Titel: | Zur kalorimetrischen Theorie der Dampfmaschine. |
Autor: | A. Rotth |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 545 |
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Zur kalorimetrischen Theorie der
Dampfmaschine.
Von A. Rotth.
Zur kalorimetrischen Theorie der Dampfmaschine.
Der Schwerpunkt der physikalischen Theorie der Kolbendampfmaschine liegt in der
Ergründung des Wärmeaustausches zwischen dem arbeitendem Dampfe und den
Zylinderwänden. Der ausströmende feuchte Dampf bespült überall Flächen, die vorher
mit heißerem Dampfe in Berührung waren, er nimmt daher Wärme von den Flächen auf und
entweicht weniger feucht, als seiner vorhergehenden Arbeit entsprechen würde. Diesen
Wärmeabgang muß der Frischdampf decken, der unter teilweiser Verdichtung an die
Zylinderwände Wärme wieder abgibt, von der er während seiner Ausdehnung nach
Abschluß der Einströmung bei sinkender Temperatur einen kleineren Teil unter
wärmetheoretisch ungünstigeren Bedingungen zurückerhält. In der Füllzeit strömt also
dem Zylinder tatsächlich mehr Dampf zu, als sich aus dem Indikatordiagramme
entnehmen läßt, und dieser reine Verlust kann bei Einfach-Expansionsmaschinen
mittlerer Größe und üblicher Bauart etwa zu 30–50 v. H. angenommen werden.
Daß der Verlust so beträchtlich ist, also der Austausch von Wärme zwischen Wand und
Dampf so ausgiebig, ist eine Folge erstens der lebhaften Bewegung des Dampfes an den
berührten Flächen, da die an ihnen kondensierenden Dampfteile einen leeren Raum
hinter sich lassen, in den andere Dampfteile hineinstürzen, zweitens der großen
Verdampfungswärme des Wassers und drittens des großen Leitvermögens und
Aufnahmevermögens der Metalle für die Wärme. Der auf die Pferdestärke entfallende
schädliche Dampfverbrauch wächst natürlich unter sonst gleichen Umständen mit
abnehmender Maschinengröße wegen der relativen Zunahme der dampfberührten Flächen.
Infolge der genannten Ursachen ist bei Dampfmaschinen der Unterschied im
Dampfverbrauche für die Pferdestärke für Maschinen verschiedener Größe
beträchtlicher, als der entsprechende Unterschied bei Gasmaschinen. Aus dem gleichen
Grunde sind aber auch schon einfache Gegenmittel wirksam. So zeigte R. R. Werner (Darmstadt) den vorteilhaften Einfluß von
Luft, die dem Dampfe beigemengt wurde. Ebenso ist erwiesen, daß hinreichende Oelung
des Dampfes den schädlichen Dampfverbrauch schon merklich vermindert, der Fetthauch
auf den Wandflächen erschwert etwas den Wärmeübergang.
Früher hat man bekanntlich den schädlichen Dampfverbrauch lediglich der
Durchlässigkeit der abdichtenden Organe und der äußeren Abkühlung zugeschrieben, die
in Wirklichkeit bei guten Maschinen unbedeutend sind. Das „früher“ liegt
freilich noch nicht allzuweit zurück, denn die Einsicht in die hier wesentlichen
Erscheinungen hat sich sehr langsam verbreitet. Schon 1843 hat Combes die Aufmerksamkeit darauf zu lenken versucht,
und vor allem hat Hirn seit 1854 in seinen über zwei
Jahrzehnte, zum Teil in Gemeinschaft mit Hallauer
fortgesetzten systematischen Arbeiten auch den Einfluß des Wärmeaustausches
studiert. Daneben sind besonders die Arbeiten von Dwelshouvers-Dery und Isherwood zu nennen.
