Titel: | UNTERSUCHUNG EINER HEUSINGER-STEUERUNG MIT SYMMETRISCHER DAMPFVERTEILUNG. |
Autor: | L. Schneider |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 465 |
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UNTERSUCHUNG EINER HEUSINGER-STEUERUNG MIT
SYMMETRISCHER DAMPFVERTEILUNG.
Von Dr.-Ing. L. Schneider, München.
(Fortsetzung von S. 452 d. Bd.)
SCHNEIDER: Untersuchung einer Heusinger-Steuerung mit symmetrischer
Dampfverteilung.
Nach dieser Erläuterung des grundlegenden Gedankens wollen wir wieder zu Fig. 1 zurückkehren. Wir haben also das
Steuerungsgetriebe bis auf die Länge des Aufwerfhebels G
H und die Lage der Umsteuerwelle H festgelegt,
auch Einlaßüberdeckungen bereits gewählt und sollen nun die noch unbekannten
Elemente der Steuerung so bestimmen, daß bei jeder Stellung des Aufwerfhebels die
Füllung zwischen 30 und 50 v. H. auf beiden Kolbenseiten gleich sei.
Die Lösung der Aufgabe gestaltet sich folgendermaßen: Wir halten den Schieber in der
Stellung fest, wo er die Füllung auf der Kurbelseite abschneidet, lösen das Gelenk
J und erteilen dem Kreuzkopf, während der Kolben
auf 40 v. H. seines Weges auf der Kurbelseite steht, eine Geschwindigkeit von der
Größe v. Die Geschwindigkeit und die Beschleunigung,
welche der Punkt F des zwangläufigen Getriebes durch
die am Kreuzkopf P eingeleitete Bewegung erfährt, werde
zu vF bezw. bF gefunden. Nun halten
wir den Schieber in der Stellung fest, wo er auf Deckelseite die Füllung abschneidet
und erteilen dem Kreuzkopf die Geschwindigkeit v' von
der Größe v, aber entgegengesetzter Richtung, während der Kolben 40 v. H. seines
Weges auf der Deckelseite zurückgelegt hat. Dadurch erhält der Punkt F der Schieberschubstange D
E die Geschwindigkeit vF und die Beschleunigung bF. F ist die
Lage des Gelenkes zwischen Schieberschubstange und Hängeeisen, wenn der Kolben auf
der Kurbelseite steht, F' die Lage desselben Gelenkes,
wenn der Kolben auf Deckelseite steht. Um F wie um F' schlagen wir Kreise mit der Länge des Hängeeisens
F G als Halbmesser und bezeichnen deren oberen
Schnittpunkt mit GWenn
man Punkt H durch Probieren sucht, verfährt man
so, daß man für drei verschiedene Füllungsgrade die Lage von G bestimmt und durch die drei Punkte G (denen natürlich je zwei Punkte F und F'
entsprechen) einen Kreis legt; sein Mittelpunkt ist H.. G ist alsdann die Lage
des Endpunktes des Aufwerfhebels bei 40 v. H. Füllung auf beiden Kolbenseiten.
Das Getriebe F G F' bildet ein einfaches kinematisches
System. Aus der Geschwindigkeit und aus der Beschleunigung von Punkt F und F' kann nun die
Geschwindigkeit und die Beschleunigung von G gefunden
werden. Die Lage von Punkt H ist alsdann nach Fig. 6 zu ermitteln. Bewegen wir den Kolben auf der
Kurbelseite um die Strecke d w über seine Stellung bei
40 v. H. hinaus, so ist hierzu die Zeit d\,t=\frac{d\,w}{v}
nötig. In dieser Zeit legt der Punkt G auf seiner Bahn
den Weg
d\,w_G=v_G\,.\,d\,t+\frac{1}{2}\,b_G\,(d\,t)^2
zurück, wenn wir die Beschleunigung über die kurze Zeit d t
konstant nehmen. Diese Gleichung läßt sich auch schreiben:
d\,w_G=\frac{v_G}{v}\,.\,d_W+\frac{1}{2}\,.\,\frac{b_G}{v^2}\,(d\,w)^2.
