Titel: | Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und Anwendung. |
Autor: | Dierfeld |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 362 |
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Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und
Anwendung.
Von Regierungsbaumeister Dierfeld.
(Schluß von S. 333 d. Bd.)
Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und
Anwendung.
Mit gutem Erfolge hat man auch in den genannten Ländern die Achsbuchsen der
elektrischen Straßenbahnwagen und Eisenbahnwagen mit Rollenlagern ausgerüstet. In
Fig. 99 u. 100 sehen wir eine
derartige Achsbuchse für elektrische Straßenbahnen der Empire Roller Bearing Co., London. Die Buchse ist ungeteilt, der
Rollenkorb herausziehbar; die Rollen laufen auf gehärteten Stahlbuchsen im Oelbade.
Nach Angaben der Firma werden bei Anwendung ihrer Lager auf Eisenbahnen 10 v. H.
Kohle, bei Straßenbahnen 15–20 v. H. Strom erspart. Interessante Versuche über
Stromverbrauch usw. von Straßenbahnwagen, die mit Rollen- und Gleitlagern versehen
waren, stellte die technische Abteilung der Universität in Syracuse an.
Textabbildung Bd. 326, S. 362
Der eine Wagen war mit Rollenlagern der Standard Roller
Co. (ähnlich wie in Fig. 99 und 100) ausgerüstet und
schon 4½ Jahre im Betriebe, der andere Wagen mit Bronzegleitlagern versehen. Die
Wagen verkehrten regelmäßig auf einer ungefähr 5 km langen Strecke, die ganz gerade
ist, bis auf eine Kurve von 90°. Zahlreiche genaue Messungen der Geschwindigkeit und
des Stromverbrauchs während längerer Zeit hatten (zusammengefaßt) folgendes
Ergebnis:
Rollenlager (20 Pers. Last)
Gleitlager (19 Pers. Last)
Zeitin Min.
Stromverbr.in KW-Std.
Zeitin Min.
Stromverbr.in KW-Std.
Hinfahrt
18,1
1,94
19,1
4,42
Rückfahrt
16,7
1,16
16,1
2,03
Gesamt
34,8
3,10
35,2
6,45
Textabbildung Bd. 326, S. 362
Fig. 101.
Die Stromersparnis ist außerordentlich; besonders angenehm war das sanfte allmähliche
Anfahren des Wagens mit Rollenlagern. Der Oel verbrauch dieser Rollenlager gegen
Gleitlager war sehr gering, ebenso die Abnutzung, denn nach 4½ Jahren Betriebszeit
waren die Rollenlager noch in gutem Zustande und vollkommen betriebsfähig. Die
Rollen waren etwas kleiner im Durchmesser geworden (um 0,13–0,2 mm), andere Zeichen
von Abnutzung waren nicht zu bemerken. Infolge des geringen Reibungswiderstandes der
Rollenlager können schwächere Motoren verwandt werden, das Gesamtgewicht des Wagens
wird dann kleiner, und ebenso die Abnutzung an Wagenteilen und Schienenweg.
Eine besondere Klasse stellen die Lager der Hyatt Roller
Bearing Co., Newark N. Y., dar. Diese Firma verwendet in der Annahme, daß
durch Fehler in der Montage, der Herstellung der soliden Rollen, durch Verbiegung
der Welle, diese Rollen nicht auf ihrer ganzen Länge tragen, biegsame Rollen nach
Fig. 101, die aus spiralig gewundenem Stahlband
bestehen. Je nach Belastung und Tourenzahl wird die Dicke und Breite des Stahlbandes
bestimmt. Diese Rollen schmiegen sich ganz der Welle an, verteilen also die Last
gleichmäßig und wirken gewissermaßen wie kleine Oelbehälter; besonders eignen sich
diese Lager für staubige Orte wie Mühlen, Zementfabriken, da die hohlen Rollen, wie
durch Versuche erwiesen, den etwa eintretenden Staub durch die Lücken nach innen
drängen, wo er nicht im Wege ist, und die Reibung vergrößern kann. Um den
Reibungswiderstand der biegsamen und soliden Rollen zu vergleichen, wurde folgender
Versuch gemacht: Je vier Hyatt-Rollen und vier solide
Stahlrollen von gleichen Abmessungen (19 × 250 mm) wurden zwischen drei Platten
gelegt, wie Fig. 102 andeutet; dann wurde die obere
Platte A belastet, die mittlere Platte B herausgezogen und dabei der Reibungswiderstand
gemessen. Es ergab sich:
Gesamtdruck in kg
Widerstand der Platte B in kg
Hyatt
solide
900
4,0
11,7
1350
7,6
15,3
Textabbildung Bd. 326, S. 362
Fig. 102.
