Titel: | Die Grenzschicht an einem in den gleichförmigen Flüssigkeitsstrom eingetauchten geraden Kreiszylinder. |
Autor: | K.Hiemenz |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 391 |
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Die Grenzschicht an einem in den gleichförmigen
Flüssigkeitsstrom eingetauchten geraden Kreiszylinder.
Von K.Hiemenz
(Fortsetzung von S. 376 d. Bd.)
Die Grenzschicht an einem in den gleichförmigen Flüssigkeitsstrom
eingetauchten geraden Kreiszylinder.
III. Numerische Auswertung der Differentialgleichung der
Grenzschicht.
Wir gehen dazu über, den S. 324 gegebenen Ansatz zur Integration der
Differentialgleichung für Ψ für die durch das
Experiment ermittelten Verhältnisse durchzuführen; d.h. wir wollen für
-\frac{d\,p}{d\,\xi} die durch die Versuche bestimmten Werte
einsetzen und zusehen, ob das Resultat mit dem Ergebnis der Beobachtung
übereinstimmt, vor allem, ob die errechnete Ablösungsstelle sich mit der
beobachteten deckt. Vom physikalischen Standpunkt erscheint dabei folgendes
plausibel: Ersetzt man die beobachtete Druckkurve durch eine Kurve, die nur wenig
von der beobachteten abweicht, so wird auch die für diese veränderten Verhältnisse
errechnete Geschwindigkeitsverteilung in der Grenzschicht nur wenig von der
Geschwindigkeitsverteilung unterschieden sein, die dem tatsächlichen Druckverlauf
entspricht. Bevor wir mit den Rechnungen selbst beginnen, sei kurz der frühere
Integrationsansatz wiederholt. Wir hatten damals zur Integration der
Differentialgleichung:
\rho\,\left(\frac{\partial\,\Psi}{\partial\,\eta}\,\frac{\partial^2\,\Psi}{\partial\,\xi\,\partial\,\eta}-\frac{\partial\,\Psi}{\partial\,\xi}\,\frac{\partial^2\,\Psi}{\partial\,\eta^2}\right)=-\frac{d\,p}{d\,\xi}+k\,\frac{\partial^3\,\Psi}{\partial\,\eta^3}
einen im Scheitel der Strömung beginnenden, nach ungeraden
Potenzen von ξ fortschreitenden Reihenansatz gemacht:
\Psi=\sum_{i=0}^{i=\infty}\,\Psi_{2\,i+1}\,(\eta)\,\xi^{2\,i+1},
wobei Ψ2i + 1 (η) Funktionen von η allein bedeuten. Es war weiter für
-\frac{d\,p}{d\,\xi} ein Reihenansatz
\sum_{i=0}^{i=\infty}\,p_{2\,i+1}\,\xi^{2\,i+1} und für
\overline{u} (die äußere Strömung) ein Ansatz
\overline{u}=\sum_{i=0}^{i=\infty}\,u_{2\,i+1}\,\xi^{2\,i+1}
angenommen worden. Dann ergaben sich für die ersten Ψ2i + 1 folgende Differentialgleichungen,
in denen zum Unterschied von S. 324 die p2i + 1 durch die u2i + 1 ersetzt sind:
\dot{\
\Psi}_1^2-\Psi_1\,\ddot{\Psi}_1={u_1}^2+\frac{k}{\rho}\,\overset{...}\Psi_1,
4\dot{\
\Psi}_1\,\dot{\Psi}_3-3\,\ddot{\Psi}_1\,\Psi_3-\Psi_1\,\ddot{\Psi}_3=4\,u_1\,u_3+\frac{k}{\rho}\,\overset{...}\Psi_3,
6\dot{\Psi}_1\,\dot{\Psi}_5-5\,\ddot{\Psi}_1\,\Psi_5-3\,(\dot{\Psi}_3^2-\Psi_3\,\ddot{\Psi}_3)-\Psi_1\,\ddot{\Psi_5}=6\,u_1\,u_5+3\,{u_3}^2+\frac{k}{\rho}\,\overset{...}\Psi_5,
8\dot{\Psi}_1\,\dot{\Psi}_7-7\,\ddot{\Psi}_1\,\Psi_7-\Psi_1\,\ddot{\Psi}_7+8\,\dot{\Psi}_3\,\dot{\Psi}_5-2\,\ddot{\Psi_3}\,\Psi_5-3\,\Psi_3\,\ddot{\Psi}_5=8\,(u_1\,u_7+u_3\,u_5)+\frac{k}{\rho}\,\overset{...}\Psi_7.
