Titel: | Gleisbogen mit unendlich großem Krümmungshalbmesser in den Bogenanfängen. |
Autor: | Robert Edler |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 570 |
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Gleisbogen mit unendlich großem
Krümmungshalbmesser in den Bogenanfängen.
(Die Sinuslinie als Uebergangsbogen.)
Von Ingenieur Robert Edler, k. k.
Professor, Wien.
Gleisbogen mit unendlich großem Krümmungshalbmesser in den
Bogenanfängen.
Die Verbindung zweier gerader Gleisstrecken mit verschiedener Richtung wird
gewöhnlich in der Weise vorgenommen, daß man zwischen den beiden Geraden g g (Fig. 1) einen
Kreisbogen K einlegt, der die Geraden in den Punkten
A und B berührt; der
Halbmesser R dieses Kreises hängt von der größten
vorkommenden Fahrgeschwindigkeit ab. Da jedoch in den Punkten A und B der
Krümmungshalbmesser der Gleisachse plötzlich vom Werte ∾ bis auf R herabsinkt, wird die Einschaltung zweier
Uebergangsbogen A' A und B'
B erforderlich, welche den Krümmungshalbmesser ρ allmählich von ∾ bis auf R ermäßigen. Wenn
man nun den Kreismittelpunkt D beibehalten will, dann
wird eine Verschiebung der anschließenden geraden Strecken g
g nach g' g' erforderlich, was häufig
Schwierigkeiten verursacht oder ganz unmöglich ist, so z.B. dann, wenn die
Gleisachse in der Geraden durch größere Objekte (Brücken, Tunnel usw.) unverrückbar
festgelegt ist. In solchen Fällen muß man entweder (vergl. Fig. 2) den Mittelpunkt D des Kreises nach
D' verschieben, wenn man den Kreishalbmesser R beibehalten will, oder man muß den Kreishalbmesser
R auf den etwas kleineren Wert R' herabmindern, wenn man den Mittelpunkt D unverändert benutzen will (vergl. Fig. 3).Vergl.
Max Edler von Leber, Uebergangskurven mit äußerem und innerem Anschluß;
Verordnungsblatt des österr. k. k. Handelsministeriums für Eisenbahnen und
Schiffahrt, 1890, Nr. 102 und 131. In den meisten Fällen wird
sich das letztere Hilfsmittel als zweckmäßigstes erweisen, weil sich dann die
Hauptfixpunkte der Bahntrasse (Gerade und Kreismittelpunkte), welche bequem und
sicher schon bei der generellen Trassierung eingemessen werden können, unverändert
benutzen lassen, sobald die Vermessung der einzelnen Bahnkrümmungen beginnt.
Abweichend von dieser allgemein üblichen Festlegung der Gleisachse in Krümmungen hat
H. OostinjerOrgan für die Fortschritte des Eisenbahnwesens 1897, S. 178; 1909,
S. 170. (H. Oostinjer, Zivilingenieur zu
Stadskanaal). vorgeschlagen, die Verbindung der beiden
Geraden g g ohne Verwendung eines Kreisbogens
durchzuführen, indem die Ueberleitung aus der einen Richtung in die andere durch
zwei symmetrische Bogenhälften vermittelt wird, welche aus einer Kurve entnommen
werden, die eine stetige Aenderung des Krümmungshalbmessers ρ vom Werte ∾ bis zu dem endlichen Werte ρ =
R ermöglicht Oostinjer hat hierfür seinerzeit
die Verwendung der LemniscateDie
Gleichung der Lemniscate lautet:a)b)im bipolaren Koordinatensystem (Brennpunkt-Distanz = a · √2) : r1 · r2 =
K2im rechtwinkligen Koordinatensystem:(x2 +
y2)2 – a2 .
(x2
– y2) = 0a = K · √2 und kürzlich die Benutzung der (sogen.) kubischen Parabely = a . x3 im rechtwinkligen Koordinatensystem; die eigentliche kubische
Parabel y2
= a . x3 ist
der gemeinen Parabel y2 = a . x
ähnlicher als die Kurve y = a . x3, sie
führt aber zumeist den Namen semikubische Parabel (y = ± √a · x3∣2 = ± a1 · x3∣2). angeregt. Das Wesen
dieser Lösung der Aufgabe besteht also darin, daß die Verbindung der beiden geraden
Strecken durch zwei kongruente und symmetrisch gelegene Uebergangsbogen hergestellt
wird, ohne daß dabei ein Kreisboge eingeschaltet wird; dabei erreicht aber der
Gleisbogen im Scheitel E (Fig. 5 u. f.) den durch die maximale Fahrgeschwindigkeit vorgeschriebenen
Minimalwert R des Krümmungshalbmessers ρ.
