Titel: | Die Grenzschicht an einem in den gleichförmigen Flüssigkeitsstrom eingetauchten geraden Kreiszylinder. |
Autor: | K. Hiemenz |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 344 |
Download: | XML |
Die Grenzschicht an einem in den gleichförmigen
Flüssigkeitsstrom eingetauchten geraden Kreiszylinder.
Von K. Hiemenz.
(Fortsetzung von S. 324 d. Bd.)
Die Grenzschicht an einem in den gleichförmigen Flüssigkeitsstrom
eingetauchten geraden Kreiszylinder.
II. Experimentelles.
1. Apparate und
Instrumente.
Bei den Experimenten war der allgemeine Gedanke der, die Strom- und
Druckverhältnisse in einem möglichst leicht realisierbaren Falle zu untersuchen,
und als solcher bietet sich naturgemäß der eines geraden Kreiszylinders, welcher
in eine gleichförmige Strömung eingestellt ist. Um die Druckverteilung entlang
seiner Wand zu messen, genügt ein einziges Bohrloch in der Zylinderwand, da man
es durch Drehung des Zylinders um seine Achse auf jede beliebige Erzeugende
des Zylindermantels bringen kann.
Zur Erzeugung der Strömung diente ein hydrodynamischer Versuchsapparat, dessen
Abmessungen in Fig. 4 bis 6 angegeben sind. Er besteht aus einem großen mit
verbleitem Eisenblech ausgeschlagenen Holztrog von 3500 mm Länge, 1100 mm Breite
und 500 mm Tiefe. In der einen Ecke steht auf dem Boden eine Kreiselpumpe mit
senkrechter Achse. Diese Achse erhält ihren Antrieb von einem auf dem seitlichen
Tische aufgestellten kleinen Elektromotor von etwa ½ PS, der seine Bewegung zunächst durch
ein Schneckenvorgelege auf eine senkrechte Achse und von da mittels Kettentrieb
auf die Pumpenachse überträgt. Von der Pumpe gelangt das Wasser durch einen sich
keilförmig erweiternden Kanal in die offene Rinne R, wird innerhalb derselben durch die beiden in die Ecken
eingestellten Umlenker U1 und U2
zweimal rechtwinklig umgelenkt.
Textabbildung Bd. 326, S. 345
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 326, S. 345
Fig. 5.
Diese Umlenker bestellen je aus einer Reihe geeignet aus
Blech gebogener Schaufeln, die in gleichen Abständen voneinander oben und unten
an kräftige Blechstreifen angelötet sind. Hinter den Umlenkern tritt das Wasser
in den Siebkasten, der vier auf Rahmen von Bandeisen aufgezogene feinmaschige
Siebe S1, S2, S3, S4 enthält. Die
Siebe dienen dazu, die Strömung gleichmäßig zu machen. Nach dem Verlassen der
Siebe tritt das Wasser in einen Kanal ein, der sich an beiden Seiten und am
Boden verjüngt. Der Wasserstrom wird also zusammengeschoben und beschleunigt. An
dieses Stück schließt sich ein Kanal von rechteckigem Querschnitt an, den nun
das Wasser mit gleichförmiger Geschwindigkeit durchläuft. Dieser letzte Kanal
mündet in den freien Trograum, von wo das Wasser durch die in dem oberen
Pumpendeckel angebrachte Saugöffnung der Pumpe wieder zuläuft. Alle
Kanalteile sind aus kräftigem Eisenblech hergestellt und durch Oelfarbenanstrich
vor der Einwirkung des Wassers geschützt. Die Beite dieses letzten Kanalstücks
betrug 400 mm, die Tiefe 290 mm. Bei Versuchen betrug die Wasserhöhe im Trog
etwa 470 mm, im letzten Kanalstück etwa 230 mm. Der an den Siebkasten
anschließende Gerinneteil kann ausgewechselt und durch ähnliche Teile von
anderen Abmessungen ersetzt werden. In den Wänden des Troges sind bei O1 und O2 rechteckige
Auschnitte ausgespart, um gegebenenfalls bei späteren Gelegenheiten den Kanal
durch sie hindurch weiterführen zu können.
