Titel: | Gerüstsparende Baukrane. |
Autor: | Wintermeyer |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 596 |
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Gerüstsparende Baukrane.
Von Dipl.-Ing. Wintermeyer.
(Schluß von S. 580 d. Bd.)
Gerüstsparende Baukrane.
III. Bau-Derrickkrane.
Die Derrickkrane sind bekanntlich solche Krane, bei denen der Ausleger außer der
Drehbewegung um eine senkrechte Achse noch eine Schwing- oder Wippbewegung um eine
wagerechte Achse ausführen kann. Die Derrickkrane ermöglichen also, ein sehr großes
Arbeitsfeld zu bestreichen, da das Auslegerende nicht nur in einem Kreise sich
bewegen sondern auch nach jedem in diesem Kreise belegenen Punkt gelangen kann. Auf
Grund dieser Eigenschaft ist auch dem Derrickkran speziell als Baukran eine große
Bedeutung beizumessen. Sie haben daher schon früh in England eine hervorragende
Rolle als Baukrane gespielt. Fig. 9 gibt ein
Beispiel für einen Bau-Derrickkran in der gebräuchlichsten Form. Das Stützgerüst a für den Ausleger b
besteht meistens aus zwei festen Streben, die, im rechten Winkel zueinander
gestellt, den Mittelmast so weit versteifen, daß der Ausleger um ihn eine
Dreivierteldrehung machen kann. Der drehbare Ausleger b
kann mittels eines Seiles n, das meistens als
Flaschenzug ausgeführt wird, gehoben und gesenkt werden.
Textabbildung Bd. 325, S. 596
Fig. 9.
Anstatt den senkrechten Mast, an dem der Ausleger hängt, mittels fester Streben
abzustützen, kann der senkrechte Mast, wie in Amerika allgemein üblich und auch bei
uns in einzelnen Fällen ausgeführt ist, an seinem Kopfende durch weitgespannte
Drahtseile gehalten werden, so daß der Ausleger einen vollen Kreis beschreiben
kann.
Beide Baukrantypen haben infolge ihrer unbeweglichen Aufstellung ein begrenztes
Arbeitsfeld und bei Bauten von großer Ausdehnung wird daher die Anordnung mehrerer
Krane notwendig, da der Ausleger eine gewisse Länge aus praktischen Gründen nicht
überschreiten kann.
Fig. 10 stellt einen Bau-Derrickkran mit turmartigem
Gerüst, das in der Mitte des zu errichtenden Gebäudes aufgestellt wird, dar. Ein
Turm-Derrickkran dieser Art ist zum Errichten des Warenhauses von Montgomery, Ward & Co.
in Chicago benutzt worden. Die ringsum drehbare Kransäule c, die sich im Gerüst a führt, trägt bei e angelenkt den Ausleger b, der durch das Seil bezw. Flaschenzug n
gehoben und gesenkt werden kann. Die Abmessungen dieses Kranes waren gewaltige. Der
Führungsturm war 25 m und die Kransäule 40 m hoch, die Länge des Auslegers betrug 25
m. Bei wagerechter Stellung des Auslegers konnte noch eine Last von 12 t gehoben
werden.
Die Firma Voß & Co., G. m.
b. H. in Pankow bei Berlin führt ihre Baukrane ebenfalls in erster Linie
als Turm-Derrickkrane mit im Kreise vollständig drehbarem Ausleger aus. Die
Derrickkrane dieser Firma weisen die Eigentümlichkeit auf, daß sie mit einer
Lastseilführung ausgestattet sind, die bewirkt, daß der Ausleger auch im belasteten
Zustande vom Kranführerstande aus mittels Kettenzuges oder Handkurbel leicht wippbar
ist und daß hierbei die Höhenlage der Last bei ihrer wagerechten Bewegung nicht
verändert wird. Dies hat zur Folge, daß die Lasten nicht nur auf der vom
Auslegerkopf beschriebenen Kreislinie, sondern auch innerhalb der vom Ausleger
beschriebenen Kreisfläche leicht, schnell und ohne größere Beanspruchung des Kranes
aufgenommen bezw. abgesetzt werden können.
