppelte Umführungsstelle H J auf einen
in dem engen Durchgang senkrecht über der Schrägstrecke liegenden Strang und laufen
von da über die Zickzackstrecke nach dem unteren Stockwerk, wo sie von neuem beladen
werden. Bei der Rückverladung nimmt der auf der Lagerplatzbrücke verfahrbare
Drehkran (Fig. 16) die Kohle vom Platz auf und
belädt unter Vermittlung eines Füllrumpfes die auf der Brücke angehaltenen
Seilbahnwagen, die nun auf demselben Wege wie vorher zum Schachtgebäude gehen, sich
aber bereits in dem oberen Stockwerk, wo der Antrieb liegt, loskuppeln und auf das Hängebahngleis
über der Aufbereitung gefahren werden. Nebenbei ist übrigens auch unmittelbare
Verladung vom Lagerplatz in Eisenbahnwagen vorgesehen.
Trotz der ziemlich verwickelten Anordnung lohnt sich diese Anlage, die für eine
Leistung von 50 t/Std.
berechnet ist, selbst bei geringer Ausnutzung sehr gut.Vergl. Schulte,
Lagerplatz mit Vorrichtung zum mechanischen Stürzen und Rückladen von Kohlen
auf der Schachtanlage Rheinelbe III. Glückauf
1908, Nr. 42.
(Schluß folgt.)