Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 558 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Ein Bagger von ganz bemerkenswerter Größe sowohl
hinsichtlich der baulichen Ausführung wie auch hinsichtlich der Leistung (besitzt
doch die Baggerleiter allein eine Länge von 38 m) ist neuerdings in der Tongrube
einer ungarischen Zementfabrik zur Aufstellung gelangt. Die Verhältnisse liegen hier
so, daß das abzubaggernde Tonlager aus einem ziemlich leichten Material besteht, aus
einem. schichtweise mehr oder weniger sandigen, leicht schabbaren, feuchten, aber
nicht klebrigen Ton, der in 16 deutlich unterscheidbaren Schichten horizontal
gelagert ist. Die oberen Schichten des Tones sind fetter als die unteren. Die
frühere Gewinnung von Hand mit nachträglicher Materialmischung sollte im letzten
Jahre durch maschinellen Betrieb ersetzt werden. Um hierbei für die
Zementfabrik ein stets gleichartiges Produkt zu erzielen, mußte von einem Abbagern
des 20 m starken Tonlagers in verschiedenen Etagen abgesehen werden; es war
vielmehr, um eine stets gleiche Mischung der mageren Tonschichten mit den fetten
herbeizuführen, das ganze Lager mit einer einzigen Schnittfläche abzubaggern. Diese
Aufgabe konnte nur durch einen Bagger anormaler Konstruktion von recht bedeutender
Größe geleistet werden, der von Adolf Bleichert &
Co., Leipzig-Gohlis, gebaut wurde.
Die gewaltige Maschine arbeitet in einer Entfernung von etwa 400 m vom Maschinenhaus
auf einer Bahnlänge von 280 m und fördert aus zwei Auslaufschurren das gebaggerte
Material in
eine Kettenbahn, die es zur Fabrik bringt. Der Schnitt des Baggers ist ganz
geradlinig, da die Eimerkette wegen der Bedingung einer ständig gleichen Mischung
des Baggergutes nur parallel zu sich selbst verschoben werden durfte. Es ist demnach
die Becherkette auf ihre ganze Länge in der Baggerleiter geführt.
Textabbildung Bd. 326, S. 558
Das Baggergerüst ist aus Profileisen und kräftigen Blechen hergestellt, außerdem ist
zur Versteifung ein starker Quer- und Diagonalverband angeordnet. Der Antrieb des
Baggers erfolgt elektromotorisch, und zwar wird die Eimerkette durch einen 75 PS
Drehstrommotor von 500 Volt Spannung angetrieben. Die Bewegungen der Becherkette,
des Baggerfahrens und des Hebens und Senkens der Eimerleiter sind unabhängig
voneinander, können also auch gleichzeitig oder auch nacheinander zur Ausführung
gelangen. Die Bewegung wird auf die Becherkette durch zwei mit Zähnen versehene
Turasscheiben übertragen. Zwischen diesen Scheiben und dem Antriebsmotor ist ein
Riementrieb und ein Zahnradtrieb eingeschaltet. Der Antriebsriemen ist zum Schütze
gegen äußere Witterungseinflüsse durch ein Blechgehäuse abgedeckt. Das Heben und
Senken der Eimerleiter erfolgt wie üblich durch eine Trommelwinde, Zum Losgraben und
Fördern des Materials werden Baggerbecher benutzt, die aus einem Stück besten
Stahlbleches gepreßt sind. Sie besitzen eine gebogene Form und gießen rückwärtig
aus. An der Schneidseite ist ein Messer angeschraubt, das sich leicht nachschärfen
und auswechseln läßt. Aus den Baggerschaufeln gelangt das Material in die
Fülltrichter, aus denen es in Kettenbahnwagen abgezogen wird.
Einige Daten über diesen bemerkenswerten Bagger dürften seiner anormalen Größe wegen
von Interesse sein: Der Arbeitswinkel der Baggerleiter beträgt 47,5°, die Fahrbahn
liegt horizontal und hat eine Spurweite von 3 m. Die Entfernung von der Mitte der
Baggerfahrbahn bis zur Mitte der Kettenbahn beträgt annähernd 4 m. Die Ausladung des
Gegengewichtes ist 15 m groß, und das Gegengewicht selbst, das aus Pflastersteinen
besteht, wiegt 40 Tonnen. Die Eimerleiter hat, wie schon gesagt, eine Länge von
38 m bei einer Baggertiefe von 20 m. Auf der Rückseite des Gegengewichtes sind
pendelnde Füße angeordnet, die bei einer etwaigen Entlastung der Baggerleiter zum
Aufsitzen kommen und so den Haupttheil des Gegengewichtes tragen.
Der Bagger stellt eine ganz außergewöhnliche Maschine dar, die sich aber trotz ihrer
Größe als betriebssicher und erfolgreich bewährt hat.
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Eine beachtenswerte Konstruktion eines Wasserrohrkessels
wird von der Dinglerschen Maschinenfabrik A.-G.,
Zweibrücken, hergestellt.
