Titel: | Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. |
Autor: | A. Bucher |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 97 |
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Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in
Brüssel 1910.
Von Ingenieur A. Bucher,
Tegel bei Berlin.
Lokomotiven.
(Fortsetzung von S. 69 d. Bd.)
Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel
1910.
Die Zylinder entsprechen der bei allen preußischen Heißdampflokomotiven üblichen
Bauart, wie sie bereits in der Z. d. V. d. I. 1902, S. 152 u. ff. eingehend
beschrieben ist, ebenso die Kolben und Stopfbuchsen (s. D. p. J. 1907, Bd. 322, S.
524). Alle diese Schmidtschen Konstruktionen haben sich
nach einigen Verbesserungen in achtjährigem Betriebe im allgemeinen gut bewährt und
sind auch von ausländischen Eisenbahnverwaltungen zum Teil übernommen worden. Damit
der Dampfkolben freischwebend im Zylinder gehalten wird und die drei Ringe lediglich
zum Dichten dienen, wird die Kolbenstange hinten vom Kreuzkopf getragen und durch
eine lange Führungsbüchse im vorderen Zylinderdeckel geführt. Die schädlichen Räume
betragen im Mittel 12 v. H.
Textabbildung Bd. 326, S. 97
Fig. 18.
Der Kolbenschieber von 150 mm und 13 mm Einströmkanälen hat die aus D. p. J.
Band 322, S. 524 bekannte Bauart mit festen Ringen und geheizter Buchse. Dieser
Rundschieber hat eine große Zahl von Ausführungen nur bei den Preußischen
Staatsbahnen erreicht, während die ausländischen Heißdampfschieber durchweg federnde
Ringe enthalten. Alle Heißdampf-Kolbenschieber haben innere Einströmung, so daß die
Schieberstangen-Stopfbuchsen nur noch mit dem Auspuffdampf in Berührung kommen; als
Material für die Dichtungslinsen innerhalb des Heißdampfes ist Flußeisen verwendet,
naturgemäß wird aber auch dieses infolge der hohen Temperaturen spröde, die Dehnung
nimmt ab bis auf 5 v. H. Neuerdings hat auch Schmidt
den Schieber mit festen Ringen vollständig verlassen und bringt nun den
Kolbenschieber mit einem breiten, federnden Ringe nach Fig. 18 zur Anwendung, sowohl mit als auch ohne Trickschen Ueberströmkanal. Um ein zu starkes Anpressen oder
Zusammendrücken des breiten Ringes zu vermeiden, sind hinter diesem Ringe
dampfdichte Räume geschaffen, die durch radial im Ring gebohrte Löcher von 5 mm
mit dem äußeren Dampfkanal in Verbindung stehen. Dadurch entsteht auf beiden
Seiten des Ringes gleicher Druck, das Dichten des Ringes wird also nur allein durch
seine Federspannung bewirkt. Die Ringe sind so auf der Schieberstange fixiert, daß
die Schnittfuge immer über den breiten Steg im Kanal der Buchse hinweggleitet.
Neben dieser neueren Schmidtschen Konstruktion werden
seit einiger Zeit bei den Preußischen Staatsbahnen auch noch andere Schieberarten
ausgeprobt; eine neue 2B-Schnellzuglokomotive der hier beschriebenen Gattung S 6
erhält gegenwärtig Ventilsteuerung mit Gleichstrom-Zylindern nach System Stumpf.
Die Schmierung der Kolben und Schieber erfolgt durch eine sechsstempelige
Schmierpresse, Patent Dicker & Werneburg, Halle a.
S., sie steht im Führerhaus links und erhält ihren Antrieb vom linken Kuppelzapfen
durch ein leichtes Gestänge, wobei zwecks Auswechselung auch der rechte Kuppelzapfen
stets die entsprechenden Bohrungen erhält.
Für den Leerlauf der Maschine ist an jedem Zylinder ein Luftventil eingebaut, ebenso
haben die Zylinderdeckel besondere Sicherheitsventile. Da bei Fahrten mit
geschlossenem Regler die Kolbenschieber nicht abklappen können, wie dies bei
Flachschiebern der Fall ist, so haben alle Heißdampflokomotiven eine
Druckausgleich-Vorrichtung (Fig. 19) mit 60 mm
lichtem Durchmesser erhalten, die es dem Führer ermöglicht, mittels eines besonderen
am Kessel rechts entlang führenden Zuges einen Drehschieber zu öffnen, der beide Zylinderenden
durch einen Kanal miteinander verbindet, zur Vermeidung des Vakuumsaugens und zu
hoher Kompressionen. Auf dem Blasrohr ist zur Verhinderung des Ansaugens von Lösche
aus der Rauchkammer nach den Schiebern oben eine Klappe angebracht, die durch einen
kleinen Apparat am Rauchkammermantel entsprechend selbsttätig bewegt wird. Auf der
Blasrohrmündung sitzt ein kleines Voröffnungsventil (Fig.
