Titel: | WASSERKRAFTWERK, HEIZUNGSKRAFTWERK UND LICHTWERK. |
Autor: | Ludw. Schneider |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 20 |
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WASSERKRAFTWERK, HEIZUNGSKRAFTWERK UND
LICHTWERK.
Von Dr.-Ing. Ludw. Schneider,
München.
(Fortsetzung von S. 13 d. Bd.)
SCHNEIDER: Wasserkraftwerk, Heizungskraftwerk und
Lichtwerk.
Wir kommen nun zum zweiten Teil unserer Betrachtungen, zur Leistungsfähigkeit
der Heizungskraftwerke.
Dient das Heizwerk zur Wärmeversorgung von Wohngebäuden, so gibt der jährliche
Temperaturverlauf ein Bild von der Anstrengung der Heizanlage. Die Grenze des
Heizungsbedürfnisses liegt im allgemeinen bei einer mittleren Tagestemperatur von
11–12° C. Sinkt die Außentemperatur unter diesen Betrag, so muß die Heizung
angestellt werden. Die Kurve b in Fig. 5 stellt den Verlauf der mittleren Temperaturen
für die zwölf Monate eines Jahres in München dar.
Außerdem ist in Fig. 5 noch das mittlere und das
absolute Maximum und das mittlere und das absolute Minimum aufgetragen. Das Mittel
erhebt sich nur in den Monaten Juni, Juli, August und September über 12°, so daß in unserem Klima
annähernd 8 × 30 = 240 Heiztage resultieren würden. Ein Blick auf die Maxima und
Minima in Fig. 5 zeigt uns allerdings, daß es im
März, April, Mai und Oktober sehr warme Tage geben kann, allerdings im Hochsommer
auch recht „winterliche“. Dies gilt nicht nur für München, sondern für einen
großen Teil Mitteleuropas.
Textabbildung Bd. 327, S. 21
Fig. 5. Monatstemperaturen für das Jahr 1909 in München; a = mittleres
Maximum, b = mittlere Temperatur, c = mittleres Minimum, o = absolute Minima und
Maxima.
De Grahl hat für eine Reihe von Heizperioden die Zahl der
Heiztage ermitteltWirtschaftlichkeit der
Zentralheizung R. Oldenbourg 1911. und findet für die
Heizperiode
Anzahl der Heiztage
1900–01
210
1901–02
223
1902–03
236
1903–04
210
1904–05
214
1905–06
208
Diese Zahlen stimmen mit der oben angegebenen gut überein.
Wir können also zusammenfassen: Die Heizungskraftanlage für
Wohnungsbeheizung ist etwa 60 v. H. des Jahres und zwar während der Monate
Oktober–Mai in Betrieb. Da die aus den Alpen kommenden Flüsse von Oktober–März
einschließlich Niederwasser führen, so bilden für die aus ihnen gewonnenen
Wasserkräfte die äußerst wirtschaftlich arbeitenden Heizungskraftwerke die
natürlichsten Ergänzungsanlagen.
Für das Gebiet der Alpen und der zum Flußgebiet der Alpen gehörigen angrenzenden
Länder (Südostfrankreich, die Schweiz, Süddeutschland, Oesterreich, Oberitalien) hat
also das Parallelarbeiten der Wasserkraftanlagen mit Heizungskraftwerken ganz
erhebliche Bedeutung. In geringerem Maße eignet sich (bei konstantem Kraftverbrauch)
die Heizungskraftanlage als Ergänzungswerk zu einer Wasserkraftanlage, die aus dem
Mittelgebirge gespeist wird. Es mag aber gleich vorweg bemerkt werden, daß bei
vorwiegender Lichtbelastung Wasserkraft- und Heizungskraftwerk auch im Flachlande
ausgezeichnet zusammen arbeiten.
Textabbildung Bd. 327, S. 21
Fig. 6. Tagesbelastung eines kleinen Elektrizitätswerkes.
