Titel: | Die Untersuchung von autogen geschweißten Blechteilen |
Autor: | C. Diegel |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 594 |
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Die Untersuchung von autogen geschweißten
Blechteilen
nach dem Protokoll der 39. Delegierten- und
Ingenieur-Versammlung des Internationalen Verbandes der
Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine zu Lille im Juni
1909.
Die Untersuchung von autogen geschweißten Blechteilen.
Herr Ingenieur Baumann berichtet über die von der
Materialprüfungsanstalt in Stuttgart unter Leitung des Herrn Baudirektors Professor
Dr.-Ing. C. v. Bach ausgeführte Prüfung der
Schweißnähte eingesandter Blechstücke durch Zugversuche bei gewöhnlicher und höherer
Temperatur, Biege- und Schlagversuche, Kerbschlagproben bei gewöhnlicher Temperatur
und 200° C, sowie durch metallographische Untersuchungen. Die Ergebnisse waren in
kurzer Wiedergabe folgende (s. Tab. 1):
Tabelle 1.
Prüfungs-temperatur°C1
Art der Proben2
Zugprüfung
Kerbschlagpr.
Zugfestigkeitkg/qcm3
Bruch-dehnungv. H.4
Querschnitts-verminderungv. H.5
Lage des Bruchs
zurSchweißstelle6
Arbeitsverbr.beim Bruchmkg/qcm7
20200300
Stäbe aus dem vollen (nicht ge- schweißten) Blech
334845773864
32,216,736,5
72,954,960,9
21,623,3–
20200300
Stäbe mit der Schweißnaht in etwa der Mitte der
Messlänge. Schweißstelle um etwa 3 mm stärker als das
Blech.
355548794163
19,713,119,7
66,650,556,2
Von neun Stäben ist einerin der
Schweißstellegebrochen.
3,212,1–
20200300
Stäbe mit der Schweißnaht in etwa der Mitte der Messlänge.
Ver- stärkung der Schweißstelle weg- gehobelt.
32784726–
10,5 7,9–
27,512,1–
(Sämtliche Stäbe brachenin der
Schweißstelle.)
–––
1. Blechtafel 1000 × 700 × 15 mm, aus Lyon eingesandt, geschweißt außerhalb des
Kessels von der Sté de l'acétylène dissous in
Marseille. Aus der Mitte der Tafel ist ein Stück von 480 × 370 mm ausgeschnitten und
mit gelöstem Azetylen und Sauerstoff wieder autogen eingeschweißt worden. Das
Schweißen war von beiden Seiten und sauber ausgeführt. Die Tafel hatte sich nicht
nennenswert verzogen.
Die Bruchdehnung des vollen Bleches und der Stäbe mit verstärkter Schweißnaht beträgt
also bei 200° C 16,7 und 13,1 v. H. (Spalte 4). Die nach der Schlagarbeit beurteilte
Zähigkeit des Materials (Spalte 7) ist in dem vollen Blech bei 20° C rd. siebenmal
und bei 200° C rd. zweimal so groß als in den Stäben mit der Schweißnaht. Bei den
Biegeversuchen der Stäbe mit Schweißnaht trat der Bruch erst nach erheblicher
Formänderung ein. Die durch Schlag gebogenen Stäbe mit Schweißnaht ertrugen nicht so
erhebliche Formänderungen. Die geätzten Schliffe lassen erkennen, daß das
Füllmaterial Nacheinander in kleinen Mengen eingeschmolzen worden ist.
Oxydeinschlüsse treten nur in geringer Ausdehnung auf. Die Prüfung dieses in
Marseille geschweißten Bleches zeigte die besten Ergebnisse, die bis dahin in
der Prüfungsanstalt mit autogen geschweißten Nähten erzielt wurden.
