Titel: | BEITRAG ZUR FRAGE DER ABWÄRMEAUSNUTZUNG BEI GASMASCHINEN. |
Autor: | C. Semmler |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 38 |
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BEITRAG ZUR FRAGE DER ABWÄRMEAUSNUTZUNG BEI
GASMASCHINEN.
Von Ingenieur C. Semmler,
Wiesbaden.
SEMMLER: Beitrag zur Frage der Abwärmeausnutzung bei
Gasmaschinen.
Inhaltsübersicht.
Der Aufsatz behandelt die wirtschaftliche Ausnutzung der im
Kühlwasser und Auspuff von Großgasmaschinen bisher verlorengehenden großen
Wärmemengen unter Zuhilfenahme von Niederdruckdampfturbinen, kombiniert mit
Wärmespeichern (D. R. P. 167787 und 178196).
––––––––––
Es ist bekannt, daß in den heutigen Gasmotoren ein großer Teil der zugeführten Wärme
unausgenutzt wieder abgeführt wird.
Bei einem modernen, doppelt wirkenden Groß-Gasmotor, der zurzeit annähernd 2400 WE i.
d. Sek. verbraucht, ist die Wärmeausnutzung etwa folgende:
1.
etwa
26
v. H.
= 632
WE
f. d. effekt. Arbeit von 1 PSe
2.
„
5
„
= 120
„
für mechanische Verluste
3.
„
35
„
= 840
„
Verluste durch d. Kühlwasser
4.
„
34
„
= 808
„
Verluste durch Auspuff usw.
–––––––––––––––––––––––––––
In Sa.
100
v. H.
= 2400
WE
f. d. PSe.
Es gehen also, wie Pos. 3 und 4 zeigen, im Auspuff und Kühlwasser etwa 1650 Kai.
unausgenutzt verloren, deren Wiedergewinnung das Ziel eines dem Verfasser
patentierten Verfahrens bildet. (D. R. P. Nr. 167787 und 178196.)
Letzteres sei kurz beschrieben, es zerfällt in zwei Teile:
a) Ausnutzung der Kühlwasserwärme,
b) Ausnutzung der Auspuffwärme.
Die Kühlwasserwärme.
Zur Ausnutzung derselben läßt sich folgender Weg einschlagen:
Bekanntlich ist der Siedepunkt des Wassers für verschiedene Drücke verschieden. Es
siedet Wasser
bei
1
at
mit
100°
C,
„
2
„
„
etwa
120
„
„
3
„
„
„
133
„
„
4
„
„
„
143
„
„
5
„
„
„
151
„
Umgekehrt kann man also das Sieden (d.h. die Bildung von Dampfblasen) verhindern,
wenn man den Druck entsprechend steigert.
Zurzeit fließt nun das Kühlwasser den zu kühlenden Motorteilen mit z.B. etwa 20° C zu
und erwärmt sich auf etwa 50 bis 60°, worauf es in Kühltürmen oder dergl. wieder
zurückgekühlt wird. Da die Kühlung vielfach bei offenem Ablauf geschieht, so ist es
klar, daß bei atmosphärischem Druck und 60° C Wasserablauftemperatur an den
wesentlich heißeren Motorwandungen starke Dampfblasenbildung stattfindet. Wo sich
solche Dampfblasen befinden, kann die Wasserkühlung naturgemäß nicht besonders
wirksam sein; es resultieren daraus manche Brüche und Störungen, abgesehen davon,
daß die zu hohe Zu- und Ablauftemperaturdifferenz (etwa 20 und 60° C) die Entstehung
von Spannungen begünstigt und daß ferner allmähliche Kesselsteinbildungen und
Abscheidungen in den Hohlräumen das intensive Kühlen gleichfalls ungünstig
beeinflussen.
Textabbildung Bd. 327, S. 38
Fig. 1. W2 = Ev. Widerstand. P = Ev.
Druckpumpe.
Hier setzt nun das vorliegende Verfahren ein: Als bekannt wird vorausgesetzt die
Eigenschaft der Abwärmeturbine, mit geringem Druck (z.B. 1,2 bis 1,5 at absol.
Druck) bei gutem Vakuum recht wirtschaftlich zu arbeiten.