Trotzdem also die Untersuchung der Wärmebewegung im Zylinder früh genug und
sozusagen rechtzeitig einsetzte, um bei der beginnenden feineren Ausbildung der
Dampfmaschine dienlich zu sein, hat sie doch bis in die achtziger Jahre keine
allgemeinere Beachtung gefunden. Man war nach dem Bekanntwerden der Corliß-Maschine um 1860 allzusehr mit dem mechanischen
Teile der Dampfmaschine beschäftigt und suchte das Heil im Erfinden immer neuer
Steuerungen. Die inneren Gründe für diese Abwege sind nicht leicht zu erkennen. Mag
damals auch die Empfänglichkeit für sogenannte theoretische Lehren im Durchschnitt
etwas geringer gewesen sein als jetzt so erklärt sich daraus doch nicht das
Uebersehen oder wenigstens Geringachten wichtiger Erkenntnisse seitens anerkannter
Fachleute. So enthält die sechste Auflage (1877) der früher sehr angesehenen
Dampfmaschinenlehre von Bernoulli-Autenheimer noch
garnichts von der Wärmebewegung im Zylinder, und v.
Reiche erwähnt sie zwar kurz in seiner 1880 erschienenen Konstruktionslehre
für Dampfmaschinen, meint indessen, man solle sich keine übertriebene Vorstellung
davon machen. Auch in der fünften Auflage (1883–1887) des betreffenden Bandes der
Mechanik von Weisbach-Herrmann wird von dem
Wärmeaustausch nur obenhin Notiz genommen. Immer geben aber die Verfasser als
Einleitung zu ihrem Werke einen Abriß der mechanischen Wärmetheorie. Vielleicht hat
gerade diese, so sonderbar es klingen mag, während einer gewissen Zeit die
Dampfmaschine geschädigt. Man erwartete einerseits von der jungen Lehre zu viel
unmittelbaren Nutzen für die Dampfmaschine, andererseits war man, wie ja auch Redtenbacher, durch das bekannte Mißverständnis vom
Wirkungsgrade entmutigt, überhaupt noch viel Mühe auf die physikalische Behandlung
der vermeintlich grundsätzlich schlechten Maschine zu verwenden. Dazu kommen
freilich die großen Schwierigkeiten, die sich dem Verständnisse und dem messenden
Verfolgen der Wärmeerscheinungen überhaupt entgegenstellen. Welche Umstände bereiten
schon die einfachsten Verbrauchsmessungen bei Dampfmaschinen im Gegensatze zu den
Gasmaschinen und noch mehr zu den elektrischen Maschinen. Jedenfalls ist gerade in
der Zeit, wo die wissenschaftliche Behandlung im Maschinenbau herrschend wurde, das
Problem des Wärmeaustausches im Dampfzylinder nur von wenigen beachtet, das doch den
Ausgangspunkt der brauchbaren Dampfmaschine bildete. Denn die übermäßige innere
Kühlung der Zylinderwände durch das Einspritzwasser in der Maschine von Newcomen führte Watt zu
seiner grundlegenden Erfindung des getrennten Kondensators. Die jetzigen
Untersuchungen über den Wärmeaustausch sind wesentlich Weiterbildung und
Verfeinerung des leitenden Gedankens von Watt.
Die regere Aufmerksamkeit, die man seit etwa 25 Jahren der Frage zugewendet hat,
ist bei uns namentlich den Arbeiten von Kirsch und Grashof zu verdanken. Die Bemühungen dieser und anderer
Forscher, auf dem Wege der Rechnung die Erscheinungen klarzulegen, haben ihr
Gegenstück gefunden in langwierigen Versuchen, die von der Ausdauer und
Opferwilligkeit ihrer Veranstalter rühmliches Zeugnis geben und sich den früheren
Hirnschen Versuchen würdig anschließen.
Hervorzuheben sind darunter wohl besonders die Versuche von Colonel English
(1887),Zeitschr. des
Vereins Deutsch. Ing. 1888 (Knoke).
der u.a. den Dampfverbrauch unter den verschiedensten Bedingungen maß, und die
Versuche von Callendar und Nicolson, die den periodischen Wärmeaustausch durch Temperaturmessungen
verfolgten. Diese Versuche sind wegen ihrer Wichtigkeit von Bantlin eingehend und kritisch gewürdigt.Zeitschr. des Ver. Deutsch. Ing.