2. Stück vom oberen Scheitel eines Wellflammrohres, aus Kaiserslautern eingesandt.
Der am Rande einer überlappten Schweißung des 11 mm starken Bleches eingetretene Riß
war mit Wasserstoff und Sauerstoff autogen zugeschweißt worden, nach sieben- bis
achtmonatigem Betriebe aber wieder aufgebrochen. Ein geätzter Querschnitt läßt
erkennen, daß die autogene Schweißung infolge von vielen und ausgedehnten
Schlackeneinschlüssen äußerst minderwertig ist. Außerhalb der Schweißungen zeigt das
Blech noch einen weiteren Anriß.
3. Stück aus der Krempe des hinteren Verbindungsstutzens zwischen Ober- und
Unterkessel eines Wasserrohrkessels, 14 mm Wandstärke, aus Halle a. S. eingesandt.
Auch in diesem Falle ist ein Riß mit Wasserstoff und Sauerstoff autogen verschweißt
worden, der sich dicht neben einer überlappt geschweißten Naht gebildet hatte. Die
autogene Schweißung war in größerer Entfernung von der ausführenden
Dampfkesselfabrik erfolgt und nicht gelungen, da der Riß sich bei der nachfolgenden
Wasserdruckprobe wiederholt auftrennte. Ein geätzter Querschnitt der Schweißung
erklärt deren Mißlingen. Der Riß wurde hiernach zum Schweißen nicht durch Auskreuzen
erweitert, und das aufgeschmolzene, von Oxydschichten durchsetzte Material hat sich
mit dem Blech nur ungenügend verbunden. Das Blech selbst ist unganz und unrein.
4. Zwei Stücke aus einem Zentralheizungskessel, aus Magdeburg eingesandt. Stück I, 5
mm stark, entstammt dem Mantel, Stück II, 8 mm stark, dem Flammrohr. Beide sind im
Kessel mit Azetylen und Sauerstoff von einer Spezialfirma einseitig geschweißt worden.
Das Ergebnis der bei 20° C ausgeführten Prüfung ist in Tab. 2 zusammengestellt.
Tabelle 2.
Proben aus
Zugprüfung
Kerbschlag-prüfung
Zug-festigkeitkg/qcm
Bruch-dehnungv. H.
Arbeits-verbrauchbeim Bruchmkg/qcm
dem Mantel
volles BlechSchweißstelle
36713584
20,8 14,2
18,2 6,8
demFlammrohr
volles BlechSchweißstelle
37303720
27 24 10,5
17,510,4 3,9 6,1
Ein Querschnitt durch die Mantelschweißung zeigt im geätzten Zustande grobes Korn des
Füllmaterials mit zahlreichen Oxydeinschlüssen. Dieses Gefüge läßt vermuten, daß die
Schweißung sich im Betriebe nicht so gut bewährt haben würde als das nach den
Ergebnissen der mechanischen Prüfung anzunehmen ist. Die mangelhafte Ausführung der
Schweißung hat sich in diesem Falle erst durch die metallographische Untersuchung
ergeben.
5. Abschnitt eines Wasserrohres, eingeliefert aus Halle a. S. An ein Rohr von 3,5 mm
Wandstärke war mit Wasserstoff und Sauerstoff ein neues Ende angeschweißt worden.
Ein die Schweißnaht enthaltender Abschnitt dieses Rohres wurde gerade gedrückt, ohne
daß Risse eintraten und in diesem Zustande zur Prüfung eingesandt (s. Tab. 3).
Biegestäbe brachen erst nach ziemlich weitgehender Formänderung. Die
metallographische Untersuchung ergab, daß das Rohrmaterial in der Nähe der
Schweißung stark überhitzt wurde und daß das Füllmaterial von langen Oxydschichten
durchzogen ist, die aber annähernd mit der Walzrichtung des Bleches verlaufen und
deshalb weniger schädlich sind.
Tabelle 3.
Zustand der Proben mit derSchweißstelle in etwa
der Mitte
Zugfestigkeitkg/qcm
Bruchdehnungv. H.