Fig. 5 gibt unmittelbar ein Bild von der Belastung
und von der Leistungsfähigkeit eines Heizwerkes. Mit der Tiefe der Außentemperatur
wächst proportional der Wärmebedarf der Wohnräume. Die Leistung der Dampfmaschinen
steigt fast ebenfalls genau im gleichen Verhältnis wie die Abdampfmenge zunimmt, da
ja bekanntlich der Dampfverbrauch der Kolbenmaschinen f. d. effektive
Pferdekraftstunde in ziemlich weiten Grenzen gleich hoch bleibt. Etwas anders liegen
die Verhältnisse beim Dampfturbinenbetrieb, speziell bei den Gegendruckturbinen. Der
Dampfverbrauch der letzteren nimmt besonders bei Drosselregulierung mit sinkender
Belastung ziemlich rasch zu, so daß bei geringem Abdampfbedarf die Leistung nicht
viel geringer ist als bei starkem Abdampfbedarf. Bei Maschinen mit
Zwischendampfentnahme und Entnahmeturbinen hat man es in der Hand, durch Variation
der Menge des entnommenen Dampfes Leistung und Abwärmebedarf in weiten Grenzen
voneinander unabhängig zu halten. Die größtmögliche Anzapfmenge nimmt mit sinkender
Belastung der Kolbenmaschine etwas ab, bei der Turbine dagegen etwas zu.Vergl. Fußnote 1 (S. 11).
Textabbildung Bd. 327, S. 21
Fig. 7. Belastung eines Heizwerkes an einem Dezembertage.
Wir wollen nun die Frage untersuchen: Wie paßt sich die Krafterzeugung der
Heizungskraftanlage der Belastung eines gemeindlichen Netzes an? Welche Rolle fällt
dem Heizungskraftwerk als Glied in der Reihe der Dampfkraftwerke zu?
Um der Beantwortung dieser Fragen näherzutreten, müssen wir zunächst die
Belastungsverhältnisse gemeindlicher Netze in den Kreis unserer Betrachtung
ziehen.
Einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Stromkonsum nimmt das
Beleuchtungsbedürfnis ein. Dieses ist nun sowohl nach der Tageszeit wie nach der
Jahreszeit sehr verschieden. Fig. 6 stellt die
Tagesbelastung eines Elektrizitätswerkes für eine Kleinstadt von 6000 Einwohnern
dar.
Textabbildung Bd. 327, S. 22
Fig. 8. Jahresbelastung eines kleinen Elektrizitätswerkes.
Textabbildung Bd. 327, S. 22
Fig. 9. Jahresbelastung eines Heizwerkes.
Während die Junibelastung für das Heizungskraftwerk insofern außer Frage kommt, als
dann die Heizung ruht, zeigt die Dezemberbelastung zwei Spitzen; eine von 8 bis 9
Uhr vormittags, die zweite von 4–6 Uhr nachmittags. Es ist interessant, damit die
Belastung eines Heizungskraftwerkes an einem Dezembertag zu vergleichen (Fig. 7). Im wesentlichen liegen die Maxima der
Heizung und des Kraftbedarfes beisammen, doch werden die absolut größten Werte bei
ersterer vormittags, bei letzterem nachmittags erreicht.
Die Aufspeicherung von Wärme in Warmwasserbehältern (Warmwasserheizung!) bietet aber
keine SchwierigkeitenVergl. auch: Der
Wärmespeicher von Druitt Halpin. Z. f. Dampfk. u.
Masch.-Betr. 1911. S. 193., so daß es sehr wohl möglich ist, die
Maschinen des Heizungskraftwerkes des Abends stärker zu belasten, um einen Vorrat an
Heizwasser zu erzeugen, der zum Anwärmen der Gebäude von etwa morgens 4 Uhr an
dienen kann, zu welcher Zeit der Kraftbedarf noch gering ist.
Textabbildung Bd. 327, S. 22
Fig. 10. Jahresbelastung der Elektrizitätswerke einer Großstadt; a =
Kraftbedarf der Straßenbahn, b = gesamte erzeugte Energie.
Textabbildung Bd. 327, S. 22
Fig. 11. Jährlicher Verlauf des Licht- und des Heizungsbedürfnisses.
Andernteils ist es auch möglich, die erzeugte Energie in Akkumulatoren
aufzuspeichern und damit die größere Belastung der Heizungskraftmaschinen auf den
Vormittag zu verlegen. Die Aufspeicherung der Wärme dürfte aber aus wirtschaftlichen
Gründen vorzuziehen sein.
Jedenfalls ist aus den Fig. 6 und 7 ersichtlich, daß die durchschnittliche
Tagesbelastung der Heizungskraftanlage in sehr erwünschter Weise mit der
Netzbelastung übereinstimmt.
Die Monatsbelastungen dieser beiden Anlagen sind in Fig.
8 und 9 graphisch zusammengestellt.
Während die Heizung aussetzt, d.h. in den Monaten Juni mit August, ist die Belastung
des Netzes am geringsten, so daß auch die Jahresbelastung des Heizungskraftwerkes
vorzüglich den Kraftkonsumverhältnissen angepaßt ist.
