Titel: | Die Verdampfungswärme des Wassers. |
Autor: | Jar. Hybl |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 422 |
Download: | XML |
Die Verdampfungswärme des Wassers.
Von Dozent Dr. techn. Jar.
Hybl, Prag.
HYBL: Die Verdampfungswärme des Wassers.
Inhaltsübersicht.
Durch die Zustandsgleichung und die Flüssigkeitswärme des Dampfes
ist die Verdampfungswärme vollständig bestimmt. Die additive Konstante, welche in
dem Ausdruck für den Wärmeinhalt vorkommt, ist veränderlich, mit steigendem Druck
nimmt sie zuerst allmählich, dann sehr rasch ab. Die auf Grund dieser
Veränderlichkeit berechneten Werte der Verdampfungswärme stimmen mit den Münchener
Versuchen bis auf + 0,05 v. H. überein.
In den letzten Jahren wurde eine ganze Reihe eingehender Versuche durchgeführt, um
den Zustand des Dampfes möglichst genau festzulegen. Insbesondere die
Verdampfungswärme des Wassers wurde sorgfältigst untersucht und auf diesem
Gebiete sehr genaue Ergebnisse erzielt. Auch auf rechnerischem Wege hat man mit
Hilfe der Zustandsgleichung des Dampfes die Verdampfungswärme ermittelt. Je genauer
diese Zustandsgleichung ist, desto mehr nähern sich die auf dem theoretischen Wege
berechneten Werte der Verdampfungswärme den wirklich gemessenen an.
Die bisher genaueste und einfachste Zustandsgleichung des Wasserdampfes, welche durch
neue Versuche festgestellt wurde, ist die von Callendar:
v-v'=\frac{R\,T}{P}-A\,C\,\left(\frac{273}{T}\right)^n,
worin v' den spez.
Rauminhalt des Wassers, welcher für den praktisch benutzten Bereich als konstant
(v' = 0,001) angenommen werden kann, A das mechanische Wärmeäquivalent, R, C und n Konstanten
bedeuten. Für diese Konstanten sind die Werte
R = 47,0, C = 0,075, n=\frac{10}{3}
vorgeschlagen worden.
Mollier hat die vorstehende Zustandsgieichung zur
Berechnung neuer Tabellen benutzt,Mollier, Neue Tabellen und Diagramme für
Wasserdampf, 1906. da die alten Dampftabellen von Regnault und Zeuner, welche
auf Grund der alten Versuche aufgestellt wurden, als zu wenig genau erschienen.
Durch Verbindung der obigen Zustandsgleichung mit der allgemeinen Wärmegleichung:
d i = T d S + A v d P
folgt der Wärmeinhalt des Dampfes:
i={c^0}_p\,t-(n+1)\,A\,C\,\left(\frac{273}{T}\right)^n\,P+A\,v'\,P+x,
worin x eine unbestimmte
Konstante und c°p den
Grenzwert der spez. Wärme, welche Mollier nach Callendar
c°p = (n + 1) A R = 0,477
angenommen hat, bedeuten.
Es handelt sich nun um die Feststellung der unbestimmten Konstante x, welche allgemein durch einen Versuchswert des
Wärmeinhalts und einen Punkt der Spannungskurve bestimmt wird. Mollier hat diese Konstante wie vorstehend gewählt, um die größtmögliche
Uebereinstimmung der berechneten Wärmeinhalte mit den durch Versuche bestimmten zu
erzielen.
Bei Berechnung seiner Dampftabellen hat Mollier eine
Konstante x = 594,735 angenommen. Die mit dieser Konstante ermittelten Wärmeinhalte
stimmen mit den durch Versuche in MünchenKnoblauch, Linde, Klebe, Mitteilungen über
Forschungsarbeiten, Heft 21. gewonnenen fast überein. Die
Münchener Versuche ergeben maximal um 0,2 v. H. größere Werte als die von Mollier, so daß durch eine größere Konstante, wie auch
Mollier bemerkt, eine nahezu fehlerfreie
Uebereinstimmung der beiden Werte erzielt werden kann.
Es sei hier betont, daß die Münchener Versuche sich auf das Bereich von 100° bis
180°C erstrecken.
Soll die Verdampfungswärme sich in Uebereinstimmung mit der angenommenen
Zustandsgleichung befinden, so ist dadurch schon die oben erwähnte Konstante
bestimmt. Dabei muß freilich vorausgesetzt werden, daß das Gesetz, nach welchem die
Flüssigkeitswärme sich ändert, bekannt ist. Für diese Flüssigkeitswärme gibt der Regnault'sche Wert:
q = t + 0,00002 t2 + 0,0000003
t3
eine hinreichend große Genauigkeit, mit welcher auch Mollier sich begnügt hat.
Ist nun ferner die Abhängigkeit der Temperatur des gesättigten Dampfes von dem Druck
bekannt (Regnaultsche Gleichung), so ist die in dem
Ausdruck für den Wärmeinhalt vorkommende Konstante x bei jedem Druck genau festgelegt. Zur Bestimmung derselben ist noch
nötig, die Entropie des Dampfes und der Flüssigkeit zu berechnen.