Der hohe Druck wurde von den Spiralrollen ohne bleibende Veränderung ertragen. Nun
entsprechen diese Verhältnisse allerdings nicht der Wirklichkeit, doch hatten
VersucheEngineering Review,
Februar 1906. mit kompletten Hyatt-Lagern im Vergleich zu soliden Rollenlagern auch ein ähnliches Ergebnis,
indem die Hyatt-Lager ungef. 23 v. H. weniger Reibung
verursachten als gewöhnliche Rollenlager. Im Versuchslaboratorium des Bradford
College wurden im Januar 1909 eine Reihe von Versuchen über den Reibungswiderstand
von Hyatt-Lagern im Verhältnis zu gewöhnlichen
Gleitlagern angestellt. Ein Lager jeder Kategorie in der Größe 240 × 65 mm wurde bei
Tourenzahlen von 255
bis 485 Min. Belastungen von 80–480 kg unterworfen; bei diesen geringen
Lagerdicken war der Reibkoeffizient des Gleitlagers im Durchschnitt ungef. dreimal
so groß als der des Hyatt-Lagers. Dann wurden kleinere
Lager (140 × 38 mm) bei denselben Tourenzahlen und Belastungen untersucht, wobei
sich ergab, daß der Reibkoeffizient des Gleitlagers nur im Durchschnitt 1¾ mal so
groß als der des Hyatt-Lagers war. Die Ergebnisse der
letzten Versuche sind in Fig. 103 in Kurvenform
verzeichnet, wobei als Abszissen die Last in kg/qcm, als Ordinaten die jeweiligen
Reibungskoeffizienten aufgetragen sind.
Textabbildung Bd. 326, S. 363
Fig. 103.
Textabbildung Bd. 326, S. 363
Fig. 104.
Textabbildung Bd. 326, S. 363
Fig. 105.
Die Konstruktion des Hyatt-Lagers
unterscheidet sich nicht wesentlich von der eines gewöhnlichen Rollenlagers. Es
besteht aus einem Stahlkäfig (Fig. 104), auf dessen
Zapfen hintereinander je eine rechts- und linksgewundene Spirale sitzen. Dies hat
den Zweck, das Oel nach beiden Richtungen im Lager zu verteilen. Der Käfig mit
Rollen läuft in einer einseitig geteilten Buchse aus Federstahl (Fig. 105), die sich nach dem Einbiegen in das
Lagergehäuse selbsttätig federnd anpreßt. Die Schlitzweite beträgt normal 3 mm; im
Lagergehäuse schließt sich der Schlitz fast ganz. Gewöhnlich wird innen auf die
Welle auch eine Stahlbuchse gesetzt. Für besondere Fälle, meistens
Transmissionen, werden zwecks leichterer Montage auch die Stahlbuchsen und Käfige
zweiteilig ausgeführt; in Fig. 106 sehen wir ein
derartiges Lager gehäuse. Außer für Transmissionen wurden diese Lager auch für
größere Dampf- und Gasmaschinen mit Erfolg angewandt; sie sind (mit einteiliger
Buchse) in großem Maßstabe normalisiert und in Ausführungen bis 7000 kg-Last f. d.
Lager bei kleineren Tourenzahlen, aber auch bei geringeren Belastungen für
Tourenzahlen bis 1500 i. d. Min. zu haben.
Textabbildung Bd. 326, S. 363
Fig. 106.
Textabbildung Bd. 326, S. 363
Fig. 107.
Textabbildung Bd. 326, S. 363
Fig. 108.
Die Timken Roller Bearing Co., Canton, Ohio, baut sogen.