In der nachstehenden Theorie soll nun die Sinuslinie für
diesen Zweck herangezogen werden, welche schon deshalb besondere Beachtung verdient,
weil sie für den algebraischen Ausdruck des Krümmungshalbmessers im Scheitel einen besonders einfachen Wert
ergibt.
Textabbildung Bd. 325, S. 570
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 325, S. 570
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 325, S. 570
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 325, S. 570
Fig. 4.
Es seien g g (Fig. 4)
die beiden geraden Strecken, welche miteinander zu verbinden sind; dieselben
schließen miteinander den Winkel 2 . φ ein und
schneiden sich im Punkte C außerhalb der zukünftigen
Bahntrasse. Auf der durch C gehenden Winkelsymmetralen
muß der Mittelpunkt des Krümmungskreises liegen, welcher dem kleinsten zulässigen
Krümmungshalbmesser ρmin = R entspricht.
Für den speziellen Wert φ = φ1 = π/4 (=
45°) kann man nun leicht die normale Sinuslinie an die
beiden Geraden g g anschließen (Fig. 5), weil die Geraden A
C1 und B C1 zugleich die Tangenten an die Sinuslinie
darstellen; dieselben haben gegen die Abszissenachse (AD1BX in
Fig. 5) eine Neigung von 45° bezw. 135°; der
Ursprung des Achsensystems liegt dabei in A. Ist dabei
die Ordinate D1
E1 = r1
(Meter) im Scheitel der Sinuskurve als Längeneinheit gewählt, so hat die Sehne A D1
B = 2 . l (Meter), welche
die beiden Bogenanfänge A und B miteinander verbindet, die Länge π
Längeneinheiten.
Textabbildung Bd. 325, S. 571
Fig. 5.
Die normale Sinuskurve eignet sich also unmittelbar als
Gleisbogen für die Verbindung zweier Geraden, welche miteinander einen rechten Winkel einschließen.
Textabbildung Bd. 325, S. 571
Fig. 6.
Für alle Werte von φ, welche größer als 45°, jedoch
kleiner als 90° sind (45° < φ < 90°), kann man (vergl. Fig. 6) eine abgeflachte Sinuslinie benutzen, deren
Scheitelordinate r (Meter) = D1 E kleiner als die oben angenommene Längeneinheit (r1
Meter) wird, wenn wir wieder die Länge der Sehne A D1 B = π Längeneinheiten = 2 . l
(Meter) setzen. Die Aufgabe ist als gelöst anzusehen, wenn wir die Höhe h = D1C
bestimmen können und wenn dabei die Bedingung erfüllt ist, daß der
Krümmungshalbmesser ρE im Punkte E den vorgeschriebenen Wert R besitzt.
Wenn jedoch 0 < φ < 45° wird, dann ergibt sich eine überhöhte
Sinuslinie (Fig. 7), deren Scheitelordinate r
(Meter) = D1 E größer wird als die oben angenommene Längeneinheit r1 (Meter), wenn
wieder die Länge der Sehne A D1 B = π Längeneinheiten = 2 . l (Meter) gewählt wird.
Auch hier führt die Bestimmung der Länge D1 C zum Ziele, wenn dabei der
Krümmungshalbmesser φE in E den vorgeschriebenen Wert R erhält.
Da in den meisten Fällen φ > 45° sein wird, so wollen wir diesen Fall zuerst
allgemein behandeln; der Spezialwert φ = φ1 = 45° wird sich dann
daraus leicht ableiten lassen, und ebenso können dann die Schlußfolgerungen leicht
auf den Fall φ < 45° ausgedehnt werden.
Wie man aus der Fig. 6 und noch deutlicher aus der
Fig. 8 erkennt, schließt sich die abgeflachte
Sinuslinie als Gleisbogen in den Bogenanfängen A und B an die gegebenen geraden
Richtungen A C und B C
derart an, daß letztere zugleich die Tangenten der abgeflachten Sinuslinie bilden.
Offenbar genügt es wegen der vollkommenen Symmetrie der beiden Hälften des
Gleisbogens, die linke Hälfte A E näher zu
untersuchen.
Textabbildung Bd. 325, S. 571
Fig. 7.