Einige Einrichtungen, die zur Vergleichmäßigung der Strömung dienten, seien hier
gleichfalls beschrieben. Beim Arbeiten des Apparates bildete sich regelmäßig
über der Einlauföffnung ein großer Hohlwirbel, so daß eine Menge Luft in die
Pumpe gelangte. Um diesen Wirbel zu zerstören, wurde eine Leitvorrichtung
gebaut. Sie besteht aus 16 radial über der Pumpöffnung angeordneten Segmenten
aus verzinktem Eisenblech, die auf eine Grundplatte festgelötet sind. Zum
bequemen Einbau ist die Leitvorrichtung in zwei Hälften gespalten. Auf der Fig. 6 ist sie unter dem Motortisch zu sehen. Zur
Verteilung des von der Pumpe gelieferten Stromes diente der in den keilförmigen
Kanal eingestellte Verteiler, der aus zwei senkrecht und drei quer dazu
angeordneten Blechen besteht (Fig. 5a). Die
überstehenden Enden sind eingeschnitten und können verbogen werden, so daß man
leicht die durch die einzelne der zwölf Abteilungen fließende Wassermenge
regulieren kann.
Zur Messung von Wassergeschwindigkeit und ihrer Richtung wurden ein Pitotrohr und
eine Stauscheibe benutzt; die Abmessungen sind aus Fig. 7–9 ersichtlich. Zur bequemen
Handhabung waren beide auf Schlittenstativen befestigt.
Textabbildung Bd. 326, S. 345
Fig. 5a.
Als Druckanzeiger wurde zuerst ein Instrument benutzt, das aus einer ∩-förmig
gebogenen Glasröhre (Fig. 8) von etwa 12 mm
Weite mit oben angeschmolzenem Glasbehälter bestand. Um in beliebiger Höhe über
dem Wasserspiegel Beobachtungen zu ermöglichen, konnte die Luft aus dem
Glasbehälter weggesaugt werden. Das Instrument wurde zum Teil nur mit Wasser
gefüllt benutzt. Da aber bei den im hydrodynamischen Apparat erzielbaren
Geschwindigkeiten die Druckdifferenzen nur sehr gering ausfielen, wurde zur
Erreichung größerer Genauigkeit Oel über Wasser gebracht, eine Anordnung, die
mehrfach im
Gebrauch ist. Als Füllöl diente teils Fenchelöl, teil sehr gut gereinigtes
Petroleum, teils eine Mischung von beiden. Die Erfahrungen, die bei Verwendung
von Oel gemacht wurden, sind nicht günstig. Selbst nach einer intensiven
Reinigung waren die Menisken zwischen Wasser und Oel immer nur kurze Zeit gut,
und sobald der Meniskus an Stellen kam, an denen einige Zeit lang vorher Oel
gestanden hatte, wurde er schlecht, fing an hängen zu bleiben und kleine
Tröpfchen hefteten sich an der Glaswand fest. Dann mußte das Oel wieder
herausgenommen und das Instrument gereinigt werden. Für Versuche von einigen
Stunden Dauer war es nicht zu brauchen.Vergl. Gardner S. Williams, Clarence W.
Hubbell und George H. Fenkell:
Experiments at Detroit, Mich, on the effect of curvature upon the flow
of water in pipes. Transactions of the American Society of Civil
Engineers, Vol. 47, April 1902. New-York 1902.Die umfangreiche Abhandlung – die Arbeit selbst umfaßt 196 Seiten, die
anschließende Diskussion über 170 Seiten – enthält sehr ausführliche
Mitteilungen über die von den Verfassern benutzten Meßinstrumente,
verschiedene Formen von Pitotröhren und Oelhebern als Druckanzeigern.
Als Füllöl diente in der Regel Petroleum. Von einem störenden Haften des
Oels an der Rohrwand wird nicht berichtet.Vergl. weiter Dankwerts, Oelheber zur
Messung geringer Wassergeschwindigkeiten. . . Zentralblatt der
Bauverwaltung 19. (1909) Nr. 13, enthält die Schilderung eines sehr
praktischen nach Angaben des Verfassers konstruierten Oelhebers, Hier
ist erwähnt, daß das Oel nach längerem Gebrauch zu haften
beginnt.
Textabbildung Bd. 326, S. 346
Fig. 6.Hydrodynamischer Apparat.
Textabbildung Bd. 326, S. 346
Fig. 7.