Wie eingeliefert
2944–3931
1
Geglüht
3557
6
Warm geschmiedet
3727
6
6. Flammrohr, aus Braunschweig eingesandt, Wandstärke 13 mm. Beim Schweißen eines
gebildeten Risses sollen neue Risse entstanden sein. Deshalb wurde die Reparatur
durch Schweißung aufgegeben. Das Ergebnis der Prüfung bei gewöhnlicher Temperatur
ist in Tab. 4 zusammengestellt.
Tabelle 4.
Ort derProbenentnahme
Zustandder Proben
Zug-festig-keitkg/qcm
Bruch-dehnungv. H.
Quer-schnitts-vermin-derungv.
H.
Volles Blech
Parallel zur RohrachseSenkrecht z.
Rohrachsedesgl.
Wie eingeliefertdesgl.Ausgeglüht
385639823850
24,3 26,127
59,760,561,9
Schweißstelle
Wie eingeliefert
2036
1,5
–
Beim Biegen brach die Schweißung vor dem Eintritt einer erheblichen Formänderung. Die
Kerbschlagproben aus der Schweißung ergaben im Durchschnitt 4,14 mkg/qcm für den
Bruch. Das Füllmaterial enthält zahlreiche Poren.
7. Drei Blechstücke aus den beiden Flammrohren eines Schiffskessels, 14 mm
Wandstärke, eingeliefert vom Vorsitzenden der techn. Kommission des J. V. d. D. Ue.
V. In den Flammrohren sind an vier Stellen (bei F, A, B
und E) künstlich Risse erzeugt und diese mittels
gelösten Azetylens und Sauerstoffs in Hamburg von Leuten verschweißt worden, die in
Marseille ausgebildet waren. Die Ausführung erfolgte mit den Vorrichtungen, für die
die Arbeiter eingelernt waren. (Scheinbar ist bei A, B
und E das eingerissene Material herausgeschnitten und
durch Einsetzen rechteckiger Blechstücke ersetzt, bei F
dagegen ein Längsriß direkt wieder zugeschweißt worden.)
Tabelle 5.
Probe-blech
Artder Probe
Prüfungs-tempe-ratur°C
Zug-festigkeitkg/qcm
Bruch-dehnungv. H.
Quer-schnitts-vermin-derungv.
H.
E
Volles BlechSchweißnaht
20 20
40632376
27,2 0,7
52,7–
E
Volles BlechSchweißnaht
200200
45242128
12,2 0,6
30,4
F
Volles BlechSchweißnaht
20 20
41792567
20,4 1,1
52,5–
Die Spannungen und Zerrungen des Materials, die durch das Schweißen eingetreten sind,
ergaben sich aus folgenden Beobachtungen: Eine Rundnaht des Stückes B ist beim Erkalten wieder aufgesprungen. Der Riß hat
sich in das volle Blech hinein fortgesetzt. Die Ursache des Risses ist darin zu
suchen, daß die Nieten der nahe gelegenen, parallel zur Schweißfuge verlaufenden
Rundnietnaht nicht entfernt worden waren. Angeblich ist das absichtlich unterlassen
worden, um zu zeigen, wie die Ausbesserung nicht ausgeführt werden soll. Im Stücke
E ist dagegen eine Naht unbeabsichtigt wieder
aufgerissen, wahrscheinlich aus gleichen Ursachen wie bei B. Neben dem verschweißten Längsriß F machen
sich Streckfiguren bemerkbar, die beweisen, daß Spannungen hervorgerufen worden
sind, die höher waren, als die Streckgrenze des Materials. Im Stück A sind Materialverschiebungen eingetreten und
Nietlöcher versetzt worden.
Die ausgeführten Zugversuche sind aus Tab. 5 zu ersehen.
Bei den Biege- und Schlagbiegeprüfungen der Stäbe mit Schweißnaht brachen diese,
bevor eine größere Formänderung eingetreten war. Geätzte Querschnitte der Nähte von
den Stücken E und F zeigen
grobes Korn, das von Oxydschichten durchsetzt ist. Sie zeigen ferner, daß die
Schweißung nicht durch die ganze Blechdicke reicht. Die geringwertigen Ergebnisse
der Schweißnähte bei der mechanischen Prüfung erklären sich also durch die
mangelhafte Ausführung des Schweißens.
