Titel: | Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. |
Autor: | A. Bucher |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 393 |
Download: | XML |
Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in
Brüssel 1910.
Von Ingenieur A. Bucher,
Tegel bei Berlin.
Triebwagen.
(Fortsetzung von S. 372 d. Bd.)
Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel
1910.
Bei dem im Vorbericht auf Seite 3 d. B. aufgeführten Rollmaterial befanden sich
außer dem Dampftriebwagen der Französischen Nordbahn 14 elektrische Triebwagen, und
zwar neun normalspurig und 5 meterspurig. Die Hauptdaten dieser Motorwagen sind in
Tab. 18 zusammengestellt.
Der Dampftriebwagen für den Vorortverkehr der
Industriezentren im Gebiete der Französischen Nordbahn
besteht aus drei zweiachsigen Abteilwagen mit einem Gesamtdienstgewicht (ohne
Personen) von 46,6 t. Zur Benutzung des Triebwagens für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt
sind die beiden Endwagen genau symmetrisch ausgeführt, während auf dem Mittelwagen
eine kleine Lokomotive eingebaut ist.
Die Nordbahn besitzt gegenwärtig elf Stück solcher Triebwagen, drei Stück davon
stehen bereits seit 1904 im Betriebe. Beim Bau der acht neueren Wagen wurden im
vorigen Jahre gleichzeitig die Wasserrohrkessel der drei älteren durch
Lokomotivkessel gewöhnlicher Bauart ersetzt. Die Lokomotiveinrichtung ist
geliefert von Robatel, Buffaud & Cie. in Lyon, die
Wagen stammen aus Ivry von der Compagnie française du mat.
de chemin de fer.
Textabbildung Bd. 326, S. 393
Fig. 150.
Der mit seiner Mitte um 2515 mm über Schienenoberkante liegende Kessel mit 53 qm
Gesamtheizfläche hat Belpaire-Feuerbuchse und 92 Serve-Rohre von 50 mm
Textabbildung Bd. 326, S. 394
Tabelle 18. Elektrische Triebwagen;
Ordnungszahl; Spurweite; Aussteller; Erbauer; Bahn; Betriebs-Nr.; Stromart;
Kraftquelle; Spannung in Volt; Zahl der Motoren; Totale Leistung in PS; Zahl der
Achsen; Raddurchmesser; Radstand; Länge über Buffer; Dienstgewicht; Anzahl der
Plätze; Bremse; Heizung; Licht.
äußerem Durchmesser. Die Zylinder mit 250 mm und 320
mm Hub liegen außen am Rahmen unter dem Führerhaus und wirken mit einschienig
geführtem Kreuzkopf auf die Außenkurbel des innerhalb vom Rahmen liegenden
Treibrades. Die Rahmenplatten aus 20 mm-Blech sind innen an den seitlichen
Längsträgern aus ⊏-Eisen angenietet. Zur Bewegung der Flachschieber dient eine Heusinger-Walschaert-Steuerung mit einseitig
aufgehängter Taschenkulisse.
Die Vorräte an Wasser (2,65 cbm) und Kohlen (1,15 t) sind in seitlichen Kasten im
Führerhaus untergebracht. Letzteres ist ziemlich geräumig und für Vor- und
Rückwärtsfahrt mit zwei Führerständen eingerichtet; Umsteuerung, Regulatorhebel,
Pfeifenzug und Bremsventil sind daher in doppelter Ausführung vorhanden. Besonders
erwähnenswert ist die Umsteuerung durch senkrechte Spindel mit Ein- und
Ausschaltvorrichtung mittels beweglicher Rotgußbacken und Bügel mit Klemmschraube.
Zum Auslegen der Steuerung für Vorwärtsfahrt werden die beiden Rotgußbacken mittels
Klemmschraube unten an die mit Halbrundgewinde versehene Vorwärtsfahrt-Spindel
angepreßt, so daß beim Drehen der Kurbel die Spindelmutter und die an deren Zapfen
befestigte Steuerzugstange abwärtsgleitet. Kurbel und Spindel des anderen
Steuerbockes (für Rückwärtsfahrt) sind hierbei durch Klinke festgestellt, die
beiden Backen sind gelöst und mittels ihrer Klemmschraube oben derart festgeklemmt,
daß ihre Innenflächen vom Gewinde der Spindel nicht berührt werden, wodurch die
Spindelmutter die erwähnte Abwärtsbewegung lose mitmacht.
Der Triebwagen ist ausgerüstet mit Westinghouse-Bremse,
deren Betriebsdruck in einer linkssitzenden Sevran-Luftpumpe erzeugt wird.
