Titel: | TÄTIGKEITS-BERICHT DER MATERIALPRÜFUNGS-ANSTALT AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZU DARMSTADT. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 59 |
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TÄTIGKEITS-BERICHT DER MATERIALPRÜFUNGS-ANSTALT
AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZU DARMSTADT.
IV. Jahresbericht 1910/11.
Tätigkeits-Bericht der Materialprüfungs-Anstalt an der Techn.
Hochschule zu Darmstadt.
Inhaltsübersicht.
Der Bericht bringt nächst dem Arbeitsprogramm der Anstalt eine
Uebersicht über eine größere Zahl interessanter Untersuchungen auf dem Gebiete der
Materialprüfung. Hervorzuheben sind namentlich die Festigkeitsprüfungen von
Werkzeugstahl, Temperstahlguß, Eisenbronze, deutschem und englischem Gußeisen,
Stahldraht, Beton usw. für die verschiedensten Verwendungszwecke.
––––––––––
Die Materialprüfungs-Anstalt an der Technischen Hochschule zu Darmstadt befaßt sich
mit der mechanisch-technischen Prüfung von Metallen, Hölzern, Seilen, Ketten,
Riemen, Zement, Beton, natürlichen und künstlichen Steinen, Oel, Petroleum und
ähnlichen Materialien. Die Anstalt erledigte in der Zeit vom 1. Oktober 1910 bis zum
30. September 1911. 171 Anträge gegenüber 160 Anträgen im Vorjahre.
Von den Prüfungen seien hier folgende besonders hervorgehoben, die allgemeineres
Interesse beanspruchen dürften:
Eine Sorte Werkzeugstahl ergab bei der Kerbschlagprobe mit dem Normal-Pendelhammer
eine spezifische Schlagarbeit von 12,5–13,8 mkg/qcm.
Kettenglieder von einem Personen-Paternoster-Aufzug, bei denen auf Verlangen der
Baupolizei bei fünffacher Sicherheit eine Festigkeit von mindestens 19000 kg an der
schwächsten Stelle (Bolzenlöcher) nachzuweisen war, konnten bis 24700 kg belastet
werden, ohne daß ein Bruch der Kettenglieder auftrat. Bei dieser Belastung fand ein
erhebliches Durchbiegen der verwendeten Nickelstahlbolzen statt, so daß eine höhere
Belastung nicht möglich war.
Als Ersatz für Stahlguß-Ventile in einer Heißdampfleitung sollten Ventile aus
Temperstahlguß verwendet werden, deren Festigkeitseigenschaften angeblich denjenigen
der erstgenannten Ventile gleichkommen sollten. Die Festigkeit des Temperstahlgusses
erwies sich an den einzelnen Stellen des Ventils als sehr verschieden. Die
Zerreißfestigkeit schwankte von 16,9–35,4 kg/qmm und die Dehnung von 0,0–0,6 v. H.
Das Material erschien demnach in keiner Weise zur Verwendung von Ventilen für
Heißdampfleitungen geeignet. Bemerkt sei, daß die Materialvorschriften der
Deutschen Kriegsmarine für Temperstahlguß eine Zerreißfestigkeit von mindestens 35
kg/qmm und eine Dehnung von mindestens 5 v. H. verlangen.
Eisenbronze im halbharten Zustande ergab eine Zerreißfestigkeit von 47,8 kg/qmm bei
einer Dehnung von 31,6 v. H.
Zwei aus verschiedenen Weichguß-Fittings (Winkel, T-Stücke, Muffen) zusammengebaute Versuchsstücke wurden auf inneren
Wasserdruck geprüft. Das erste Versuchsstück, das aus Fittings von ¼''–¾''
Innendurchmesser bestand, hielt bis zu einem Wasserdruck von 410 at vollständig
dicht. Eine weitere Erhöhung des Druckes war bei den Abmessungen der Pumpe nicht
möglich. Das zweite Versuchsstück, das aus Fittings von ⅜''–3'' zusammengebaut war,
hielt bis zu einem inneren Wasserdruck von 200 at vollständig dicht. Bei 250 at trat
an einem Doppelnippel ein feiner Wasserstrahl aus, so daß keine weitere
Drucksteigerung mehr möglich war.
Eine Firma ließ englisches Gußeisen und das Gußeisen einer an ihrem Wohnorte
ansässigen Gießerei miteinander vergleichen. Es wurden sowohl Zerreißversuche wie
auch Biegeversuche ausgeführt.