Für eine Großstadt von 600000 Einwohnern ist die Belastung sämtlicher
Elektrizitätswerke in Fig. 10 dargestellt.
Der Kraftverbrauch der Straßenbahn bleibt das ganze Jahr hindurch sehr konstant. Erst
durch den wechselnden Energiebedarf für Kraftzwecke und Beleuchtung erfährt die in
den verschiedenen Monaten erzeugte Energie jene Abstufung, wie wir sie schon in Fig. 8 kennen lernten. Aus dem Verlauf des
Linienzuges b läßt sich schließen, daß auch in größten
Betrieben das Heizungskraftwerk dem Kraftverbrauch sich anpaßt. Die geringste
Belastung fällt auch hier in die Sommermonate Juni mit August, d.h. in die heizfreie
Zeit.
Der Stromverbrauch für Straßenbeleuchtung allein ist in Fig. 11 von der Achse O–O nach oben, die
mittleren Monatstemperaturen nach unten aufgetragen.
Textabbildung Bd. 327, S. 23
Fig. 12.
Man ersieht aus dieser Darstellung, daß die Jahresbelastung eines Heizungskraftwerkes
genau dem Kraftbedarf für die Straßenbeleuchtung entspricht, m. a. W., daß die
äußerst wirtschaftlich arbeitende Heizungskraftanlage die natürlichste Lichtzentrale
ist.
Die täglichen und jährlichen Schwankungen der Netzbelastung,
die durch das verschiedene Beleuchtungsbedürfnis begründet sind, werden in sehr
vollkommener Weise durch die Maschinen einer Heizungskraftanlage für
Gebäudeheizung aufgenommen. Dadurch wird das Heizungskraftwerk, auch wenn man es
nicht als Ergänzungswerk zu einer Wasserkraftanlage betrachtet, zu einem
wichtigen Glied in der Reihe unserer Krafterzeugungsanlagen, das an
Wirtschaftlichkeit und Anpassung an die Konsumverhältnisse nicht überboten
werden kann.
Einige ziffermäßige Angaben über Kraftheizungsanlagen mögen diesen Ausführungen
folgen.
In Stuttgart entstand die erste Heizungskraftzentrale dieser oder vielmehr
ähnlicher Art, denn Unternehmer ist nicht die Gemeinde, sondern eine private
Vereinigung, die Stuttgarter Badegesellschaft.Zeitschr. d. bayer. Revisionsver. 1909. S. 20 u.
1910, S. 96. Die Stadtgemeinde verpflichtete sich jedoch, den
erzeugten Strom zu einem festen Preis abzunehmen. Der Zwischen- und Abdampf wird für
Dampfbäder und zur Warmwasserbereitung verwendet.
Im Betriebsjahr 1909 wurden an die Stadt 1165975 Kilowattstunden abgegeben, wofür
76954 M vereinnahmt wurden. Der Jahresbericht der Gesellschaft errechnet aus diesem
Betrag nach Abzug aller Ausgaben für Brennstoff, Wartung, Verzinsung und
Abschreibung einen Reingewinn von 50000 M. Demgemäß belaufen sich die
Erzeugungskosten der Kilowattstunde auf 2,3 Pf. Hier sei daran erinnert, daß die
Erzeugungskosten der Kilowattstunde in Werken von 1 Million Kilowattstunden
Jahresleistung betragen:E. Josse, Neuere Kraftanlagen. R. Oldenbourg.
1911.
Bei Betrieb mit
Dampfturbinen
etwa
6,5
Pf.,
Dampfmaschinen
„
8,0
„
Sauggasmaschinen
„
6,5
„
Diesel-Motoren
„
5,0
„
Die Verbindung eines Bades mit einem Elektrizitätswerk verspricht so offenbare
Vorteile, daß eine Nachahmung dieser Kombination nur empfohlen werden kann.
Textabbildung Bd. 327, S. 23
Fig. 13.
