Titel: | Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. |
Autor: | A. Bucher |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 289 |
Download: | XML |
Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in
Brüssel 1910.
Von Ingenieur A. Bucher,
Tegel bei Berlin.
Lokomotiven.
(Fortsetzung von S. 276 d. Bd.)
Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel
1910.
25. D-Heißdampf-Güterzuglokomotive G8 der Preußischen Staatsbahn, K. E. D.
Frankfurt, Nr. 4841, mit Gleichstromzylindern und Ventilsteuerung Bauart Stumpf, gebaut 1910 von der Stettiner Maschinenbau-A.-G. Vulcan in Stettin-Bredow, Fabrik-Nr. 2572
(Fig. 120 und
121.)
Textabbildung Bd. 326, S. 289
Fig. 120 und 121. D-Gleichstrom-Heißdampf-Güterzuglokomotive der Preußischen
Staatsbahn
Wie jede Neuerung auf dem Gebiete des Eisenbahnmaschinenwesens, so erweckte diese
Maschine infolge ihrer eigenartigen Zylinder-Anordnung wohl unstreitig das
größte Interesse aller Ausstellungsbesucher und insbesondere! der
Eisenbahn-Fachleute. Die Verbesserungen im Zugförderungsdienste mit Dampflokomotiven
beruhten bisher hauptsächlich auf der Vergrößerung der Lokomotiv-Abmessungen und auf
der Anwendung der Dampfüberhitzung, während die eigentliche Dampfmaschine und deren
thermische Verhältnisse fast unverändert blieben. Der Grund für die letztere Tatsache
besteht hauptsächlich darin, daß die bisherigen Präzisions-Dampfmaschinen, wie
mehrfache Versuche ergeben haben, sich für den Lokomotivbetrieb nicht eignen.
Immerhin sind durch die allgemeine Einführung der Kolbenschieber besonders die
Dampflässigkeitsverluste erheblich vermindert worden, die Wärmeverluste infolge der
großen schädlichen Flächen in den Dampfführungskanälen sind jedoch geblieben. Durch
Verlegen der Einlaßorgane in die Zylinderdeckel und durch die Führung des Dampfes im
Gleichstrom nach der Bauart von Professor Stumpf, Charlottenburg, kann dieser Wärmeverlust
vermieden und dadurch die Wirthschaftlichkeit der Dampfmaschine erheblich erhöht
werden.
Die Erfolge dieser Bauart bei stationären Dampfmaschinen veranlaßte die Verwaltung
der Preußischen Staatsbahnen zur Anwendung von Stumpfschen Gleichstromzylindern beim Bau von zwei neuen
D-Heißdampf-Güterzuglokomotiven, die im Januar 1909 vom Vulcan in Stettin geliefert wurden. Da sich diese beiden Maschinen bei
Vergleichsfahrten mit anderen D-Güterzuglokomotiven gut bewährten, so wurde eine
dritte Maschine in Auftrag gegeben und von der Baufirma in Brüssel ausgestellt.
Diese Lokomotive, deren Gesamtanordnung aus den Fig. 120 und 121 ersichtlich ist,
unterscheidet sich von der vorher beschriebenen Nr. 24 durch den Kessel mit Schmidtschem Rauchröhrenüberhitzer, sowie durch die
Anwendung der Gleichstromzylinder und der damit nothwendigen Veränderungen einzelner
Teile, welche im nachstehenden beschrieben sind.
