Titel: | VANADIUM-STAHL UND -EISEN, IHRE EIGENSCHAFTEN UND VERWENDUNG IM MASCHINENBAU. |
Autor: | Dierfeld |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 524 |
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VANADIUM-STAHL UND -EISEN, IHRE EIGENSCHAFTEN UND
VERWENDUNG IM MASCHINENBAU.
Von Regierungsbaumeister Dierfeld, Berlin.
(Schluß von S. 506 d. Bd.)
DIERFELD: Vanadium-Stahl und -Eisen, ihre Eigenschaften und
Verwendung usw.
Vanadiumstahl Type E.
Dieser ist ganz besonders zum Einsatzhärten bestimmt. Seine Vorzüge lassen sich, wie
folgt, zusammenfassen: Kräftige Harthaut, welche große Widerstandsfähigkeit gegen
mechanische Abnutzung besitzt, inniger Zusammenhang zwischen Harthaut und Kern,
daher kein Abblättern oder Abbröckeln der Haut, endlich ein Kern von großer
Festigkeit, außerordentlicher Dehnbarkeit und Zähigkeit.
Rundstäbe und E-Stahl von 29 und 32 mm wurden nach Vorschrift in Einsatz
gehärtet und belastet, bis die Außenfläche Risse zeigte; die Stäbe verbogen sich
dabei ziemlich stark, obgleich die Harthaut wenigstens 1 mm tief war. Die scharfen
Kanten der sodann zerbrochenen Stäbe ritzten Glas ohne weiteres. Darauf wurde die
harte Haut abgeschliffen, bis man auf eine weichere Zone stieß, die Bearbeitung
gestattete, so daß dieser Kern zum Versuchsstabe abgedreht werden konnte.
Die Zugversuche ergaben folgendes:
Elastizitätsgrenze
5695
kg/qcm
Zugfestigkeit
7253
„
Dehnung für 50 mm
20
v. H.
Querschnittsverminderung
60
„
Rundstäbe aus diesem Kernmaterial von 12,5 mm konnten doppelt kalt gebogen
werden; andere Stäbe von nur 12,5 mm wurden sehr tief gehärtet (2,5 mm
Harthaut) und hatten dabei immer noch einen genügend zähen Kern.
Endlich wurden Rundstäbe im Einsatz gehärtet und dann kalt zu rechteckigen
Querschnitten ausgeschmiedet; die Harthaut war ganz gesprungen, hielt aber doch zähe
am welchen Kern fest. Besonders geeignet erscheint dieser Stahl für die
verschiebbaren Zahnräder der Geschwindigkeitsgetriebe von Motorwagen, während das
heute angewendete Material sich sehr schnell abnutzt.
Vanadiumstahl Type G.
Dieser Stahl wird in Amerika sehr viel und mit gutem Erfolge für die Bandagen von
Lokomotiv- und Eisenwagenrädern verwendet; er besitzt hohe statische Festigkeit, wie
aus folgender Tabelle zu ersehen ist:
Geglüht
In Oel getempert
900/600°C
900/500°C
Elastizitätsgrenze kg/qcm
5702
13657
14383
Zugfestigkeit „
9310
14185
15805
Dehnung für 50 mm
22,0
13,0
8,5
Querschnittsverminderung
50,6
35,5
29,5
Dieser Stahl hält 1260 Wechsel auf der Wechselschlagmaschine aus, ist also auch
dynamisch gewöhnlichem Bandagenstahl weit überlegen. Bemerkenswert ist das
homogene Gefüge dieses Stahls sowie die Leichtigkeit des Bearbeitens: Mit
Vanadium-Schnelldrehstahl konnte von solcher Bandage ein Span von 535 mm Länge, 140
mm , 32 mm Breite und 8 mm Stärke geschnitten werden.
Vanadiumstahl Type H.
Derselbe ist besonders für Schneidewerkzeuge, wie Fräsköpfe usw., geeignet, ist aber
mit einigen leichten Aenderungen hinsichtlich Kohlenstoff- und Mangangehalts auch
vorzüglich zur Herstellung von Sägeblättern zu verwenden. Er härtet sich sehr
gleichmäßig ohne Formänderung und ist trotz seiner Härte hochgradig zähe. Die daraus
hergestellten Sägeblätter haben den Vorzug, sich nicht im Schnitte festzuklemmen
oder überhaupt zu verziehen. Ein Vanadiumstahl-Sägeblatt wurde zu kleinem
Durchmesser aufgewickelt und 30 Tage lang in dieser Form festgehalten. Als es nach
dieser Zeit gelöst wurde, kehrte es zu völlig ebener Lage zurück. Andere Vortheile
bestehen darin, daß solche Sägeblätter nicht ausknicken, sich leicht schränken
lassen, ohne Gefahr des Bruches, und die Schränkung wie Schnittkante mehr als
zweimal solange wie gewöhnliche Sägen aus Kohienstoffstahl behalten.