Die Grenzbedingungen lauteten: 1. Für η = 0 verschwinden
Ψ2i + 1 und seine
erste Ableitung. 2. Für wachsendes η geht Ψ2i + 1 asymptotisch
gegen u2i + 1. Die
Koeffizienten u2i + 1
der Reihe für \overline{u} sind in unserem Falle auf Grund des
durch den Versuch festgelegten Druckverlaufs zu bestimmen. Für die numerische
Rechnung ist es dabei wünschenswert, den experimentell bestimmten Verlauf von
\overline{u} durch eine Reihe mit möglichst wenig nicht
verschwindenden Gliedern, d.h. durch ein Polynom mit möglichst geringer Gliederzahl
darzustellen. Wieviel Glieder ein Polynom haben muß, damit
\overline{u} genügend genau durch es interpoliert werde, läßt
sich nur von Fall zu Fall entscheiden.
Textabbildung Bd. 326, S. 391
Fig. 23.
Textabbildung Bd. 326, S. 391
Fig. 24.Geschwindigkeitsverteilung entlang der Grenzschicht. Kurve 2
gegen 1 um 1 cm verschoben.
Unseren Berechnungen hier sollte die Druckkurve für die rechte Zylinderhälfte vom
13/7 zugrunde gelegt werden. Die in Tab. 10 und in Fig.
20,2 verzeichnete Kurve ist aber zunächst noch auf c–g–s Einheiten umzurechnen. Zu diesem Zwecke sind die dort eingetragenen
Werte (vergl. S. 359) mit 0,00234 • g (g = Erdbeschleunigung) zu multiplizieren; außerdem ist
zu berücksichtigen, daß 1° der Winkelteilung gleich wird
\frac{9,75}{360}=0,085 1 cm. In Fig. 23 ist die umgerechnete Druckkurve eingezeichnet, und zwar nur das
Stück, das wir hier brauchen. Aus dieser Kurve ist \overline{u}
mit Hilfe der Bernoullischen Gleichung
\frac{\overline{u^2}}{2}=-\frac{p}{\rho}+\frac{p\,(0)}{\rho}
berechnet; ρ ist gleich der Einheit gesetzt. Die für \overline{u}
gefundenen Werte ergeben das Kurvenbild der Fig.
24,1. Diese Kurve nun soll durch ein Polynom von möglichst geringer Gliederzahl
dargestellt werden. Der einfachste Ansatz ist der, eine zweigliedrige Formel
\overline{u}=u_1\,\xi+u_3\,\xi^3 zu versuchen. Es stellt sich
jedoch heraus, daß die Abweichungen zwischen der beobachteten und der interpolierten
Kurve auch im günstigsten Falle ziemlich groß bleiben. Dagegen gibt ein geeigneter
dreigliedriger Ansatz sie hinreichend genau wieder. Es fanden sich folgende
Koeffizienten:
u1 =
7,151, u3 = – 0,04497,
u5 = 0,0003300.
Die daraus berechneten Werte von \overline{u} sind in Tab. 14
wiedergegeben und außerdem in Fig. 24,2
eingetragen.
Tabelle 14.
mm
\overline{u}
\overline{u} interpoliert
1
7,00
7,11
2
13,90
13,93
3
20,10
20,15
4
25,40
25,38
5
29,20
29,10
6
30,60
30,63
7
29,10
29,08
Ein Vergleich der Figuren 241 und 242 lehrt, daß die gegenseitigen Abweichungen, bezogen
auf die größte Geschwindigkeit, 0,4 v. H. nicht überschreiten. Aus diesen Werten für
die u2i + 1 ergeben
sich folgende Werte der p2i
+ 1:
p1 =
51,14; p3 = – 1,286;
p5 = –
0,008095;
p7 = +
0,0001187; p9 =
0,0000005445.
Diese Werte sind in unsere Differentialgleichung der Ψ2i + 1 einzusetzen.
