Titel: | DRAHTSEILBAHN FÜR DIE PRESTEA-MINE AN DER GOLDKÜSTE. |
Autor: | Hubert Hermanns |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 52 |
Download: | XML |
DRAHTSEILBAHN FÜR DIE PRESTEA-MINE AN DER
GOLDKÜSTE.
Von Ingenieur Hubert Hermanns,
Duisburg.
HERMANNS: Drahtseilbahn für die Prestea-Mine an der
Goldküste.
Inhaltsübersicht.
Von Adolf Bleichert & Co. in
Leipzig-Gohlis wurde vor einiger Zeit für die Prestea-Mine an der afrikanischen
Goldküste eine Seilbahnanlage fertiggestellt, bei deren Bau sehr große und
ungewöhnliche Schwierigkeiten zu überwinden waren. Nicht nur war es erforderlich,
aus alten Grubenhölzern Unterbauten für die Stützen und Winkelstationen zu
errichten, die sich mit Rücksicht auf die Bodenbeschaffenheit als notwendig
erwiesen, sondern auch mußten die Baustoffe über einen Fluß geschafft werden, was
mit Hilfe einer aus alten Materialien zusammengebauten Schwebefähre gelang. Die
einzelnen Einrichtungen werden des näheren beschrieben.
––––––––––
Von der Firma Bleichert & Co., Leipzig, wurde kürzlich
für die an der Goldküste gelegene Prestea-Mine eine Drahtseilbahnanlage
fertiggestellt, deren Ausführung in mehr als einer Hinsicht sehr interessante
Gesichtspunkte bietet und daher einer kurzen Betrachtung unterzogen werden möge. Im
voraus möge bemerkt werden, daß das Leben an der Goldküste für den Europäer nicht
gerade zu den Annehmlichkeiten gezählt werden kann. Die Temperatur der
außerordentlich feuchten Luft beträgt Winter wie Sommer in gleicher Weise 34° C im
Innern der Häuser. Dazu ist eine Tätigkeit in dieser Gegend infolge des hier
grassierenden Sumpf- und Schwarz Wasserfiebers mit Lebensgefahr verbunden. An
irgendwelche Kulturbequemlichkeiten ist natürlich überhaupt nicht zu denken.
Der nachstehend beschriebene Drahtseilbahnbau ist nicht nur deswegen von besonderem
Interesse, weil die Aufstellung von Industriebauwerken in den Tropen im allgemeinen
und in dem vorliegenden Falle im besonderen mit außerordentlichen Schwierigkeiten
verknüpft ist, sondern auch aus dem Grunde, weil sich während des Baues die
Notwendigkeit ergab, eine Aushilfskabelbahn aus vorhandenen alten Materialien zur
Ueberquerung eines Flusses, des Ancobra River, zusammenzubauen. Weitere
Schwierigkeiten entstanden dann dadurch, daß seitens der Minenverwaltung die
Disposition der Bahn gänzlich abgeändert wurde, welchem Umstände bei der Aufstellung
der Bahn in
vollem Umfange Rechnung getragen werden mußte, und besonders auch dadurch, daß der
Boden an vielen Stellen von früherer bergbaulicher Tätigkeit her unterhöhlt war,
ohne daß ein Versatz der verlassenen Baue stattgefunden hätte. Hierdurch gingen
häufig Feldesteile zu Bruch und führten auf der Oberfläche ganz bedeutende Störungen
herbei. So verschwand in einer Nacht eine fertig zusammengebaute eiserne Stütze in
einem 10 m tiefen und 25 m im Durchmesser messenden Loch über einem alten abgebauten
Feldesteil derartig, daß es nicht mehr möglich war, die Stütze zu retten. Durch
vorgenommene Dispositionsänderungen konnte in diesem Falle die Strecke verkürzt und
die Stütze entbehrlich gemacht werden. Diese Schwierigkeiten bewirkten denn auch,
daß die Montage der Anlage ein Jahr in Anspruch nahm bei einer Länge der Bahn von
500 m.
Textabbildung Bd. 327, S. 52
Fig. 1. Streckenführung der Seilbahnanlage.
Textabbildung Bd. 327, S. 52
Fig. 2. Blick auf die Gesamtanlage und die Antriebsstation.
Die Prestea-Mine besitzt zwei 500 m auseinanderliegende Schächte, den Prestea-Schacht
und den Appantoo-Schacht. Die Verbindung der beiden Schächte vermittelte eine Bleichertsche Drahtseilbahn, die etwa auf der Mitte des
Weges durch das Mühlengebäude hindurchging, das jedoch aus technischen Rücksichten
verlegt werden mußte. Es handelte sich nun darum, das etwa 200 m zur Seite verlegte
Mühlengebäude durch eine neue Drahtseilbahn mit beiden Schächten zu verbinden, deren
Ausführung ebenfalls der Firma Bleichert übertragen
wurde. Fig. 1 zeigt die Streckenführung der einen
Anlage. Infolge der geänderten Höhenlage des Mühlengebäudes und der durch die
neue Disposition veranlaßten beiden Kurvenstationen ergab sich weiterhin die
Notwendigkeit eine schwerere Bahn als die alte zu errichten, so daß von der alten
Anlage nur wenige Teile für den Neubau benutzt werden konnten, unter diesen alle
vorhandenen alten Seilbahnwagen.
