Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 493 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Die neue Förderanlage auf dem Gaswerk der Stadt München
in Moosach.
Die zu vergasenden Kohlen werden in Eisenbahnwagen herangebracht und durch eine
elektrisch betriebene Schiebebühne von 60 t Tragfähigkeit in die Kohlenschuppen
eingebracht, in denen parallel zu den Ankunftgleisen vier Absturzgleise angeordnet
sind. Zurzeit werden die Wagen von Hand entladen, jedoch sind bei Steigerung des
Betriebsumfanges fahrbare Wagenkipper vorgesehen. In den 16000 t Kohlen fassenden
Schuppen, deren Boden sattelförmige Rutschflächen hat, laufen zwei Verladekrane,
welche die Kohlen mit 1,5 t fassende Hone-Greifer dem
Lager entnehmen und an ein unter Flur liegendes Stahlförderband abgeben, welches die
Kohle in die an das Ofenhaus angebaute Siebanlage befördert. Letztere besteht aus
einem, die Feinkohle bis zu 80 mm Stückgröße absiebenden Schwingsieb und einem, die
größeren Stücke zerkleinernden Backenbrecher. Die abgesiebten und gebrochenen Kohlen
fallen in die Becher eines Huntschen Förderers, der sie
nach dem Ofenhause schafft, wo die Kohle mittels eines selbsttätig wirkenden,
fahrbaren Frosches gleichmäßig auf die Bunkerreihe verteilt wird. Für den
Becherförderer und das Stählband ist eine aus einem Sirokko-Ventilator und einem Staubsammler bestehende Entstaubungsanlage
vorgesehen. Eine auf der einen Seite von einer Pendelstütze, auf der anderen Seite
von einer auf zwei Gleisen in einem Abstande von 6,5 m Entfernung laufenden
Hauptstütze getragene Verladebrücke von 42 m Spannweite und 72 m Fahrbahnlänge dient
zum Kokstransport für die Generatorenfeuerung. Das Brückenfahrwerk wird an jeder
Stütze durch einen Motor angetrieben. Aus dem, in einer Brückenpendelstütze
eingebauten Füllrumpf entnimmt der elektrisch betriebene Zubringerwagen eines
Schrägaufzuges den Koks und befördert ihn nach einem neben dem Ofenhause
befindlichen, 50 cbm fassenden Behälter mit vier Ausläufen, von denen aus vier Wagen
gleichzeitig gefüllt werden können. In die Hauptstütze der Brücke ist die
Koksaufbereitung nebst einem Füllrumpf für den Feinkoks eingebaut, in dem sich der
Koks von 0–10 mm und von 10–15 mm Größe sammelt und zum Kleinverkauf in
Straßenfuhrwerke abgezogen werden kann. Der gröbere Koks wird in einem Trichter nach
einem in Eisenbeton ausgeführten Sackschuppen gefördert. (H.
Hermanns.) [Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1910, Nr. 17,
Seite 667.]
J.
Das Dampfturbinenkraftwerk der Zeche Shamrock I/II der
Bergwerksgesellschaft Hibernia in Herne i. W.