Beschreibung einer Anlage.
In Fig. 1 ist schematisch ein Motorzylinder M im Schnitt dargestellt. Ein einfacher, glatter, gut
isolierter Kessel K, in dem eine Spannung von ½ at
(oder weniger) Ueberdruck bei 110° Dampftemperatur herrschen möge, sei so
angeordnet, daß der Wasserspiegel etwa 10 m über dem Motor laste, entsprechend etwa
2 at abs. Wasserdruck im Zylindermantel des Motors. Im Motor siedet also das
Kühlwasser erst bei 120°. Drückt man also das Kesselwasser von 110° mittels einer
Pumpe P so schnell längs den Kühlstellen, daß es sich
nur auf 115°, also um 5° erwärmt, so entstehen im Motor keinerlei Dampfblasen, und
erst bei W2 wird sich,
da dort kein wesentlicher Wasserdruck lastet, Dampf bilden.
Noch sicherer hintertreibt man die Dampfbildung, wenn man mit der Pumpe P einen beliebigen Druck von z.B. 5 at dadurch erzeugt,
daß man bei W2 einen
Widerstand (Querschnittsverengerung) einschaltet. Dann tritt bei M erst bei 151° Dampfblasenbildung ein, und solche ist
somit bei 115° Kühlwassertemperatur unbedingt verhindert.
Textabbildung Bd. 327, S. 38
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 327, S. 38
Man sieht ohne weiteres, daß mit Sicherheit alle Kühlwasserwärme in den Kessel K (Wärmespeicher) geführt werden kann. Der erzeugte
Dampf von 110° kann gegebenenfalls durch einen Ueberhitzer U geführt werden und im Gegenstrom mit den Auspuffgasen des Motors, – die
etwa 400 bis 500° haben mögen und die den Weg G1–G2–G3 machen – in Kontakt gebracht werden. Der Dampf
überhitze sich dabei auf z.B. etwa 300 bis 350°, während sich der Auspuff
entsprechend abkühlt. Ersterer passiere die Punkte DD1D2 und trete bei D3 in eine Niederdruckturbine T, welche eine Dynamo Dy betreiben möge.
Durch D4 tritt der
Dampf in eine gute Oberflächenkondensation C, deren
Kondensat mittels einer Speisepumpe Sp dem Kessel K zugeführt wird, wobei man das relativ kalte Wasser im
Motor vorwärmt, zweckmäßig, indem man die besonders empfindlichen Teile des Motors
damit kühlt.
Da in allen Teilen der Anlage stets nur chemisch reines Wasser zirkuliert, ist
eine intensive Kühlung – unter Vermeidung von Kesselstein usw. – möglich, die selbst
bei einer Wassertemperatur von 115° intensiver wirkt wie das frühere Kühlwasser von
60°. Der hochgestellte Speicher K verhindert eventl.,
daß das Wasseranstellen vergessen wird; derselbe stellt, da stets dasselbe Wasser
kreist ein unendlich großes Wasservolumen dar, welches eventl. nur mäßig, z.B. um
5°, erwärmt zu werden braucht. In Fig. 2 ist
verdeutlicht, in welcher Weise vorteilhaft die
Auspuffwärme nutzbar gemacht werden kann.
Von dem Wärmespeicher K zweigt bei 3 (Fig. 2) die
schematisch dargestellte Wasserleitung 4, 5 und 6 ab, die die Kühlwasserwärmen zum Speicher K führt. Von 10 aus drückt
eine zweite Pumpe P1
einen Teil des Speicherwassers durch ein Rippenrohrsystem 14, das derartig in einen Kanal 8 gelagert
ist, daß es von den bei 7 austretenden Auspuffgasen des
Motors beheizt wird. Das erwärmte Wasser wird dann bei 12 und 13 gleichfalls in den Speicher
zurückgeführt. Der vom Auspuff und Kühlwasser erzeugte Dampf tritt durch 2 nach 1 in die Turbine
T.
Der Grundriß (Fig.