8. Blechstück, das mit Wassergas überlappt geschweißt
worden war, etwa 16 mm stark, wahrscheinlich vergleichshalber geprüft (s. Tab.
6).
Die Biege- und Schlagbiegeproben ließen sich zusammenfalten, ohne mehr als äußerliche
Risse zu zeigen. Ein geätzter Querschnitt der Naht zeigt feines Korn. Die Fuge
enthält stellenweise Schlackenteile, die aber nicht über größere Längen
zusammenhängen.
Im Anschluß an seinen Bericht teilt Herr Ingenieur Baumann mit, daß Herr Baudirektor v. Bach auf
Grund der vorliegenden Ergebnisse, sowie der im Auftrag des Vereins deutscher
Ingenieure durchgeführten Versuche der Ansicht sei, daß der Verband den Standpunkt
bis auf weiteres festhalten sollte, den er im Jahre vorher einstimmig angenommen habe. (Bei der
Herstellung und Ausbesserung von Dampfkesseln und Dampffässern durch autogene
Schweißung die größte Vorsicht walten zu lassen usw., Seite 35 u. 36 des Wiesbadener
Protokolls.) Aus der sich anschließenden Diskussion über diesen Antrag v. Bachs wird nachstehend das wichtigste kurz
wiedergegeben.
Tabelle 6.
Prü-fungs-tempe-raturkg/qcm
Art der Proben
Zugprüfung
Kerbschlag-prüfung
Zug-festigkeitkg/qcm
Bruch-dehnungv. H.
Quer-schnittsver-minderungv. H.
Arbeits-verbrauchbeim
Bruchmkg/qcm
20200
Stäbe aus d.vollen
(nichtgeschweißt.)Bleche
37715028
24,2(Außerhalbder
Messlängegerissen)
58,3–
19,221,4
20200
Stäbe mit derSchweißnahtin etwa
derMitte derMesslänge
36694965
21,112,6
––
12,020,1
Herr Schlickert-Essen führt aus, der Bericht des Herrn
Baumann habe bestätigt, daß man mit der autogenen
Schweißung vorzügliche, aber auch außerordentlich minderwertige Ergebnisse erzielen
könne. Für den Erfolg sei einzig und allein die Handfertigkeit, die
Gewissenhaftigkeit und die Ruhe des Schweißers maßgebend. Er (Redner) selbst habe
Probestäbe geschweißt und noch bessere Resultate erzielt, als die der Marseiller
Schweißung (siehe oben Pos. 1). Die Kerbschlagprobe dürfe zur Beurteilung des
autogenen Schweißens nicht herangezogen werden, weil ihr Ergebnis davon abhänge, ob
der Kerb zufällig auf eine schlechte oder gute Stelle der Naht falle. Die
Schweißungen sollten nicht nach den schlechtesten, sondern nach den besten
Resultaten beurteilt werden. Man dürfe nicht einzelne Firmen aussuchen, die
zuverlässig schweißen, sondern müsse die Arbeiten ausgebildeten, zuverlässigen
Schweißern übertragen, die man kenne und die unter eigener Verantwortung arbeiten.
Solche Leute seien auszubilden und zu erziehen, um im Laufe der Jahre zu
Schweißungen zu kommen, wie die besten der von Herrn Ing. Baumann vorgeführten.