20), das sich zur Vermeidung eines Abhebens der geschlossenen Klappe
öffnen soll, sobald Druck im Blasrohr entsteht. Ob ein solches Ventil in der
Rauchkammer immer funktionieren wird, ist fraglich.
Textabbildung Bd. 326, S. 98
Fig. 19.
Textabbildung Bd. 326, S. 98
Fig. 20.
Textabbildung Bd. 326, S. 98
Fig. 21.
Die Anordnung der Gleitstangen, der Treib- und Kuppelstangen ist aus Fig. 10, S. 65, ersichtlich. Die Kuppelstange hat
infolge des festen Radstandes eine Länge von 3 m. Beträgt das Reibungsgewicht für
jedes Rad 8500 kg, der Druck auf die Stange beim Anfahren (bei einem
Reibungskoeffizienten von 4,3) also
P=\frac{8,500}{4,3}\,.\,\frac{1050}{315}=6600
kg.
so ergibt sich in der Schaftmitte der Stange mit dem
Querschnitt Fig. 21 eine Knicksicherheit in
senkrechter Richtung (beide Enden frei) von
S_x=\frac{\pi^2\,.\,E\,.\,J_x}{P\,.\,L^2}=\frac{10\,.\,2200000\,.\,815}{6600\,.\,300^2}=30
und in wagerechter Richtung (beide Enden eingespannt) von
S_y=\frac{4\,\pi\,.\,E\,.\,J_y}{P\,.\,L^2}=\frac{4\,.\,10\,.\,2200000\,.\,368}{6600\,.\,300^2}=13,6.
Die Zugfestigkeit im kleinsten Querschnitt ist
k_z=\frac{6600}{39}=264 kg/qcm.
Da die Biegungsbeanspruchung infolge der Schwungkraft selbst
bei hohen Geschwindigkeiten über 100 km/std. verhältnismäßig klein bleibt, so
scheint hiernach die Stange im Schaft etwas reichlich bemessen zu sein, es ließe
sich durch etwelche Verringerung des Querschnittes am Gewicht der Kuppelstange, also
auch an den rotierenden Massen noch etwas sparen.
Während bei den bisherigen Ausführungen zwecks Schonung der Gleise auf den
Ausgleich der hin- und hergehenden Massen in den Gegengewichten ganz verzichtet war,
sind diese Massen bei den Rädern der ausgestellten Lokomotive erstmalig so weit
ausgeglichen, daß die am Rade auftretende Fliehkraft 3 v. H. des ruhenden Raddruckes
beträgt, d.h. für jedes Rad
C=\frac{8500\,.\,3}{100}=255 kg.
Textabbildung Bd. 326, S. 98
Fig. 22.
Auf den Kurbelkreis bezogen (Fig.
22), kommen also von den etwa 330 kg betragenden HH-Massen einer Maschinenseite unter Zugrundelegung von 110 km
Höchstgeschwindigkeit i. d. Std. zum Ausgleich
Ma=\frac{C}{4\,.\,r\,.\,n^2\,.\,\sqrt{\frac{1}{2}\,.\,\left(\frac{a}{b}\right)^2+\frac{1}{2}}}
Ma=\frac{255}{4\,.\,0,315\,.\,5,5^2\,.\,\sqrt{\frac{1}{2}\,.\,\left(\frac{2040}{1500}\right)^2+\frac{1}{2}}}=5,6
kg.
Dieser Betrag reduziert sich im Verhältnis
\frac{\mbox{Kurbelradius}}{\mbox{Gegengewichtsabstand}} auf
das Gegengewicht zu
G=5,6\,.\,\frac{315}{830}=2,1 kg.
das ist so viel wie gar nichts, namentlich wenn man in
Betracht zieht, wie ungenau die Radstern-Gegengewichte im Stahlguß meistens
ausfallen.
Textabbildung Bd. 326, S. 98
Fig. 23.
