Titel: | NEUERE ROHÖLMOTOREN. |
Autor: | Ch. Pöhlmann |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 50 |
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NEUERE ROHÖLMOTOREN.
Von Dipl.-Ing. Ch. Pöhlmann,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 806 Bd. 326.)
POEHLMANN: Neuere Rohölmotoren.
Es ist in der Fachliteratur schon oft darauf hingewiesen worden, daß kein
zwingender Grund dafür vorliegt, bei großen Gasmaschinen den Arbeitskolben als
Kreuzkopf auszubilden, wie dies bei kleinen Motoren mit so großem Erfolg geschehen
ist. Bei den letzteren spielt die Rücksicht auf Billigkeit und Einfachheit die
größte Rolle; die Lebensdauer der einzelnen Konstruktionsteile steht erst in zweiter
Linie. Die Abnutzung von Kolben und Zylinder ist zudem so klein, daß keinerlei
bemerkenswerte Nachteile daraus entstehen. Anders ist es aber bei den großen
Motoren. Die Kolben erfordern hier, wenn sie gleichzeitig den Gleitbahndruck
aufnehmen sollen, ganz bedeutende Abmessungen und werden, da sie genaueste
Bearbeitung erfordern, teuer in der Herstellung. Die zu schmierenden Flächen sind
enorm groß und bedingen einen ungewöhnlich großen Schmierölverbrauch. Der Verschleiß
der Zylinderbüchsen und Kolbenkörper ist infolge der großen Gleitbahndrücke, welche
oft 10 t überschreiten, verhältnismäßig beträchtlich, d.h. von meßbarer Größe. Da
der Kolben aber in der Regel nicht nachstellbar ist, ergibt sich ein stoßender,
klopfender Gang und ein geringer volumetrischer Wirkungsgrad. Eine wesentliche
Ersparnis an hin- und hergehenden Massen tritt gegenüber den Kreuzkopfmaschinen
ebenfalls kaum ein, da die reichlich langen Kolben die ausfallende Kolbenstange mehr
wie aufwiegen. Ein weiterer schwerwiegender Nachteil der kreuzkopflosen Maschinen
muß darin erblickt werden, daß der Kreuzkopf- bezw. Kolbenzapfen innerhalb des
heißen Kolbens liegt, wodurch die Wärmeabführung erschwert wird. Das Schmiermittel
nimmt infolge der verhältnismäßig hohen Temperatur eine dünnflüssige Konsistenz an,
so daß es an Schmierfähigkeit einbüßt. Die Folge davon ist, daß man mit der
maximalen spezifischen Pressung für den Kolbenzapfen nicht allzu hoch gehen kann.
120 kg/qcm projizierte Zapfenfläche dürfen kaum überschritten werden, wohingegen man
bei Kreuzkopfzapfen, die sich in der freien Luft bewegen, bis auf 150 kg/qcm und
darüber gehen kann.
Wenn man weiter noch hinzunimmt, daß bei den kreuzkopflosen Maschinen ein großer
Teil der auf den Kolbenzapfen übergehenden schädlichen Wärme durch die kurze
Pleuelstange zum Kurbelzapfen und zu den Kurbellagern weitergeleitet wird, so wird
es ohne weiteres klar, daß bei großen Maschinen die Kreuzkopfbauart, die sämtliche
oben erwähnten Mängel nicht besitzt, nicht so ohne weiteres beiseite gesetzt werden
sollte. Jedenfalls wäre sie in allen jenen Fällen angezeigt, wo nicht ausdrücklich
Wert auf geringe Bauhöhe gelegt wird. Leider hat die einzige Firma, welche den Bau
von Kreuzkopf-Diesel-Motoren betrieb, die Augsburger Diesel-Motoren-Baugesellschaft, schon vor
einem Jahrzehnt liquidieren müssen. Ihre Motoren aber, die in einer Anzahl von
Betrieben heute noch laufen, haben sich als überaus dauerhafte, betriebssichere und
ökonomische Maschinen erwiesen.
Erst in neuerer Zeit hat eine Firma des Diesel-Konzerns,
die Grazer Waggon- und Maschinenfabrik-A.-G. vorm. Joh.
Weitzer, sich der lange vernachlässigten Kreuzkopfmaschine wieder zugewandt
und eine Konstruktion geschaffen, die als außerordentlich bedeutende technische
Leistung gelten muß.