1899. Bei den überaus großen Schwierigkeiten, die alle Bestrebungen
auf diesem Gebiete begleiten, haben zwar die Anstrengungen bisher mehr Klärung der
Anschauungen und allgemeine Gesetze als zahlenmäßige Unterlagen gezeitigt, aber die
Grundzüge der Theorie sind doch jetzt ziemlich verbreitet, so daß wohl kein Buch
über Dampfmaschinen mehr daran vorübergeht. So spielt sie denn auch in dem Buche von
PerryDie
Dampfmaschine, deutsch von Meuth, Teubner,
Leipzig und Berlin 1909., der bemerkenswertesten
literarischen Erscheinung der letzten Zeit auf dem Gebiete, die gebührende Rolle.
Und daß die Lehre nun auch im praktischen Maschinenbau mehr zur Geltung kommt, dafür
bieten die Erfolge der Dampfmaschine von Stumpf ein
treffliches Beispiel, Zugleich dafür, daß neben dem vollen Verständnisse für eine
Lehre zu ihrer zweckdienlichen Benutzung auch die Fähigkeit vorhanden sein muß, an
die Stelle überlieferter Formen neue zu setzen.
Diese Zeichen eines erfreulichen Fortschrittes in der letzten Zeit haben mich an
Ueberlegungen und Versuche erinnert, die ich vor längeren Jahren anstellte, und die
teilweise vielleicht noch jetzt einiges Interesse bieten. Sie bezogen sich, soweit
hier die Rede davon sein soll, auf die Frage, welchen verhältnismäßigen Anteil die
einzelnen Teile der dampfberührten Zylinderflächen an dem schädlichen
Dampfverbrauche haben, ohne Rücksicht auf den absoluten Wert dieses Verlustes im
Ganzen. Diese Frage scheint mir bisher noch nicht eingehend genug behandelt zu sein.
Zwar haben schon Kirsch und Grashof bei ihren Untersuchungen naturgemäß zwischen den dauernd
dampfberührten Flächen und den periodisch vom Kolben freigelegten und wieder
bedeckten unterschieden, und Grashof hat dabei auch den
Rat gegeben, die Flächen der ersten Art möglichst zu verkleinern. Darüber ist aber
auch Perry (mehr als 20 Jahre später) nicht
hinausgegangen, indem er sich auf die Bemerkung beschränkt (S. 418), daß dieser
Punkt von den Konstrukteuren nicht immer genügend beachtet werde. Nur in der Arbeit
von Bantlin habe ich eine vollständige Würdigung dieser
besonderen Frage gefunden. Dort wird zahlenmäßig der Einfluß der Flächen des
schädlichen Raumes aus den Messungen von Callendar und
Nicolson abgeleitet und ausdrücklich hervorgehoben,
wie oft die Forderung kleiner Flächen auch bei neueren Dampfmaschinen nicht erfüllt
sei. Das gilt im allgemeinen auch heute noch, während andererseits die Maschine von
Stumpf wohl gerade der klaren Einsicht in die
Wirkung der verschiedenen Flächen ihre Entstehung verdankt.
Anlaß zum Studium der Flächenwirkung erhielt ich aus Beobachtungen an einer kleinen
Dampfmaschine besonderer Art, die bei den hier wesentlichen Versuchen aber als
gewöhnliche Dampfmaschine mit ges. Dampfe betrieben wurde. Sie war einfachwirkend,
hatte 120 mm Zylinderdurchmesser, 200 mm Hub, Rider-Steuerung, bei ihrem Entwürfe war schon auf Verkleinerung der Flächen
einige Rücksicht genommen. Der Herstellung und tadellose Iristandhaltung namentlich
der dichtenden Teile wurde besondere Sorgfalt zugewendet. (Ich möchte an dieser
Stelle überhaupt auf den Wert kleiner Maschinen für
gewisse Versuche hinweisen. Die Maschinen, nur als Versuchsmaschinen gedacht, sind
billig, ebenso die Versuche selbst, und bei dem an sich ungünstigeren Verhalten
kleiner Maschinen prägt sich der Einfluß von Einzelheiten deutlicher aus).