Die sechs Kraftwerke der Hibernia, die mit einem Stromringnetz die vorhandenen zehn
Zechen mit elektrischem Strom versorgen, haben eine Leistung von insgesamt 20000 PS
und weisen elf Frischdampfturbinen, zwei Abdampfturbinen und einen Gasmotor als
Betriebsmaschinen auf. Die Kraftwerke sind auf denjenigen Schächten errichtet, die
in Kokereien usw. Ueberschußgase liefern. Das Kraftwerk Shamrock I/II besteht aus
einer Abdampfturbine von 1500 KW und zwei Frischdampfturbinen von 1000 und 1800 KW,
insgesamt von 4300 KW Normalleistung. Den Abdampf für die Niederdruckturbine liefern
zwei Fördermaschinen, zwei Hilfsfördermaschinen, eine Ventilatormaschine und fünf
Kompressoren. Der Abdampf dieser Maschinen wird zuerst entölt und dann von zwei
Akkumulatoren von 4 m ⌀ und 6 m Höhe, System Schwartz, aufgenommen, wo er seine Wärme mit der Wärme des darin
enthaltenen und künstlich in Umlauf gehaltenen Wassers austauscht. Im Falle die
Dampfzufuhr aussetzt, sinkt der Druck im Akkumulator und das Wasser von höherer
Temperatur liefert durch Verdampfen der Abdampfturbinen den Dampf. Der
Wasserakkumulator gibt annähernd konstanten Dampfdruck für die Turbine; ein Zuführen
von Frischdampf in den Fällen, wo der Abdampf der Fördermaschinen usw. aussetzt,
findet nicht statt; es wird während der gewöhnlichen Förderzeit mit dem Abdampf von
0,1–0,2 at Spannung und 90 v. H. Vakuum die volle Turbinenleistung erreicht. Der aus
dem Akkumulator austretende Dampf wird unmittelbar am Austritt und dann noch einmal
vor dem Eintritt in die Turbine von dem mitgerissenen oder sich bildenden Wasser
befreit. Die beiden Frischdampfturbinen werden mit Dampf von 8 at und 300°
Ueberhitzung betrieben. Die 1000 KW-Maschine ist eine A. E. G.-Dampfturbine mit 3000
Umdr., während die andere Hochdruckturbine wie die Abdampfturbine Parsons-Turbinen von Brown,
Boveri & Cie. sind und mit 1500
Umdrehungen laufen. Zur Kondensation des Abdampfes der Turbinen dienen
Oberflächenkondensatoren; die Kühlwasserförderung der zugehörigen Pumpen beträgt
3000 cbm i. d. Stunde. Die gesamte Kondensationsanlage ist für eine stündlich zu
kondensierende Dampfmenge von zusammen 60000 kg bei 90 v. H. Vakuum und 28°
Kühlwassertemperatur bemessen. Der Ausguß der Kühlwasserpumpen wird in Kühltürmen
rückgekühlt.
Die elektrischen Generatoren erzeugen Wechselstrom von 50 Perioden und 5000 Volt
Spannung, der für die Fernleitung dient; für den Betrieb der Zeche Shamrock selbst
wird der Strom zum Teil auf 1000 Volt transformiert. [Zeitsch. für das gesamte
Turbinenwesen 1910, S. 113.]
M.
3/6 gekuppelte Schnellzuglokomotive der Oesterreich.
Staatsbahn.
Für schwere Schnellzüge bis 320 t Zuggewicht und 50–60 km Geschwindigkeit in
hügeligem Gelände mit 8–12 v. T. Steigung erweisen sich die 3/5 gekuppelten
Lokomotiven mehr und mehr als unzureichend. Bei der üblichen Bauart dieser
Lokomotiven mit vorderem Drehgestell ist nur eine lange und schmale Feuerkiste
verwendbar. Die Rostbreite ist dabei etwa 1 m. Die Paris-Orléans-Bahn hat mit
solchen Vierzylinder-Lokomotiven bei den erwähnten Betriebsverhältnissen mit 3,1 qm
Rostfläche, 240 qm Heizfläche (Serve-Rohre), 16 at Dampfdruck und 56,3 t Reibungsgewicht eine
Leistung von 1100 PS am Radreifen erhalten. Die Kessel waren dabei stark überlastet,
die Verdampfung sank von etwa 7,7 auf 5,3. Diese Eisenbahnverwaltung entschloß sich
darum zuerst zur Beschaffung von 3/6 gekuppelten Lokomotiven. Ebenso drängten die
ungünstigen Streckenverhältnisse der süddeutschen Bahnen zur Anschaffung dieser
schweren Schnellzugslokomotiven. Auch England hat trotz des dort zulässigen hohen
Achsdruckes und guter Kohle eine solche Lokomotive „The Great Bear“ (siehe D.
p. J. 1908, S. 285) in den Dienst gestellt. Die Achsenanordnung bei diesen
Lokomotiven ist durchweg: Vorderes Drehgestell – Treibachsen – hintere Laufachse.
Folgende Zusammenstellung gibt die Hauptabmessungen der erwähnten Lokomotiven.
Um die Nachteile dieser Bauart (gezwungene Kesselform, starke Belastung der hinteren
Laufachse) zu vermeiden, hat der Erbauer dieser neuen Lokomotiven, Gölsdorf, die umgekehrte Achsenanordnung gewählt. Die vordere Laufachse
ist mit der ersten Kuppelachse zu einem Drehgestell, Bauart Krauß-Helmholtz, vereinigt. Das hintere Drehgestell ist ein
Deichselgestell, dessen vorderste Achse Seitenspiel hat. Der Kessel besitzt sehr
zweckmäßige Formen.