Zunächst war es erforderlich, die für den Neubau bestimmten Materialien, die auf dem
Südufer des Flusses lagerten, über diesen zu schaffen, wofür weder eine Brücke noch
größere Kähne zur Verfügung standen. Die vorläufig bei Tarkwa endende englische
Gouvernementsbahn sollte unter Ueberschreitung des Flusses mittels einer festen
Brücke bis zur Prestea-Mine verlängert werden. Die sich dem Bau der Brücke
entgegenstellenden Schwierigkeiten verzögerten jedoch den Bau der Brücke um
dreiviertel Jahr. Da die Minengesellschaft mit der rechtzeitigen Fertigstellung der
Brücke gerechnet hatte, so mußte das in ganzen Eisenbahnzügen ankommende Baumaterial
auf dem linken Ufer des Flusses gelagert werden. Um eine Außerbetriebsetzung der
Mine zu verhindern, wurde von dem Montageleiter eine als Aushilfskabelbahn dienende
Seilschwebefähre aus vorhandenen Bergwerkseilen und aus den Teilen der alten,
abgerissenen Drahtseilbahn gebaut, mit deren Hilfe die Baumaterialien auf das andere
Ufer des Flusses gebracht werden konnten.
Textabbildung Bd. 327, S. 52
Fig. 3. Beladestation für die Schwebefähre.
Diese Schwebefähre besteht aus zwei Tragseilen, die auf der einen Flußseite
verankert, auf der anderen Seite mit Hilfe zwischengelegter Ketten durch
Spanngewichte gespannt sind. An jedem Seile hängen 10 t, wozu besondere
Spanngewichtskasten sehr flacher Konstruktion hergestellt werden mußten, da der Fels
an dieser Stelle des
Flußufers sehr hart war, man also keine großen Gruben hätte aussprengen können. Die
Spannweite der Seile beträgt etwas über 120 m. Auf die Tragseile wurde ein Rahmen
aus Profileisen gesetzt, der auf jeder Seite vier Räder von Laufwerken der alten
Drahtseilbahn erhielt. An den Rahmen wurde zur Aufnahme der Lasten eine hölzerne
Plattform mittels Ketten angehängt. Materialien in Stabform, wie Bauholz, Kessel und
Röhren wurden nach Abnahme der Plattform unmittelbar von den Ketten transportiert.
Der Antrieb der Fähre, die mit 5 t belastet wurde, erfolgte durch eine umsteuerbare
Dampfmaschine, die ein endloses Zugseil betrieb. Dieses wurde auf der einen Seite um
eine Umlenkscheibe gelegt, während es auf der anderen Seite durch den Antrieb der
alten Drahtseilbahn in Bewegung gesetzt werden konnte. Von diesen Seilen wurde der
eine Strang als Zugseil benutzt, während der zweite leer mitlief und die
erforderliche Spannung herbeiführte. Die Richtungsänderung erzielte man durch das
Umsteuern der Maschine.
Fig. 2 zeigt sowohl die gesamte Anlage als auch
insbesondere die Antriebsstation der einen Flußseite. Im Hintergrunde ist die im Bau
begriffene Regierungsbrücke zu sehen. Neben der Entladestation ist das
Schmalspurgleis der Minenbahn verlegt, so daß die Transporte unmittelbar auf die
Lowrys abgesetzt werden können.
Fig. 3 zeigt die Beladestation, die aus einem
Bockgerüst, den Verankerungsblöcken und einem kurzen Hängebahnschienenstrang
besteht, auf dem die Förderschale in die Station einfährt.
Textabbildung Bd. 327, S. 53
Fig. 4. Seilfahrt über den Fluß.
Fig. 4 veranschaulicht noch als Kuriosum den
Transport des Bauleiters und der Hilfsmannschaften über den Fluß mittels dieser
improvisierten Fähre, die mit Ausnahme der sehr großen und schweren Teile sämtliche
Baumaterialien über den Fluß schaffte. Die Anlage ist sechs Monate in
ununterbrochenem Betriebe gelaufen; trotz stärkster Beanspruchung hielt sie ohne
jede Betriebsstörung aus und ist auch heute noch für die Mine in Betrieb, um das
Holz für die Kesselfeuerungen, das in den umfangreichen Waldbeständen auf der
anderen Flußseite geschlagen wird, über den Fluß nach dem Kesselhause zu
schaffen.
Für die neu zu errichtende Drahtseilbahnanlage machten sich infolge nachträglich von
der Minenverwaltung vorgenommene Dispositionsänderungen umfangreiche Umänderungen
notwendig.
(Schluß folgt.)