Die in den Taf. II und III dargestellte Grazer Maschine ist ein einfachwirkender
Vierzylinder-Diesel- Motor von 600 mm Bohrung und 800
mm Hub. Er arbeitet im Viertakt und leistet bei 160 minutlichen Umdrehungen 800
PSe. Die vier Zylindereinheiten sind in zwei
Zwillingsgruppen angeordnet.
Die Grundplatte, welche eine Gesamtlänge von 7,73 m besitzt, besteht aus zwei
Einzelgußstücken, die in der Mitte miteinander verschraubt sind. Besonders
auffallend ist die außerordentliche Länge der Kurbelwellenlager, welche wohl mit
Rücksicht auf möglichst gute Standfestigkeit der Maschine gewählt wurde. Die
maximale spezifische Lagerpressung ist infolgedessen nur gering. Sie beträgt während
des Anlassens etwa 30,5 kg/qcm, und während des Betriebes sogar nur 26 kg/qcm
projizierte Zapfenfläche. Für die Schmierung der Kurbelwellenlager ist die altbewährte
Ringschmierung verwendet worden, die sich bei der niedrigen Umdrehungszahl der
Maschine wohl am besten eignet.
Die Kurbelwelle besteht aus zwei Teilen, die in Maschinenmitte durch eine
Flanschenkupplung verbunden sind. Ihr Durchmesser beträgt 330 mm in den Wellenlagern
und 340 mm in den Kurbelzapfenlagern. Sie ist der ganzen Länge nach durchbohrt und
mit Wasser gekühlt, welches am linksseitigen Ende zentral zugeführt wird (s.
Rohrplan Taf. IV und VI).
Der Kurbelzapfen ist ziemlich kurz gehalten, so daß der maximale spezifische
Flächendruck verhältnismäßig hoch ausfällt. Derselbe beträgt während des Anlassens
83 und im Betriebe etwa 71 kg/qcm projizierte Kolbenfläche. Der Konstrukteur war
berechtigt, so hoch zu gehen, da, wie eingangs erwähnt, die schädliche
Wärmeübertragung vom Kreuzkopfzapfen zum Kurbelzapfen hier vollständig fortfällt und
der letztere außerdem in wirksamer Weise mit Wasser gekühlt wird. Die gegabelte
Pleuelstange ist zum Zwecke der Gewichtsersparnis der Länge nach durchbohrt und
trägt an ihrem oberen Ende das gedrängt ausgeführte Querhaupt des eingleisigen
Kreuzkopfes. Da letzterer sich außerhalb des Zylinders in kühler Atmosphäre bewegt,
wurde mit der maximalen spezifischen Pressung sehr hoch gegriffen. Dieselbe erreicht
im Betriebe einen Wert von 130 kg/qcm und während des Anlassens sogar 150 kg/qcm
projizierte Kolbenfläche.
Die Kreuzkopfgleitbahn, welche während der Expansion den respektablen Druck von über
11 t aufzunehmen hat, ist als Rundführung ausgebildet. Hingegen wird der während der
Kompressionsperiode auftretende, nur etwa halb so große Gleitbahndruck durch flache
Schienen auf der Rückseite des Kreuzkopfschuhes aufgefangen, wie dies bei
Dampfmaschinen üblich ist. Zum Zweck einer bequemen Nachstellbarkeit der Gleitbahn
ist zwischen die erwähnten Schienen und das Gestell ein Zwischenstück eingelegt,
dessen Stärke nach Belieben verändert werden kann.
Der maximale spezifische Gleitbahndruck ist etwas größer, als in der Regel üblich. Er
beträgt 4,1 kg/qcm während des Anlassens und 3,5 kg/qcm im Betrieb. Sowohl
Kreuzkopf- wie Kurbelzapfen und Gleitbahn sind nur mit gewöhnlicher Tropf Schmierung
ausgestattet. Das Schmieröl fließt zu diesem Zweck von einem auf der obersten
Galerie aufgestellten Oelreservoir den auf der Vorderseite der Zylinder befestigten
Schmierleisten zu, welche den Oelzufluß zu den einzelnen Schmierleitungen regeln.
Von den Schmierleisten führen eine Anzahl Tropfrohre zur Gleitbahn und zu den vier
Schmiergefäßen am oberen Pleuelstangenkopf. Zwei von diesen Schmiergefäßen versorgen
die beiden Kreuzkopf zapfen, die beiden anderen Gefäße entleeren ihren Inhalt ins
Innere der Pleuelstange, von wo das Oel dem Kurbelzapfen zufließt.