Das hintere Abteil des Mittelwagens mit Durchgang über die Plattform zu den Endwagen
dient als Gepäckraum oder bei starker Frequenz als Raum für die Reisenden, weshalb
zwei breite Klappsitze für sechs Personen vorgesehen sind. Der vordere Endwagen hat
8 Sitzplätze erster und 16 Sitzplätze zweiter Klasse, sowie 10 Stehplätze. Im
hinteren Endwagen sind 30 Sitzplätze dritter Klasse und 16 Stehplätze. Um dem
Lokomotivführer, der übrigens die Maschine allein zu bedienen hat, die Aussicht auf
die Strecke nicht zu behindern, ist der vordere Wagenkasten (für die Vorwärtsfahrt)
nach rechts, der hintere Wagenkasten (für die Rückwärtsfahrt) nach links aus der
Mitte verschoben. Ueber der Plattform des hierdurch freiwerdenden Raumes ist an
jedem Endwagen ein langer, niedriger Seitenkasten angebaut, der zur Aufnahme der
Traglasten, wie Marktkörbe, Arbeiterwerkzeuge usw. dient.
Die Wagen haben Dampfheizung und Petrollicht, für die Treibachse ist ein
Preßluft-Sandstreuer vorgesehen. Das Gewicht der einzelnen Wagen beträgt:
Mittelwagen mit Maschine
21,2 t leer,
„ „ „
26,4 t im Dienst (ohne Pers.),
Wagen erster u. zweiter Kl.
10,2 t leer,
„ dritter Klasse
10,0 t „
––––––––
Ganzer Triebwagen
41,4 t leer,
„ „
46,6 t im Dienst.
Maximale Triebachslast
14,6 t „ „
Der Dampftriebwagen kann Kurven von 160 m Radius leicht durchfahren; seine maximale
Geschwindigkeit beträgt 70 km/Std.
Nr. 6. Zweiachsiger Benzol-elektrischer Triebwagen für normalspurige Nebenbahnen,
gebaut von den Bergmann-Elektrizitätswerken A.-G.
Berlin (Fig. 150).
In Ergänzung des Berichtes über diesen Triebwagen auf Seite 300 d. B. sei kurz
erwähnt, daß er auf zwei Vereinslenkachsen mit 6,4 m Radstand läuft. Die Achsen
sowie der Wagenkasten mit 8 Sitzplätzen zweiter, 28 Sitzplätzen dritter Klasse, 10
Stehplätzen und doppeltem Führerstand sind geliefert von der Norddeutschen Waggonfabrik A.-G. in Bremen, der Benzolmotor von der Deutzer
Motorenfabrik. Bei einer Gesamtlänge von 11 m über
Buffer beträgt das Dienstgewicht 18,9 t.
Nr. 7 und 8. Sechsachsiger Akkumulatoren-Doppelwagen für die Preußisch-Hessischen
Staatsbahnen, ausgeführt von den Feiten & Guilleaume-Lahmeyerwerken A.-G. in Frankfurt a. Main,
der Akkumulatorenfabrik A.-G. Berlin-Hagen i. W. und
der Waggonfabrik Gastell G. m. b. H. in Mainz-Mombach.
(Fig. 151.)
Der Umstand, daß bei einer großen Reihe von Ortschaften an Neben- und
Anschlußstrecken nur kleine, in kurzen Zwischenräumen verkehrende Zugeinheiten in
Frage kommen können, veranlaßte die Verwaltung der Preußisch-Hessischen Staatsbahnen
nach mehreren Versuchen zur Beschaffung einer Anzahl von Akkumulatoren-Triebwagen
nach Fig. 151, die sowohl in mechanischer als auch
in ihrer elektrischen Durchbildung von den bisherigen Motorwagenformen
abweichen.
Jeder der beiden ähnlich wie bei der Berliner Stadtbahn kurz gekuppelten Einzelwagen
enthält vier getrennte Raume, nämlich an der Stirnseite einen Vorbau zur
Unterbringung der Batterien, einen Führerstand, sowie ein großes und ein kleines
Abteil für Reisende.
Akkumulatoren. In jedem Batterievorbau, der mit einem
auf Rollen durch besondere Mechanik beweglichen Deckel versehen ist, befinden sich
84 Kastenplatten-Elemente in 6 Holzkasten zu je 14 Zellen mit einer Kapazität von 368 Amp./Std. und
insgesamt ca. 310 Volt Entladespannung, deren Energie bei einer Ladung für 100 km ausreicht. Die 168 Zellen sind während der
Entladung stets in Reihe geschaltet, können jedoch entweder in einer Reihe oder in
zwei nebeneinander geschalteten Reihen geladen werden.