Herr Rinne-Essen vertritt den Standpunkt, daß die
autogene Schweißung in einer Reihe bisher erfolgter VeröffentlichungenAls Beispiel führt Herr Rinne meine Broschüre: „Das Schweißen und
Hartlöten mit besonderer Berücksichtigung der Blechschweißung, Berlin,
Leonhardt Simion Nachf., 1909“, an. bezüglich ihrer
Verwendbarkeit zum Bau und zur Reparatur von Dampfkesseln nicht zu ihrem Rechte
gekommen sei. Seine Firma, das Blechwalzwerk Schulz-Knaudt,
Akt.-Ges. in Essen, verwende die autogene Schweißung vornehmlich zur
Ausbesserung von neuen, noch in der Fabrikation befindlicher Kesselteile und zur
Herstellung von komplizierten Schweißstücken. Sie habe deshalb ein Interesse daran
gehabt, durch eigene Versuche festzustellen, ob die bisher veröffentlichten
Ergebnisse ein richtiges Bild von der Leistungsfähigkeit der autogenen Schweißung
geben oder ob sie deshalb so minderwertig ausfielen, weil die Versuchsstücke unter
unsachgemäßer und falscher Anwendung des autogenen Schweißverfahrens hergestellt
worden waren. Diese Versuche, von denen der Redner einiges bekannt gibt, sind
inzwischen in „Stahl und Eisen“ Nr. 46 von 1909 ausführlich beschrieben
worden.
Herr Rinne ist der Ansicht, daß die autogene Schweißung
bei richtiger und sachgemäßer Anwendung eine der allerbesten der bisher bekannten
Schweißmethoden sei. Ihr Hauptvorteil bestehe darin, daß man bei ihrer
Anwendung die Naht nach Belieben stärker halten könne, als das zu schweißende
Blech. In dieser Beziehung sei die autogene Schweißung der Koks- und
Wassergasschweißung entschieden weit überlegen. Diese Ueberlegenheit werde
allerdings nur durch sorgfältigste Ausführung gewährleistet. Dazu gehöre die
Verwendung von reinem Azetylen, die Auswahl richtig, den Blechstärken entsprechend
dimensionierter Schweißbrenner und gutes Füllmaterial. Haupterfordernisse für das
gute Gelingen der autogenen Schweißung seien aber das Hämmern des eingeschmolzenen
Füllmaterials und das sorgfältige Ausglühen des fertigen Schweißkörpers. In dem
Berichte „Stahl und Eisen, Nr. 23, 1909, Seite 881“ über die Bachschen Versuche würde das Urteil des
Berichterstatters bezüglich des Wertes der autogenen Schweißung wesentlich günstiger
ausgefallen sein, wenn ihm Resultate von sachgemäß
ausgeführten Schweißungen vorgelegen hätten, bei denen das eingetragene Füllmaterial
Tropfen für Tropfen mit dem Schweißhammer gehörig gehämmert worden war. Im übrigen
schließt sich Herr Rinne dem Antrage des Herrn v. Bach an, weil die im Jahre vorher vorgeführten
autogenen Schweißproben fast durchweg schlecht ausgeführt waren und ungeeignete
Elemente wenigstens von dem Schweißen im Dampfkesselbau ausgeschlossen werden
müßten.
Herr Reischle, München, hält die Zurückhaltung, die in
dem Antrage des Herrn v. Bach zum Ausdruck kommt, für
gerechtfertigt, weil es zwar möglich sei, recht gut zu schweißen, vielfach aber doch
auch noch recht schlecht autogen geschweißt werde. Die Erfahrung werde lehren, ob
diese Vorsicht mit der Zeit einzuschränken oder sogar zurückzunehmen sei.
Nach dem Antrage des Herrn v. Bach wird hierauf
einstimmig folgender Beschluß angenommen:
„Bei dem heutigen Stand empfiehlt es sich, in bezug auf die Herstellung und die
Ausbesserung von Dampfkesseln und Dampfgefäßen durch autogene Schweißung die
größte Vorsicht walten und solche Arbeiten nur zuverlässig arbeitende Firmen
unter Ueberwachung des in Betracht kommenden Revisionsvereins ausführen zu
lassen. Dabei ist namentlich dem Umstände Beachtung zu schenken, daß durch die
mit dem Schweißen verbundene örtliche Erhitzung der Ränder und durch die
Zusammenziehung des flüssig gewesenen Füllmaterials (ohne nachfolgendes
Ausglühen des Stückes) im Flußeisen Spannungen in Wirksamkeit treten können, die
mehr oder minder schwere Unfälle herbeizuführen imstande sind.