Die Ergebnisse sind nachstehend wiedergegeben und lassen erkennen, daß das deutsche
Gußeisen dem englischen Gußeisen erheblich überlegen war.
Material
Zerreiß-festigkeitkg/qmm
Biegungs-festigkeitkg/qmm
Englisches Gußeisen
13,5
29,4
Deutsches Gußeisen
15,3
38,3
Verzinkter federharter Stahldraht von 3 mm ∅ ergab eine Zerreißfestigkeit von 159
kg/qmm bei einer Dehnung von 3,5 v. H., gemessen auf 100 mm Meßlänge.
Das Material eines im Betriebe gebrochenen gußeisernen Mutternbockes einer großen
Bohrmaschine ergab folgende Festigkeitswerte:
Druckfestigkeit
42 kg/qmm
Zerreißfestigkeit
9,4 „
Biegungsfestigkeit
20,7–23,5 kg/qmm.
Die Biegeversuche wurden an Stäben ausgeführt, deren Seiten teilweise Gußhaut
besaßen.
Das Förderseil einer Braunkohlengrube besaß zahlreiche, erheblich verletzte Drähte.
Die Drähte waren dadurch beschädigt, daß sie sich teilweise aneinander gerieben
hatten und teilweise stark angerostet waren. Der Querschnitt war bei einer großen
Anzahl von Drähten bis auf etwa ⅔ des ursprünglichen Querschnittes herabgesetzt. Die
Bruchlast dieses Seiles ergab sich zu 13140 kg, während bei einem derartigen Seile
in unbeschädigtem Zustand eine Bruchlast von etwa 30000 kg zu erwarten gewesen wäre.
Die Bruchlast dividiert durch den gesamten Eisenquerschnitt der Seildrähte ergab
sich zu 57,9 kg/qmm, während dieser Wert bei normalen Seilen dieser Art etwa 120–130
kg/qmm beträgt.
Wiederholt wurde das Material von Dampfturbinen-Schaufeln auf Zerreißfestigkeit und
Dehnung geprüft. Hierbei ergaben Bronzeschaufeln eine Zerreißfestigkeit von
55,4–65,6 kg/qmm bei Dehnungen von 21,3–31,2 v. H. Schaufeln aus Nickelbronze
ergaben eine Zerreißfestigkeit von 54,7 kg/qmm bei einer Dehnung von 29,3 v. H.
Schaufeln aus Monelmetall, einer Nickelkupfer-Legierung, wiesen eine
Zerreißfestigkeit von 60,4 kg/qmm und eine Dehnung von 27,1 v. H. auf.
An Aluminiumdraht von 4,5 mm ∅ wurden Zerreißversuche, Verdrehungsversuche und Hin-
und Herbiegeversuche bei Temperaturen von etwa – 10 bis – 12° C ausgeführt. Die
Versuche sollten feststellen, ob etwa der Einfluß der niederen Temperaturen im
Winter der Verwendung des Aluminiums als Material für elektrische Freileitungen
hindernd im Wege steht. Die Versuche ließen keinen schädlichen Einfluß dieser
Temperaturen auf die Festigkeit des Aluminiumdrahtes erkennen.
In einem anderen Falle wurde ein Stück Aluminiumblech zur Prüfung eingesandt, in
dessen Oberfläche zahlreiche, sehr kleine Metallsplitter eingewalzt waren. Es sollte
die Natur dieser Splitter, deren Abmessungen etwa nur 1/10 bis 2/10 mm betrugen, festgestellt werden. Die
mikroskopische Untersuchung ließ erkennen, daß die Splitter aus Flußeisen mit einem
Kohlenstoffgehalt von etwa 0,3 v. H. bestanden.
Ein Betonbau-Unternehmer ließ aus drei verschiedenen Sorten Zement und dem gleichen
Zuschlagsmaterial Beton im Mischungsverhältnis 1 : 5 herstellen. Es sollte dabei
festgestellt werden, welche Zementsorte unter sonst gleichen Umständen den besten
Beton lieferte. Die nachstehende Uebersicht zeigt das überraschende Ergebnis, daß
der billigste Zement den festesten Beton ergab:
Zementsorte
Druckfestigkeitdes Betonskg/qcm
Preis des Zementsfür 10000 kgM
A
323
370
B
243
390
C
191
385
Mehrfach wurde Beton in einem sehr mageren Mischungsverhältnis, wie es für
Fundamente in Verwendung kommt, auf Druckfestigkeit geprüft. Der Beton zeigte dabei
wiederholt eine außerordentlich geringe Druckfestigkeit, welche erheblich niedriger
war, als bei dem betr. Mischungsverhältnis zu erwarten gewesen wäre. So wies ein
Beton im Mischungsverhältnis 1 : 10 im Alter von 16 Tagen eine Druckfestigkeit von
nur 21,4 kg/qcm, ein Beton im Mischungsverhältnis 1 : 9 im Alter von 28 Tagen eine
Druckfestigkeit von nur 16,9 kg/qcm und ein anderer Beton im Mischungsverhältnis 1 :
9 im Alter von 28 Tagen eine Druckfestigkeit von nur 38,9 kg/qcm auf. Es müssen in
diesen Fällen besondere Ursachen vorgelegen haben, welche die außerordentlich
geringe Druckfestigkeit des Betons veranlaßt haben.