Der große Ueberschuß an nicht ausgeglichenen hin- und hergehenden Massen muß daher
auf dem Führerhaus fühlbare Zuck- und Drehbewegungen zur Folge haben, zu deren
Abschwächung eine steife, sorgfältig ausgeführte Tenderkupplung (Fig. 23) eingebaut und die 750 mm lange, aus 12 Lagen
90 × 13 bestehende Stoßbufferfeder mit einer Spannung von 8000 kg eingebracht wurde.
Die Hauptkuppelbolzen sind durch eine Fig. 23.
kräftige Zugstange mit Gelenkbolzen miteinander verbunden; damit eine Abnutzung
durch Reibung möglichst verhindert wird, ist für gute Schmierung der Zapfen gesorgt.
Ein sattes Anliegen der Kuppelbolzen in ihren Lagern wird erreicht durch eine von
der Maschinenbauanstalt Breslau konstruierte
Ausbohrvorrichtung, welche auf Lokomotive und Tender aufgeschraubt wird. Mittels
eines entsprechend eingerichteten Zahnradgetriebes werden von einer Vertikal- oder
Horizontal-Bohrmaschine zwei Messer angetrieben, welche die Lagerung glatt,
zentrisch und genau zum Zapfen passend ausschaben.
Zum Ankuppeln des Tenders an die Lokomotive, wobei die Spannung der Feder von 8000 kg
überwunden werden muß, dient eine abnehmbare Spannvorrichtung (Fig. 24). Vor dem Einbringen wird jede Feder bei der
erwähnten Anfangsspannung durch eine besondere Einrichtung auf ihre Pfeilhöhe
geprüft und die Länge der Stoßbuffer für dieses Stichmaß eingerichtet.
Textabbildung Bd. 326, S. 99
Fig. 24.
Die Kurbelzapfen der Treibräder wurden zur Verminderung des Flächendruckes in den
Lagern verstärkt und die Länge des Treibzapfens noch dadurch vergrößert, daß der
Bund zwischen Treib- und Kuppelzapfen in Wegfall gekommen ist. Die (für innere
Einströmung) nacheilende Gegenkurbel ist in normaler Weise aufgeschraubt.
Auch die Achsschenkel sind mit 210 mm und 200 mm Länge sehr kräftig bemessen.
Zur Verminderung der wagerechten Flächendrücke, die bei dem großen
Zylinderdurchmesser bedeutend größer sind als die senkrechten vom abgefederten
Lokomotivgewicht, haben die teueren, dreiteiligen Achslager, Patent Obergethmann, Verwendung gefunden. Das Achsbuchsgehäuse
läuft auf aufgeschraubten Gleitschuhen aus Rotguß. Zur Schmierung der
Stahlguß-Bügelgleitbacken sitzen auf dem Radkasten besondere Schmiergefäße mit
Kupferröhrchen.
Die Tragfedern mit 13 Lagen 90 × 13 aus Federstahl sind auf 1300 mm verlängert, die
Biegungsbeanspruchung ergibt sich hierbei zu
k_b=\frac{P\,.\,6\,.\,l}{n\,.\,b\,.\,h^2}=\frac{3000\,.\,6\,.\,650}{13\,.\,90\,.\,13^2}=59
kg/qmm
und die Durchbiegung
f=\frac{l^2}{h}\,.\,\frac{k\,b}{E}=\frac{650^2}{13}\,.\,\frac{59}{2200000}=87
mm.
Die Federn der beiden gekuppelten Achsen sind durch
Ausgleichhebel verbunden, die Unterstützung des in den Federn hängenden
Lokomotivkörpers erfolgt also in zwei Punkten.
Die Steuerung nach Heusinger-Walschaert ist leicht, da der kleine Kolbenschieber nur geringe
Reibung verursacht. Die Umsteuerung erfolgt durch zweiteilige Rotgußmutter auf
einfacher Steuerschraube mit rechtsgängigem Flachgewinde und Kurbel. Zur
Ausbalancierung dient eine Rückziehfeder an einem kurzen auf der sehr leichten
Steuerwelle aufgekeilten Hebel zwischen den Rahmen. Die Einströmdeckung der Schieber
beträgt + 38 mm, die Ausströmdeckung – 2 mm, das lineare Voreilen 5 mm konstant. An
Stelle der sonst üblichen, im Einsatz gehärteten Flußeisen-Buchsen haben die
Steuerungsbolzen Buchsen aus Phosphorbronze erhalten.