Derselbe ist als Zirkulationskessel gebaut und besteht im wesentlichen aus einem
Rohrsystem, 2 Kammern, 1 oder 2 Oberkesseln und einem Fallrohr.
Wie schon der Name sagt, ist der Hauptwert auf regen Wasserumlauf und -Ersatz gelegt,
der unbedingt erforderlich ist, um mit Sicherheit und ohne Ueberanstrengung eine
große Verdampfung zu erreichen. Aus diesem Grunde sind erstens die Wasserrohre stark
geneigt, zweitens befördert das Verbindungs- oder Fallrohr das Wasser aus dem
Oberkessel in den unteren Theil der Wasserkammer, was zur Folge hat, daß in den
unteren Rohrreihen, die mit den Heizgasen in erste und intensive Berührung kommen,
die größte Wassergeschwindigkeit erzielt und ein Durchbrennen und Ausbeulen dieser
Rohre verhindert wird.
Der Einbau über der vorderen Kammer im Oberkessel verhindert die Kontraktionen und
befördert die Abscheidung des Dampfes aus dem Dampfwassergemisch, so daß möglichst
wenig Feuchtigkeit mitgerissen wird.
Textabbildung Bd. 326, S. 558
Ein günstiges Moment für die Leistung des Kessels ist auch die Anordnung des ersten
Rauchgaszuges, der stark konisch verjüngt ist, also eine Verzögerung der
Rauchgasbewegung ausschließt und in seinem unteren Theile infolge der großen Tiefe
eine intensive Wärmeübertragung in den unteren Rohrreihen ermöglicht.
Ein Verschlammen der Rohre ist bei diesem Kessel ausgeschlossen, da der Schlamm
infolge eines Einbaues über dem Fallrohr im Oberkessel zurückbleibt und dort
abgezogen werden
kann, während der am tiefsten Punkte des Kessels, an der hinteren Wasserkammer
angebrachte Ablaß lediglich die Aufgabe der vollständigen Entleerung zu erfüllen
hat.
Die Ueberhitzer dieser Kessel sind, entsprechend den Bedürfnissen der modernen
Heißdampfmaschinen, so angeordnet und gebaut, daß hohe Temperaturen erreicht werden.
Mittels einer Reguliervorrichtung ist man in der Lage, denselben ganz oder
theilweise aus dem Strom der Heizgase auszuschalten bezw. die Höhe der Ueberhitzung
in bestimmten Grenzen zu halten.
Zur Reinigung der Rohrsysteme sind Rußausblasevorrichtungen an den Längswänden sowie
rechts und links von den Kammern vorgesehen.
Der Kessel und auch der Ueberhitzer sind vollständig frei und elastisch in einem
Gerüst aufgehängt und vermittelst elastischer Zwischenlagen gegen das Mauerwerk
abgedichtet, so daß auftretende Bewegungen und Dehnungen, die durch Erwärmung und
Beanspruchung des Materials erzeugt werden, unbehindert erfolgen können.
Unter den allgemein üblichen Verhältnissen beträgt die Normalbeanspruchung dieser
Kessel 20 kg, die Maximalbeanspruchung 28 kg pro qm und Stunde. Ausschlaggebend sind
natürlich auch hier der Heizwert des Brennmaterials sowie die Art der Feuerung.
Derselbe Kessl ist auch als Hochleistungskessel
ausgebildet worden, welcher sich in der Praxis bestens bewährt hat und Dauerleistungen bis 35 und 40 kg pro qm und Stunde unter
denkbar bester Ausnützung des Brennmaterials zuläßt.
Zum Schlusse seien einige Versuchsergebnisse mit derartigen Kesseln angeführt, welche
die gute Wirkungsweise dieses Systems ergaben.
Kessel: 220 qm, Handfeuerung, Ruhrkohle 7400 Kal., Speisewasser 30°, Beanspruchung 18
kg/qm, 75 v. H. Ausnutzung.
Kessel: 200 qm, Kettenrost, Saarkohle (Gemisch von Gries, Klaubkohle und Förderkohle)
5100 Kal., Speisenasser 80°, Beanspruchung 20 kg, 72 v. H. Ausnutzung.
Kessel: 300 qm, Handfeuerung, Ruhrkohle 7300 Kal., Speisewasser 30°, Beanspruchung 26
kg/qm, 73 v. H. Ausnutzung.
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Die Sterilisation des Trinkwassers durch ultraviolette
Strahlen bespricht ein Aufsatz von Professor I. Courmont, Lyon.
Es ist schon seit langer Zeit bekannt, daß die bakterientötende Kraft des
Sonnenlichts von den ultravioletten Strahlen herrührt. Der größte Theil dieser
Strahlen wird jedoch von der Atmosphäre absorbiert, so daß die bakterientötende
Wirkung auf der Erdoberfläche nur gering ist. Um eine gründliche Sterilisation des
Wassers zu erzielen, muß man also die ultravioletten Strahlen künstlich erzeugen.