Textabbildung Bd. 325, S. 546
Fig. 1a.
Textabbildung Bd. 325, S. 546
Fig. 1b.
Bei den Versuchen war ich zunächst überrascht von der eigentümlichen Form der
Kompressionskurve. Der schädliche Raum war genau gemessen, und die Steuerung so
eingestellt, daß der Einlaßdruck (5 at) hätte erreicht werden müssen, wenn die
Kompression nach der Mariotteschen Linie erfolgte.
Statt dessen zeigte das Indikatordiagramm bei geringeren Geschwindigkeiten eine Form
nach Fig. 1a, bei größeren nach Fig. 1b. Im ersteren Falle stieg der Enddruck wenig
über ein Viertel des Einlaßdruckes, der Druck sank sogar gegen Ende des Kolbenhubes
wieder etwas, beide Formen zeigten deutlich die abnehmende Neigung der
Kompressionskurve bei Annäherung des Kolbens an den Deckel und entsprechender
Abnahme der Kolbengeschwindigkeit. Mangelhafte Kolbendichtung war nicht der Grund
für die mir damals auffallende Kurvenform, wie sich an der einfachwirkenden Maschine
leicht feststellen ließ. (Kurven ähnlichen Charakters lassen sich bei aufmerksamer
Prüfung auch bei größeren Maschinen erkennen. Ebenso stark ausgeprägte Kurven wie
nach Fig. 1a, b fand
ich später auch in der dritten Auflage (1892) S. 191 von Radingars
„Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit“). Aus den Kurven mußte sich
die Vorstellung eines besonders starken Wärmeaustausches zwischen Dampf und Zylinder
während der Kompression aufdrängen, und diese Vorstellung ist jetzt wohl ziemlich
allgemein. Auffallenderweise vermutet freilich noch Grashof (Theoretische Maschinenlehre Bd. III, 1890, S. 547) das Gegenteil.
Das würde aber kaum mit den Grundanschauungen vom Wärmeaustausche in Einklang
stehen. Jedenfalls gaben mir die Kompressionskurven Anlaß, auf folgendem graphischem
Wege näheren Einblick in die Wirkung der verschiedenen Flächenteile zu suchen.
Textabbildung Bd. 325, S. 546
Fig. 2.
Die Wirkung eines Flächenelementes auf den schädlichen Dampfverbrauch ist gewiß
abhängig von der Zeit, während der das Element bei einem Kolbenspiele dem Dampfe
ausgesetzt ist, und von der mittleren Temperaturdifferenz des Dampfes während
derselben Zeit. Der Einfluß wird hier bei den Größen einfach proportional
angenommen. Diese Annahme ist wahrscheinlich nicht genau zutreffend, da indessen
zunächst nur ein angenähertes Bild der Wirkungswerte gesucht wird, so dürfte ein
anderes Gesetz das Endergebnis nicht wesentlich beeinträchtigen. Besondere
Einflüsse, wie die mehr oder weniger heftige Bewegung des Dampfes, ohnehin nicht
zahlenmäßig faßbar, werden vorläufig nicht berücksichtigt.
Fig. 2 gibt bei dem gewöhnlichen
Schubstangenverhältnisse 1 : 5 die Zeit für jedes Flächenelement, während welcher
der Kolben die Berührung mit dem Dampfe gestattet. Die größte Ordinate oz bedeutet die ganze Zeit eines Kolbenspieles, die
also für die dauernd dampfberührten (kurz konstanten) Flächen gilt, eine beliebige
Ordinate pp1 die
entsprechend kleinere Zeit für ein Element p auf der
Kolbenbahn ok.
Textabbildung Bd. 325, S. 547
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 325, S. 547
Fig. 4.