3) zeigt eine gleichfalls vorteilhafte Auspuff-Wärmeausnutzung. Der
Auspuff tritt bei 18 in den Kanal H, gibt zunächst die höchste Wärme an die
Ueberhitzerschlange 15 ab, bestreicht dann die
Heizrohre 17 des Wärmespeichers K, in denen 110° herrschen, und eventl. schließlich das durch eine
Speisepumpe Sp bediente Schlangensystem 16, in welchem das Kondensat von etwa 50° vorgewärmt
werden möge. Die Abgase treten bei 19 mit etwa 150° C
aus.Die Ueberhitzung
dürfte sich im allgemeinen, solange Niederdruck in Frage kommt, kaum
empfehlen, es ist meist vorteilhafter, nur gesättigten Dampf zu
erzeugen.
Da an allen Orten (Speicher und Leitungen) nur ½ at (oder weniger) Ueberdruck
herrscht, ist die Verwendung von Gußeisen weitgehendst möglich. Es empfehlen
sich Rohre vom Querschnitt Fig. 4 wegen der
leichteren Reinigung.
Ueber die ausgiebige Verwendung der Auspuffwärme zur Wassererwärmung, die selbst bei
den sparsam arbeitenden Diesel-Motoren große Ersparnisse bringt, berichtet H. Hottinger in Fa. Sulzer auf S.
673 der Zeitschrift des V. D. I. 1911; eine solche Ausnutzung der Abgaswärme bietet
also absolut keine Schwierigkeiten. Daß es auch unschwer durchführbar ist, statt nur
eines Motors ganze Zentralen anzuschließen, ist in Fig.
5 und 7 ersichtlich gemacht.
Textabbildung Bd. 327, S. 39
Fig. 5. Schema einer Gasmotoren-Abwärmezentrale, System Semmler; C =
Zirkulationspumpe. D = Dynamo. T = Turbine. Sch = Schmutzabscheider aus
Drahtgeflecht. Sp = 50° Speisewasser aus dem Kondensator. U = zum
Ueberhitzer.
In Fig. 5 ist schematisch ein glatter, stehender
Speicher K derart in einem Kamin eingebaut, daß die
sämtlichen Auspuffgase der Motoren 1, 2, 3, 4 zunächst
in einen Kanal A blasen, sie setzen dort an
Schmutzabscheidern Sch (auswechselbar) zunächst ihren
Schmutz ab und bestreichen darauf nacheinander Ueberhitzer, Kesselheizflächen und
evtl. Vorwärmer. Das Kühlwasser wird von der Pumpe C
durch alle Motoren gedrückt, erwärmt und dann gleichfalls dem Speicher zugeführt.
Der erzeugte Dampf geht in bekannter Weise zur Turbine und Kondensation. In Fig. 7 ist nochmals eine solche Zentrale schematisch
dargestellt, bei welcher die Heizflächen in einem Kanal liegen und eine gemeinsame
Pumpe vorhanden ist.
Textabbildung Bd. 327, S. 39
Fig. 6. Schema einer Auspuffabwärmeanlage; A und B = Auspuff. 15 =
Ueberhitzer. 16 = Vorwärmer. 17 = Kesselheizfläche.
Fig. 6 zeigt eine konstruktive Durchbildung der
Auspuffanlage.
Wie schon bemerkt, ist bezüglich der letzteren, wie die Sulzerschen Ausführungen beweisen, nichts Abnormales vorhanden.
Hinsichtlich der Ausnutzung der Kühlwasserwärme hingegen war es fraglich, ob normale
Motoren eine Erhöhung der Kühlwasserwärme ertragen würden und welche. Aus diesem
Grunde wurde auf Anregung der bekannten Spezial-Maschinenbau-Aktiengesellschaft Balke in Bochum, die größere
Erfahrungen in Abwärmeanlagen besitzt, durch Professor Romberg
an der Technischen
Hochschule zu Charlottenburg an einem 8 PS Deutzer
Gasmotor folgender Versuch gemacht:
Von einem Wärmespeicher aus wurde vermittels einer Rotationspumpe das Kühlwasser
durch die Hohlräume des Motors gedrückt, wobei der Druck allmählich bis auf 5 at
gesteigert wurde. Mit diesem Druck und einer Kühlwassertemperatur von 120° C
arbeitete der Motor alsdann längere Zeit durchaus betriebssicher und genau so gut
wie vorher mit kaltem Kühlwasser.
Es führt hier zu weit, den interessanten Versuchsbericht ausführlich zu bringen.