Der Zylinder besteht aus einem einfachen gußeisernen
Rohr mit einem Wulste und Ringschlitzen in der Mitte für die Ausströmung. Für den
Dampfeinlaß dient je ein in den Zylinderdeckel eingebautes Doppelsitzventil von 150
mm , welches nach Fig. 122 durch eine mit der
gewöhnlichen Heusinger-Steuerung verbundene
Rollenschubstange mittels Hubkurve gesteuert wird. Der Abschluß der Ventile erfolgt
kraftschlüssig durch Federn, welche sich oben gegen das als Schmiergefäß
ausgebildete Verschlußstück der Ventilhaube und unten auf den aufgeschraubten
Führungskopf der Ventilspindel stützen. Letztere ist sehr lang und dünn und wird
geführt in einem besonderen, durch die Ventilhaube auf seinen Sitz gedrückten
Gußstücke. Die Rolle ist in einer mit Oel gefüllten Ausfräsung der runden
Rollenstange gelagert, so daß auch die Hubkurve des am zylindrischen Führungskopf
befestigten Hubbogenstückes beständig im Oelbade läuft. Das Voröffnen der Ventile in
der Totlage der Kurbel bei einem linearen Voreilen der Rollenschubstange von 6,4 mm
beträgt 3,9 mm konstant, der größte Ventilhub ist 12,5 mm bei einer Einströmöffnung
von 115 qcm.
Der Dampf strömt aus dem Ueberhitzer durch die Einströmrohre in die Ventilkammern der
Zylinderdeckel und von da durch die Ventilöffnung auf kürzestem Wege in den
Zylinder, folgt hier dem Kolben arbeitleistend und tritt nach vollzogener Dehnung in
derselben Bewegungsrichtung, also im Gleichstrom durch die am entgegengesetzten Ende
des Kolbenhubes, d. i. in der Mitte des Zylinders angebrachten und vom Kolben selbst
gesteuerten Auslaßschlitze aus. Bei den Zylindern gewöhnlicher Bauart bewegt sich
der Dampf im Gegen- oder Wechselstrom, d.h. er tritt durch Schieber oder Ventile am
Kopfende des Zylinders ein, folgt arbeitleistend dem Kolben, kehrt am Hubende um und
tritt an seiner Eintrittstelle wieder aus. Dabei kühlen sich die schädlichen Flächen
durch den nassen Abdampf stark ab, was bei der nächsten Füllung eine erhebliche
Zylinderkondensation zur Folge hat.
Durch die Verbundmaschine mit mehrstufiger Dehnung ist infolge des geringeren
Wärmeunterschiedes des ein- und ausströmenden Dampfes eine entsprechende
Verminderung dieser Zylinderniederschläge erzielt worden. Diese Abkühlung der
schädlichen Flächen, die Niederschlagsverluste und die Notwendigkeit der
Stufeneinteilung werden somit durch den Gleichstrom vermieden und die
Verbundanordnung wird überflüssig. Die Auslaßschlitze im Zylinder ergeben einen
Ausströmquerschnitt von der mehrfachen Größe des durch Schieber oder Ventile
erreichbaren, die Vorausströmung beträgt 10 v. H., die Pressung also 90 v. H. des
Hubes, und zwar für alle Füllungen konstant nach Fig.
123. Zylinder und Kolben werden allerdings sehr lang, die Länge des
letzteren bestimmt sich aus dem Hub und der Vorausströmung.
Textabbildung Bd. 326, S. 290
Fig. 122.
Textabbildung Bd. 326, S. 290
Fig. 123.
A = Abschluß der Abströmung beim
Schieber. B Abschluß der Abströmung bei Gleichstrom. C = Totpunkt des Kolbens. D
= Anfang der Vorausströmung bei Gleichstrom. E = Anfang der Vorausströmung beim
Schieber. F = Zeit der Ausströmung, Gleichstrom. G = Zeit der Ausströmung,
Schieber. –––––– Ausströmquerschnitte der Gleichstromlokomotive für alle
Füllungen gleich. --------- Ausströmquerschnitte der Kolbenschieber von 150 mm
Durchmesser und bei 30 v. H. Füllung.