Textabbildung Bd. 326, S. 396
Fig. 151.
Für das Laden der Batterien ist an jeder Seite des Wagens in unmittelbarer Nähe des
Kurzkupplungsendes je eine Ladedose angebracht, die beide hintereinander geschaltet
sind und je vier Hauptkontakte und fünf Nebenkontakte enthalten. Erstere stehen mit
den vier Polen der beiden Batteriehälften in Verbindung, und zwar in der Weise, daß
je eine Batteriehälfte zwischen kreuzweise sich gegenüberstehenden Kontakten liegt,
so daß zwischen diesen die halbe, zwischen den beiden unteren Klemmen die volle
Spannung vorhanden ist. Von den fünf Nebenkontakten stehen zwei mit einem
Sperrmagneten in Verbindung, welcher die Sicherheit gewährt, daß der Stecker beim
Laden nicht herausgenommen werden kann, während die anderen drei Kontakte dazu
dienen, beim Oeffnen der Ladedose einen Beleuchtungswiderstand vor die Lampen zu
schalten, damit sie beim Laden vor Ueberspannung geschützt werden. Je nach Form des
Ladestöpsels ist es möglich, die beiden Batteriehälften in Serie oder parallel
aufzuladen.
Textabbildung Bd. 326, S. 396
Fig. 152.
Mit Rücksicht auf die Schwere der Batterie befinden sich unter dem Vorbau der
Doppelwagen je zwei Laufachsen, die gebremst werden; die Treibachse ist am
Kurzkuppelende jedes Wagens angeordnet.
Motoren. Der Antrieb der Treibachsen erfolgt durch zwei
wasserdicht gekapselte Hauptstrommotoren mit Kompensationspolen, welche in der
üblichen Weise nach Fig. 152 auf der einen Seite mit
den Vorgelegelagern auf der Achse aufliegen, während sie auf der anderen Seite
mittels gut abgefederter Gelenkbolzen am Untergestell aufgehängt sind. Die
Aufhängung gewährt dem Motor sowohl in der senkrechten Ebene als auch innerhalb der
durch die Lenkachsenanordnung gegebenen Grenzen in der wagerechten Ebene freie
Beweglichkeit. Da des großen Radstandes von 8,8 m wegen durchweg Lenkachsen zur
Verwendung kommen mußten, war es notwendig, die Motoren so einzubauen, daß bei der
Fahrt durch Kurven die auftretende Fliehkraft im günstigen Sinne auf die radiale
Einstellung der Achsen wirken mußte.
Das Gehäuse der Motoren (Fig. 153) ist zweiteilig;
Anker sowohl als auch die Polschuhe sind aus einzelnen, gegeneinander isolierten
Blechlamellen hergestellt. Bei einer normalen Stundenleistung von 85 PS, welche auf
einer Steigung von 22 bis 25 v. T. abgegeben wird, macht jeder Motor etwa 700 Umdr.,
so daß entsprechend einem Uebersetzungsverhältnisse des Zahnradvorgeleges von ca. 1
: 4,32 auf derartigen Steigungen mit einer Geschwindigkeit von 35 km gefahren werden
kann. Die maximale Geschwindigkeit in der Geraden beträgt 60 km/Std. Die großen
Zahnräder bestehen aus einem einteiligen Radstern mit aufgeschraubten zweiteiligen,
auswechselbaren Zahnkränzen.
Steuerung und Fahrschalter. Das in Fig. 154 wiedergegebene Schaltungsschema für ein
direktes Steuersystem läßt erkennen, daß in jedem Führerstand wie bei gewöhnlichen
Straßenbahnwagen je ein Hauptstrom-Fahrschalter eingebaut ist, die beide unter sich
mit durchgehendem Starkstromkabel verbunden sind. Der Strom läuft von Batterie über
Automat, Kontroller, Vorschaltwiderstände, Motoren nach Batterie. Tritt an einer der
beiden Batteriehälften ein Defekt ein, so kann dieselbe durch Umlegen eines
einpoligen Umschalters ausgeschaltet und der Wagen mit der anderen Batteriehälfte
betriebsfähig erhalten werden.
