Titel: | VANADIUM-STAHL UND -EISEN, IHRE EIGENSCHAFTEN UND VERWENDUNG IM MASCHINENBAU. |
Autor: | Dierfeld |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 505 |
Download: | XML |
VANADIUM-STAHL UND -EISEN, IHRE EIGENSCHAFTEN UND
VERWENDUNG IM MASCHINENBAU.
Von Regierungsbaumeister Dierfeld, Berlin.
(Fortsetzung von S. 485 d. Bd.)
DIERFELD: Vanadium-Stahl und -Eisen, ihre Eigenschaften und
Verwendung usw.
Vanadiumstahl, Type A.
Dieser Stahl paßt sich den verschiedensten Verwendungszwecken an; er besitzt große
statische Festigkeit und Dehnbarkeit sowie hohe Widerstandsfähigkeit gegen
Erschütterung bezw. Ermüden. Im Gesenk unter dem Fallhammer oder bei Zugversuchen
verhält sich der Stahl ähnlich wie weicher Martinstahl; er fließt, im Gesenk
geschmiedet, leicht, erträgt hohe Temperaturen ohne Strukturänderung, erhält eine
sehr glatte Oberfläche und ist leicht zu bearbeiten.
Besonders geeignet ist dieser Stahl für die Kurbelwellen von Automobilmotoren.
Textabbildung Bd. 326, S. 504
Fig. 9.
Fig. 9 zeigt eine im Gesenk geschmiedete Kurbelwelle
für einen Zweizylindermotor, die durch wiederholte Schläge eines 1140 kg schweren
Dampfhammers verzerrt wurde, ohne eine Spur von Bruch oder Riß aufzuweisen. Infolge
der wiederholten Schläge ist dies eine viel härtere Probe, als wenn dieselbe
Verzerrung mittels des allmählichen Druckes einer hydraulischen Presse erfolgt wäre.
Eine Kurbelwelle aus vorzüglichem Kohlenstoffstahl wurde derselben Prüfung
unterzogen, konnte aber nicht in demselben Maße ohne Bruch verzerrt werden, trotzdem
hierbei die Schläge nur mit dem vierten Teil der früher angewendeten Kraft
erfolgten.
Elasti-zitäts-grenzekg/qcm
Zug-festigkeitkg/qcm
Dehnungin 50 mmv. H.
Quer-schnitts-vermin-derungin v.
H.
Kohlenstoffstahl
3515
5750
30,0
60,0
Nickelstahl
6328
8200
21,0
71,0
Chromvanadiumstahl Type A
7734
9140
17,0
57,0
Chromvanadiumstahl Type D
10500
11600
16,0
59,0
Textabbildung Bd. 326, S. 504
Fig. 10.
Obenstehende Tabelle gibt Ergebnisse von vergleichenden Festigkeitsversuchen mit
Stahlen für Motorkurbelwellen an: Der Vanadiumstahl ist also den heute gebräuchlichen
Stahlen stark überlegen.
Fig. 10 stellt verschiedene im Gesenk geschmiedete
Automobilteile dar, welche durch Schläge eines Fallhammers kalt verbogen wurden,
ohne zu brechen oder Risse zu zeigen. Kolbenstangen aus diesem Stahl können ohne
Schaden kalt spiralig verdreht werden, wie aus Fig.
11 zu ersehen.
Für die Treibachsen und Schubstangen amerikanischer Lokomotiven wird der A-Stahl sehr
viel verwandt; er ist von bemerkenswerter Zähigkeit, wie die in Fig. 12 und 13
abgebildeten gebogenen Stücke zeigen.
In Fig. 12 sieht man eine Lokomotivtreibachse von 250
mm , welche kalt unter 14000 t Druck in die abgebildete Form gebogen wurde.
Der dazu benutzte Stahl hatte folgende Festigkeitsziffern:
Elastizitätsgrenze
5400 kg/qcm
Zugfestigkeit
7031 „
Dehnung für 50 mm
20 v. H.
Querschnittsverminderung
50 „
Fig. 13 zeigt eine kalt gebogene
Lokomotivschubstange. In beiden Fällen war eine Rißbildung nicht bemerkbar.
Textabbildung Bd. 326, S. 505
Fig. 11.
Einsatzgehärtete Zahnräder aus mildem A-Stahl werden viel bei amerikanischen
Motorwagen als Steuerwellenantriebsräder, Differentialräder usw. angewendet. Die
Härtehaut ist sehr hart, stark und zähe und hängt gut mit dem Kern zusammen. Der
Kern solcher Einsatzstücke hat bemerkenswerte Festigkeitseigenschaften, wie aus
folgendem zu ersehen:
Textabbildung Bd. 326, S. 505
Fig. 12.
Elastizitätsgrenze
12700 kg/qcm
Zugfestigkeit
14000 „
Dehnung für 50 mm
8 v. H.
Querschnittsverminderung.
25 „
Sehr wichtig ist der Einfluß der Wärmebehandlung auf die Festigkeit des
A-Stahles, wie aus folgender Tabelle hervorgeht;
Analyse des A-Stahles.
(C – 0,26 v H, Mn – 0,48 v. H., Cr – 0,92 v. H., Si – 0,06 v. H.,
V – 0,20 v. H.)
Wärme-behandlung
Elastizitäts-grenzekg/qcm
Zug-festigkeitkg/qcm
Dehnungfür 50 mmin v. H.
Quer-schnitts-vermin-derungin v.
H.