Bahn
Zylinder-Abmessungenmm
FeuerkistenForm
Dampf-druckat
Dienst-gewichtt
Rei-bungs-gewichtt
Paris-OrléansBadischeStaatsbahnBayrischeStaatsbahnReichs-Eisenbahn
\frac{2\,\times\,390}{2\,\times\,640}\,\times\,650
\frac{2\,\times\,423\,\times\,610}{2\,\times\,650\,\times\,670}
\frac{2\,\times\,423\,\times\,610}{2\,\times\,650\,\times\,670}
\frac{2\,\times\,380}{2\,\times\,600}\,\times\,660
vorn schmalhinten
breitbreit„schmal
16161515
91,088,386,582,6
52,949,548,042,0
Oesterreich.Staatsbahn
\frac{2\,\times\,390}{2\,\times\,660}\,\times\,720
breit
15
83,8
43,8
Die folgende Zusammenstellung gibt einen Vergleich der Kesselabmessungen der oben
angeführten Lokomotiven.
Bahn
Rost-flächeqm
Heiz-flächeqm
\frac{\mbox{Heizfläche}}{Rostfläche}
stündlicheDampf-erzeugung
\frac{\mbox{Dampferzeugung}}{Heizfläche}
\frac{\mbox{Dampferzeugung}}{Rostfläche}
kg
Paris-OrléansBadische
StaatsbahnBayrische „Reichs-Eisenbahn
4,274,54,53,2
257,3258,7268,4238,7
64576075
12600128501200010000
49504850
2950286028703140
Oesterr. Staatsbahn.
4,62
282,4
59
13200
49
2860
Schnellzuglokomotiven von über 250 qm Heizfläche erfordern etwa 4 qm Rostfläche.
Diese kann aber nicht mehr in einer schmalen Feuerkiste untergebracht werden. Eine
Breite von 1025 mm bedingt eine Länge von 3900 mm. Ein solch langer Rost ist aber
mit der Hand nicht mehr bedienbar. Die Mängel der breiten Feuerkiste (siehe z.B. D.
p. J. 1910, S. 125 und S. 272) müssen durch entsprechende Neigung der Wände, große
Breite des Bodenringes und möglichst großen Wasserraum zwischen Feuerkiste und
Mantel vermieden werden.
In dem Kessel der Lokomotive ist ein patentierter Speisewasserreiniger eingebaut. Er
besteht aus einem rechts und links neben den Heizrohren liegenden Kasten. In ihm
tritt das vom Injektor kommende Speisewasser ein. Durch die starke Erwärmung des
Wassers beim Eintritt in diesen Kasten und durch die plötzlich eintretende
Geschwindigkeits- Verminderung scheiden die meisten Kesselstein bildenden Teile aus
dem Wasser aus. Während sich aber ohne diesen Speisewasserreiniger der Kesselstein
im ganzen Kessel verbreitet und an den heißen Stellen festbrennt, findet die
Ablagerung nunmehr im Reiniger statt. Nach jeder Fahrt wird dieser unter Druck
ausgeblasen.
Die gewählte Achsenanordnung dieser neuen Lokomotive gewährt als Vorteil eine
geringere Belastung der hinteren Laufachsen, wie aus folgender Zusammenstellung
hervorgeht.
Abweichend von der üblichen Anordnung sind die Kolbenschieber für Hoch- und
Niederdruckzylinder nicht parallel zu einander, sondern beide sitzen auf einer
gemeinsamen Schieberstange. Alle vier Kolben arbeiten auf die mittlere
Kuppelachse. Diese ist nicht aus einem Stück geschmiedet, sondern aus drei Teilen
zusammengesetzt, (siehe D. p. J. 1910, S. 396).
Bahn
Achsbelastung in t bei Achse
Durchm.derTreib-rädermm
1
2
3
4
5
6
Paris-OrléansBadische
StaatsbahnBayrische „Reichs-Eisenbahn.
11,3 11,612 11,8
11,3 11,612 11,8
17,6 16,51616
17,6 16,51616
17,6 16,51616
15,5 15,61611
1850180018702040
Oesterr. Staatsbahn
14
14,6
14,6
14,6
13
13
2140
Leistungsversuche sind mit der von der Wiener
Lokomotiv-Fabrik A.-G. gebauten Lokomotive noch nicht ausgeführt. Doch
haben die Betriebsfahrten die gute Bewährung dieser Bauart ergeben. Die
Oesterreichischen Staatsbahnen haben darum zehn solche Lokomotiven nachbestellt. (Metzeltin). [Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1910, S.