Die kräftig gehaltene Kolbenstange ist an ihrem oberen Ende durch einen Rundflansch
mit dem Kolben verbunden. Der letztere ist sehr kurz gehalten und mit einem
besonders eingesetzten, auswechselbaren Boden versehen, der durch einen Anker mit
dem Kolbenbefestigungsflansch verbunden ist. Die Zylinderbüchse aus Spezialgußeisen
ist in der vom Augsburger Typ her bekannten Weise eingesetzt. Da aber hier die
seitlichen Drücke auf die Zylinderwand vollkommen fortfallen, wurde auch auf eine
besondere Führung der Zylinderbüchse in ihrem mittleren Teil sowie auf die
Anbringung von Verstärkungsrippen verzichtet. Die Schmierung der Zylinderbüchse und
des Kolbens ist in konstruktiv sehr schöner Weise durchgeführt, die im praktischen
Betrieb wohl sehr gute Resultate liefern dürfte. Die Zylinderbüchse enthält nämlich
eine Anzahl von Bohrungen parallel zur Achse, welche in gewisser Höhe in eine
ringförmige Schmiernut münden. Die Oelzuführung zu diesen Bohrungen erfolgt unter
Druck mit Hilfe von Mollerups, die auf Konsolen der Grundplatte auf der Auspuffseite
der Maschine sitzen und mittels Schwinge, Gestängen und Sperrklinke vom Kreuzkopf
aus angetrieben werden.
Das aus der Zylinderbüchse wieder abfließende Oel sammelt sich in einem am unteren
Ende der Büchse befestigten ringförmigen Trog. Der Arbeitskolben ist an seinem
unteren Ende mit einem ringsherum laufenden Fransenblech versehen, welches jeweils
beim Durchgang durch die untere Totlage in den erwähnten ringförmigen Trog eintaucht
und einen Teil des darin angesammelten Schmieröles wieder mit nach oben nimmt. Auf
diese Weise kann der Verbrauch des teuren Zylinderschmieröls auf ein Minimum
herabgedrückt werden, und außerdem wird dadurch das lästige Umherspritzen von
Oeltropfen mit ziemlicher Sicherheit vermieden.
Das Gestell der Maschine macht einen äußerst flotten Eindruck. Es sind zur Erzielung
größerer Steifigkeit je zwei benachbarte Ständer zu einem einzigen Gestell
verbunden, jedoch in der Weise, daß die einen Teil des Gestelles bildenden
Zylindermäntel allseitig frei emporragen. Die Gleitbahnen für die Kreuzköpfe sind
nicht besonders eingesetzt.
Die Zylindermäntel sind in eleganter Weise aus dem schlank ansteigenden Ständer
herausmodelliert, und besonders der untere Zylinderbord bildet nach der Steuerseite
hin einen zweckmäßigen und wirkungsvollen Uebergang von der Gleitbahn zur
Stützsäule. Jeder Zylinder besitzt nur eine einzige starke Säule von 230 mm ∅,
welche mit dem taschenförmigen Ausbau des Zylindermantels verbolzt ist. Zur
Sicherung dieser Verbindung dient eine zweiteilige Muffe, welche den Bord der Tasche
und der Säule umspannt und mittels Schrumpfring zusammengehalten wird. Die
Verbindung macht einen sehr gefälligen Eindruck.
Die Wasserkühlung erstreckt sich nicht nur auf den den Zylinder umschließenden oberen
Teil des Gestelles, sondern auch auf den die Geradführung bildenden Balken.
Der Kühlwasserübertritt nach dem Zylinderdeckel vollzieht sich durch kleine, zwischen
Befestigungsschrauben sitzende Stutzen.
Der Zylinderdeckel besitzt eine Form, die meines Wissens bei Diesel-Motoren zuerst von der Maschinen-
Textabbildung Bd. 327, S. 51
Tafel II. 800 PS-Diesel-Motor in Kreuzkopf-Bauart der Grazer Waggon- und
Maschinenfabrik-A.-G.
Textabbildung Bd. 327, S. 53
Tafel III. 800 PS-Diesel-Motor in Kreuzkopf-Bauart der Grazer Waggon- und
Maschinenfabrik-A.-G.
Textabbildung Bd. 327, S. 55
Tafel IV. Rohrplan einer 800 PS-Kreuzkopf-Dieselmaschine der Grazer Waggon-
und Maschinenfabrik-A.-G.