Textabbildung Bd. 326, S. 346
Fig. 8.Pitot-Rohr in Verbindung mit den Hebermanometer.
Dieses Instrument wurde von mir jedoch nur zu Vorversuchen verwendet. Für die
endgültigen Messungen dagegen diente ein Mikromanometer, das nach Angaben von
Prof. Prandtl von der Firma Fuess in Berlin-Steglitz ausgeführt wurde. Der Konstruktion liegt ein
Gedanke zugrunde, der wiederholt bei Zugmessern, Mikromanometern für Gasdruck
und ähnlichen Instrumenten benutzt wurde: an Stelle des senkrechten Ableserohrs
ein schwach geneigtes anzubringen, wodurch die Empfindlichkeit des Instruments
bedeutend erhöht wird. Man erhält das Prandtlsche
Instrument aus dem Mikromanometer für Luft (etwa der Krellschen Bauart), indem man Luft und Flüssigkeit und gleichzeitig
oben und unten vertauscht. Daraus ergibt sich das schematische Bild des
Manometers (Fig. 10). Will man mit dem
Instrument etwa Wassergeschwindigkeiten messen, so verbindet man den Topfstutzen
mit dem einen Rohr einer Pitotröhre, den Meßrohrstutzen mit dem anderen Rohr und
erhält einen Ausschlag des Meniskus in der Meßröhre. Vertauscht man die
Verbindungen, so erfolgt der Ausschlag in entgegengesetzter Richtung. Schließt
man beide Stutzen gleichzeitig an dasselbe Rohr an, so tritt Ausspiegelung
zwischen dem Wasser im Topf und in der Meßröhre ein. Die Einstellung wird dabei
verschieden sein, je nachdem man die beiden Schläuche mit dem Nullrohr (dem zu
den Seitenbohrungen führenden) oder dem Geschwindigkeitsrohr verbunden hat. Betragen
jedoch die Druckdifferenzen zwischen Null- und Geschwindigkeitsrohr wenige mm
Wassersäule, und ist der Druck der in dem Topf eingeschlossenen Luft nicht sehr
verschieden vom äußeren Luftdruck, dann ist die Differenz der
Meniskuseinstellungen für die beiden Ausspiegelungen praktisch unmerklich, wie
eine überschlägige Rechnung zeigt.
Textabbildung Bd. 326, S. 347
Fig. 9.Stauscheibe.
Die Einzelheiten und Abmessungen der Prandtlschen
Konstruktion sind aus den Fig. 6, 11 und 12 zu
entnehmen.Der auf den
Topfdeckel aufgesetzte kleine zylindrische Topf sollte gegebenenfalls
zur Einfüllung von Oel in das Instrument dienen. Bei den Versuchen des
Verfassers wurde das Manometer nur mit Wasser allein gefüllt
benutzt.Die
Konstruktionszeichnung wurde mir von der Firma Fuess zur Verfügung gestellt. Zunächst ist an dem
Instrument die Neigung der Meßröhren veränderlich gemacht, um die
Empfindlichkeit variieren zu können. Weiter ist durch einen Hahn mit mehrfacher
Bohrung (der untere Hahn an der Hahnsäule) dafür gesorgt, daß die verschiedenen
Verbindungen der Meßstellen mit dem Topf und dem Ableserohr bequem hergestellt
werden können. Ein zweiter Hahn (der obere Hahn der Säule) ermöglicht ein
rasches Füllen des Instruments und der Anschlußschläuche aus einem höher
gestellten Wassergefäß. In Fig. 13 ist die
Hahnsäule mit ihren fünf Schlauchanschlußstutzen skizziert. a1 ist mit dem
Topfstutzen, a2 mit
dem Meßrohrstutzen verbunden. An a3 und a4 sind die Schläuche, die zu den Meßstellen
führen, angeschlossen; von a5 führt ein Schlauch zu einem hochgestellten
Wassergefäß. Steht der obere Hahn auf 0 oder 2, so ist das Instrument gegen
das Wassergefäß abgeschlossen. Dreht man dann den unteren Hahn in die vier mit
0, 1, 2, 3 bezeichneten, um je 90°
auseinanderliegenden Stellungen, so erhält man dadurch der Reihe nach folgende
Verbindungen der Stutzen a1 bis a4:
Zeiger des Hahnes auf 0 verbindet
a1 mit a3, a2 mit a4 (Ausschlag),
Zeiger des Hahnes auf 1 verbindet
a1 mit a2 und a3
(Ausspiegelung),
Zeiger des Hahnes auf 2 verbindet
a1 mit a4, a2 mit a3 (Ausschlag),
Zeiger des Hahnes auf 3 verbindet
a1 mit a2 und a4
(Ausspiegelung).