konische Rollenlager (Fig. 107 und 108) die gleichzeitig Radial- und Achsialbelastungen
aufnehmen können, und zwar ein kurzes Lager, das gegen normale Kugellager
auswechselbar ist, und ein längeres Lager für größere Lasten. Das kurze Lager
besteht aus einem inneren Konus (Fig. 107) mit zwei
Rippen, einem gepreßten Stahlkäfig zur Aufnahme der Rollen und einem äußeren
Mantelkonus. Die konischen Rollen aus Nickelstahl sind an der Innenseite mit Nuten
versehen, die sich auf der Innenrippe des Konus führen, während das stumpfe Ende der
Rollen sich gegen die Außenrippe stützt. Die Seitenwände der Rollennuten sowie die
Endflächen der Rollen legen sich gegen die Seitenwände der Rippen und nehmen den
seitlichen Druck auf, während die Rollen den Innenkonus nur zwischen den beiden
Rippen berühren. Das lange Timken-Lager ist ähnlich
gebaut, nur haben die Rollen außen ebenfalls eine Nut (Fig. 109), die über die Außenrippe greift. Diese Lager sind auch
nachstellbar; der äußere Konus wird stramm passend eingebaut, während der Innenkonus
leichtgehend auf die Welle gesetzt wird. Hat sich das Lager abgenutzt, so wird der
Innenkonus etwas weiter vorgetrieben. Die Firma gibt den Reibkoeffizient ihrer Lager
zu 0,00125–0,0025 an, was in der Tat sehr niedrig wäre und jedenfalls eine sehr
genaue Herstellung und Montage erfordert. Auch diese Lager sind normalisiert, sie werden bis
2300 kg Last und bis 1000 Umdrehungen i. d. Min. bei kleiner Belastung ausgeführt.
Aehnliche Lager baut auch die Standard Roller Co., nur
ist der Käfig etwas anders ausgebildet, da er die Rollenenden umfaßt (siehe Fig. 110), und die Nuten an den Rollen fehlen, indem
die konischen Rollenenden sich direkt gegen die Schulter der inneren Laufbuchse
legen.
Textabbildung Bd. 326, S. 364
Fig. 109.
Textabbildung Bd. 326, S. 364
Fig. 110.
Textabbildung Bd. 326, S. 364
Fig. 111.
Besonders werden diese konischen Lager im Automobilbau angewandt; eine Anzahl
amerikanischer Konstrukteure gebrauchen diese Rollenlager an allen Teilen des
Automobils. So findet man mit Timken-Lagern
ausgerüstete Geschwindigkeitsgetriebe. In den Wellen dieses Getriebes treten keine
starken achsialen Beanspruchungen auf, so daß man hier ein konisches Lager
eigentlich nicht brauchen würde. Besonders am Platze ist es bei der
Vorderradnabenlagerung (Fig. 111), wo durch
Wegunebenheiten sehr starke seitliche Stöße entstehen, oder bei dem Kegelradantrieb
der Hinterachse mit seinen großen achsialen Drucken. Für sehr große, rein achsiale
Beanspruchungen ist das Drucklager (Fig. 112) der
Standard Roller Co. gebaut; hierbei mußten die
Rollen unterteilt werden, da die Umfangsgeschwindigkeiten je nach Entfernung vom
Mittelpunkt verschieden sind. Das Lager besteht aus zwei ebenen gehärteten
Stahlplatten, zwischen denen die Rollen gegeneinander versetzt in einem Bronzekäfig
rotieren. Links in Fig. 112 ist ein Querschnitt
durch den Rollenkäfig gezeichnet, aus dem auch die Oelzuführung ersichtlich ist. Die
Rollen sind an den Enden kugelig ausgebildet, um die Reibung untereinander zu
vermeiden; da während des Betriebes eine stete Neigung der Rollen besteht, nach
außen zu wandern, sitzen an den Rollenenden Kugeln zur Aufnahme dieses Druckes,
die bei kleinen Tourenzahlen fortgelassen werden. Theoretisch ist diese
Lagerkonstruktion falsch, da die Rollen wegen der verschiedenen
Umfangsgeschwindigkeit ecken müssen, doch beweisen die folgenden Anwendungen das
Gegenteil. Es sind nämlich seit einigen Jahren derartige Drucklager von
ungewöhnlichen Abmessungen (125 cm ) der Standard
Roller Co. an den 5500 PS-Generatoren der Niagarafälle eingebaut. Das
rotierende Gewicht, das ein Lager belastet, beträgt normal 70 t bei 250 Umdr. i. d.
Min., kann aber durch besondere Verhältnisse leicht auf 125 t bei 500 Umdr. steigen.
Vor dem Einbau der Rollenlager waren mächtige Gußeisenspurlager angeordnet, deren
jedes zur Schmierung eines Satzes von dreifachwirkenden Oelpreßpumpen benötigte.
Wenn eine Pumpe versagte, was öfter vorkam, brannten die Gußeisenschalen sehr
schnell aus; dies verursachte immer eine Betriebsstörung von ungef. 24 Stunden. Um
das Spurlager zu entlasten, kann das Gewicht des Generators zum Teil durch einen
Kolben ausgeglichen werden, auf dessen Fläche Wasser von 4 at drückt.