Acht verschiedene Sorten Steinzeugplatten, welche als Bodenbelag für einen
Maschinenraum dienen sollten, wurden auf Einwirkung von Oel untersucht. Die Platten
zeigten eine wesentlich verschiedene Oelaufsaugefähigkeit. Auch war die Sichtbarkeit
der Oelspuren, nachdem das auf die Platten aufgetupfte Oel durch Abwischen entfernt
war, bei den einzelnen Plattensorten verschieden.
Bei einem größeren Gebäudekomplex in höherer Gebirgslage war der Verputz infolge der
Frostwirkung sehr stark abgefallen, so daß er vollkommen erneuert werden mußte. Die
Schuld daran lag an den Hintermauerungsziegeln. Die Ziegel zeigten eine recht hohe,
wenn auch allenfalls noch zulässige Wasseraufnahmefähigkeit. Diese war jedoch mit
der unangenehmen Eigenschaft gepaart, daß die Ziegel infolge ihrer großen Porosität
und des sehr schwachen Brandes das Wasser ganz besonders schnell aufnahmen und bei
dem Trocknen nur sehr langsam wieder abgaben. Wassersatt gemachte Ziegel jener Sorte
hielten nach der auf die Wasserlagerung folgenden Luftlagerung das Wasser
außerordentlich lange zurück, so daß sie etwa 50 Stunden nach Beginn des
Austrocknens 100 v. H. mehr Wasser enthielten als normale, zum Vergleich
herangezogene Ziegel. Bei dieser Eigenschaft, das Wasser begierig aufzusaugen und
lange festzuhalten, ist ein Abfrieren des Putzes von den Steinen leicht
verständlich.
Kunstsandsteine, deren Druckfestigkeit an Würfeln von etwa 7 cm Kantenlänge geprüft
wurde, die aus den eingelieferten Kunststeinblöcken herausgesägt worden waren,
ergaben im lufttrockenen Zustande eine Druckfestigkeit von 150–208 kg/qcm und im
wassersatten Zustande eine Druckfestigkeit von 99–156 kg/qcm.
Als außerordentlich verschieden erwiesen sich die Güte- und Festigkeitseigenschaften
von verschiedenen Kalksorten, die einer Firma für einen Bahnbau als hydraulicher
Kalk angeboten worden waren. In nachstehender Tabelle ist die Druckfestigkeit des
Mörtels angegeben, der aus jenen Kalksorten im Mischungsverhältnis 1 : 3 mit
Normalsand angemacht wurde.
Die Proben lagerten zum Teil an feuchter Luft, zum Teil an feuchter Luft und danach
unter Wasser. Die Prüfung fand im Alter der Proben von 28 Tagen statt. Man erkennt,
daß die Sorte 3 wesentlich besser ist als alle anderen Sorten, während die Sorte 2 bei Lagerung
an feuchter Luft nur eine sehr geringe Druckfestigkeit ergab und die Proben dieser
Sorte bei Lagerung unter Wasser zerfielen. Diese Kalksorte kann also, trotzdem sie
vom Lieferanten als „hydraulischer Kalk“ angeboten wurde, überhaupt nicht als
„hydraulischer Kalk“ bezeichnet werden.
Druckfestigkeit von Kalkmörtel.
SorteNr.
Lagerung 28 Tagean feuchter
Luftkg/qcm
Lagerung 7 Tage an feucht. Luft,danach 21 Tage
unter Wasserkg/qcm
1
166
155
2
11,7
Treibrisse, Zerfallen der Proben
3
271
266
4
120
124
5
104
99
Verschiedene Versuche wurden an Wagenrädern aus einer Kunstholzmasse mit
Eiseneinlagen ausgeführt. Die Prüfung erfolgte unter Nachahmung der im wirklichen
Betriebe eintretenden Beanspruchung, indem durch die Achsbüchse ein Achszapfen
gesteckt wurde. Auf diesen Achszapfen wirkte die Belastung, wobei der Radkranz gegen
eine Platte gedrückt wurde. Ein Rad von 1300 mm ∅ und 80 mm Radreifenbreite hielt
eine Bruchlast von 10,2 t aus, ein anderes Rad von 900 mm ∅ und 100 mm
Radreifenbreite eine Bruchlast von etwa 22,5 t.