Die Maschine, ohne Mantel und ohne Kondensation, arbeite mit 7 at Einlaßdruck und
vierfacher Expansion. Unter diesen Verhältnissen geben in Fig. 3 die Kurve I und die Gerade II die Temperaturen des Dampfes während einer
Umdrehung. Die Abweichungen infolge der meist ja nur schwachen Kompression bleiben
unberücksichtigt. Die Kurve III stellt dann die
mittleren Temperaturdifferenzen des Dampfes dar, denen die Elemente auf der
Kolbenbahn ok ausgesetzt sind. Die größte Ordinate k bezieht sich also wieder auf die konstanten Flächen.
Reduziert man ferner die Ordinaten in Fig. 2 nach
Maßgabe der abnehmenden Ordinaten der Kurve III in Fig. 3, so erhält man in den Ordinaten der Fig. 4 zwischen ok und
der Kurve IV eine Darstellung der Wirkungswerte für die
einzelnen Flächenelemente. Und wenn man darunter schmale Zylinderzonen versteht,
unter ok also die ganze zylindrische Fläche, so ist
deren gesamte Wirkung durch die Diagrammfläche zwischen der Kurve IV und der Abszissenachse gegeben. Um einen
unmittelbaren Vergleich mit der Wirkung der konstanten Flächen herzustellen, kann
man die größte Ordinate oa nach unten als oa1 abtragen und ein
Rechteck aus oa1 und
einer Abszisse bilden, deren Länge sich zu ok verhält,
wie die konstanten zu den variablen Zylinderflächen. Bei einer Schiebermaschine
üblicher Ausführung mit einem Hube gleich dem 1,5 fachen Zylinderdurchmesser sind
die konstanten Flächen (Kolben, Deckel, Kanalwände), wenn man alle Vorsprünge
berücksichtigt, aber alle unnützen Vergrößerungen vermeidet; annähernd gleich den
variablen Flächen. Dann ist die Länge des Rechtecks unter der Abszissenlinie gleich
ok, und beim Auswerten der Diagrammflächen zeigt
sich, daß die konstanten Flächen fest 75 v. H. zu der gesamten schädlichen Wirkung
der dampfberührten Flächen beitragen!
Das gilt zunächst für einen bestimmten, aber keineswegs ungünstigen Fall. Ich habe
selbst eine damals als gut angesehene Ventilmaschine untersucht, bei der man so
unbekümmert um die Flächen des schädlichen Raumes gewesen war, daß man sie leicht
auf die halbe Größe hätte herabsetzen können. Mag man deshalb auch die im
Vorstehenden möglichst kurz und ohne die noch Möglichen Verbesserungen dargelegte
Untersuchungsweise wegen mancher vereinfachenden Annahmen vielleicht
einigermaßen roh finden, so zeigt sich doch wohl, einen wie überaus großen Einfluß
auf den schädlichen Dampfverbrauch die Flächen des schädlichen Raumes überhaupt
haben. Das Diagramm läßt den Einfluß der einzelnen Größen einfach erkennen. Ob es
auch bei Anwendung von überhitztem Dampf noch zweckmäßig sein kann, mag
dahingestellt bleiben. Eine Verminderung des Anteils der konstanten Flächen ist
dabei sicher nicht zu erwarten. Man überzeugt sich auch leicht, daß die
gleichzeitige Berücksichtigung beider Zylinderseiten das Ergebnis nicht wesentlich
ändert, und daß die Anwendung eines Dampfmantels lediglich um den zylindrischen
Teil, der die Wirkung der variablen Flächen vermindern würde, das Verhältnis für die
konstanten Flächen nur ungünstiger macht.