Jedenfalls hat es den Anschein, daß solch überhitztes, chemisch reines Wasser, da es
absolut luft- und blasenfrei ist, zweifellos eine bessere Kühlwirkung besitzt wie
das in Kühltürmen durchlüftete Wasser, dessen Abscheidungen auch noch den Kühleffekt
erheblich beeinträchtigen können.
Textabbildung Bd. 327, S. 40
Fig. 7. Schema einer Abwärmezentrale, System Semmler. D. R. P.
C = Abwärmekondensator. D =
Abwärmedynamo. GG1G2 = Gasmotoren. H = Heizfläche. P = Druckpumpe. K = Abwärmespeicher. S
= Speisepumpe. Sch = Schmutzabscheider. T = Abwärmeturbine. U = Ueberhitzer. V =
Vorwärmer. W = Widerstände. a = Motorenauspuff. – – – Weg des Mantelkühlwassers.
– . – . – Weg des Kesselwassers. – . . – Weg des Speisewassers. Weg des
Dampfes.
Ein wichtiger Faktor ist auch noch der, daß bei Streiks und großen Betriebsstörungen
die Gasmotoren-Zentralen zum Stillstand kommen können. Es läßt sich mit Leichtigkeit
einrichten, daß man die Rippenrohrheizfläche des Niederdruckspeichers auch direkt
mit Kohle, Gas oder Oel beheizt und dann erheblich mehr Dampf erzeugt, so daß im
Notfall eine relativ starke Dampfreserve, die leicht auf ¼ bis ⅓ der Gesamtkraft
gesteigert werden kann, zur Verfügung stehen würde. Diese Kraftquelle kann völlig
unabhängig vom Hoch- oder Koksofenbetrieb werden. Das kann bei den heutigen
Riesenzentralen von erheblicher Bedeutung sein.
In neuerer Zeit sind Gaszentralen von 15–20000 PS und größere keine Seltenheit mehr
(zurzeit wird eine solche von 30000 PS gebaut).
Während man bei der Dampfmaschine längst auf das peinlichste bedacht war,
vermittels Kondensation oder Abwärmeanlagen die Wärmeverschwendung zu beseitigen,
läßt man bei den Gasmotoren diese Abwärmen heute noch nutzlos entweichen.
An nachstehendem Beispiel sei daher einmal kurz erläutert, welchen Gewinn man bei
einer 20000 PS-Zentrale „kostenlos“ erwerben kann:
Nach vorstehendem betragen die Verluste im Kühlwasser und Auspuff rd. 1650 Kal. Die
ersteren Verluste sind fast ganz, letztere etwa zur Hälfte im Speicher dampfbildend
wiederzugewinnen. Mit annähernder Sicherheit darf wohl auf 1100 Kal. f. d. PS, also
mit 22000000 Kal. für 20000 PS gerechnet werden. Eine Abwärmeturbine, die nur mit
1,2 at bei 94 v. H. Vakuum arbeitet, gebraucht rd. 7000 Kal f. d. PSe/Std., dieser Wert sinkt bei mäßiger
Drucksteigerung eventl. auf 6500 Kal. und weniger. Es sind somit – im Mittel –
kostenlos zu erhoffen rund \frac{22000000}{7000}=\mbox{ rd. }3000
PSe und mehr aus den Abwärmen.
Da die große Rückkühlanlage für die Gasmotorenzentrale sowie die eventl.
Wasserreinigung infolge der Abwärmezentrale erspart werden kann, so ist leicht
einzusehen, daß die 3000 PS-Turbine inkl. Kondensation nebst dem einfachen glatten
Niederdruckspeicher sowie den gußeisernen Rippenrohrheizflächen nicht soviel kostet
wie ein neues Gasmotorenaggregat von 3000 PSe.
Bei Neuanlagen großer Zentralen ist eine solche Anlage somit besonders wertvoll
infolge Ersparung der großen Kühltürme und der Wasserreinigung.
Es darf darum wohl erwartet werden, daß diese erhebliche Steigerung der
Wirtschaftlichkeit großer Zentralen den bisherigen durch nichts berechtigten
Widerstand mancher Gasmotorenfabrikanten beseitigen wird.