Wir ermitteln die Integrale Ψ1, Ψ3 nicht
aus den ursprünglichen Differentialgleichungen, sondern aus vereinfachten
Differentialgleichungen, die sich aus jenen durch eine simultane
Aehnlichkeitstransformation ergeben.s. die
Dissertation von Blasius S. 17. Die
folgenden Differentialgleichungen lassen sich nicht mehr in die simultane
Aehnlichkeitstransformation einbeziehen. Wir beginnen mit der Transformation der
Differentialgleichung für Ψ1. Indem wir ρ, Ψ1, η, u1, k mit Faktoren ρ0,
Ψ0 . . .
multiplizieren, erhalten wir die Bedingungsgleichung der Aehnlichkeit:
\frac{{\Psi_1}^{0^2}}{\eta^{02}}={u_1}^{02}=\frac{k^0\,{\Psi_1}^0}{\eta^{03}\,\rho^0},
ρ0, k0, u01 sollen so
gewählt werden, daß die entsprechenden transformierten Größen gleich 1 werden.
Also
\rho^0=\frac{1}{\rho},
k^0=\frac{1}{k},
{u^0}_1=\frac{1}{u_1}.
Dann folgt
\eta^0=\sqrt{\frac{\rho}{k}};
{\Psi_1}^0=\sqrt{\frac{rho}{u_1\,k}}.
Schließlich schreiben wir für Ψ1 • Ψ10
X1, für η η0
H; dann nimmt die transformierte Differentialgleichung
die Gestalt an:
\left(\frac{d\,X_1}{d\,H}\right)^2-X_1\,\frac{d^2\,X_1}{d\,H^2}=1+\frac{d^3\,X_1}{d\,H^3}
mit Grenzbedingungen: 1. Für H =
0 verschwindet X1 und
X1. 2. Für
wachsendes H geht X1 asymptotisch gegen 1.
Die Differentialgleichung für Ψ3 lautete:
\dot{\ \ \Psi}_1\dot{\ \ \Psi}-3\ddot{\ \Psi}_1\,\Psi_3-\Psi_1\ddot{\
\Psi}_3=4\m,u_1\,u_3-\frac{k}{\rho}\,\overset{...}{\Psi}_3
Wir führen dieselben Multiplikatoren ein wie in der
Differentialgleichung für Ψ1, soweit es sich um Größen handelt, die dort bereits vorkamen. Die
Faktoren von Ψ3 und u3 seien mit Ψ03 und u03 bezeichnet. Es
folgt
{\Psi^0}_3\,\sqrt{\frac{k}{\rho\,{u_1}^3}}=\frac{{u_3}^0}{u_1}=\rho\,\frac{{\Psi_3}^0}{k}\,\sqrt{\left(\frac{k}{\rho\,u_1}\right)^3}..
u30 werde gleich
\frac{1}{4\,u_3} gesetzt. Damit wird
{\Psi_3}^0=\sqrt{\frac{\rho\,u_1}{16\,k\,{u_3}^2}} Schreibt
man für Ψ3
Ψ30
X3, so lautet die
transformierte Differentialgleichung
4\,\frac{d\,X_1}{d\,H}\,\frac{d\,X_3}{d\,H}-3\,\frac{d^2\,X_1}{d\,H^2}\,X_3-X_1\,\frac{d^2\,X_3}{d\,H^2}=1+\frac{d^3\,X^3}{d\,H^3}
mit Grenzbedingungen:
1. Für H = 0 verschwindet X3 und Ẋ3.
2. Für wachsendes H geht Ẋ3 gegen
0,25.
Es liegt nahe – da man Integrale unserer Differentialgleichungen für X1 und X3 in geschlossener
Form nicht kennt – zur Integration Reihen heranzuziehen, die nach Potenzen von H fortschreiten.Im
einzelnen in der Dissertation von Blasius
durchgeführt. Für die numerische Integration geeigneter ist ein
schrittweiser Aufbau der Integrale mit Hilfe eines numerischen Verfahrens, etwa der
Methode von Kutta,Kutta, Beitrag zur näherungsweisen Integration
totaler Differentialgleichungen. Z. f. Math. u. Phys. Leipzig 1901, Bd. 46,
S. 435. die hier benutzt wurde. Diese Art der Integration hat den
Vorteil, daß man ohne Mühe den Grad der Genauigkeit der Rechnung nachprüfen kann.
Außerdem gestattet sie den Verlauf eines Integrals beliebig weit hinaus zu
verfolgen, während man beim Reihenansatz zunächst auf ein nicht allzu großes Gebiet
beschränkt ist. Man könnte sich allerdings auch hier helfen, indem man die Anzahl
der Reihenglieder steigerte. Nach dieser Richtung sind jedoch die Grenzen ziemlich
eng gezogen dadurch, daß die Rekursionsformeln für die Reihenkoeffizienten,
namentlich bei den höheren Ψ2i + 1, bald so kompliziert werden, daß sie für die numerische Rechnung
nicht mehr geeignet sind.