Die Deckelaufsicht des Fahrschalters (Fig. 155 und
156) zeigt sechs Serienstellungen, vier
Parallelstellungen und außerdem fünf Stellungen für elektrodynamische Bremsung; die
Stellungen 5 und 10 sind Fahrtstellungen, 6 ist eine Shuntstellung. Die
Umschaltwalze ist in bekannter Weise mit der Hauptwalze verriegelt, so daß bei
Fahrtstellung letzterer ein Betätigen der Umschaltwalze und umgekehrt bei
Nullstellung dieser ein Betätigen der Fahrwalze nicht möglich ist. Um bei den hohen
Stromstärken und bei Belastungen bis 800 Amp., wie sie beispielsweise auf den
gebirgigen Strecken Limburg–Westerburg im Westerwald auftreten, ein anstandsloses
Funktionieren der Kontroller zu erzielen, wurden die Kontakte sämtlicher Walzen
reichlich bemessen, ebenso ist für eine kräftig wirkende magnetische Funkenlöschung
Sorge getragen.
Textabbildung Bd. 326, S. 397
Fig. 153.
Textabbildung Bd. 326, S. 397
Fig. 154.
Eine sogenannte Druckknopfunterbrechung, durch welche in dem Augenblicke, in
welchem der Führer absichtlich oder infolge eines Unfalles die Kurbel freigibt,
wurde in der Weise erzielt, daß durch Niederdrücken der Kurbel zwei Kontakte, über
die der Stromkreis eines elektromagnetisch betätigten Luftventiles geführt ist, kurz
geschlossen wird. Läßt der Führer die Kurbel los, so wird der Stromkreis dieses in
der Hauptsache aus einem Solenoid bestehenden Ventiles, dessen Kern mit einem
Luftpuffer in Verbindung steht, dadurch unterbrochen, daß dieser Kern, sobald die
Magnetspule spannungslos wird, infolge seines Eigengewichtes herabfällt und in
seiner Endstellung gleichzeitig ein in die Bremsleitung eingebautes Luftventil und
einen Schalter öffnet, über welchen der Stromkreis der Haltespule des
Maximalautomaten geführt ist. Es tritt also nach einer von 0 bis 1 Min. beliebig
regulierbaren Pause Bremsung des Wagens durch die Druckluftbremse ein. Erfolgt das Loslassen der
Kurbel in einer der Fahrtstellungen, so wird gleichzeitig bei Eintritt der
Bremsperiode durch das Bremsventil der Stromkreis der Haltespule des Automaten
unterbrochen, letzterer fällt heraus, der Wagen wird stromlos. Ein Wiedereinlegen
des Automaten ist erst möglich, nachdem die Fahrwalzen wieder in die Nullstellung
zurückgebracht sind.
Der Maximalautomat, für Fernschaltung eingerichtet, besitzt außer der Hauptstrom
führenden Spule, die beim Anwachsen des Stromes über einen gewissen Maximalwert
hinaus den Automaten auslöst, zwei weitere Nebenschlußspulen, von denen die
Auslösespule dauernd unter Strom steht und den Ausschalter mittels einer besonderen
Feststellvorrichtung festhält, während die andere zur Fernschaltung des Ausschalters
dient, wozu ein momentanes Unterstromsetzen der Spule durch einen der auf beiden
Führerständen angebrachten Druckknopfschalter vollkommen ausreicht.
Wageneinrichtung. Die mit Filzunterlagen auf dem
Untergestell ruhenden Wagenkasten führen zwei Wagenklassen. Der Wagen dritter Klasse
besteht aus einem größeren Abteil mit 38 und einem Frauenabteil mit 8 Sitzplätzen,
im andern Wagen sind 38 Sitzplätze vierter Klasse und 16 Stehplätze. Das Gewicht der
Batterien beträgt 16600 kg, das Gesamt-Dienstgewicht des 26 m langen Doppelwagens
60,5 t.
Zur Beschleunigung und zur Verstärkung der Bremswirkung sind unter den Sitzen vier
Sandkasten eingebaut, welche, vom Führerstande aus durch Preßluft in Tätigkeit
gesetzt, den Sand vor den Rädern der Motorachsen auf die Schienen streuen.
Die Heizung der Wagen geschieht durch Preßkohlen, zur Entlüftung sind Grove-Luftsauger angeordnet.
Sowohl die Außenbeleuchtung durch Signallampen als auch die Beleuchtung des
Wageninnern und der Führerstände erfolgt elektrisch durch Metallfadenglühlampen von
je 25 NK, die Schalter hierzu sind links neben dem Führer in einem besonderen,
versenkt angeordneten Kasten untergebracht.
Textabbildung Bd. 326, S. 398
Fig. 155.
Textabbildung Bd. 326, S. 398
Fig. 156.