Textabbildung Bd. 326, S. 364
Fig. 112.
Textabbildung Bd. 326, S. 364
Fig. 113.
Wenn im Winter jedoch durch starken Frost die Röhren innen
vereisten oder ganz zufroren, wurde der Wasserzufluß zum Ausgleichskolben
aufgehalten, und das Spurlager muß den vollen Druck (etwa 125 t) aushalten. In
solchem Falle verbrannte das Gußeisenlager in 1 Minute und verursachte große
Betriebsstörungen. Wie schon oben betont, sind jetzt seit einigen Jahren Rollenlager
eingebaut, die sich sehr gut bewährten, nur 1/10 des früher verbrauchten Oeles nötig haben und nie zu
Betriebsstörungen Anlaß gaben. Um diese Lager zu prüfen, wurden während längerer
Zeit plötzliche Steigerungen von Tourenzahl und Belastung vorgenommen, wobei sich
die Lager gut bewährten; ja einmal mußten diese Lager während 4 Stunden unter vollem
Druck (125 t) laufen und waren nachher nicht abgenutzt und vollkommen betriebsfähig.
Derartige Rollendrucklager hat die Standard Roller Co.
ausgeführt für 85 t Last bei 1200 Umdr.; das größte Lager wog 3,4 t und lief mit 100
Umdr. bei einer Last von 675 t.
Viel angewandt werden diese Drucklager auch für die Propellerwellen der
Schraubendampfer, nur sind sie dann gewöhnlich nach Fig.
113 geteilt ausgebildet. Früher wurden zur Aufnahme des Propellerdruckes
mehrere gußeiserne wassergekühlte Platten mit Weißmetallbelag angeordnet. Die
Notwendigkeit der Kühlung und des Weißmetallbelages, an dem oft die Propellerwelle
„festklebte“, bedingte einen beträchtlichen Kraftverlust und viele
Unzuträglichkeiten, die durch Einbau von Rollenlagern beseitigt wurden. So wurde
sehr viel Oel gespart, das Schiff lief ohne Vibrationen und mit größerer
Geschwindigkeit; durch Versuche wurde unter anderen Beispielen auf einem Dampfer mit
3500 PS Maschinen festgestellt, daß seit Einbau der Rollenlager 4–5 t Kohle f. d.
Tag gespart, während die Tourenzahl der Maschinen um 8 v. H. gesteigert wurde.
Besonders hervorzuheben ist die geringe Wartung, die diese Lager den alten
Drucklagern gegenüber erfordern.
Textabbildung Bd. 326, S. 365
Fig. 114.
In Fig. 114 sehen wir einen Schnitt durch ein
Drucklager für Propellerwellen; die Zeichnung ist leicht verständlich. Um
Anfressungen der Propellerwelle durch die gehärteten Stahldruckplatten zu verhüten,
werden diese innen mit Buchsen aus Phosphorbronze versehen. Kombinierte Rollenlager
für Radial- und Achsialbeanspruchung sind in Fig.
115 und 116 dargestellt. Fig. 115 zeigt den Fuß einer Kransäule; unten ist
eine kugelige Unterlagsplatte angeordnet, damit das Drucklager kleinen seitlichen
Verschiebungen der Kranachse folgen kann und der Druck gleichmäßig verteilt wird.
Das ganze Lager läuft in einem Oelbade, bemerkenswert ist die obere Abdichtung
gegen Staub. In Fig. 116 sehen wir ein sehr schweres
Lager für den Zapfen einer Drehbrücke, das keiner weiteren Erläuterung bedarf.
Textabbildung Bd. 326, S. 365
Fig. 115.
Die Standard Roller Co. baut auch konische
Rollendrucklager, bestehend aus zwei schwach konischen Platten von gehärtetem Stahl
und konischen Rollen, die in einem Käfig vereinigt sind. Die Rollen berühren sich
nicht untereinander; an jedem Ende einer Rolle ist eine Kugel eingesetzt, um die
Rollen vollkommen achsial zu halten und dem natürlichen Bestreben der konischen
Rollen, nach außen auszuweichen, entgegenzuwirken. Trotzdem diese Lager theoretisch
richtiger konstruiert sind, als die Drucklager mit zylindrischen Rollen, haben sich
letztere in der Praxis entschieden besser bewährt, wie die Firma mitteilt. Zum Teil
ist dies wohl in der Schwierigkeit, konische Rollen genau herzustellen,
begründet.
Textabbildung Bd. 326, S. 365
Fig. 116.