Eine zweite, größere Heizungskraftanlage entstand in München.L. Schneider, Ueber
die Verwertung des Zwischendampfes und des Abdampfes der Dampfmaschinen zu
Heizzwecken. J. Springer, Berlin 1910. Bei einer Jahresleistung
von 5230000 Kilowattstunden gibt das städtische Elektrizitätswerk Schwabing für die Heizung und Warmwasserversorgung des
neuen III. städt. Krankenhauses jährlich 33 Milliarden Kalorien ab. Die
Brennmaterialkosten errechnen sich in diesem Fall zu 0,682 Pf. f. d. Kilowattstunde,
während sie durchschnittlich betragen:
In Kraftwerken mit
Dampfturbinen
2
Pf.,
Dampfmaschinen
3
„
Sauggasmaschinen
2,2
„
Diesel-Motoren
3
„
Der graphische Arbeitsplan des Werkes bei schwacher und bei voller Belastung kann aus
Fig. 12 und 13
ersehen werden. Dabei bedeuten die Ordinaten zwischen Abszissenachse und Kurve a: Wärmebedarf der Ferndampfheizung (Receiverdampf von
4 at Ueb.); Kurve a und Kurve b: Wärmebedarf der Warmwasserheizung; Kurve b
und Kurve c: Wärmebedarf der Warmwasserversorgung;
Abszissenachse und Kurve d: erzeugte Leistung;
Abszissenachse und Kurve e: Dampfverbrauch f. d.
Kilowattstunde.
Textabbildung Bd. 327, S. 24
Fig. 14. Jährlich abgegebene Zwischen- und Abdampfwärme.
Wie zu erwarten war, hat die Kurve d der Leistung genau
den gleichen Charakter wie die Kurve c der Summe aller
abgegebenen Wärmemengen. Augenfällig ist die äußerst geringe Verschiedenheit des
spezifischen Dampfverbrauchs bei der doch immerhin ziemlich veränderlichen Belastung
der Anlage. Dieses günstige Ergebnis ist hauptsächlich in der Verteilung der
Belastung auf mehrere Maschineneinheiten begründet. Eine Maschine wird nach dem
Arbeitsplan auch in den Sommermonaten Juni bis August betrieben, da Bedarf an warmem
Wirtschaftswasser auch in dieser Zeit vorhanden ist. Auf die
Gesamtwirtschaftlichkeit der Anlage wäre es von wenig Einfluß, wenn in der
Sommerszeit herabgedrosselter Kesseldampf zur Warmwasserbereitung verwendet
würde.
Der jährliche Wärmebedarf und die jährlich erzeugte Leistung sind in den Fig. 14 und 15
dargestellt.
Die Reihenfolge der Monate, nach dem Wärmebedarf geordnet, ist: Januar,
Dezember, November, Februar, März, Oktober, April, September, Mai, Juli, August,
Juni. Ein Vergleich der Fig. 15 mit den Fig. 8 und 10 zeigt
wiederum, daß das Heizungskraftwerk durchaus den Konsumverhältnissen entsprechend
belastet ist.
Von den drei Maschineneinheiten dieser Anlage sind sämtliche während 9½ v. H. des
Betriebsjahres, zwei während 52 v. H. und eine während 38½ v. H. des Betriebsjahres
im Dienst. Bezeichnet das Rechteck abcd in Fig. 16 den Grenzwert der Ausnutzung der
Maschinenanlage = 100 v. H., so stellt die mit stark ausgezogenen Linien eingefaßte
Fläche die tatsächliche Ausnutzung dar. Sie beträgt in dieser Heizungskraftanlage 57
v. H. Heizungskraftanlagen kleineren Umfangs wie die besprochenen finden wir noch im
Bürgerspital der Stadt Straßburg, im Landesgewerbemuseum Stuttgart, im
Verwaltungsgebäude der Hamburg–Amerikalinie in Hamburg, im Warenhaus Wert, Monate,
heim, Berlin, Königstraße, im Industriegebäude der Handelsstätte Spreehof Berlin, in
der Oberbayerischen Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar u.a.m.
Textabbildung Bd. 327, S. 24
Fig. 15. Jährlich erzeugte Leistung in KW/Std.
Textabbildung Bd. 327, S. 24
Fig. 16. Darstellung der jährlichen Betriebszeit der Maschinen einer
Heizungzkraftanlage.
Diese letztgenannten kleineren Anlagen sind allerdings keine Heizungskraftanlagen im
engeren Sinn, da bei ihnen nicht die Erzeugung von Heizdampf mit dem Nebenprodukt
Kraft, sondern umgekehrt die Krafterzeugung mit der nebenhergehenden Abdampf
verwertung den Ausgangspunkt bildet. Erheblich ist ja der Unterschied nicht, und wir
dürfen derartige Anlagen wohl in diesem Zusammenhang nennen. Ihre technische
Einrichtung ist fast genau dieselbe wie jene der Heizungskraftanlagen und vom
wirtschaftlichen Standpunkt aus können sie als deren Vorläufer betrachtet
werden.
(Schluß folgt.)