Für die Füllung des Instruments kommen wesentlich vier
kombinierte Hahnstellungen in Betracht, die hier ebenfalls kurz angegeben
sind.
Textabbildung Bd. 326, S. 347
Fig. 10.
Textabbildung Bd. 326, S. 347
Fig. 11.
Zeiger des unteren Hahnes auf 1,
des oberen auf 1 verbindet a5 mit a1, a2, a3;
Zeiger des unteren Hahnes auf 3,
des oberen auf 3 verbindet a5 mit a1, a2, a4;
Zeiger des unteren Hahnes auf 1,
des oberen auf 3 verbindet a5 mit a3; a1 mit a2, a4;
Zeiger des unteren Hahnes auf 3,
des oberen auf 1 verbindet a5 mit a4; a1 mit a2, a3.
Bei der Füllung des Instruments verfährt man
zweckmäßig so, daß man zunächst die beiden Verbindungsschläuche nach den
Meßstellen einzeln füllt und dann durch Quetschhähne verschließt. Hierauf füllt
man Topf, Meßrohr und Instrumentenschläuche, öffnet die Quetschhähne und hat nur
noch Sorge zu tragen, daß der Meniskus an der gewünschten Stelle einsteht. Zu
diesem Zwecke öffnet man den Deckelhahn und läßt das überschüssige Wasser durch
einen der Meßschläuche ablaufen. Es empfiehlt sich dabei, den
Verbindungsschlauch des Meßrohrstutzens mit a2 abzuquetschen, von Zeit zu Zeit den Deckelhahn
zu schließen und ausspiegeln zu lassen.
Textabbildung Bd. 326, S. 348
Fig. 12.Mikromanometer und Versuchsrinne.
So erreicht man rasch die gewünschte Einstellung. Im
anderen Falle würde das kleine Volumen des im Meßrohr enthaltenen Wassers
bereits verschwunden sein, wenn sich der Wasserspiegel im Topf noch kaum gesenkt
hat. Schließt man den Deckelhahn, sobald der Meniskus am Ende der Röhre
angelangt ist, so wird infolgedessen der Meniskus nur sehr wenig seine
Einstellung ändern, und man müßte das Verfahren häufig wiederholen, um eine
merkliche Verschiebung der Ruhelage des Meniskus hervorzubringen.
Textabbildung Bd. 326, S. 348
Fig. 13.
Als Füllwasser diente in der Regel ausgekochtes Leitungswasser, nur in
vereinzelten Fällen gut abgestandenes Leitungswasser. Beim Gebrauch des
Instruments wurde darauf geachtet, daß der Meniskus stets von oben her sich
seiner Ruhelage näherte. Denn er bildet sich regelmäßiger aus, wenn er bei der
Einstellung über unmittelbar vorher von Wasser benetzte Teile der Rohrwand
gleitet. Unreinigkeiten der Glasröhre, über die der Meniskus beim Absinken noch
völlig ungestört hinweggeht, machen sich beim Ansteigen schon stark durch Haften
und schlechtes Benetzen der Rohrwand bemerkbar. Man hat in dieser Tatsache eine
feine Kontrolle für die Reinheit der Meßröhre und damit ein zuverlässiges
Arbeiten des Instruments. Zeigten sich solche Störungen, so wurde die Meßröhre
gereinigt. Als Reinigungsmittel bewährte sich sehr gut eine erwärmte. Lösung von
Kaliumbichromat und konzentrierter Schwefelsäure. Zum Zwecke der Reinigung wurde
die Röhre aus dem Instrument herausgenommen, eine kleine Menge der erwärmten
Lösung in sie eingefüllt, danach längere Zeit mit durchfließendem Leitungswasser
kräftig nachgespült, die Meßröhre wieder eingesetzt, auf ihre Reinheit geprüft
und gegebenenfalls das gleiche Verfahren wiederholt, bis die gewünschte Reinheit
erreicht war.
(Fortsetzung folgt.)