Vanadiumstahl Type J.
Dieser ist besonders für Gußstücke aller Art bestimmt. Seine Elastizitätsgrenze liegt
um etwa 25 v. H. und seine Zugfestigkeit um etwa 15 v. H. höher als die des
gewöhnlichen Kohlenstoffstahlgusses. Die Dehnbarkeit ist ungefähr dieselbe und die
Bearbeitung nicht erschwert. Bemerkenswert ist seine sehr dynamische Festigkeit;
dieser Stahl verträgt ungefähr dieselbe Zahl von Wechselschlägen (Turner) wie
gewöhnlicher Schmiedestahl mit demselben Kohlenstoffgehalt und doppelt soviel wie gewöhnlicher Stahlguß. Der Stahl fließt sehr frei beim
Guß; die Gußstücke sind fehlerfrei und haben vollendetere Flächen als bei
Kohlenstoffstahl. Das Gefüge des Gusses ist sehr fein; beachtenswert ist seine
Zähigkeit und leichte Schweißbarkeit.
Dieser Stahlguß wird sehr viel für die Barrenrahmen amerikanischer Lokomotiven
verwendet. Vergleichende statische und dynamische Versuche, welche von der Union Steel Casting Co. mit Vanadium-Gußstahl und
gewöhnlichem Gußstahl für Barrenrahmen unternommen wurden, zeigten klar die
überlegene Güte des Vanadiumstahles.
Die Versuchsstäbe waren 180 mm lang und hatten 16 mm ; sie wurden für den
Biegeversuch an einem Ende festgespannt, während das freie Ende wechselnd um 3 mm
nach oben und unten von dem Stempel der Biegemaschine, der 30 Hübe zu 6 mm i. d.
Min. vollzog, gebogen wurde.
In der Tabelle sind die Anzahl der Wechselbiegungen bis zum Bruche der Stangen
angegeben; die Zugversuche wurden an den Enden der gebrochenen Stangen
ausgeführt.
Elasti-zitäts-grenzekg/qcm
Zug-festigkeitkg/qcm
Dehnungfür200 mmin v. H.
Wechsel
Gewöhnl. Stahlguß 1.
2600
4300
20,0
4707
Gewöhnl. Stahlguß 2.
2650
4800
20,0
3706
Vanadiumstahlguß 1.
3300
5400
10,0
14973
Vanadiumstahlguß 2.
3200
5500
23,0
10582
Bei einem anderen Versuche wurde ein Stück eines Lokomotiv-Barrenrahmens aus
Vanadium-Gußstahl, auf zwei Stützpunkten in 1,28 m Entfernung ruhend, unter den
Fallbarren gebracht. Er erhielt 20 Schläge von je 2270 kg bei 6 m Fallhöhe;
gewöhnliche Stahlgußrahmen hätten nicht zwei solche Schläge ausgehalten.
Um die Schweißbarkeit dieses Stahlgusses zu prüfen, wurden zwei Stücke
zusammengeschweißt und zu quadratischen Stangen (12,5 mm Seitenlänge) gehobelt. Beim
Zugversuch ergab sich noch eine Festigkeit von 5300 kg/qcm vor dem Bruche, trotzdem
die Schweißnaht nicht vollkommen geschlossen und gleichmäßig war.
Textabbildung Bd. 326, S. 525
Fig. 16.
Textabbildung Bd. 326, S. 525
Fig. 17.
Fig. 16 zeigt einen Zylinder für einen Torpedo, der
aus Vanadium-Tiegelgußstahl (C – 0,40 v. H., Si – 0,25 v. H., Mn – 0,60 v. H., V –
0,18 v. H.) bestand und unter dem Dampfhammer abgeplattet wurde, ohne zu
zerspringen. Dieser Stahlguß lieferte folgende Festigkeitsziffern:
Elastizitätsgrenze
4600
kg/qcm,
Zugfestigkeit
5600
kg/qcm,
Dehnung für 50 mm
22,0
v. H.,
Querschnittsverminderung
43,0
v. H.