Der Gleichstromzylinder besteht also gewissermaßen aus zwei mit ihren Auspuffenden
zusammengerückten Einzelzylindern, in denen man sich die beiden
Dampfdruckschaulinien nach Maßgabe der großen Kolbenlänge nach Fig. 124
auseinandergezogen denken kann, während sie bei den Zylindern mit Wechselstrom
übereinanderliegen nach Fig. 125, so daß das Auspuffende der einen Schaulinie in das Einströmende
der anderen hineinreicht. Durch die mit Einströmdampf geheizten Deckel bleibt das
Kopfende des Gleichstromzylinders stets heiß, während der mittlere Zylinderteil, wo
der Kolben seine größte Geschwindigkeit hat, durch den Auspuff eine wirksame Kühlung
erfährt.
Der Kolben besteht aus drei Teilen, einem mittleren, nahtlos gewalzten Tragring
und zwei Kolbenscheiben aus Stahlformguß, die zur Schaffung des schädlichen Raumes
von 17½ v. H. als Kugelschalen ausgebildet sind und zur Dichtung je zwei Spannringe
tragen. Eine durchgehende Kolbenstange ist infolge der außerordentlich großen
Auflagefläche und des geringen spezifischen Flächendruckes nicht nothwendig. Die
Schmierung der Kolben erfolgt durch eine Oelpumpe von Michalk mit acht Oelabgaben, von denen je vier für einen Zylinder so
verteilt sind, daß zwei den Kolben von oben, die anderen beiden den großen Tragring
an je zwei Stellen von unten schmieren. Die Oelpumpe sitzt innerhalb des
Führerhauses und erhält ihren Antrieb vom Kuppelzapfen des linken Hinterrades.
Textabbildung Bd. 326, S. 291
Jeder Zylinderdeckel hat für den Leerlauf ein Luftsaugventil und eine
Druckausgleich-Vorrichtung, welche hier auf einfachste Weise aus dem Einlaßventil
selbst und dem Einströmrohr besteht. In der unteren, hohl gebohrten Ventilführung
jedes Deckels (Fig. 122) befindet sich ein loser
Bolzen, der durch eine darunterliegende, kleine exzentrische Scheibe mittels Zug vom
Führerstande aus gegen die Ventilspindel gedrückt wird, wodurch sich das
Einlaßventil öffnet. Da die Ventilerhebung durch diesen Zug 4,5 mm beträgt, die
Voröffnung im Totpunkte der Kurbel aber nur 3,9 mm, so stehen die Ventile während
des Leerlaufes der Maschine und auf Mitte gestellter Steuerung still.
Um die durch plötzliche Oeffnung großer Auslaßquerschnitte hervorgerufenen heftigen
und kurz abgerissenen Dampfschläge, sowie das damit zusammenhängende knallartige
Geräusch zu mildern, ist der Durchmesser des Ausströmrohres auf 300 mm vergrößert
worden. Die Auspuffschlitze selbst sind teils rund, teils mit spitz zulaufenden
Einschnitten zum Vorausblasen ausgeführt.
Das Mehrgewicht durch die langen Zylinder verursacht eine erhebliche Verschiebung des
Schwerpunktes nach vorn, was bei neuen Lokomotiven allerdings durch entsprechende
Verteilung der Achsen und durch Verschiebung des Kessels nach rückwärts ausgeglichen
werden kann.
Die Steuerung gleicht derjenigen der 2B-Schnellzuglokomotive Nr. 1, S. 65 d. Bd. Zum
Abheben der Ventilhauben und der Ventile ist am Rauchkammermantel je ein drehbarer
Kran mit Y-Hubschraube angebracht.
Die ganze übrige Maschine entspricht der normalen Bauart der preußischen
D-Güterzuglokomotiven.
An Sonderausrüstungen sind zu nennen: Ein Ventilregler
von Schmidt & Wagner,
eine Rauchverminderungs-Einrichtung Marcotty, ein
Dampfsandstreuer, Bauart Maas, ein Funkenfänger auf dem
Schornstein, der zugleich den Schall dämpfen soll, ferner eine Dampfbremse, ein
Pulsometeranschluß und Gasbeleuchtung von Pintsch.