Das Kuttasche Verfahren bezieht sich zunächst auf
Differentialgleichungen erster Ordnung, läßt sich aber sofort auf
Differentialgleichungen höherer Ordnung übertragen, indem man sie durch ein System
simultaner Differentialgleichungen ersetzt. Sind wie in unserem Falle
Differentialgleichungen dritter Ordnung von dem Typus
\overset{...}{y}=F\,(x,\ \ddot{y},\ \dot{y},\ y)
zu integrieren, so tritt an ihre Stelle folgendes simultanes
System
\frac{d\,y}{d\,x}=u,
\frac{d\,u}{d\,x}=v,
F\,(x,\ v,\ u,\ y)=\dot{v}
Um ein solches simultanes System zu integrieren, verfährt man
folgendermaßen, wobei wir uns auf den Fall eines allgemeinen simultanen Systems
dreier Differentialgleichungen beziehen:
\frac{d\,u}{d\,x}=f_1\,(x,\ u,\ v,\w),
\frac{d\,v}{d\,x}=f_2\,(x,\ u,\ v,\ w),
\frac{d\,w}{d\,x}=f_3\,(x,\ u,\ v,\ w).
Die Grenzbedingungen seien: für x = x0 werde
u = u0, v = v0, w = w0. Man bildet der
Reihe nach die Ausdrücke:
Δ u' = f1 (x0, u0, v0, w0) Δx, Δ y' = . . . ,
Δw' = . . .
\Delta\,u''=f_1\,\left(x_0+\frac{\Delta\,x}{2},\ u_0+\frac{\Delta\,u'}{2},\
v_0+\frac{\Delta\,v'}{2},\ w_0+\frac{\Delta\,v'}{1}\right)\,\Delta_x,\
\Delta\,v''=...,\ \Delta\,w''=...
\Delta\,u'''=f_1\,\left(x_0+\frac{\Delta\,x}{2},\
u_0=\frac{\Delta\,u''}{2},\ v_0+\frac{\Delta\,v''}{2},\
w_0+\frac{\Delta\,w''}{2}\right)\,\Delta\,x,\ \Delta\,v'''=...,\
\Delta\,w'''=...
Δu'''' = f1 (x0 + Δx, u0 + Δu''', v0 + Δv''', w0 + Δw''') Δx, Δv'''' = ..., Δw'''' = ...
Und weiter
\Delta\,u=\frac{\Delta\,u'+2\,\Delta\,u''+2\,\Delta\,u'''+\Delta\,u''''}{6};\
\Delta\,v=...,\ \Delta\,w=...
so gibt u0
+ Δ u, v0 + Δ v ... die Lösung des simultanen Systems im Punkte x0
+ Δ x bis Glieder vierter Ordnung einschließlich der im
Punkte x = x0 gültigen
Reihenentwicklung des Integrals wieder.
Für die Beurteilung der Genauigkeit der Resultate ist es wichtig, daß man bei unserem
Verfahren leicht die Aenderung des Fehlers (Summe der auf die fünf ersten
Glieder folgenden Reihenglieder) bei Abänderung der Schrittgröße beurteilen kann.
Man geht bei der Abschätzung der Fehlergröße aus von dem Satze der Lehre von den
Potenzreihen, daß
f\,(x_0+\Delta\,x)=f\,(x_0)+\Delta\,x\,f'}\,(x_0)+\frac{\Delta\,x^2}{2}\,f''\,(x_0)
+\frac{\Delta\,x^3}{3!}\,f'''\,(x_0)+\frac{\Delta\,x^4}{4!}\,f^{(4)}\,(x_0)+\frac{\Delta\,x^5}{5!}\,f^{(5)}\,(\xi)
x_0\,\leq\,\xi\,\leq\,x_0+\Delta\,x.
Erreicht man also die Stelle x0 + Δ x einmal mit
einem Schritt Δ x, das zweite Mal mit zwei Schritten
\frac{\Delta\,x}{2}, so wird bei dem einzelnen Schritt im
allgemeinen der Fehler 1/32 des ursprünglichen betragen; da man aber zwei
Schritte \frac{\Delta\,x}{2} zu einem Schritt Δx zusammenfassen muß, werden die Fehler sich ungefähr
verhalten wie 1 : 16.
(Schluß folgt.)