Titel: | ELEKTRISCHE ALARMVORRICHTUNGEN AN NOTTÜREN. |
Autor: | Wendt |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 806 |
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ELEKTRISCHE ALARMVORRICHTUNGEN AN
NOTTÜREN.
Von Kgl. Baurat Wendt,
Berlin-Schlachtensee.
WENDT: Elektrische Alarmvorrichtungen an Nottüren
Inhaltsübersicht.
Neue Bestimmungen für Nottürschloß-Schlüsselkästen sind nicht mehr
zulässig. Das Nottürschloß nach Patent Rabitz-Schäfer,
das Nottürschloß von C. Karges, Osnabrück, das Nottürschloß von Brinitzer, Hannover, sämtliche Nottürschlösser sind mit
elektrischer Alarmvorrichtung versehen.
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Während es früher für Fabrikbetriebe, in denen eine nicht allzugroße Zahl von
Personen beschäftigt wird, bei sonst nicht benutzten Nottüren zulässig war, daß
zur Sicherung gegen Diebesgefahr diese Türen geschlossen gehalten werden konnten,
sofern bei denselben gut sichtbar und erreichbar in einem fest angebrachten Kästchen
mit Glasscheibe der zu der betreffenden Tür gehörige Schlüssel aufgehängt oder an
einer Kette am Schloß sicher befestigt war, ist man hauptsächlich auf Grund der
Erfahrungen, welche bei dem im Vorjahr stattgehabten Brande
in Berlin, Neue Friedrichstraße 79a gesammelt worden
sind, dazu gekommen, schärfere Anforderungen zu stellen. Neuerdings hat das große
Brandunglück in New York, bei welchem in einem zwölfstöckigen Wolkenkratzer über 150
Personen verunglückt sind, erneuten Anlaß gegeben, die Bestimmungen über den
Verschluß von Nottüren einer Revision zu unterziehen.
Man ist auf die Gefährlichkeit des Aushilfsmittels der Schlüsselkästen aufmerksam
geworden. Zwar soll die Scheibe der Schlüsselkästen stets vorgeritzt sein, damit sie
sich leicht zerschlagen läßt und Beschädigungen der Hände beim Eindrücken vermieden
werden. Dennoch können in Fällen dringender Gefahr und beim plötzlichen Andrängen
mehrerer Personen durch die beim Zertrümmern der Scheibe, beim Herausnehmen des
Schlüssels, beim Einstecken desselben in das Schloß und beim Aufschließen der Nottür
verbrauchte Zeit kostbare Minuten verloren gehen, die vielleicht für die Rettung
vieler Personen ausschlaggebend gewesen wären. Auch kann der Schlüssel in der
Aufregung leicht beim Einführen in das Schlüsselloch abgebrochen werden oder beim
Herausnehmen aus dem Kasten zur Erde fallen.
Textabbildung Bd. 326, S. 807
Oeffnungsvorrichtung für Nottüren Patent Rabitz-Schäfer.
Auf Grund der bei den vorstehend erwähnten Brandkatastrophen gesammelten Erfahrungen
ist man von der früher geübten Praxis der Schlüsselkästen zurückgekommen und stellt
neuerdings in Berlin folgende Anforderungen:
1. Die Geschäfts- und Arbeitsräume müssen mindestens zwei an
entgegengesetzten Seiten liegende Ausgänge haben, die während der ganzen Zeit,
in der sich Personen in den Räumen aufhalten, also auch während der Ruhepausen
innerhalb der Geschäftsund Arbeitsstunden, unverschlossen gehalten werden müssen
und nur durch eine im Falle der Gefahr leicht zu lösende Plombe gegen Oeffnen
durch Unbefugten gesichert werden dürfen.