Form und Anstrich. In der Grundform ähnlich wie die
vorher beschriebene Lokomotive Nr. 24, wird das sonst gute Gesamtbild wesentlich
beeinträchtigt durch die vielen, zwar sauber verlegten Rohre und Züge am Kessel,
sowie durch den Sandkasten, der unter der Plattform hätte Platz finden können. Der
Ausstellungszustand mit dem üblichen preußischen Anstrich war gut, Achsen, Bandagen
und Ausfräsungen der Triebstangen waren schwarz gestrichen, die blanken Teile jedoch
nicht besonders sauber.
Leistungen. Mit den ersten vom Vulcan gelieferten D-Gleichstromlokomotiven wurden im Februar 1909 auf der
63 km langen Strecke Grunewald–Belzig mehrfache Versuchsfahrten unternommen, die,
wie aus Tab. 10 hervorgeht, bezüglich Kohlen- und Wasserverbrauch eine große
Ueberlegenheit der Gleichstromlokomotive G 8 gegenüber der gleichzeitig ausgeprobten
D-Güterzuglokomotive G7 (Nr. 24) ergaben. Trotz der geringen Luftverdünnung in der
Rauchkammer von nur 47,6 mm Wassersäule war die Dampfentwicklung reichlich, und der
Kesseldruck konnte leicht auf 12 at gehalten werden. Die mittlere Dampfüberhitzung
betrug 324°, die Abdampfwärme im Mittel 128°.
Zu weiteren Feststellungen über die praktische Verwendbarkeit dieser neuen
Maschinengattung wurden im Sommer 1909 von vier verschiedenen, in Tab. 11
aufgeführten Typen der Gattung D je zwei Maschinen, im ganzen also acht Maschinen,
auf der Strecke Mannheim-Elm des Eisenbahn-Direktionsbezirkes Frankfurt a. M. in
einen zweimonatigen Vergleichsbetrieb mit doppelter Besatzung für Tag- und
Nachtdienst eingestellt. Bei diesen Versuchen hatten die Gleichstromlokomotiven nach
Tab. 11 den geringsten Kohlenverbrauch; Wassermessungen wurden nicht vorgenommen, da
der Gesamtwasserverbrauch bei Lokomotiven keine zuverlässigen Anhaltspunkte für den
tatsächlichen Dampfverbrauch gibt.
Infolge der günstigen Betriebsergebnisse hat die Baufirma weitere fünf Stück
D-Güterzuglokomotiven von der Kgl. Preußischen Staatsbahn in Auftrag erhalten. Auch
im Auslande sind bereits mehrere Gleichstrom-Lokomotiven gebaut worden, insbesondere
für die Moskau–Kasaner Bahn von der Kolomnaer
Maschinenfabrik, ferner zwei Stück 1D-Güterzuglokomotiven für die
Schweizerische Bundesbahn von der Lokomotivfabrik
Winterthur, zwei
Tabelle 10.
Gattungder Lokomotive
Versuchs-strecke
Länge
derVersuchs-streckekm
Zug-
GeleisteleTonnen-Kilometert
/km
Kohlenverbrauch
Wesserverbrauch
Verhältniszahlen des
sträkeAchsen
ge-wichtt
imgazenkg
auf1000 t/kmkg
imgazenkg
auf1000 t/kmkg
Kohlen-ver-brauchs
Wasser-ver-brauchs
D-Gleichstrom-Heißdampf-Lokomotive
Grunewald–Belzigund zurück
126
118
1010
126630
2550
20,14
16000
126
1,00
1,00
D-Naßdampf-Zwillings-Lokomotive
Grunewald–Belzigund zurück
126
116
1001
126126
3400
26,90
25300
200
1,335
1,587
Stück 1D-Güterzuglokomotiven für die Italienische Staatsbahn von der Filiale der
Esslinger Maschinenfabrik in Saronno b. Mailand und
ein Stück 1D-Güterzuglokomotive für die Französische Nordbahn.