Textabbildung Bd. 327, S. 57
Tafel V. Rohrplan einer 800 PS-Kreuzkopf-Dieselmaschine der Grazer Waggon- und
Maschinenfabrik-A.-G.
Textabbildung Bd. 327, S. 59
Tafel VI. Rohrplan einer 800 PS-Kreuzkopf-Dieselmaschine der Grazer Waggon-
und Maschinenfabrik-A.-G.
und Bronzewarenfabrik
Riedinger in Augsburg angewendet wurde. Der Deckel ist nämlich auf seiner
oberen Seite teilweise offen gegossen, so daß die Gußspannungen auf ein erträgliches
Maß zurückgeführt sind und Kern- und Reinigungslöcher entbehrlich werden. Der
Abschluß erfolgt nachträglich durch einen starken schmiedeeisernen Ring, welcher
vermöge seiner hohen Festigkeit den Deckel sehr widerstandsfähig gegen Deformationen
macht.
Die Steuerung unterscheidet sich im Prinzip nicht von der bekannten Augsburger
Ausführung, zeigt aber in Einzelheiten viele geschickte Verbesserungen. So ist das
Auspuffventil mit einer sehr kompendiösen Wasserkühlung versehen, die zugleich an
Einfachheit wohl kaum übertroffen werden kann. Dafür sind die Einsaug- und
Auspuffventileinsätze ohne Wasserkühlung ausgeführt, wodurch günstige
Durchgangsquerschnitte für die Gase geschaffen werden.
Um eine möglichst geringe Bauhöhe für Einsaug- und Auspuffventile zu erzielen, wurden
sie mit je zwei Ventilfedern ausgerüstet, deren Wirkungen sich addieren. In sehr
geschickter Weise wird auch die Befestigung der Laterne des Brennstoffventils auf
dem Ventileinsatz erzielt. In einer ringförmigen Aussparung am unteren Ende der
Laterne sitzt eine zweiteilige mit Gewinde und Sechskant versehene Büchse, welche
zugleich mit der Laterne auf den Ventileinsatz aufgebracht und dann angesogen wird,
bis die Laterne dichtend aufsitzt.
Das Umstellen der Maschine auf „Betrieb“, „Ruhe“ oder „Anlassen“
erfolgt mit Hilfe einer langen senkrechten Spindel, die mittels zweier Handräder
sowohl von der oberen Galerie wie auch von ebener Erde aus bedient werden kann. Die
Saugstutzen je zweier benachbarten Zylinder vereinigen sich zu einem langen Rohr,
das in den die beiden Geradführungsbalken verbindenden Gestellteil mündet. Der
letztere besitzt zum Ansaugen der Luft drei kreisrunde Oeffnungen, welche mit
Drahtfiltern verschlossen werden können.
Die Auspuffrohre, von denen eines für jeden Zylinder vorhanden ist, sind bis unter
den Flur mit Wasserkühlung versehen und mit Kompensationsstücken ausgerüstet.
Zwei Treppen und zwei geräumige Galerien sorgen für bequeme Zugänglichkeit sämtlicher
Teile.
Die Maschine besitzt einen dreistufigen Kompressor, der am rechtsseitigen vorderen
Ende der Maschine montiert ist und mittels Stirnkurbe), Treibstange und Schwinge
angetrieben wird. Die drei Stufen sind auf zwei Zylindergruppen verteilt. Der mehr
nach der Mitte zu liegende Zylinder ist der Niederdruckzylinder. Derselbe besitzt
eine Vorrichtung zum Drosseln der angesaugten Luft. Der zweite, die Mittel- und
Hochdruckstufe enthaltende Zylinder ist ein gewöhnlicher Verbundkompressor bekannter
Bauart. Der Zwischenkühler ist unmittelbar an den Kompressor angebaut. Zwei unter
dem Flur angeordnete Reinigungsgefäße sorgen für Entwässerung und Entölung der
komprimierten Luft.
In den Taf. IV bis VI ist eine Einbauzeichnung nebst Rohrplan des hier beschriebenen
Motors wiedergegeben.
Ich werde mich später noch mit einigen weiteren sehr bedeutenden Konstruktionen der
Grazer Waggon- und Maschinenfabrik-A.-G. zu
beschäftigen haben, glaube aber dem endgültigen Urteil der Leser nicht vorzugreifen,
wenn ich schon hier der Firma das Zeugnis glänzender Leistungsfähigkeit und großer
Selbständigkeit ausstelle.
(Fortsetzung folgt.)