Zur weiteren Verschlechterung dieses Verhältnisses wird auch noch ein Umstand
beitragen, der in dem Diagramm nicht zum Ausdruck kommt. Dort ist nur der Einfluß
der Temperaturdifferenzen und der Zeit in Rechnung gezogen, nicht aber der
Bewegungszustand des Dampfes während des Wärmeaustausches. Da aber die Dampfwirbel
zwischen den einander sehr nahen Deckel- und Kolbenflächen beim Dampfeintritt sicher
viel heftiger sind, als im späteren Verlauf des Hubes, und ähnlich vermutlich
während der Kompression, so wird man berechtigt sein, die konstanten Flächen
verhältnismäßig noch mehr zu belasten, als schon aus dem Diagramm folgt. Die für den
betrachteten Fall gefundenen 75 v. H. würden also wahrscheinlich noch erheblich zu
erhöhen sein, und damit würde man sich dem Werte nähern, den Bantlin aus den Messungen von Callendar und
Nicolson an einer ähnlichen Maschine ableitete. Bantlin schätzt nämlich danach den Anteil der
konstanten Flächen auf nicht weniger als etwa 90 v. H. Das scheint mir eine
wertvolle Stütze für die Zulässigkeit der oben entwickelten Betrachtungsweise zu
sein.
Unter diesen Umständen sollte man wohl bemüht sein, alle unnötigen Vergrößerungen der
Wandungen des schädlichen Raumes in Form von Hohlkolben, vorspringenden Deckeln,
Kolbenmuttern, Gewindeenden und dergl. ängstlich zu vermeiden. Außerdem liegt der
Gedanke nahe, für die fraglichen Wandungen einen weniger unangenehm wirksamen Stoff
zu wählen. Mit Rücksicht auf den lebhaften Wärmeaustausch überhaupt hatte auch English versucht, ein günstigeres Ergebnis zu erzielen,
indem er die inneren Flächen soweit als angängig mit Blei bekleidete, weil dessen
spez. Wärme nur etwa den vierten Teil der des Gußeisens beträgt. Diese Maßnahme
konnte aber keinen Erfolg haben. Abgesehen davon, daß nicht allein die spez. Wärme
für den Wärmeaustausch maßgebend ist, sondern neben anderem eine verwickelte
Beziehung zwischen spez. Wärme, Dichte und Leitvermögen, leuchtet der Mißerfolg auch
ein, wenn man bedenkt, eine wie dünne Metallschicht nur an dem Wärmeaustausch
beteiligt sein kann. Man gewinnt eine einfache Vorstellung davon, was ja auch u.a.
von Grashof genauer behandelt ist, wenn man wie dieser
und Perry unterstellt, die ganze Zylindermasse nehme an
den Temperaturschwankungen teil, das Leitvermögen sei also unendlich groß. Dann
würde in einem bestimmten, von Perry gegebenen
Beispiele die als periodisch aufnehmender und abgebender Wärmespeicher wirkende
Metallmasse nur Temperaturschwankungen von etwa 1° nötig haben, um den nach
mittleren Verhältnissen angenommenen Wärmeaustausch zu leisten. Da aber die
Schwankungen der Dampftemperatur unter Umständen den hundertfachen Betrag erreichen,
so können tatsächlich nur ganz dünne Wandschichten praktisch Temperaturschwankungen
aufweisen. Noch einleuchtender ist vielleicht die gewissermaßen umgekehrte
Vorstellung: Unter der von vornherein gemachten Voraussetzung, die wirksamen Schichten
seien sehr dünn, läßt sich überschlagen, welche Dicke die Zylinderwände, ohne
Rücksicht auf die Festigkeit, haben dürften, damit die tatsächliche Speicherwirkung
ohne nennenswerte Temperaturunterschiede in den Wandschichten eintritt. Man gelangt
dann zu Wänden, von der Dicke eines kleinen Bruchteiles eines Millimeters. Ein den
Werten verschiedener Metalle entsprechendes Mehr oder Weniger bedeutet also
ersichtlich garnichts.
Unterschiede in dem Wärmeaustausche sind demnach nur von Stoffen zu erwarten, deren
spez. Wärme, für das Volumen verstanden, und deren Leitfähigkeit sehr viel kleiner
als die der Metalle sind. Von dieser Ueberlegung geleitet versuchte ich, unter
genauem Einhalten des ursprünglichen schädlichen Raumes, die Kolben- und
Deckelfläche der oben erwähnten kleinen Maschine innen mit Holz zu bekleiden.