Bremse. Die Akkumulatoren-Doppelwagen sind ausgerüstet
mit einer Zweikammer-Luftdruckbremse, System Knorr,
deren Druckluft von 4 bis 5 at durch einen am Untergestell eingebauten
Motorkompressor von 130 l/min, erzeugt wird. Das Oeffnen und Schließen des
Kompressorstromkreises erfolgt selbsttätig durch einen im Führerstand vierter Klasse
untergebrachten Druckregler. Jeder Wagen ist außerdem mit einer Handspindelbremse
ausgerüstet. Es werden nur die beiden Laufachsen jedes Wagens gebremst durch
einseitig an den Rädern liegende Bremsklötze.
Zur Stromleitung sind mit Asbest umflochtene Gummiaderkabel verwendet, die in
abgedeckten Kanälen unterhalb des Wagenbodens verlegt sind. Die Uebergangskabel sind
am Kurzkuppelende der Wagen unter Verwendung von Steckdosen federnd verbunden.
Leistungen. Die auf der Strecke Mainz-Münster a. Stein
(Fig. 157) vorgenommenen Versuchsfahrten ergaben
für die Hinfahrt bei 45 km/Std. Geschwindigkeit einen Aufwand an Energie von 34,100
KW, mithin stellte sich der Energieverbrauch für den Wagen-km auf
\frac{34,1}{45}=0,76\mbox{ KW/Std.,}
und für den t/km auf ca. 13,6 W/Std.
Textabbildung Bd. 326, S. 399
Fig. 157.
Die in Fig. 158 eingezeichneten Kurven stellen
Ablesungen der Meßinstrumente in Zeitabständen von 10 Sek. dar, mit den Zeiten als
Abszissen und den Stromstärken als Ordinaten. Die Spannung blieb während der ganzen
Zeit konstant, nämlich ca. 310 Volt; zeitweise wurde ganz ausgeschaltet, um die
mittlere Geschwindigkeit von 40 km/Std. nicht zu überschreiten. Die Summe der von
den einzelnen Kurven eingeschlossenen Flächen ergab durch Planimetrierung den
Gesamtwert von ca. 110 Amp./Std., durch Multiplikation mit der Spannung berechnet
sich demnach der Energieaufwand zu 110 × 310 = 34,100 KW.
Betriebskosten. Rechnet man mit einem mittleren
Energieverbrauch von 0,73 KW/Std., einem Wirkungsgrad der Batterie von 75 v. H.,
einem Strompreis von 6 Pf. für die KW/Std. (an den Schienen der Ladeschalttafel), so
ergeben sich bei einem Anlagekapital von von 72000 M. und einer jährlichen
Leistung des Wagens von 40000 km die Selbstkosten des eigentlichen Zugdienstes nach
den Berechnungen der Baufirma für den Wagen/km zu 43 Pf. Zur Deckung derselben ist
bei einer durchschnittlichen Einnahme für einen km und einen Reisenden von 2
Pfennigen eine Platzausnutzung von 20 v. H. erforderlich.
Die Preußische Staatsbahn hat von diesen Akkumulatoren-Doppelwagen bereits etwa 100
Stück im Betriebe. Ein neuer Wagen der seit kurzem verbundenen A. E. G. Lahmeyerwerke hat an Stelle der
Hauptstrommotoren zwei Nebenschlußmotoren mit Wendepolen zum Rückgewinnen von Strom
erhalten, wodurch eine Arbeitsersparnis von etwa 20 v. H. erzielt wurde.
Textabbildung Bd. 326, S. 399
Fig. 158.
9. Sechsachsiger Wechselstrom-Doppeltriebwagen für die Strecke Blankenese–Ohlsdorf
der Preußischen Staatsbahn, gebaut von der Breslauer A.-G.
für Eisenbahn-Wagenbau und der A. E. G. Berlin
(Fig. 159).
Der ausgestellte Triebwagen gleicht hinsichtlich Achsenanordnung, Raumeinteilung und
elektrischer Einrichtung den früheren Ausführungen der in Z. d. V. d. I. 1909
beschriebenen Doppeltriebwagen genannter Strecke. Nur die Bauart des Wagens ist, um
das tote Gewicht nach Möglichkeit zu reduzieren, nach den Entwürfen von Breslau
erheblich geändert worden.
Textabbildung Bd. 326, S. 399
Fig. 159.
Beide Wagenhälften sind genau symmetrisch, unterscheiden sich jedoch durch die
elektrische Ausrüstung voneinander. Der eine Wagen trägt die
Hochspannungsbügelstromabnehmer mit Aufrichtung durch Preßluft von 8 at, sowie zwei
an den Drehgestellachsen aufgehängten Winter-Eichberg-Motoren, während der andere Wagen neben der
Führerstandsausrüstung nur den im Drehgestell gelagerten Luftkompressor mit Zubehör
besitzt.
(Schluß folgt.)