2. Die hiernach nötigen Ausgangstüren müssen stets leicht
gangbar und dürfen nicht mit Schlössern versehen sein, an denen sich ein Riegel
befindet. Während der Geschäfts- und Arbeitsstunden darf der Schlüssel nicht im
Schloß stecken bleiben. Die bisher vielfach geduldete Abschließung eines der
Ausgänge und die Aufbewahrung des Schlüssels im Glaskasten neben der Tür ist
nicht mehr zulässig.
Es sind nun, insbesondere in neuester Zeit, Schloßsicherungen vorgeschlagen
worden, welche vorstehenden Anforderungen genügen und dabei eine mehr oder minder
große Sicherung gegen Diebesgefahr zu erreichen suchen. Einen Schutz gegen Diebstahl
von außen gewähren bereits die gewöhnlichen Korridorschlösser, das sind
Fallenschlösser, welche nur innen einen Drücker haben. Die Tür kann von außen
mittels Schlüssel geöffnet werden, von innen genügt ein Druck auf den Drücker und
ein Zerreißen der Plombe um die Tür zu öffnen. Größere Sicherheit, insbesondere
gegen Diebstahl von Seiten des Geschäftspersonals, gewähren Vorrichtungen, welche
eine mißbräuchliche oder bei Feuer erfolgte Oeffnung einer Nottür auf elektrischem
Wege anzeigen. Einige dieser Einrichtungen sollen nachstehend besprochen werden.
Bereits seit längerer Zeit werden von der Kunstschlosserei Gustav Quolke, Berlin, Vorrichtungen nach Patent Rabitz-Schäfer ausgeführt welche gestatten, auch zweiflüglige Türen mit
einem Griff, und zwar nach Belieben, sowohl an der Tür selber als auch von einer
entfernteren Stelle aus, zu öffnen, so daß beide Flügel, auch wenn die Tür
verschlossen ist, sofort aufspringen. Diese Vorrichtung dürfte sich in vielen Fällen
vor allen Dingen bei Theatern und Warenhäusern empfehlen, da es durch dieselbe
ermöglicht wird, sämtliche geschlossen gehaltene Ausgangstüren von einem Punkte aus,
dem Hauptgeschäftskontor, zu öffnen. Die erwähnte Vorrichtung läßt sich nachträglich
an jeder Tür anbringen. Eine an dem aufgehenden Flügel mit gewöhnlichem Schloß
versehene zweiflüglige Tür (Fig. 1a und 1b) besitzt am feststehenden Flügel eine mit zwei Lappen l versehene, bewegliche in besonders ausgestalteten
Zapfen laufende Baskülstange. Durch Niederdrücken des unteren Teiles der
Baskülstange wird der untere Riegel in das Schließblech der Türschwelle geschoben,
zugleich werden die an der Stange befindlichen Federn f
gespannt, der obere Riegel wird emporgehoben und von dem abgeschrägten Teil eines
Sperrhebels gefaßt, der durch einen am anderen Ende befindlichen Stift st am Ausschwingen verhindert wird, wodurch die
Feststellung des Flügels erfolgt (Fig. 1a). Die
Anordnung der Lappen l an der Baskülstange ist derartig
getroffen, daß, wenn die Baskülstange den feststehenden Flügel festgestellt hat, die
Lappen als Schließbleche für die Falle und den Verschlußriegel des aufgehenden Flügels
wirken und die Verriegelung vervollständigen. Wird durch Einschaltung eines
elektrischen Stroms die magnetische Kraft der Spule s
erregt oder mittels Kette oder Seil ein Zug auf den unterhalb der
Oeffnungsvorrichtung angebrachten Hebel h ausgeübt, so
wird der sperrende Stift st gehoben. Es kann nun der
Sperrhebel ausschwingen, wodurch von seinem vorderen Ende die Baskülstange
abrutscht. Die beiden Teile ziehen sich durch die Kraft der gespannten Federn
zusammen, die Lappen l verschieben sich nach unten,
wodurch sie die Falle und den Riegel des Schlosses reigeben und beide Flügel der
Türen springen, unterstützt von Aufwurffedern, auf (Fig. 1b). Bedenklich
bei dieser Vorrichtung ist vor allem die Anordnung des Seilzuges, welcher die
Oeffnung der Tür an Ort und Stelle bewirken soll, wenn es verabsäumt ist, die Tür
von der Zentrale aus rechtzeitig zu öffnen. Bei Panikfällen kann nicht mit
Sicherheit darauf gerechnet werden, daß die ungewöhnliche Anordnung der
Türöffnungsvorrichtung in Gestalt eines Seilzuges auch wirklich benutzt wird. Die
Türverschließvorrichtung von Rabitz-Schäfer entspricht
demnach nicht den berechtigten, an Nottürverschlüsse zu stellenden Anforderungen,
daß sie nämlich mit einem Druck auf die Klinke bei einflügligen, mit zwei Griffen
bei zweiflügligen Türen geöffnet werden können.