Der Rahmen besteht aus zwei 25 mm starken
Hauptrahmen-Platten, die durch eine Reihe von Querverbindungen aus Blech sehr
kräftig abgesteift sind.
Das Drehgestell preußischer Bauart mit Plattenrahmen hat
40 mm Spiel nach jeder Seite, die Rückstellung erfolgt durch zwei Blattfedern.
Bremse. Die Luftdruckbremse, Bauart Knorr, Boxhagen-Berlin, wirkt durch einen vor der
Treibachse an der Horizontalversteifung befestigten 11'' Bremszylinder auf die
beidseitig der Kuppelräder angebrachten Bremsklötze (Fig.
25), wobei die Bremswelle schwingend aufgehängt ist. Beträgt das
Reibungsgewicht 34 t, so berechnet sich der Bremsdruck bei gewöhnlicher Bremsung mit
2 at zu
Textabbildung Bd. 326, S. 99
Fig. 25.
P=\frac{\pi}{4}\,.\,27,5^2\,.\,2\,.\,\frac{45,8}{22,1+15,8}\,.\,\left[\frac{45}{35,5}+\frac{12}{20}\,.\,\left(\frac{65,7}{22,2}+\frac{65,7}{22,2}\right)+\frac{53,3}{30}\right]
P = 1200 • 8 = 9600 kg
oder \frac{9600\,.\,100}{34000}=28,2
v.H.
und bei Schnellbremsung mit 7 at Luftdruck zu
P = 4150 • 8 = 33200 kg
oder \frac{33200\,.\,100}{34000}=97 v. H.
des Reibungsgewichtes.
Textabbildung Bd. 326, S. 99
Fig. 26.
a = linke Türe von innen gesehen; b
= Holzbelag.
Das Führerhaus mit einfachem Holzdach und Lüftungsaufbau
ist sehr kräftig gehalten und gut abgesteift. Decke und Vorderwand haben eine
Verstrebung gegen den Kesselrücken, die Vorderwand ist gerade, unter Weglassung der bisherigen
„Windschneide“, die vorderen Fenster sind mit Schutzschirm versehen. Die
seitliche Tür hat einen besonderen Türverschluß (Fig.
26), bestehend aus einem Griffhebel, der am Drehpunkt mit einer
Spiralfeder versehen ist, welche den Hebel gegen die nach innen öffnende Tür drückt.
Dieser Hebel ist zum Befahren der Krümmungen auch in wagerechter Richtung drehbar.
Die Fensterscheiben dürften mit Rücksicht auf die hohen Geschwindigkeiten eine
Glasstärke von 6–8 mm erhalten.
Die Verteilung der drei Ziehbänder an der Bekleidung des Rundkessels ist ungleich;
durch entsprechende Anordnung von nur zwei Bändern ließen sich leicht drei gleiche
Felder abteilen. Am Schornstein ist hinten ein Ansatz mit Flansch angegossen zur
Aufnahme des Abdampfrohres der Luftpumpe. Ein eigenartiges unmotiviertes Aussehen
bei allen preußischen Lokomotiven gewährt auf dem vollkommen runden Kessel der
viereckige, scharfkantige Sandkasten. Die Anbringung dieses Kastens auf dem Kessel
ist überhaupt nur bei Tenderlokomotiven mit seitlich liegenden Wasserkasten geboten,
bei den Lokomotiven mit besonderem Tender läßt sich der Sandkasten stets auf oder
noch besser unter der Plattform einbauen, wobei für die Eingußöffnung ein genügend
großer Deckel in der Plattform vorgesehen wird. Ist die Plazierung des Sandkastens
auf dem Rundkessel unbedingt notwendig wegen der Trocknung des Sandes, so sollte
doch eine runde Form gewählt werden, die bei richtiger Abstufung mit den übrigen
Rundkörpern ein architektonisches Bild erzeugt. Auch die Plattform ist infolge der
steilen Abstufung vorn unsymmetrisch, bei entsprechend geänderter Form hätten
sich beide Abstufungen, die am Führerhaus und die vordere, genau symmetrisch
ausbilden lassen.
An Sonderausrüstungen sind noch zu nennen: Ein Preßluftsandstreuer, System Knorr, eine Ruß-Ausblasevorrichtung für die
Ueberhitzerrohre, ein nicht registrierender Geschwindigkeitsmesser der Deutschen Tachometerwerke, Berlin,
Gasbeleuchtungs-Einrichtung und Dampfheizung.