Bezeichnet man mit T (Meter) die Entfernung des
Bogenanfanges A vom Schnittpunkt C der beiden Geraden, mit r (Meter) die Scheitelordinate D1
E, mit l (Meter) die halbe
Länge A D1 der Sehne
A D1
B, endlich mit h (Meter)
die Strecke D1
C, so gelten folgende Beziehungen:
tang τ = h :
l
sin τ = h : T
. . . . 1)
cos τ = l :
T
Wählt man dabei die Längeneinheit so, daß
A D1 =
l (Meter) =\frac{\pi}{2}
Längeneinheiten . . 2)
ist, so entspricht die Strecke A D1 der Länge eines Viertelkreisbogens vom Radius
gleich der Längeneinheit; ist letztere gleich r1 (Meter), dann kann man (vergl. Fig. 9) leicht über derselben
Sehne A D1
B sowohl die normale Sinuslinie A M1
E1
B als auch die abgeflachte Sinuslinie A M E B konstruieren; erstere hat die Scheitelordinate
D1
E1
= r1 (Meter) = 1
Längeneinheit, bei letzterer hat die Scheitelordinate D1
E den Wert r (Meter) = r/r1 Längeneinheiten
gemäß der Proportion:
Textabbildung Bd. 325, S. 571
Fig. 8.
r_1\,:\,1=r\,:\,\frac{r}{r_1} . . . . . . 3)
Die Konstruktion der einzelnen Punkte der normalen und der abgeflachten
Sinuslinie erfolgt dabei am einfachsten mit Benutzung der beiden Hilfskreise H K1 und H K (auf der linken Seite der Fig. 9); dieselben sind mit den Halbmessern r1 und r
konstruiert. Die Länge des Viertelkreisbogens A1
P1
D1, welche den Wert π/2 Längeneinheiten
=r_1\,.\,\frac{\pi}{2} (Meter) hat, wird von A über P nach D1 abgewickelt. Es
entspricht dann die Strecke A P der Bogenlänge A1
P1 = r1 . α = α Längeneinheiten, wobei α im Bogenmaß auszudrücken ist; wenn man α im
Gradmaße messen will, dann wird:
a^0\,:\,a=90^{\circ}\,:\,\frac{\pi}{2}
a^0=\frac{a}{\pi}\,.\,180^{\circ} . . . . 4)
Textabbildung Bd. 325, S. 572
Fig. 9.
Für die beiden zugehörigen Punkte M1 und M auf der
normalen und auf der abgeflachten Sinuslinie gelten dann folgende Gleichungen,
vorausgesetzt, daß die Ordinaten y1 und y in der
gewählten Längeneinheit (= r1 Meter = D1
E1) ausgedrückt werden:
y1= P M1= D1E1 . sin α = sin α . . . 5)
v=P\,M=D_1\,E\,.\,\mbox{sin}\,\alpha=\frac{r}{r_1}\,.\,\mbox{sin}\,\alpha
. . 6)
für α = π/2, also α ° = 90° wird:
y1 max= D1E1 = 1 . . . . . 7)
y_{max}=D_1\,E=\frac{r}{r_1} . . . . . 8)
Berechnet man den Neigungswinkel τ1 bezw. τ
der Tangenten A C1
bezw. A C im Ursprung A,
so wird:
\left\mbox{tang }\tau_1=\frac{d\,y_1}{d\,\alpha}\right|_{\mbox{für
}\alpha=0}=\left\frac{d\,(\mbox{sin}\,\alpha)}{d\,\alpha}=\mbox{cos}\,\alpha\right|_{\mbox{für
}\alpha=\Theta}=1
\left\mbox{tang}=\frac{d\,y}{d\,\alpha}\right|_{\mbox{für
}\alpha=0}=\left\frac{r}{r_1}\,.\,\frac{d\,(\mbox{sin}\,\alpha)}{d\,\alpha}=\frac{r}{r_1}\,.\,\mbox{cos}\,\alpha\right|_{\mbox{für
}\alpha=\Theta}=\frac{r}{r_1}
somit ergibt sich:
τ1=π/4τ = arc
tang r/r1
9)
also wegen Gleichung 1:
tang τ1
= h1 : l = 1tang τ = h :
l = r : r1
10)
Von besonderer Wichtigkeit ist die Größe des Krümmungshalbmessers
\rho_{E_1} und ρE in den Scheiteln E1 und E.
Der Krümmungshalbmesser ρ kann für jeden beliebigen
Punkt aus der allgemein giltigen Gleichung:
\rho=\pm\,\frac{\left[1+\left(\frac{d\,y}{d\,\alpha}\right)^2\right]^{3/2}}{\frac{d^2\,y}{d\,a^2}}
. . . 11)
berechnet werden.
Für
y=\frac{r}{r_1}\,.\,\mbox{sin}\,\alpha . . . . .