537–545.]
W.
Neue Starklichtlampe für Gasbeleuchtung.
Der große Vorsprung, welchen die elektrische Beleuchtung durch die
Starklicht-Bogenlampen gegenüber der Gasbeleuchtung erlangt hatte, ist erst mit der
Einführung der Preßgasbeleuchtung wieder einigermaßen eingeholt worden und die große
Verbreitung dieser Beleuchtungsart ist wohl der beste Beweis dafür, daß ein großes
Bedürfnis auf diesem Gebiete vorgelegen hatte.
Textabbildung Bd. 325, S. 494
Fig. 1.
Nun erfordert aber die Preßgasbeleuchtung wegen der besonderen Rohrleitungen, die für
das Preßgas erforderlich sind, sowie wegen der Gebläseanlage verhältnismäßig hohe
Anlagekosten, die sich durch die beim Legen der Rohrleitungen entstehenden
Erdarbeiten bedeutend erhöhen und naturgemäß umso schwerer ins Gewicht fallen, je
kleiner das Gebiet ist, welches mit Preßgas versorgt werden soll. Für die
gewöhnlichen Gasverbraucher, z.B. die Inhaber von Ladengeschäften in belebten
Straßen, bei denen auch ein großer Bedarf nach Starklichtlampen besteht, kommt
deshalb das Preßgas nicht in Frage. Auf diesem außerordentlich ertragsreichen
Gebiete blieb somit die elektrische Bogenlampe bis vor kurzer Zeit
vorherrschend.
Die Starklichtlampe von Lucas, welche vor einiger Zeit
von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-A.-G. auf den
Markt gebracht worden ist, und welche diese Lücke ausfüllt, hat demnach mit Recht
großes Aufsehen erregt. Die Lampe, die in Fig. 1 in einem Schnitt
dargestellt ist, wird vorläufig einflammig für eine Lichtstärke von 1000 bis 1200
Kerzenstärken hergestellt, wobei ihr stündlicher Gasverbrauch 0,76 l f. d.
Kerzenstärke beträgt.
Die Wirkungsweise der Lampe beruht auf dem gleichen Gedanken, wie diejenige der
ursprünglichen Lucas-Lampens. D. p. J. 1905, Bd. 320, S. 284.,
mit dem Unterschiede, daß die Lampe für hängendes Gasglühlicht eingerichtet ist.
Durch einen Abzugsschlot von 1 m Länge werden die verbrannten Gase aus der Lampe mit
großer Geschwindigkeit abgesaugt, so daß unterhalb des Brenners ein Unterdruck
entsteht, welcher die gleiche Wirkung hervorbringt, wie der höhere Druck bei dem
Preßgas. Außerdem wird dadurch die Flamme gezwungen, den Glühkörper vollkommen
auszufüllen. Trotz des übermäßig hohen Schlotes wird aber die Lampe nicht sehr groß.
Ihre gesamte Bauhöhe beträgt einschließlich der Hähne 1350 mm. Damit ein vollkommen
windsicherer Betrieb erreicht wird, wird die Außenluft an der Außenseite des
Abzugsschlotes in der gleichen Höhe eingeführt, in welcher die Gase austreten und
hierbei zugleich stark vorgewärmt. Durch die unten aufgesetzte Gasglocke, die
vollständig abgedichtet ist, kann keine Luft eintreten. Der Brenner ist so gebaut,
daß dem Gas bereits vorher die erforderliche Luft beigemengt wird, damit die beim
hängenden Gasglühlicht günstigste Wirkung erreicht werden kann. Da aber dann die
Flamme leicht zurückschlagen könnte, so wird das Gas zunächst nur mit einem Teil der
erforderlichen Luft gemischt, dann durch eine Anzahl von dünnen Brennerrohren,
welche das Zurückschlagen unmöglich machen, in das Innere des Glühstrumpfes geleitet
und dort mit dem Rest von Luft gemischt. Der erwähnte erste Teil von Luft wird durch
das bekannte Düsenrohr mit dem Gasstrom mitgerissen, der Rest tritt außen um die
Brennerrohre in den Glühstrumpf.