Textabbildung Bd. 326, S. 808
Fig. 2.Oeffnungsvorrichtung von Karges.
Den Uebelstand der ungewöhnlichen Anordnung der an Ort und Stelle befindlichen
Türöffnungsvorrichtung vermittels Seilzug vermeidet die Nottüröffnungsvorrichtung
von Ingenieur C. Karges, Osnabrück. Diese Vorrichtung
erfüllt nicht nur die behördlichen Vorschriften, sondern es wird auch dem Wunsch des
Inhabers des betreffenden Geschäftsbetriebes Rücksicht getragen, daß die Nottüren
nicht mißbräuchlich geöffnet werden können, ohne daß es bemerkt wird. Sobald eine
Nottür entweder im Fall der Not oder zur Ausführung eines Diebstahls geöffnet wird,
ertönt an einer Zentralstelle eine Alarmvorrichtung, so daß eine mißbräuchliche
Benutzung verhindert werden kann. Ist die Nottür infolge eingetretener Feuersgefahr
geöffnet worden, so ist die Zentralstelle in der Lage, sämtliche übrigen Nottüren
mit einem Mal zu öffnen. Ebenso kann jede Nottür an Ort und Stelle durch einen
einzigen Druck auf eine plombierte Klinke geöffnet werden. Sobald die Nottür
geöffnet ist, sei es von der Zentralstelle aus oder auch an Ort und Stelle, leuchtet
eine Glühlampe auf, durch welche die Nottür auch beim Versagen der sonstigen
Beleuchtungsvorrichtungen von weitem erkennbar ist. Gleichzeitig fällt ein
Glasschild mit der Aufschrift „Offen“ herunter, so daß jeder sehen kann, daß
die Tür zur Rettung frei ist. Fig. 2 zeigt die
Konstruktion dieses Nottürschlosses. Werden die Nottüren von der Zentralstelle aus
bei eintretender Gefahr geöffnet, so wird durch Druck auf einen Druckknopf in der
Zentralstelle der Elektromagnet a erregt, welcher den
Anker b anzieht. Die an diesem befindliche Nase n weicht aus der Einkerbung des Schlittens c zurück und dieser wird durch ein Gewicht q in die Höhe geschnellt. Der Stift e auf dem Schlitten c
stößt dann beim Hochgehen unter die Sperrklinke g, löst
diese aus und beide bleiben in Stellung g1 und e1 bis durch den Druck auf den Hebel der
Regulierstange der Schiebebolzen l hochgeht. Ein auf
der Rückseite des Schiebebolzens l befindlicher
Mitnehmerstift f drückt hierbei auf den Schlitten c, welcher dann beim Herunterdrücken des Hebels in
seine Sperrrlage zurückgebracht wird. Die Feder p
veranlaßt dann den Rückgang des Bolzens l. Das Gewicht
q führt den Schlitten c in die Sperrstellung. Das Uebergewicht u
vom Anker bewirkt dessen Loslassen vom Magneten und das Einfallen der Nase n in die Einkerbung des Schlittens, welche etwas lang
gearbeitet ist, damit die Nase n genügend Zeit zum
Einfallen hat. Der Schlitten c ist durch die
Führungsleisten d d geführt, über die ein Führungsblech
geschraubt ist. Die Regulierstange m stößt gegen den
Anker und begrenzt dessen Ausschlag. Durch den unter dem Uebergewicht u angebrachten Hebel i
kann die Vorrichtung auch ohne elektromagnetische Einwirkung gelöst werden, wodurch
es möglich ist, den Apparat am Platze selbst zu betätigen. Der Hebel wird durch eine
Plombe mit der Türklinke verbunden. Wird diese heruntergedrückt, so zerreißt die
Plombe, nimmt aber zuvor den kleinen Hebel i mit.