Vanadiumstahl Type K.
Das ist ein Stahl, der vorzüglich zur Herstellung von Stangen, Gesenken, Matrizen
usw. bestimmt ist.
Fig. 17 stellt ein Drucklufthammer-Nietgesenk aus
Vanadiumsfahl dar, welches beim Schiffbau 14 Monate lang ununterbrochen im Betriebe
war. Die Anforderungen waren hart, da viele der ⅞ zölligen Nieten kalt geschlagen
wurden. Eine große amerikanische Schiffswerft gibt als normale Lebensdauer der
früher gebrauchten Werkzeugstahl-Gesenke 10 Stunden an und bezeichnet als
Hauptübelstand, daß die ständige Erschütterung den Schaft kristallisiere, so daß die
Gesenke an der in Fig. 17 mit a bezeichneten Stelle abbrechen. Auch für
Rohrschneidewerkzeuge wird dieser Stahl viel von den Eisenbahnverwaltungen
Amerikas angewendet. Ein Vanadiumstahl-Rohrschneider wurde erst nach dem Schneiden
von 3627 Siederohren unbrauchbar, während nach Versuchen derselben Verwaltung mit
Werkzeugen aus anderen Stahlsorten höchstens 1000 Rohre geschnitten werden
konnten.
Vanadium in Gußeisen und schmiedbarem
Guß.
Auch auf Gußeisen wirkt ein Vanadiumzusatz günstig ein, besonders bei der Herstellung
von Hartguß, Zylindern, Kolben und Kolbenringen. Doch sind hier die Vortheile nicht
so erheblich wie bei der Verbindung mit Stahl. Gewöhnlich wird dem Gußeisen 0,10 bis
0,12 v. H. Vanadium (entsprechend 280 bis 310 g 35 proz. Ferro-Vanadium für 100 kg
Metall) zugesetzt. Interessant ist der Bericht der American
Locomotive Co., welche vor zwei Jahren eine Lokomotive mit Zylindern aus
Vanadiumgußeisen ausrüstete. Nach Ablauf dieser Zeit hatte die Lokomotive 360000 km
zurückgelegt, und die Zylinder zeigten nur mit Mikrometer meßbare Abnutzung, wogegen
bei Lokomotivzylindern aus gewöhnlichem Gußeisen nach 160000 km Fahrt schon eine
Abnutzung von 0,8 mm Tiefe festgestellt werden konnte.
Infolge dieses günstigen Ergebnisses rüstete die American
Locomotive Co. 183 neue Lokomotiven mit Zylindern aus Vanadiumgußeisen aus,
die jetzt im Betriebe sind.
Dieselbe Gesellschaft stellte vergleichende Versuche über Festigkeit von gewöhnlichem
Gußeisen und Vanadium Gußeisen an. Die Zugversuche wurden an ganz bearbeiteten,
quadratischen Stangen von 25 mm Seitenlänge vorgenommen. Beim Biegeversuch betrug
die Stützweite 300 mm, die Abmessung der Stangen waren dieselben.
Die Ergebnisse waren im Mittel (aus zehntägigen Versuchen):
Bruchbelastung beim
Biegeversuchin kg
Zugversuchin kg
Gewöhnl. Gußeisen
966
10976
Vanadiumgußeisen
1050
13068
Außer in vermehrter Festigkeit äußerte sich der Einfluß des Vanadiums auch darin, daß
die Späne bei der Bearbeitung der Zylinder länger und zäher waren und beträchtliche
Federkraft aufwiesen.
Ein großes amerikanisches Werk, welches Zylinder für Großgasmaschinen herstellt,
theilt folgende Versuchsergebnisse mit:
Bruchbelastung beim
Biegeversuchin kg
Zugversuchin kg
Gewöhnl. Gußeisen A
1297
9525
Vanadiumgußeisen AV
1492
10886
Gewöhnl. Gußeisen B
1579
11339
Vanadiumgußeisen BV
1710
12519
Die Abmessungen der Versuchsstäbe und Versuchsbedingungen waren dieselben wie
oben; doch waren die Stäbe nicht bearbeitet.
Bei schmiedbarem Guß wurde durch Vanadiumzusatz das Gefüge des Eisens verfeinert und
die Zugfestigkeit um etwa 12 v. H. erhöht; auch waren die Gußstücke bedeutend zäher
als solche aus gewöhnlichem schmiedbaren Guß.