Das ist aber zugleich die Weggleichung für Punkt G, wenn der Kolben auf der
Deckelseite um die Strecke d w über seine Stellung bei
40 v. H. hinaus bewegt wird. Länge und Drehpunkt des Aufwerfhebels sind also so
bestimmt, daß auch in der Nähe von 40 v. H., d.h. in 40 v. H. + d w, die Füllungen auf beiden Kolbenseiten gleich
werden.
Wir wollen nun die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Punktes F bestimmen, wenn die Geschwindigkeit des Kreuzkopfes
gegeben ist und der Schieber festgehalten wird. Zu diesem Zweck ersetzen wir den
Steuerungsmechanismus Fig. 1 durch das gleichwertige
Getriebe Fig. 7.
Darin ist an Stelle der Prismenpaarung zwischen Kulisse und Kulissenstein eine
Drehpaarung getreten. Dieser Kunstgriff erleichtert die kinematische Untersuchung
wesentlich. Das Dreieck B C IV ist eine starre Scheibe,
die um den Kulissendrehpunkt IV schwingen kann. Am Endpunkt C dieser Scheibe ist gelenkig der Endpunkt D der Schieberschubstange angeschlossen. B C ist gleich dem Abstand des Angriffspunktes der
Exzenterstange an der Kulisse vom Mittelpunkt des Kulissenbogens, IV C ist der Entfernung des Kulissenaufhängepunktes vom
Kulissenmittelpunkt gleichgemacht. Punkt D macht somit
im Getriebe Fig. 7 dieselbe Bewegung wie der
Kulissenstein im Steuerungsmechanismus Fig. 1. Die
Drehung der Stange D C um C gäbe ein Maß für das sog. Steinspringen.
Textabbildung Bd. 326, S. 466
Fig. 7.
Die Ermittlung der Geschwindigkeiten und der Beschleunigungen aller Gelenkpunkte des
Steuerungsgetriebes ist in den Fig. 8 bis 20 erläutert. Es wäre für das Verständnis der
Abbildungen nicht zweckdienlich gewesen, sie maßstäblich übereinstimmend
wiederzugeben. Die Hauptsache ist, durch deutliche Zeichnungen die Methoden zu
erklären. Deshalb sind die Fig. 8 bis 20 unabhängig voneinander gezeichnet und die
wirklichen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen am Schluß in zwei Tafeln
zusammengestellt. Die benutzten Sätze der Kinematik sind hier nicht näher begründet.
Der Uneingeweihte sei auf die Lehrbücher der Kinematik verwiesen.Vergl. auch: E. Dafinger, Graphodynamische
Untersuchung einer Heusinger-Joy-Steuerung. Diss. München. Dinglers Polyt.
Journ. 1907 und H. Goetz, Theoretische Untersuchung einer
Bonjour-Lachaussee-Dampfmaschine. Diss. München. Verhandlungen des Vereins
zur Förderung des Gewerbefleißes. Berlin 1909. Leonh. Simion Nf.
(Sonderabdruck im Buchhandel erschienen.)
Bestimmung der
Geschwindigkeiten.
Dem Kreuzkopf P in Fig.
8 werde die Geschwindigkeit P Pv erteilt; P\,P_\frakfamily{v}
ist dessen lotrechte Geschwindigkeit. Man erhält die lotrechte Geschwindigkeit M Mv des Kurbelzapfens
M, indem man von M aus
die lotrechte Geschwindigkeit P Pv nach Größe und Richtung aufträgt und durch den
Endpunkt eine Parallele zu M P bis zum Schnitt
M_\frakfamily{v} mit der Kurbelrichtung I M zieht. Dreht man M
Mv um 90° im gleichen Sinne, wie
P\,P_\frakfamily{v} gegen P Pv gedreht ist, so erhält man mit M Mv die
Geschwindigkeit des Kurbelzapfens. Die lotrechte Geschwindigkeit
A\,A_\frakfamily{v} des Gelenkkurbelzapfens A wird auf der Verlängerung I
A durch die Parallele zu M A durch
M_\frakfamily{v} abgeschnitten, da
M\,M_\frakfamily{v}\,:\,A\,A_\frakfamily{v}=I\,M\,:\,I\,A.