. 6)
erhält man daher:
1+\left(\frac{d\,y}{d\,a}\right)^2=1+\left(\frac{r}{r_1}\,.\,\mbox{cos}\,\alpha\right)^2=\frac{{r_1}^2+r^2\,.\,\mbox{cos}^2\,\alpha}{{r_1}^2}
\frac{d^2\,y}{d\,a^2}=-\frac{r}{r_1}\,.\,\mbox{sin}\,\alpha=-y
. . . . 12)
und daraus:
\rho=\mp\,\frac{({r_1}^2+r^2\,.\,\mbox{cos}^2\,\alpha)^{3/2}}{r\,.\,r^2\,.\,\mbox{sin}\,\alpha}
. . . 13)
für den Punkt E der abgeflachten
Sinuskurve ist:
α = π/2 .
. . . cos α = 0 . . . . sin α = 1,
somit wird (mit Vernachlässigung des hier belanglosen
Doppelzeichens):
\rho_E=\frac{{r_1}^3}{r\,.\,{r_1}^2}=\frac{r_1}{r} . . . .
14)
Dabei ist der Krümmungshalbmesser ρE wieder in der oben angegebenen
Längeneinheit ausgedrückt; soll derselbe gleich R
(Meter) werden, dann kann man die Proportion benutzen:
\underbrace{R\,:\,r_1}_{\mbox{Meter}}=\underbrace{\rho_E\,:\,r_1}_{\mbox{Längeneinheiten}}
. . . 15)
Daraus folgt:
R=r_1\,.\,\rho_E=\frac{{r_1}^2}{r} . . . .
15a)
(R, r1 und r sind dabei in Metern
ausgedrückt).
Aus der Gleichung 14 kann man eine bequeme graphische Bestimmung des
Krümmungshalbmessers ρE
ableiten, wenn man aus Gleichung 14 folgende Proportion bildet:
r : 1 = r1
: ρED1
G : D1
H = D1
E1
: D1J
16)
Die beiden parallelen Linien G
E1 und H J
ermöglichen es also, den Krümmungshalbmesser ρE = D1
J in demselben Maßstabe, wie die Höhen D1
E, D1
C usw., graphisch zu bestimmen.
Trägt man also den Wert ρE
= D1
J = E D von E nach abwärts
auf, so erhält man den Krümmungsmittelpunkt D und damit
auch den Krümmungskreis K im Scheitel E der abgeflachten
Sinuslinie.
Für die normale Sinuslinie ist r
= r1 und daher wird nach Gleichung 14 für
den Punkt E1:
ρE 1 =
1 . . . . . . . 17)
ausgedrückt in der gewählten Längeneinheit. Soll dieser Wert
gleich R1 (Meter)
werden, dann ist folgende Proportion zu benutzen:
\underbrace{R\,:\,r_1}_{\mbox{Meter}}=\underbrace{\rho_{E_1}\,:\,1}_{\mbox{Längeneinheiten}}=1\,:\,1
somit wird
R1 =
r1 . . . . . . .
18)
Auch für die Tangente im Ursprung A läßt sich eine
einfache graphische Bestimmung angeben, die aus der Gleichung 10 folgt; man erhält
nämlich für die abgeflachte Sinuslinie aus Gleichung 10 durch Vertauschung der
äußeren Glieder:
\left{{r_1\,:\,l=r\,:\,h}\atop{F\,D_1\,:\,A\,D_1=D_1\,E\,:\,D_1\,C}}\right\}\
.\ .\ .\ 19)
d.h. die Tangente A C ist
parallel zu der Linie F E zu ziehen.
Für die normale Sinuslinie ergeben sich aus Gleichung 19 wegen r = r1 und h = h1 folgende
Beziehungen:
r1: l = r1 : h1
also
h
1
=l
. . . . .
vgl. 10)
Dazu ist zu erwähnen, daß die Länge l (Meter) dem Bogen
π/2 entspricht, so wie die Länge r1 (Meter) dem Bogen 1
(gewählte Längeneinheit) entspricht, also:
\underbrace{l\,:\,r_1}_{\mbox{Meter}}=\underbrace{\pi/2\,:\,1}_{Längeneinheiten}
. . . . 20)
daher
l = π/2 .
r1 . . . . . .
21)
Wenn man schließlich noch bedenkt, daß
τ = π/2 –
φ . . . . (τ0 = 90° – φ°) . . 22)
dann wird aus Gleichung 1:
tang φ = l : h sin φ =
l : T cos
φ = h : T)
. . . .
23
(Fortsetzung folgt.)