Für die Entropie der Flüssigkeit gilt der bekannte Ausdruck:
S'=\int\,\frac{d\,q}{T},
und für die Entropie des Dampfes bei der Annahme der Callendar'schen Zustandsgleichung die Beziehung:
S={c^0}_p\,l\,n\,T-A\,R\,l\,n\,P-n\,A\,C\,\left(\frac{273}{T}\right)^n\,\frac{P}{T}+y..
Auch die unbekannte Konstante y ist durch die Annahme der Zustandsgleichung
bestimmt.
Berechnen wir jetzt für zwei verschiedene Drücke P1 und P2 die Entropie und den Wärmeinhalt der Flüssigkeit
und des Dampfes.
Für den Druck P1 ergibt
sich:
die Entropie der Flüssigkeit:
S'=\int_0^{t_1}\,\frac{c\,d\,t}{T},
die Entropie des Dampfes:
S_1={c^0}_p\,l\,n\,T_1-A\,R\,l\,n\,P_1-n\,A\,C\,\left(\frac{273}{T_1}\right)^n\,\frac{P_1}{T_1}+y
=a_1+y,
der Wärmeinhalt der Flüssigkeit:
q1 = t1 + 0,00002 t12 + 0,0000003 t13,
und der Wärmeinhalt des Dampfes;
i_1={c^0}_p\,t_1-(n+1)\,A\,C\,\left(\frac{273}{T_1}\right)^n\,P_1-A\,v'\,P_1+x=b_1+x.
Analog für den Druck P2:
S''=\int_0^{t_2}\,\frac{c\,d\,t}{T},
S_2={c^0}_p\,l\,n\,T_2-A\,R\,l\,n\,P_2-n\,A\,C\,\left(\frac{273}{T_2}\right)^n\,\frac{P_2}{T_2}+y
=a_2+y,
q2 = t2 + 0,00002 t22 + 0,0000003 t32,
i_2={c^0}_p\,t_2-(n+1)\,A\,C\,\left(\frac{273}{T_2}\right)^n\,P_2-A\,v'\,P_2+x
=b_2+x.
Aus diesen Gleichungen folgt weiter:
\frac{r_1}{T_1}=\frac{b_1+x-q_1}{T_1},
\frac{r_2}{T_2}=\frac{b_2+x-q_2}{T_2},
Ist nun der Druck P2 > P1, so kann man schreiben:
\frac{r_1}{T_1}=S'_2-S'_1+\frac{r_2}{T_2}+S_1-S_2,
oder nach dem Einsetzen der obigen Werte:
\frac{b_1-q_1+x}{T_1}=S'_2-S'_1+\frac{b_2-q_2+x}{T_2}+a_1-a_2.
Aus dieser Gleichung kann die unbestimmte Konstante
x=\left[S'_2-S'_1+a_1-a_2+\frac{b_2-q_2}{T_2}-\frac{b_1-q_1}{T_1}\right]\,\frac{T_1\,T_2}{T_2-T_1}
berechnet werden kann.
Die unbekannte Konstante x in dem Ausdruck für die
Entropie folgt dann aus der Gleichung
\begin{array}{rcl}S_1&=&S'_1+\frac{r_1}{T_1}\\a_1+y&=&S'_1+\frac{b_1-q_1+x}{T_1}\\y&=&S'_1+\frac{b_1-q_1+x}{T_1}-a_1.
\end{array}
Textabbildung Bd. 326, S. 424
Fig. 1.
Werden auf diese Weise die Konstanten x und y für verschiedene Drücke berechnet, so erkennt man,
daß diese veränderlich sind. Je höher der Druck, desto kleiner ist die Konstante x in dem Ausdrucke für den Wärmeinhalt. Da die
Verdampfungswärme in dem kritischen Punkt Null ist, ist diese Veränderlichkeit ganz
begründet.
Der Verlauf dieser Konstante ist graphisch in Fig. 1
dargestellt.
Aus der Kurve geht hervor, daß die Konstante x
parabolisch verläuft, so daß sie bei niedrigen Drücken fast gleiche, bei höheren
dagegen sehr abnehmende Werte annimmt. Bei den für gewöhnlich benutzten Drücken von
0 bis 20 at bewegt sich die Konstante zwischen 595,8 und 594. Mollier hat für das ganze erwähnte Bereich den Wert 594,736 angenommen,
welcher Wert in unserm Diagramm einer Temperatur von 182° C (Druck = 10,3 at)
entspricht. Daraus ergibt sich also, daß unser Wärmeinhalt bei niedrigeren Drücken
als 10 at größer, bei höheren dagegen niedriger als bei Mollier ist. Die Differenzen sind unbedeutend und übersteigen nicht ± 0,25
v. H.