Textabbildung Bd. 326, S. 100
Fig. 27.
Der Tender mit 21,5 cbm Wasserfassung und Raum für 5 t Kohlen läuft auf zwei
Drehgestellen, deren Räder mit Druckluft und von Hand durch Exterbremse beidseitig
gebremst werden. Die Bauart ist aus Fig. 27
ersichtlich.
Textabbildung Bd. 326, S. 100
Fig. 28.
Sowohl die Lokomotive als auch der Tender war äußerst sorgfältig ausgeführt, ihr
Ausstellungszustand war ausgezeichnet gut, sämtliche Rohre am Kessel waren sauber
angeordnet und ohne Knicke verlegt. Der Anstrich war wie bei allen preußischen
Lokomotiven und Tendern über der Plattform dunkelgrün lackiert, Kessel mit schwarzen
Bändern und roter Einfassung, Rahmen und Räder dagegen rotbraun gestrichen. Das
Triebwerk war blank, ebenso Buffer und Fußtrittsäulen, auch die blanken Ränder an
den Deckeln der Tenderachsbuchsen nahmen sich gut aus; alles in allem ein
harmonisches Bild, das große Sorgfalt und guten Geschmack erkennen ließ. Die
geöffnete Rauchkammertür gab dem Beschauer Einblick in die weiß gestrichene
Rauchkammer.
Leistungen. Die hier beschriebene
2B-Heißdampf-Schnellzuglokomotive hat die Aufgabe, die 2B- und
2B1-Vierzylinder-Naßdampf-Verbundlokomotiven de
Glehnscher und Hannoverscher Bauart zu ersetzen.
Es wurden daher seitens der Preußischen Staatsbahnen zahlreiche Versuchs- und
Vergleichsfahrten ausgeführt, deren Betriebsresultate eine große Ueberlegenheit
dieser Heißdampflokomotive in bezug auf Schleppleistung, Wasser- und Kohlenverbrauch
zweifellos ergeben haben. Da die mit der neuesten Bauart 1910 gemachten
Versuchsfahrten noch nicht abgeschlossen bezw. leider noch nicht bekannt sind, so
seien hier nur die Resultate zweier Versuchsfahrten aus dem Jahre 1906 (aus Garbe, Die Dampflokomotiven der Gegenwart, Verlag Julius Springer), wiedergegeben.
Diese Fahrten fanden auf der 2 × 172,5 km langen Strecke von Breslau nach Sommerfeld
und zurück im Frühjahr 1906 statt. Die Strecke ist ziemlich flach, der Scheitel in
Armadebrunn hat einen Höhenunterschied gegenüber Sommerfeld von 155 – 84 = 71 m,
gegenüber Breslau 155 – 121 = 34 m, die größte Steigung ist 1 : 200, der kleinste
Kurvenhalbmesser 550 m.
1. Fahrt. Mit einem Wagenzug von 306 t, bestehend aus
neun vierachsigen D-Wagen, wurde die ganze Strecke in 224 Minuten durchfahren,
woraus sich eine mittlere Fahrgeschwindigkeit vom 93 km/Std. ergibt.
Die Höchstgeschwindigkeit betrug 123 km/Std. Der gesamte Materialverbrauch stellte sich auf
4800 kg Kohlen und 30,8 cbm Wasser, es wurden also auf 1 qm Rostfläche
durchschnittlich 450 kg Kohlen i. d. Std. verbrannt.
2. Fahrt. Mit einem Wagenzug von 361 t, bestehend aus
elf vierachsigen D-Wagen, wurde die Strecke in 251 Minuten durchfahren, wobei sich
die mittlere Fahrgeschwindigkeit ergab zu 83 km/Std. Die Höchstgeschwindigkeit betrug
122 km/std. Materialverbrauch: 5450 kg Kohlen und 32 cbm Wasser, auf 1 qm Rostfläche
wurden also i. d. Std. 420 kg Kohlen verbrannt.
Bei diesen beiden Fahrten wurden mit 90–100 km Geschwindigkeit Dauerleistungen von
1100–1200 PSi ohne Ueberanstrengung des Kessels
erreicht, die Höchstleistung betrug nach den aufgenommenen Schaulinien (Fig. 28) 1440 PSi.
Die Füllung betrug im Mittel 0,28, die Ueberhitzung erreichte durchschnittlich
320°.
(Fortsetzung folgt.)