Textabbildung Bd. 326, S. 292
Fig. 126 und 127. 2D-Vierzylinder-Verbund-Güterzuglokomotive der
Paris-Lyon-Mittolmeerbahn.
Tabelle 11.
Lokomotiv-Bauart
Loko-motiv-Nr.
Kohlenverbrauchin kg auf 1000
t/km
VerhältnisdesKohlen-ver-brauchs
einzelnkg
im Mittelkg
D-Gleichstrom-Heißdampf
48254826
17,1017,47
17,285
1,00
D-Naßdampf-Verbund
47074708
19,9519,23
19,59
1,14
D-Heißdampf-Kolbenschieber
48354836
20,5720,57
20,57
1,19
D-Heißdampf-Lentz- Ventil
48204821
21,9322,50
22,215
1,285
26. 2D-Vierzylinder-Verbund-Güterzuglokomotive der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn,
Betriebs-Nr. 4887, gebaut 1910 von der Société de
Constructions des Batignolles, Paris, Fabr. Nr. 4114 (Fig. 126 und 127.)
Die P. L. M.-Gesellschaft hat zur Beförderung schnellfahrender Güterzüge auf ihren
Flachlandstrecken von Paris nach Marseille in den Jahren 1907–1910 eine große Serie
von Vierkuppler-Maschinen mit vorderem Drehgestell – im ganzen 282 Stück –
beschafft, wovon die zuletzt gelieferten 120 Stück, wie die in Brüssel ausgestellte
Maschine, mit Westinghouse-Bremse und Dampfheizung
ausgerüstet sind.
Der Kessel hat tiefe Belpaire-Feuerbuchse mit stark geneigtem, zwischen den Rahmen liegendem
Rost und langem Feuergewölbe. Der Langkessel, aus zwei zylindrischen Schüssen von
17½ mm Blechstärke bestehend, enthält 146 der bei
der P. L. M. üblichen Serve-Rohre mit 65/70 mm
und acht inneren Rippen von 2,8 mm Stärke und 13 mm Höhe. Bei einer verhältnismäßig
kleinen Länge der Rohre von 4250 mm ergibt sich eine Siederohrheizfläche von 231
qm. Die Rauchkammer ist 2250 mm lang und stützt sich vorn mit der Stirnwand auf den
Innenzylindern, hinten auf dem Sattel des inneren Gleitstangenträgers. Das Blasrohr
enthält eine verstellbare Düse, der Schornstein hat zum Schutze gegen die Witterung
einen drehbaren Deckel und vorn eine Schutzhaube.
Im Gegensätze zu den bisher beschriebenen französischen Lokomotiven liegen hier die
beiden stark geneigten Hochdruckzylinder innen, die beiden wagerechten
Niederdruckzylinder außen zwischen den beiden Drehgestellrädern. Die
Triebwerksanordnung ist die de Glehnsche, jedoch mit je
zwei nicht über-, sondern nebeneinander liegenden Gleitstangen. Alle vier Zylinder
haben Kolbenschieber mit innerer Einströmung und federnden Ringen, die
Hochdruckschieber mit 220, die Niederdruckschieber mit 310 mm das
Steuerungsgestänge sowohl innen wie außen ist nach Heusinger- Walschaert.
Zum zwanglosen Durchlaufen der Gleiskurven hat das Drehgestell einen seitlichen
Ausschlag von 35 mm nach jeder Seite, die hinterste Kuppelachse ist samt den
Lagerschalen im Achsbuchsgehäuse um je 26½ mm seitlich verschiebbar, weshalb der
Zapfen im hinteren Kuppelstangenlager kugelförmig ausgebildet ist.