Heizluft bei 800° C
4300
5700
34,8
66,4
Oelgetempertbei 900/625° C
7000
9300
30,0
69,6
„ 900/550 „
8600
10000
18,0
63,5
„ 900/400 „
10800
13000
13,0
51,0
„ 850/625 „
7200
9300
28,0
67,0
„ 850/550 „
8000
9600
21,0
64,5
„ 850/400 „
10500
12300
13,0
57,0
Wassergetemp.bei 900/625°C
9300
11000
18,0
62,5
„ 900/550 „
10700
11800
12,0
53,6
„ 900/450 „
12200
14500
12,5
54,5
„ 850/625 „
9600
10800
27,0
60,0
„ 850/550 „
10500
11800
14,0
57,9
„ 850/450 „
12100
14200
12,5
54,5
Nach dieser Tabelle läßt sich leicht die passende Wärmebehandlung für verschiedene
Fälle bestimmen.
Vanadiumstahl Type D.
Der D-Stahl wird hauptsächlich für Federn der Lokomotiven, Eisenbahnwagen und
Motorwagen verwendet. Mit niedrigem Kohlenstoffgehalt wird er auch für
Hinterradbrücken, Vorderachsen, Kardanwellen der Motorwagen benutzt.
Textabbildung Bd. 326, S. 505
Fig. 13.
Dieser Stahl ist leicht schweißbar und kann im Betriebe wiederholt überlastet werden;
seine Elastizitätsgrenze liegt zwischen 12600 und 15750 kg/qcm bei einer
Zugfestigkeit von 13300 bis 17500 kg/qcm. Halbelliptische Federblätter aus
Vanadiumstahl vertragen ohne bleibende Formänderung, Durchbiegen in umgekehrte
Krümmung, wenn die Feder frei wieder in die normale Form zurückkehren kann. Fig. 14 stellt zwei Vorderfedern eines Motorwagens
aus D-Stahl dar, welcher gegen eine Steinmauer rannte und vollständig zertrümmert wurde.
Wie ersichtlich, sind die Federn trotz des heftigen Anpralls nur verbogen; ein
Beweis für die wunderbare Zähigkeit dieses Stahles.
Textabbildung Bd. 326, S. 506
Fig. 14.
Ein vergleichender Versuch auf der Federgreifmaschine mit Federblättern von 654 mm
Länge, derselben Breite und Stärke, sowie 100 mm Pfeilhöhe ergab nach sechs Hüben,
flach auf den Tisch der Prüfmaschine, bei Chromnickelstahlfedern eine bleibende
Ausbiegung von 19 mm, bei D-Stahlfedern nur eine solche von 4,8 mm.
Textabbildung Bd. 326, S. 506
Fig. 15.Durchbiegung in mm.
Bemerkenswert sind die Versuche der American Locomotive
Company über die Festigkeit der Lokomotivfedern aus Vanadium-D-Stahl und
Kohlenstoffstahl, deren Ergebnisse graphisch in Fig.
15 dargestellt sind. Die Federn hatten eine Stützweite von 914 mm,
bestanden aus 16 Blättern 125/12,5 mm, von denen die drei obersten Blätter in ganzer
Länge durchgingen.
Die Vanadiumfedern wurden geprüft:
1.
zu
28500
kg
mit
864
mm
Stützweite,
2.
„
41818
„
„
914
„
„
3.
„
42727
„
„
914
„
„
Bei dem zweiten Versuche wurde die Elastizitätsgrenze bei 38636 kg Belastung oder
16676 kg/qcm Spannung und 12,2 mm bleibender Durchbiegung erreicht. Die Versuche
wurden dreimal wiederholt ohne die geringste Aenderung des Ergebnisses, welches in
Fig. 15 in den ausgezogenen Kurven wiedergegeben
ist.
Die Kohlenstoffeder wurde geprüft:
1.
zu
20000
kg
mit
914
mm
Stützweite,
2.
„
40581
„
„
914
„
„
3.
„
38409
„
„
914
„
„
4.
„
40581
„
„
914
„
„
Beim zweiten Versuche wurde die Elastizitätsgrenze bei 29545 kg Belastung oder 12600
kg/qcm Spannung und 28,5 bleibender Durchbiegung erreicht. Beim dritten Versuche kam
eine weitere Durchbiegung von 6,6 mm hinzu, und beim vierten Versuch brachen die
Federblätter 1, 2, 3, 8, 9, 10, 11 und 12 in der Mitte. Das Ergebnis zeigen die
gestrichelten Kurven der Fig. 15.
Diese Prüfungen beweisen, daß Federn aus Vanadiumstahl solchen aus Kohlenstoffstahl
bedeutend überlegen sind, und besonders dort sich zur Verwendung empfehlen, wo sehr
scharfe Betriebsbedingungen auftreten.
Auch bei diesem Stahl ist die Art der Wärmebehandlung von großem Einfluß auf seine
physikalischen Eigenschaften. Aus der folgenden Tabelle wird man die Wirkung der
Wärmebehandlung für verschiedene Fälle leicht ersehen.
Zusammensetzung des D-Stahles.
(C – 0,50 v. H., Mn – 0,92 v. H., Cr – 1,02 v. H., Si – 0,065 v.
H., V – 0,20 v. H.)
Wärme-behandlung
Elastizitäts-grenzekg/qcm
Zugfetigkeitkg/qcm
Dehnungfür 50 mmin v. H.
Quer-schnitts-vermin-derungin v.
H.
Geglüht bei 8000° C
4500
7200
25,8
61,5
Oelgetempert b.900/600° C
12000
13100
15,5
45,2
900/500° C
13500
14300
12,5
42,5
900/400° C
16800
18600
6,5
17,0
875/600° C
11300
13000
13,5
45,5
875/450° C
15500
16600
10,0
29,5
850/550° C
13200
13800
12,5
45,0
850/400° C
16800
18300
7,0
22,0
825/550° C
12400
13000
14,5
47,5
825/400° C
16800
18200
8,0
24,0
(Schluß folgt.)