Verbrauchsmessungen habe ich nicht anstellen können, aber daß eine erhebliche
Wirkung in dem erwarteten Sinne eintrat, zeigt deutlich die Kompressionskurve nach
Fig. 5, die dann, ohne wesentliche Aenderung mit
der Drehzahl, statt der Kurven Fig. 1a, b erschien. Der Enddruck blieb nicht viel unter dem
Mariotteschen. Von der ganzen Fläche des
schädlichen Raumes war dabei wenig mehr als die Hälfte mit Holz belegt, aber
allerdings die Teile, die aller Vermutung nach besonders stark beteiligt sind. Der
von der Kompressionskurve zu entnehmenden günstigen Wirkung der Holzbekleidung müßte
auch eine erhebliche Abnahme des schädlichen Dampfverbrauches entsprechen.
Textabbildung Bd. 325, S. 548
Fig. 5.
Ob der Versuch eine praktische Bedeutung hätte gewinnen können, weiß ich nicht.
Besondere Schwierigkeiten machte die Ausführung des vorher in Leinöl gekochten
Holzbelages nicht. Er wurde, in der Dicke von 1 cm, auf Metallplatten mit Draht
gewissermaßen aufgenäht, alle kapillaren Spalten mit dünnem Oelkitte ausgefüllt. Der
Belag hielt sich während längerer Versuche ganz unverändert, wozu auch die
reichliche Dampfölung beigetragen haben mag. Ob er gegen überhitzten Dampf auch
standhalten würde, ist wohl fraglich. Indessen dürfte sich eine brauchbare
Ausführungsform für Holz oder einen gleichwertigen Stoff finden lassen, wenn ihre
Anwendung genügenden Nutzen verspräche. Ich habe die Idee nicht weiter verfolgt,
versuchte seiner Zeit aber gelegentlich, zwei durch ihre Dampfmaschinen sehr
bekannte Fabriken dafür zu erwärmen. Doch erhielt ich nur von der einen Bescheid und
zwar, daß „solche Sachen“ für sie kein Interesse hätten.
Kenner der Geschichte der Dampfmaschine werden übrigens wissen, daß schon Watt vor Erfindung des getrennten Kondensators
versuchte, durch Zylinderwände von Holz den Wärmeaustausch in der Newcomen-Maschine zu vermindern. Das ist in unserer
Zeit bei Dampf-Wasserhebern wiederholt, bei denen ebenfalls derselbe Raum abwechseld
Dampf und Wasser enthält, beispielsweise bei dem sogenannten Hydrometer von Fleischer, wo sich die Maßnahme ja auch geradezu
aufdrängte.
Der Zweck dieser Zeilen wäre erreicht, wenn sie dazu beitrügen, weitere
Untersuchungen in derselben Richtung anzuregen. Das wird man nicht überflüssig
finden, wenn man die Veröffentlichungen über ausgeführte Dampfmaschinen noch des
letzten Jahrzehntes durchblättert, die vielfach unnötig große schädliche Flächen
aufweisen.
Zum Schluß möchte ich noch eine Anregung geben hinsichtlich der Temperaturmessungen.
Callendar und Nicolson
hatten diese mit Thermoelementen ausgeführt nach einer Methode, die früher auch in
der Elektrotechnik viel verwendet wurde, wobei der Verlauf von Strom- oder
Spannungschwankungen durch Aufnahme und spätere Zusammenstellung von Momentanwerten
gefunden wird. Wir haben jetzt aber in dem Oszillographen ein sehr fein
durchgebildetes Mittel, um periodische elektrische Aenderungen sofort im Ganzen
darzustellen. Auch für das Studium der Dampfmaschine und der Wärmemotoren überhaupt
könnte bei sachgemäßer Ausbildung und Benutzung besonderer Thermoelemente der
Oszillograph sehr nützlich werden.