Das wesentliche Kennzeichen der Lampe ist, daß sie ihre volle Wirkung schon bei einem
Gasdruck von 30 bis 50 mm Wassersäule, sogar bei noch geringeren Drucken, erreicht
und vollkommen ruhig brennt. Ein Vorteil des geringen Druckes ist schon darin zu
sehen, daß man bei der Lampe nicht besonders gehärtete Glühstrümpfe zu verwenden
braucht und daß die Glasglocken nicht so leicht verstauben, da sie nach unten
vollständig abgeschlossen werden können.
H.
Sterilisierung großer Wassermengen durch ultraviolette
Strahlen.
I. Die an ultravioletten Strahlen reichen Quecksilberdampf-Quarz-Bogenlampen können
dazu dienen, die Bakterien im Wasser zu vernichten. Wieviel Wasser auf diese Weise
im günstigsten Falle von einer Lampe sterilisiert werden kann, hat kürzlich Vallet durch eingehende Versuche festgestellt. Eine 220
Volt-Lampe mit 30 cm langem Brenner von einer Pariser Firma ergab geringe Wirkung.
Danach benutzte er eine 110 Volt-Lampe mit 6 cm langem Brenner und doppeltem
Quarzmantel von der deutschen Quarzlampengesellschaft
in Hanau. Sie erwies sich bedeutend wirksamer.
Das Versuchswasser entnahm er aus der Stadtkanalisation in Montpellier. Vor dem
Sterilisieren klärte er es so gut, wie es seine Einrichtungen ermöglichten, durch
Filterung. Danach enthielt das Wasser in jedem Liter noch etwa 1000 Kolibazillen,
wovon jegliche Probeentnahme in Bakterien-Nährbouillon innerhalb 24 Stunden aufging.
(Der Kolibazillus ist eine dem Typhusbazillus nahe verwandte Art; er unterscheidet
sich von ihm dadurch, daß er vom Typhus-Immunserum nicht vernichtet wird.) Das
Versuchswasser durchfloß einen geschlossenen Behälter geeigneter Größe, in dessen
Mitte die Lampe war. Bei einer Durchflußmenge von 5 cbm/Std. wurden darin stets alle
Kolibazillen vernichtet; denn wieviel Proben er auch in Nährbouillon brachte, nicht
eine einzige ging auf. Bei Durchflußmengen zwischen 5 und 9,2 cbm/Std. dagegen
gingen von einer Anzahl Proben einige auf. Dieser teilweise Mißerfolg kam daher, daß
seine Filtereinrichtungen so große Wassermengen nur unvollkommen reinigen konnten.
Besonders bei Regenwetter enthielt das gefilterte Kanalisationswasser immer noch
Schwebeteilchen aus Ton, die erst bemerkbar wurden bei größerer Schichtdicke des
Wassers und beim Scheine des Brenners. Sobald er aber die Durchflußmenge
verlangsamte, wurden auch in diesem, ein wenig trübem Wasser sämtliche Kolibazillen
vernichtet.
Bei völlig klarem Wasser wird man mit dieser einen Lampe in einer Stunde etwas mehr
als 10 cbm Wassers gefährlichster Art vollkommen sterilisieren können. Weiter ist
dazu aber Bedingung, daß, wie bei diesen Versuchen
1. das Wasser ganz gleichmäßig an den Brenner herangeführt
wird,
2. die Behältergröße und die Durchflußmenge in gutem Verhältnis
sind, damit jedes Wasserteilchen wenigstens 1 Minute lang sich innerhalb der
Wirkungsweite der Strahlen befindet,
3. die Entnahme des Wassers aus dem Behälter unmittelbar am
Brenner erfolgt, damit das sterilisierte Wasser nicht im Behälter wieder von
neuem infiziert wird.
Der Energieverbrauch der Lampe war 0,4 KW insgesamt; also ist jedenfalls für 1 cbm/Std. zu
sterilisierendes Wasser nicht ganz 0,04 KW zu erwarten.