Nähte, die durch wirkende äußere Kräfte oder infolge von Temperaturschwankungen
auf Zug oder Biegung stark beansprucht werden, sollen nur dann geschweißt und
ihnen diese Kraftübertragung zugemutet werden dürfen, wenn das geschweißte Stück
nach dem Schweißen ausgeglüht wird.“
Sämtliche von der Materialprüfungsanstalt der Kgl. techn. Hochschule in Stuttgart im
Auftrage des Internationalen Verbandes der Dampfkessel-Ueberwachungsvereine und des
Vereins deutscher Ingenieure bis 1910 ausgeführten Versuche mit autogen geschweißten
Blechen und Kesselteilen sind inzwischen von C. Bach
und R. Baumann im Heft 83 und 84 der Mitteilungen über
Forschungsarbeiten mit allen Einzelheiten veröffentlicht worden. Nach ihren
Ergebnissen darf der vorstehende Liller Beschluß vom Juni 1909 auch heute noch als
zutreffend angesehen werden, denn von allen eingesandten, autogen geschweißten
Stücken war nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl gut geschweißt. Dabei fällt
besonders ins Gewicht, daß diese gut ausgefallenen Stücke wohl samtlich als Proben von kleineren
Dimensionen für sich geschweißt worden waren, und zwar mit dem Ziel und für den
alleinigen Zweck der Prüfung. In einem Dampfkessel oder einem sonstigen
Schweißkörper gestaltet sich das Schweißen aber meistens schwieriger, als bei einer
von allen Seiten zugänglichen und leicht zu handhabenden Blechprobe. Das
fabrikationsmäßige Schweißen wird auch noch aus anderen Gründen, wie z.B. aus
Rücksicht auf Zeit und Kosten, wegen Mangel an ausreichenden Erfahrungen, infolge
der Unmöglichkeit des Glühens usw., durchschnittlich weniger gut ausfallen, als die
zu Prüfungszwecken besonders hergestellten Stücke.Siehe auch in „Stahl und Eisen“ 1910
Nr. 4 den Artikel „Die autogene Schweißung“. So wird u.a.
in der Regel nicht damit gerechnet werden dürfen, daß das eingebrachte Füllmaterial
„Tropfen für Tropfen“ gehörig gehämmert wird, wie das nach der Diskussion
in Lille für das Erreichen guter Schweißungen unerläßlich ist.
Andererseits zeigen besonders die auf S. 62–65 in Heft 83 und 84 der „Mitteilungen
über Forschungsarbeiten“ bekannt gegebenen Ergebnisse geschweißter
Blechplatten, die von der Firma C. eingesandt
waren, daß unter günstigen Verhältnissen von wirklich Sachverständigen autogen recht
gut geschweißt werden kann. Die betreffende Firma würde sich durch das Bekanntgeben
einer Vorschrift für das autogene Schweißen, bei deren Beachtung unter günstigen
Umständen so gute Resultate stets mit Sicherheit erreicht werden können, ein großes
Verdienst erwerben.
Allgemein wird der Wert des autogenen, wie eines jeden anderen Schweißverfahrens und
die Zulässigkeit seiner Anwendung für bestimmte Zwecke der Praxis danach am besten
zu beurteilen sein, welche Ergebnisse bei der Prüfung von Blechkörpern,
Reparaturarbeiten usw. erzielt werden, die von verschiedenen Schweißereien fabrikationsmäßig ausgeführt worden sind, nach der
Fertigstellung aus einer größeren Anzahl für den Betrieb bestimmter Stücke beliebig
herausgegriffen und in einer Weise geprüft werden, die der Beanspruchung im Betriebe
möglichst nahe kommt. Derartige Prüfungen stellen sich zwar verhältnismäßig teuer,
geben dafür aber auch ein zuverlässigeres Urteil als die für Prüfungszwecke
besonders angefertigten kleinen Probestücke.
C. Diegel.