Textabbildung Bd. 325, S. 596
Fig. 10.
Die Lastseilführung, die diese Vorteile aufweist, ist aus Fig. 11 ersichtlich. Das Lastseil ist von der Trommel 8 zur Rolle 9, von dort in
dem Turm 10 zu der am Kopf des um Punkt 7
drehbaren Auslegers 5 angebrachten Rolle 11 über die lose Rolle 12
in dem Turm 13 zu der zweiten am Kopf des Auslegers
angebrachten Rolle 14 in dem Turm 15 und von da in einer krummen Linie 16 zu einem festen Punkt an der Kransäule 6 geführt. Die Spannseile 18 bestimmen punktweise die Form der krummen Linie. Die Form der krummen
Linie läßt sich nun so ermitteln, daß das Moment der vom Kopf des Auslegers nach der
Säule führenden Seiltrümer in bezug auf den Drehpunkt 7
des Auslegers für alle Stellungen des Auslegers gleich dem Moment der Last in bezug
auf den gleichen Punkt wird, so daß für die Wippbewegung des belasteten Auslegers
nur die Reibungswiderstände zu überwinden sind.
Textabbildung Bd. 325, S. 597
Fig. 11.
Textabbildung Bd. 325, S. 597
Fig. 12.
Ihre mit dieser Lastseilführung ausgestatteten Bau-Derrickkrane führt die Firma Voß & Co., G. m. b. H.
in Pankow bei einer größten Ausladung des Auslegers von 17 m für eine Tragkraft von
1000 kg, bei einer Ausladung von 8 m für eine Tragkraft von 3000 kg und bei einer
Ausladung von 6 m für eine Tragkraft von 3500 kg aus.
IV. Sonstige
Baukransysteme.
Baukrane sind auch als gewöhnliche Lauf- oder Bockkrane ausgeführt worden, deren mit
einer Laufkatze ausgerüsteter Kranträger den ganzen Bau überspannt. Jedoch
haben diese Baukrane keine Bedeutung gewonnen, wie ja auch erklärlich ist, wenn man
bedenkt, daß bei einem nur einigermaßen ausgedehnten Bau die Lauf- und Bockkrane
Abmessungen erhalten müssen, die ihre praktische Verwertbarkeit in Frage
stellen.
Ein Baukran, der ebenfalls mit einer verfahrbaren Laufkatze arbeitet, jedoch die
Mängel eines die ganze Baugrube überspannenden Laufkranes nicht aufweist, ist in
Fig. 12 dargestellt, Dieser Baukran, eine
Konstruktion von Emil Lübcke in Saarbrücken, hat als
Stützgerüst vor dem Gebäude aufzustellende, feste Mäste a, an denen eine Stange b mit vorspringenden
Knaggen befestigt ist. An diesen Masten sind nach der Baustelle zu ausladende
Konsolen c in der Höhenrichtung einstellbar angeordnet.
Mit diesen Konsolen ist eine Laufbahn d fest verbunden,
auf der eine durch Hand- oder Kraftbetrieb zu bewegende Laufkatze e läuft. An einer Stelle werden zwei Mäste a in geringer Entfernung aufgestellt, woran zwei nach
beiden Seiten auskragende Konsolen befestigt sind. Auf diesen beiden Konsolen läuft
ein kleiner Wagen i, woran unten das Stück der Laufbahn
d zwischen diesen beiden Konsolen befestigt ist.
Die Konsolen mit Laufbahn und Laufkatze können durch Flaschenzüge f, welche an vorstehenden Armen g der Mäste befestigt sind, höher gezogen werden, sobald der Bau weit
genug vorgeschritten ist. h sind Sicherheitsklinken,
welche hinter die vorspringenden Knaggen der Stange b
greifen, um ein Herunterstürzen der Konsolen beim Bruch der Tragseile des
Flaschenzuges f zu verhüten.
Der Arbeitsgang mit diesem Baukran ist folgender: Beim Hochziehen der Materialien
steht die Laufkatze auf dem kurzen Ende der Laufbahn unter dem Wagen i und zwar steht der Wagen in der punktiert
angedeuteten Stellung. Sobald die Last gehoben ist, wird der Wagen i nach der Baustelle zu verfahren, bis das an ihm
hängende Stück der Laufbahn wieder in der Flucht des übrigen festen Teiles der
Laufbahn d liegt. Nunmehr kann die Laufkatze mit der
Last auf der festen Laufbahn d seitwärts nach einer
beliebigen Stelle des Baues bewegt werden.