Hierdurch wird der Apparat ausgelöst und gleichzeitig die Kontaktvorrichtung
eingeschaltet, und zwar durch das Gewicht q. Die
Zentralstelle erhält einen Klingelalarm, und auf einem Tableau erscheint die Nummer
der betreffenden Nottür, welche geöffnet worden ist, so daß bei beabsichtigtem
Diebstahl sofortige
Kontrolle möglich ist. Gleichzeitig wird durch die Kontaktleitung der Elektromagnet
a erregt und ausgelöst und die an der Tür
befindliche Glühlampe in Betrieb gesetzt, welche unter einer Glasscheibe das Wort
„Offen“ erleuchtet.
Textabbildung Bd. 326, S. 809
Notausgangstürschloß von Brinitzer.
Zu ähnlichen Resultaten aber vermittels anderer Konstruktionsweise des Schlosses
gelangt Fabrikdirektor Brinitzer, Hannover. Das von ihm
zum Patent angemeldete Nottürschloß (Fig. 3a und 3b) ist derartig
konstruiert, daß die Türklinke plombiert gehalten werden kann, während es befugten
Personen ohne weiteres möglich ist, mit dem dazu passenden Schlüssel die Tür zu
passieren und zu verschließen (Fig. 3b). Bei
Feuersgefahr läßt sich die mit Schlüssel verschlossene Tür durch einfache Handhabung
der Türklinke in bisher gewohnter Weise sofort öffnen (Fig. 3a). Gleichzeitig
wird ein innerhalb des Schlosses angebrachter Kontakt geschlossen und damit der
Geschäftszentrale ein Alarmsignal gegeben, welches auf ein Tableau übertragen werden
kann, so daß die Tür, welche geöffnet wurde, genau bezeichnet ist. Die
Alarmglocke ertönt so lange, bis die die geöffnete Tür bezeichnete Nummerscheibe
wieder hoch gestellt ist. Je nach dem vom Geschäftsinhaber verlangten
Sicherheitsgrad wird das Schloß 1. als gewöhnliches Türschloß, 2. als
Sicherheitstürschloß mit Schubert & Wertscher
Sicherung, 3. mit eingebautem Kontakt für Alarmvorrichtung, 4. als gewöhnliches
Türschloß mit Alarmkontakt, 5. als Sicherheitstürschloß mit Alarmvorrichtung
geliefert. Eine Oeffnung sämtlicher Nottüren von der Zentralstelle aus ist
allerdings bei dem Nottürverschluß von Brinitzer nicht
möglich. Hier kann nur jedes Schloß an Ort und Stelle geöffnet werden.
Durch vorstehend besprochene Konstruktionen mit elektrischen Alarmvorrichtungen wird
sowohl den behördlichen Anforderungen an Nottürschlössern genügt, wie auch dem
begreiflichen Wunsch der Geschäftsinhaber Rechnung getragen, welche einen
möglichsten Schutz gegen Diebstahl erstreben. Es ist daher zu erwarten, daß
derartige mit elektrischen Alarmvorrichtungen arbeitende Nottürsicherungen weite
Verbreitung finden werden.