Auch die zweite unbestimmte Konstante y ist
veränderlich, und zwar ist sie bei niedrigem Druck kleiner als bei hohem. Der
Verlauf der auf dem vorher angeführten Wege berechneten Entropie ist in Fig. 1 durch die gestrichelte Kurve dargestellt. Bei
den wie üblich benutzten Drücken von 0 bis 20 at bewegt sich diese Konstante
zwischen – 0,0401 und – 0,0447.
In der untenstehenden Tabelle sind die auf diese Weise berechneten Werte der
Verdampfungswärme und Entropie, sowie zum Vergleich auch die Werte von MollierMollier, Neue Tabellen und Diagramme für
Wasserdampf, 1906., Regnault,
ZeunerZeuner, Technische Thermodynamik 1901, Bd.
II., HenningZeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure
1909, S. 1769. und aus den Münchener VersuchenKnoblauch, Linde,
Klebe, Mitteilungen über Forschungsarbeiten, Heft 21.
aufgeführt worden:
Die prozentualen Abweichungen gegenüber unseren Werten sind graphisch in Fig. 2 dargestellt. Aus diesen Ergebnissen geht
hervor, daß bis zur Temperatur 180° C die Werte der Verdampfungswärme von Mollier unbedeutend kleiner, bei höherer Temperatur
dagegen etwas größer als unsere Werte sind. Die Münchener
Versuche stimmen mit unseren Werten fast genau überein. Die Abweichungen übersteigen
nicht ± 0,05 v. H. Die Werte der Regnault'schen
Verdampfungswärme sind bei niedrigeren Temperaturen als. 70° C größer, bei höheren
dagegen kleiner als unsere Werte, worauf schon häufig hingewiesen wurde. Die Zeuner'schen Zahlen der Verdampfungswärme, welche von 70°
C ab mit denen von Regnault identisch sind, sind bei
geringen Temperaturen (unter 70° C) ein wenig kleiner als die von Regnault. Henning erzielt bis um 0,6 v. H. kleinere als
unsere Werte, und der Verlauf derselben ist demjenigen bei Regnault ähnlich, wie Fig. 2 klar
erweist.
Die kontinuierliche Fortsetzung der Kurven der prozentualen Abweichungen der
Verdampfungswärme von Regnault, Zeuner, Mollier und Henning zeigt bei hohen Drücken ein ziemlich starkes
Anwachsen, bei den Münchener Versuchen dagegen eine Abnahme gegenüber unseren
Werten. Da die Verdampfungswärme mit steigendem Druck abnimmt und im kritischen
Punkt Null ist, scheint der Verlauf unserer und der nach den Münchener Versuchen
aufgezeichneten Kurve besser begründet zu sein als der Verlauf der ersteren
Kurven.
Textabbildung Bd. 326, S. 424
Fig. 2.
Aus den vorstehenden Betrachtungen kann man folgende Schlüsse ziehen:
Temperatur°C
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
150
160
170
180
190
200
Regnault
606,5
599,5
592,6
585,6
578,6
571,7
564,7
557,6
550,6
543,6
536,5
529,4
522,3
515,2
508,0
500,8
493,6
486,3
479,0
471,7
464,3
Zeuner
592,7
590,9
587,7
583,4
578,0
571,7
564,7
557,6
550,6
543,6
536,5
529,4
522,3
515,2
508,0
500,8
493,6
486,3
479,0
471,7
464,3
Mollier
504,7
589,4
584,1
578,8
573,4
567,9
562,4
556,8
551,0
545,2
539,1
532,9
526,6
520,0
513,2
506,2
498,9
491,4
483,7
475,7
467,5
Henning
579,3
574,0
568,5
562,9
557,1
551,1
545,0
538,7
532,1
525,3
518,2
510,9
503,8
496,6
489,4
482,2
Münch. Versuche
540,2
534,2
527,6
520,8
514,0
506,9
499,6
491,8
483,3
Nach ob. Rechnung
595,8
590,5
585,2
579,0
574,5
569,0
563,5
557,8
552,0
546,1
540,0
533,8
527,4
520,8
513,9
506,8
499,4
491,7
483,7
475,4
466,8
Wenn eine Zustandsgleichung des Dampfes zur Berechnung seiner Verdampfungswärme
benutzt wird, so ist dadurch schon die additive Konstante, welche in dem Ausdrucke
für den Wärmeinhalt vorkommt, genau bestimmt; Diese Konstante ist jedoch
veränderlich, sie nimmt mit steigendem Druck ab. Da die Verdampfungswärme beim
kritischen Druck Null wird, ist diese Veränderlichkeit ganz begründet. Bei den in
der technischen Praxis meist benutzten Drücken ist diese Veränderlichkeit so
klein, daß die Annahme einer unveränderlichen Konstante genügend zuverlässige Werte
ergibt. Bei höheren Drücken müßte jedoch mit der Veränderlichkeit gerechnet werden,
da alsdann die Annahme einer gleichbleibenden Konstante zu großen Fehlern führt,
welche man schon von der Temperatur 200° C an wahrnehmen kann.