A\,A_\frakfamily{v} ist die Geschwindigkeit von A.
Textabbildung Bd. 326, S. 466
Fig. 8.
Die lotrechte Geschwindigkeit von B\,B_\frakfamily{v} des Punktes
B der Exzenterstange erhält man (Fig. 9), wenn man die lotrechte Geschwindigkeit
von A in B der Größe und
Richtung nach aufträgt und durch den Endpunkt eine Parallele zu A B bis zum Schnitt Bv mit der Linie IV B
zieht. B Bv ist die
Geschwindigkeit von B. Die in die Richtung A B fallenden Komponenten der Geschwindigkeiten A Av und B Bv müssen natürlich
gleich groß und gleich gerichtet sein. Die lotrechte Geschwindigkeit C Cv wird auf der Linie
C IV durch die Parallele B
C durch Bv
abgeschnitten. C\,C_\frakfamily{v} im Drehsinn
A\,A_\frakfamily{v}
A_\frakfamily{v} gedreht, ergibt die Geschwindigkeit C Cv des Mittelpunktes
C des Kulissenkreises.
Der an Punkt C beweglich angeschlossene Punkt D erhält seine Bewegung nicht bloß von C her, sondern als Punkt der Stange D E auch von E her durch
die vom Kreuzkopf in das Getriebe eingeleitete Bewegung. Um die Geschwindigkeit des
Punktes D zu finden, muß also außer der Geschwindigkeit
vC auch die
Geschwindigkeit vE
bekannt sein.
Textabbildung Bd. 326, S. 466
Fig. 9.
Das Gelenk Q ist mit dem Kreuzkopf und mit dem Kolben
starr verbunden, hat also dieselbe Geschwindigkeit wie letzterer. Die lotrechte
Geschwindigkeit des Endpunktes R des Mitnehmerhebels
Q R findet man, indem man in R die lotrechte Geschwindigkeit
Q\,Q_\frakfamily{v} der Größe und Richtung nach aufträgt und
durch den Endpunkt die Parallele bis zum Schnittpunkt Rb mit dem Voreilhebel R II zieht. R Rv das gegen R\,R_\frakfamily{v}
um 90° gedreht ist wie Q Qv gegen Q\,Q_\frakfamily{v}, stellt die wirkliche
Geschwindigkeit des Punktes R vor. (Vergl. Fig. 10). Die wirkliche Geschwindigkeit E Ev des
Angriffspunktes E der Schieberschubstange wird auf der
Parallelen zu R Rv
durch E von der Verbindungslinie Rv
II abgeschnitten.
Die Geschwindigkeit von Punkt D des Getriebes C D E wird aus den Geschwindigkeiten C Cv und E Ev folgendermaßen
ermittelt (Fig. 11): Man ziehe durch den Endpunkt der nach D versetzten Geschwindigkeit C
C das Lot I zur Stange D C und durch den Endpunkt der nach D
versetzten Geschwindigkeit E Ev das Lot II zur
Schieberschubstange D E (siehe Fig. 1). Von D nach dem
Schnittpunkt dieser beiden Lote verläuft alsdann die Geschwindigkeit D Dv des Gelenkpunktes
D. Hat man die lotrechten Geschwindigkeiten
C\,C_\frakfamily{v} und
E\,E_\frakfamily{v} schon gezeichnet, so erhält man die
lotrechte Geschwindigkeit von D rasch dadurch, daß man
durch C_\frakfamily{v} und E_\frakfamily{v}
die Parallelen zu C D bezw. E
D bis zum Schnitt D_\frakfamily{v}, zieht.