Ein sehr geeignetes Mittel hierzu ist die Quarzglas-Quecksilberdampflampe. Wird
nämlich Quecksilberdampf im Vacuum vom elektrischen Strom durchflössen, so emitiert
er während des Stromdurchgangs ultraviolette Strahlen. Glaslampen sind wenig
durchlässig für die Strahlen; daher verbesserte Küch 1905
die von Arons 1902 erfundene Quecksilberdampflampe durch
Verwendung von Quarzglas.
Das Spektrum des Quecksilbers geht von 3650–2225 Angströmeinheiten. Durch Quarzglas
werden diese Strahlen ungehindert hindurchgelassen, weshalb der Quarzlampe eine
außerordentlich stark bakterientötende Wirkung innewohnt. Die ultravioletten
Strahlen sind aber auch gefährlich für sämtliche lebenden Zellen, weshalb beim
Umgang mit derartigen Lampen Vorsicht geboten ist.
Zur Speisung der Lampen wird Gleichstrom verwendet. Das Entzünden geschieht durch
bloßes Neigen der Lampe. Dadurch wird der Strom geschlossen, sobald ein dünner
Quecksilberstrahl die beiden Pole verbindet. Wird die Lampe dann wieder in ihre
natürliche Lage zurückgebracht, so daß der Quecksilberfaden abreißt, so wird der
Quecksilberdampf zum Aufleuchten gebracht. Eine gründliche Sterilisation des Wassers
ist bisher erheblichen Schwierigkeiten begegnet; durch die Quecksilberdampflampe
läßt sich dieselbe aber in durchaus einwandfreier Weise erzielen, sofern nur das
Wasser klar ist. Durch trübes Wasser gehen ultraviolette Strahlen nicht hindurch.
Derartiges Wasser müßte daher zuvor einer Filtration unterzogen werden.
Die Apparate, welche von dem Mitarbeiter Courmonts, Herrn
Negier, konstruiert wurden, haben einwandfreie Resultate geliefert. Die
Lampen, welche sowieso gefüllt werden müssen, werden in ein Durchflußrohr von etwa
60 cm I. W. eingetaucht. Sämtliches Wasser, das in einer Entfernung von 30 cm vor
der Lampe vorbeiströmt, wird augenblicklich sterilisiert. Es wurden Versuche gemacht
mit außerordentlich stark durch Mikroben verunreinigtem Wasser. Zeitweise befanden
sich eine Milliarde Colibazillen in einem Liter des zu untersuchenden Wassers,
während gewöhnlich verunreinigtes Wasser deren nur 1000 enthält. Nach kurzer
Bestrahlung fand sich nicht eine einzige lebende Bakterie mehr vor. Auch solche
Mikroben, welche der Siedehitze des Wassers lange Zeit widerstehen, wurden mit
Sicherheit getötet. Eingehend wurde auch die Frage geprüft, ob durch die Bestrahlung
etwa eine chemische Veränderung des Wassers oder der darin enthaltenen mineralischen
Bestandtheile hervorgerufen wird. Es zeigte sich dabei, daß dies nicht der Fall ist.
Auch die Möglichkeit, daß durch Bindung von Ozon oder Wasserstoffsuperoxyd etwa
gesundheitsschädliche Wirkungen entstehen könnten, fand eingehende Beachtung. Es
wurde festgestellt, daß sich bei kurzer Belichtung diese Körper nicht bilden und bei
sehr lange dauernder Bestrahlung nur Spuren davon.
Das Eintauchen der Lampen in das zu sterilisierende Wasser ist aus zwei Gründen
empfehlenswert: erstens würde sich eine in Luft arbeitende Lampe auf 700–800° C.
erwärmen, wodurch der Quarzmantel mit der Zeit für ultraviolette Strahlen
undurchlässig würde, und zweitens ist die Wirkung einer eingetauchten Lampe, die
nach allen Seiten ausstrahlend das zu sterilisierende Wasser trifft, eine viel
intensivere.
Für die Praxis kommen drei verschiedene Apparate in Betracht:
1. Apparate für Einzelsterilisation. (kleine Apparate, welche sich besonders für
Wohnungsversorgung eignen).
2. Apparate für kleine Gemeinwesen (Apparate mit größeren Leistungen, welche an der
Versorgungszentrale aufgestellt sind) und alle Hähne eines Hotels, einer Kaserne,
eines Krankenhauses usw. speisen.
3. Apparate für die Versorgung der Städte mit Trinkwasser, welche imstande sind,
mehrere tausend cbm Wasser in der Stunde zu reinigen.
Sämtliche drei Apparatetypen sind schon praktisch erprobt worden und haben sehr
zufriedenstellende Resultate ergeben. [Journal für Gasbeleuchtung, Jahrgang 1911,
Nr. 27.]