Titel: | ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION. |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 623 |
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ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION.
Zuschriften an die Redaktion.
Im Anschluß an die beachtenswerten Ausführungen des Herrn Dr. Ing. Schaller in D. p. J. 1911, Heft 28, „Ueber
Knickformeln“ möchte ich mir folgende Bemerkungen gestatten. Wenn man
in gewissem Sinne auch zuzugeben hat, „daß die Knickfrage in ihrem ganzen Umfange
rein wissenschaftlich überhaupt noch nicht einwandfrei beantwortet ist“,
so liegen doch heutzutage Untersuchungen theoretischer und experimenteller Art vor,
welche mehr als einen bloßen Versuch zur wissenschaftlichen Klärung dieser Frage
bedeuten. Vor allem ist in dieser Beziehung die Arbeit von Kármán, Untersuchungen über Knickfestigkeit, Mitteilungen über
Forschungsarbeiten, herausgegeben vom Verein Deutscher Ingenieure, Heft 81, zu
erwähnen, welcher die Knickerscheinungen von Stäben aus Martin-Stahl bei
Beanspruchungen bis über die Fließgrenze theoretisch behandelt und experimentell
bestätigt. Gerade die in gewissen Grenzen vorhandene Uebereinstimmung der Resultate
Kármáns mit den Versuchsergebnissen Tetmajers
interessiert im Zusammenhang der Schallerschen
Erörterungen. Im übrigen scheint mir, daß man auf solche Untersuchungen – hierhin
gehören auch die bekannten Arbeiten EngessersSchweiz. Bauzeitung 1895, Bd. II, S. 24;
Zentralblatt der Bauverw. 1896, S. 492; Zeitschr. des Vereins Deutscher
Ingenieure 1898, S. 927. auf diesem Gebiete – nicht oft
genug hinweisen kann, damit endlich einmal Meinungsverschiedenheiten bei der
Berechnung gedrungener Druckstäbe – ob „Tetmajer oder
Euler“ – aufhören, zu den Möglichkeiten zu gehören.
Trotz dieser Untersuchungen ist freilich in vielen Fällen die Verwendung der
empirischen Tetmajerschen Formeln noch nicht zu umgehen,
zumal wenn es sich um Bauhölzer oder Gußeisen handelt. Wenn man aber doch einmal mit
einer rein empirischen Formel, „deren Aufbau mit der Gesetzmäßigkeit des
Vorganges, den sie decken soll, in keinem inneren Zusammenhang steht“,
vorliebnehmen muß, dann besteht meines Erachtens auch kein Bedenken mehr, die Tetmajer sehe Linie und die Eulersche Hyperbel gemeinsam durch eine Kurve dritten Grades angenähert
darzustellen.
Otto Mies.
In den obenstehenden Ausführungen lenkt Herr O. Mies das
Augenmerk auf die mir natürlich bekannten Kármán sehen
und Engesser sehen Arbeiten über die Knickfrage. Herr Mies schneidet damit dasselbe Thema an, das schon im
vergangenen Frühjahr zu einer Aussprache zwischen Oder,
Krohn und Zimmermann im Zentralblatt der
Bauverwaltung geführt hat. Es genügt deshalb, auf die Ausführungen im Z. d.
B. zu verweisen, wobei ich nur noch bemerke, daß ich vollständig auf dem dort
festgelegten Krohn-Oderschen Standpunkt stehe.
Auf den zweiten Einwurf des Herrn O. Mies, daß es keine
Bedenken habe, die Tetmajersche Gerade und die Eulersche Hyperbel gemeinsam durch eine Kurve dritten
Grades zu ersetzen, bemerke ich, daß, wenn es gelingt, mit einer einheitlichen
Formel die Versuchsergebnisse genügend gut zu decken und diese Formel ebenso einfach
und für die Verwendung ebenso bequem gestaltet werden kann wie die Eulersche bezw. Tetmajersche
Formel, gegen die Verwendung einer solchen Formel Einwände nicht zu erheben
sind.
L. Schaller.