Der Baukran System Lübcke hat, wie aus vorstehendem
hervorgeht, zur Montage lediglich das Aufstellen einiger eiserner Mäste notwendig,
an welchen eine Laufschiene hochgezogen wird. Diese Laufschiene versteift zu
gleicher Zeit die Masten untereinander und gewährt dadurch der ganzen Anordnung eine
hohe Standfestigkeit, so daß ein Umstürzen des Gerüstes ausgeschlossen erscheint.
Durch einen günstig gewählten Achsenabstand der Laufräder der Laufkatze ist ohne
weiteres die Möglichkeit gegeben, Krümmungen zu durchfahren, so daß gegebenenfalls
die Baustelle von zwei Seiten bedient werden kann.
Der Baukran (Fig. 12) ist vom Eisenwerk München vorm. Kießling & Moradelli in München ausgeführt
worden und zwar für eine Tragkraft von 3000 kg, Hubhöhe von 22 m und Länge von 24
m.
Der in Fig. 13 abgebildete Baukran von Breslauer in Berlin-Wilmersdorf ist allerdings noch
nicht ausgeführt worden, so daß praktische Ergebnisse über ihn nicht vorliegen.
Infolgeseiner einfachen Aufstellung und Bedienung erscheint es jedoch
nichtausgeschlossen, daß diese Bauart, wenn auch vielleicht in etwas abgeänderter
Form, noch Bedeutung gewinnen wird.
Dieser Baukran zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, daß er die ganze Fläche des
Gebäudes bestreichen kann, ohne den Verkehr zu stören, ohne also ein umfangreiches
Stützgerüst für den Kran zu benötigen. Dies wird dadurch erreicht, daß ein Kippmast
zur Anwendung kommt, der um einen festgelagerten Gelenkpunkt parallel zur
Gebäudefront umgelegt werden kann, und dessen Abstützung ausschließlich in seiner
Bewegungsebene oder annähernd in derselben erfolgt. Dieser Kippmast a, der als Träger von Fachwerk oder als Rohr oder als
Rundholz und dergl. hergestellt werden kann, ist, wo es möglich ist, in der Mitte
der Gebäudefront aufzustellen, so daß er nach beiden Seiten eine möglichst geringe
Kippbewegung zu machen braucht, um die Last an beliebige Stellen der Front bringen
zu können. Der Mast a stützt sich bei b und c, so daß er um
diese Gelenkpunkte vor der Gebäudewand und parallel zu derselben mehr oder weniger
gekippt, also in eine schräge Lage gebracht werden kann. Zur Unterstützung der Lager
b, c kann ein Träger v dienen, der mit dem Mauerwerk oder dem Fundament des Gebäudes verbunden
wird. Zum Kippen des Kranes können Stützen Verwendung finden, die in seiner
Bewegungsebene verschiebbar angeordnet sind. Es können aber auch, wie auf der
Zeichnung dargestellt, zum Kippen Zugorgane Verwendung finden. Zu diesem Zweck ist
auf einem Träger d eine Winde e aufgestellt auf welcher sich das Zugseil 1
aufwickelt, welches direkt zu dem Mast a führt, sowie
das Zugseil 2, das über eine Leitrolle f zu dem Mast
geführt ist. Je nachdem die Windetrommel e nach der
einen oder anderen Seite sich dreht, wird eines der Seile ab- und das andere
aufgewickelt, was mit einem Schrägstellen des Mastes verbunden ist.
Textabbildung Bd. 325, S. 598
Fig. 13.
Der Mast a ist ferner an seinem Kopf mit einem
einseitigen Auslegerarm i versehen, der gegen die
Gebäudewand gerichtet ist. Zu diesem Auslegerarm ist das bei h die Last tragende Lastseil 3 geführt, das
außerdem um die Rollen m, n, x, y sowie k, l geschlungen ist.