II. Im Laboratorium für Physiologie an der Universität Paris benutzten Henri, Helbronner und Recklinghausen folgende Versuchseinrichtung: In einem offenen Kanal von 25
cm Breite und 50 cm Tiefe bewegte eine Zentrifugalpumpe klares Wasser, dem reichlich
Kolibazillen beigemischt worden waren; ein Wasserzähler diente zur Bestimmung der
Durchflußmenge. Die Wassertiefe war 40 cm. Mehrere 220
Volt-Quecksilberdampf-Quarz-Bogenlampen von der Pariser Westinghouse-Cooper-Hewitt-Gesellschaft lagen quer zur Breite des Kanals 2
cm über dem Wasserspiegel. Schirme über den Lampen warfen das Licht nach unten
zurück. Damit der Abstand von 2 cm auch bei etwaigen Schwankungen des Wasserspiegels
unverändert blieb, lag jede Lampe auf zwei Hohlkörpern, die in Seitennischen der
Kanalwände auf dem Wasser schwammen. Fig. 1 zeigt
den Kanal im Grundriß; zwischen den einzelnen Lampen verläuft der Kanal im Zickzack,
damit womöglich die unter der ersten Lampe nahe am Boden geflossene Wasserschicht
aufgerührt würde und unter der folgenden Lampe mehr in der Nähe der Wasseroberfläche
durchginge; das aber dürfte durch jene Krümmungen kaum erreicht worden sein.
Textabbildung Bd. 325, S. 495
Fig. 1.
Während des Betriebes wurden dann an verschiedenen Stellen zwischen den Lampen
mittels langer Pipetten Proben aus den Wasserschichten am Kanalboden entnommen, und
in Röhrchen mit Bakteriennährbouillon gebracht. Bei einer Durchflußmenge von 10 l i.
d. Sek., entsprechend 36 cbm/Std. und einer auf den Wasserquerschnitt des Kanals
bezogenen Geschwindigkeit von 0,1 m/Sek. wurden gefunden im Wasser vor der ersten Lampe 5250 Bazillen auf 1 cbm, hinter der ersten Lampe 3650 und hinter der zweiten 0; die hier entnommenen Proben
gingen in Nährbouillon nicht mehr auf; das Wasser war also keimfrei geworden. Da
jede Lampe 0,66 KW verbrauchte, so berechnet sich als Energieverbrauch für 1 cbm/Std. der Wert
\frac{0,66\,.\,2}{36}=0,0367\mbox{ KW}.
III. Bei den Versuchen unter II war also der Energieverbrauch zur Sterilisierung von
1 cbm/Std. auf
keinen Fall größer als bei den Versuchen unter I. Nun ist aber bei II gerade die
Lampensorte benutzt worden, die sich, wie berichtet, bei I wenig wirksam erwiesen
hatte. Dieser auffällige Widerspruch in den Beobachtungen der Forscher ist
vollständig erklärlich. Bei I waren die Lampenbrenner im Wasser, bei II über dem
Wasser. Die 220 Volt-Lampen hatten nur das einfache Leuchtrohr, in dem der
Lichtbogen zwischen den Quecksilberpolen übergeht; die 110 Volt-Lampe dagegen hatte
einen doppelten Quarzmantel, d.h. das Leuchtrohr war umgeben von einem zweiten
Quarzrohr mit beträchtlich größerem Durchmesser und der Raum zwischen beiden Rohren
war ziemlich luftleer. Wird diese 110 Volt-Lampe unter Wasser gebracht, so wird
ihr Leuchtrohr vom Wasser nicht abgekühlt. Wird dagegen eine jener 220 Volt-Lampen
unter Wasser gebracht, so wird dem Leuchtrohr hundertfach mehr Wärme entzogen als in
der Luft über Wasser.
Die so verursachte Abkühlung des Leuchtrohres teilt sich auch den Quecksilberdämpfen
im Innern des Leuchtrohres mit. Es steht aber fest, daß glühende Quecksilberdämpfe
um so stärker ultraviolette Strahlen aussenden, je höher ihre Temperatur ist. Eine
220 Volt-Lampe mit einfachem Leuchtrohr muß daher unter Wasser wie bei Versuch I
geradezu unwirksam sein, im Vergleich zu der 110 Volt-Lampe mit doppeltem Quarzrohr:
Nur bei der ihrer Konstruktion angemessenen Verwendung als Ueberwasserlampe kann sie reichlich ultraviolette Strahlen aussenden und
damit wirksam sein; dann ist, wie die Versuche II bewiesen haben, ihre Wirksamkeit
sogar allerwenigstens ebenso gut wie diejenige der Unterwasserlampen.
Die Leistungsfähigkeit dieser überaus einfachen Sterilisiereinrichtungen und ihr
geringer Energieverbrauch berechtigt zu der Erwartung, daß bald die Wirkung der
ultravioletten Strahlen auch in Wasserwerken zur Verbesserung des Leitungswassers
benutzt werden wird.
Erich Schneckenberg.