D\,D_\frakfamily{v} im richtigen Drehsinn um einen rechten
Winkel gedreht ergibt mit D Dv ebenfalls die Geschwindigkeit des Kulissensteines D.
Textabbildung Bd. 326, S. 467
Fig. 10.
Textabbildung Bd. 326, S. 467
Fig. 11.
Textabbildung Bd. 326, S. 467
Fig. 12.
Aus den bekannten Geschwindigkeiten der Punkte D und E ist die Geschwindigkeit des Punktes F der Schieberschubstange einfach zu finden. Die
Richtungslinie der lotrechten Geschwindigkeiten
D\,D_\frakfamily{v} und
E\,E_\frakfamily{v} schneiden sich im Pol der
Augenblicksdrehung der Stange D E. Durch den Pol muß
auch die Richtung der lotrechten Geschwindigkeit
F\,F_\frakfamily{v} des Punktes F gehen. Der Punkt Fv liegt außer auf diesem Polstrahl auch auf der
Verbindungslinie Dv
Ev. Die letztere ist
übrigens parallel zu D E. In Fig. 12 fällt der Pol weit von der Strecke D
E weg. In diesem Fall zieht man F Fv so, daß Punkt Fv die Strecke Dv
Ev im selben Verhältnis
teilt wie Punkt F die Strecke D
E. F Fv ist die wirkliche Geschwindigkeit
des Punktes F der Schieberschubstange.
Textabbildung Bd. 326, S. 467
Fig. 13.
Wir haben jetzt die Geschwindigkeiten sämtlicher Punkte des Getriebes (Fig. 7) bis auf jene des Punktes G bestimmt. Die letztere können wir noch nicht finden,
weil wir zwar die Länge des Hängeeisens F G, aber
nicht die Lage von G kennen. Diese suchen wir
zunächst auf. Wir bringen den Kolben in die symmetrische Stellung zu Fig. 7, d.h. wenn der Kolben in Fig. 7 auf 40 v. H. seines Weges auf der Kurbelseite
stand, verschieben wir ihn auf 40 v. H. seines Weges auf der Deckelseite.
Gleichzeitig verschieben wir den Schieber so, daß er eben auf der Deckelseite die
Füllung abschneidet. Durch diese Verstellung des Getriebes gelangt der Punkt F der Schieberschubstange an die Stelle F' (siehe Fig. 3).
Durch die Lage von F und F'
ist auch die Lage von G bekannt, da F G = F' G = Hängeeisenlänge. Wir halten nun den
Schieber wiederum fest und erteilen dem Kolben (oder dem Kreuzkopf) die
Geschwindigkeit v' welche gleich groß wie v aber entgegengesetzt gerichtet ist. Wie in den Fig. 8–12 gezeigt,
lassen sich nun für alle Punkte des verstellten Getriebes die Geschwindigkeiten
ermitteln. Die Geschwindigkeit von F' sei F' F'v (Fig. 13). Aus dieser und der Geschwindigkeit F Fv findet man die
Geschwindigkeit G Gv
des Punktes G, indem man F
Fv und F'
F'v nach G
versetzt und aus deren Endpunkten die Lote I und II auf die Richtung G F
bezw. G F' fällt. G mit
dem Schnittpunkt dieser Lote verbunden, gibt die Geschwindigkeit des Punktes G des Aufwerfhebels. Auf dem Lot durch G zur Geschwindigkeit G
Gv liegt der Mittelpunkt H der Kreisbahn von G. Das
Lot ist als H-Linie bezeichnet. Die Länge G H ist noch nicht bekannt. Wir finden sie aus der
Beschleunigung des Punktes G, wie in Fig. 6 abgeleitet.
Es ist nun für jeden Punkt des Getriebes (Fig. 7) und
für jeden Punkt des symmetrisch verstellten Getriebes die Beschleunigung aufzusuchen
und aus den Beschleunigungen der Punkte F und F' jene des Punktes G zu
ermitteln.
(Schluß folgt.)