Die Tragfedern der ersten und zweiten, sowie diejenigen der dritten und vierten
Kuppelachse sind durch Ausgleichhebel verbunden, so daß der abgefederte
Lokomotivkörper in drei Punkten gestützt ist. Sowohl die über den Achsausschnitten
montierten Verstärkungsbleche, als auch die daraufliegenden Bügelgleitbacken sind
auf dem Rahmen aufgenietet, während die Gleitbacken in Deutschland meistens
aufgeschraubt werden.
Der Rahmen aus 28 mm Blech und 12,3 m Länge ist
einteilig und ohne Kröpfung ausgeführt. Außer der vorderen Bufferbohle aus I-Eisen,
dem hinteren Zugkastenblech und dem Hochdruckzylinderpaar ist der Rahmen kräftig
abgesteift durch sechs Querversteifungen aus Stahlguß, von denen die hintere als
Feuerbuchsträger, und zwei mittlere als Langkesselträger dienen.
Das Drehgestell mit zwischen dem Blechrahmen und den
Rädern liegenden Balanciers und Längsfedern ist um einen am inneren Zylinderpaar
befestigten, hohlen Kugelzapfen drehbar. Dieser Kugelzapfen ruht in einer um 35 mm
seitlich verschiebbaren Kugelpfanne, deren Rückstellung durch zwei geneigte
Keilflächen erfolgt. Um ein Herausspringen des Drehzapfens aus der Kugelpfanne zu
verhüten, ist vorn ein kurzes, hinten ein langes nachstellbares Hängeeisen
vorgesehen, welches das Drehgestell mit dem Hauptrahmen verbindet, ohne die
Beweglichkeit des ersteren zu hindern.
Bremse. Die von vorn auf alle Kuppelräder wirkenden
Bremsklötze erhalten ihre Bremskraft durch zwei hinten, inwendig am Rahmen
befestigte Bremszylinder, deren Luftdruck in einer zweistufigen Westinghouse-Pumpe mit gerippten Luftzylindern der
Bauart Fives-Lille erzeugt wird.
Sonderausrüstungen. Die Maschine ist ausgerüstet mit
einem Doppel-Luftsandstreuer, Bauart Gresham, der den
Sand vor die erste und zweite, oder hinter die zweite und dritte Kuppelachse führt;
ferner mit einem Galena-Sichtöler für fünf Oelabgaben.
Die Kesselspeisung besorgen zwei Sellers-Injektoren Nr.
8½ und 9½ mit zwei rechts vorn nebeneinander sitzenden Speiseventilen. Die
konzessionierte Fahrgeschwindigkeit, zu deren Aufzeichnung ein Flaman-Tachometer dient, beträgt 75 km/Std., was bei
einem Treibraddurchmesser von 1500 mm einer minutlichen Umdrehungszahl von 266
entspricht.
Form, Anstrich. Die in schlanken Formen gut ausgeführte
Maschine hatte dunkelgrünen Anstrich, lackiert, mit blanken Messing-Ziehbändern und
blankem Gestänge, Bandagen schwarz, Radsterne graublau gestrichen.
Leistungen. Die im August 1908 mit Maschine Nr. 4742 auf
der 56 km langen Strecke von Monterau nach Saint Julien-du-SaultRevue générale des chemins de fer 1910 II.
Seite 231. eingehend durchgeführten Versuchsfahrten, deren
Ergebnisse in Tab. 12 zusammengestellt sind, ergaben bei 50 km Geschwindigkeits/Std.
maximale Dauerleistungen von 1056 PSi, resp. 807
PSe am Tenderzughaken.
Tabelle 12.
Datum
Zuggewichtin t
Gesamt-gewicht in t
V in km/Std.
Leistungin PSi
11. 8. 08
918
1034
50
689
13. 8. 08
1210
1326
50
830
12. 8. 08
1503
1619
50
1056
(Fortsetzung folgt.)