Ein Bremsband aus imprägniertem Faserstoff wurde auf seine Bremsfähigkeit und
Bremssicherheit untersucht. Die Prüfung des Bandes erfolgte auf gußeisernen
Bremsscheiben, die eine Umfangsgeschwindigkeit von 2,4 bis 6,4 m/Sek. besaßen. Es
wurde festgestellt, daß der Reibungskoeffizient des Bremsbandes mit zunehmender
Temperatur und abnehmender Umfangsgeschwindigkeit der Bremsscheibe von 0,465 bis auf
0,512 anstieg. Eine Entzündung des imprägnierten Bremsbandes fand bei der Berührung
mit dunkelrotglühendem Eisen nicht statt. Diese Feststellung war von Wichtigkeit,
weil das Bremsband u.a. in schlagwetterreichen Gruben verwendet werden sollte.
Eine als „Preßputz“ bezeichnete Verputzmasse, die zum Verputzen von Beton- und
Mörtelflächen dient und bei der das gemusterte Relief durch Aufpressen eines
Stempels erzeugt wird, wurde auf Abbindeverhältnisse, Zug- und Druckfestigkeit,
Einfluß der Erwärmung und Frostwirkung sowie insbesondere auf den Einfluß der
Biegungsbeanspruchung geputzter Platten und den Einfluß von Stoßwirkungen geprüft.
Gegenüber den Stoßwirkungen erwies sich das Material als besonders zähe und
widerstandsfähig.
Eine Reihe von Sprengstoffen wurde zwecks Zulassung zum Post- und Bahnversand gemäß
den reichsgesetzlichen Vorschriften auf Empfindlichkeit gegen Schlag mit einem
Fallwerk unter Benutzung von Fallgewichten von 2 und 10 kg geprüft. Die auf einem
Ambos liegenden Proben konnten im allgemeinen den Schlag eines Fallgewichtes von 10
kg aus 1 m Höhe aushalten, ohne daß Zersetzungen und Detonationen eintraten. In
gleicher Weise und mit dem gleichen Erfolge wurden verschiedene Blitzlichtpulver für
photographische Zwecke untersucht.
Vergleichende Brandproben wurden an einem Holzhäuschen angestellt, das zum Schutze
gegen leichte Entzündlichkeit mit einer besonderen Anstrichmasse imprägniert war,
und an einem nichtimprägnierten Häuschen. Die Holzhäuschen wurden zu ⅔ ihres
Rauminhaltes mit Hobelspänen, Holzwolle und Stroh angefüllt. Diese Stoffe wurden vor
dem Anzünden mit je 4 l Petroleum getränkt. Bei dem imprägnierten Häuschen waren 15
Min. nach dem Anzünden die Hobelspäne, Holzwolle usw. vollkommen ausgebrannt; das
Häuschen selbst war aber noch intakt. Die Stiele und Bretter waren nur auf der
inneren Oberfläche angekohlt.
28 Min. nach dem Anzünden der Brennstoffe fing das Dach an einzufallen. Bei dem
nichtimprägnierten Häuschen fing das Dach 1¼ Min. nach dem Anzünden des Brandherdes
Feuer. 9 Min. nach dem Anzünden brach das Dach ein. Nach einer weiteren Minute
fingen auch die Seitenwände an einzufallen.
Zahlreiche Versuche wurden an Sonderkonstruktionen aus australischen Harthölzern nach
System Meltzer ausgeführt, u.a. wurde ein ganzer
Dachbinder aus australischem Yarrahholz von 5,16 m Spannweite auf Biegung
geprüft.
Vergleichende Biegeversuche wurden an vollem Nußbaumholz und Korksperrholz
ausgeführt. Letzteres bestand aus einer Korkseele mit mehrfach darüber geleimten und
abgesperrten Holzfurnieren. Die Probestäbe hatten quadratischen Querschnitt von etwa
5 cm Kantenlänge und wurden bei einem Auflagerabstand von 1 m durch eine in der
Mitte zwischen den Auflagern angreifende Einzelkraft auf Biegung beansprucht. Das
Sperrholz besaß ein Raumgewicht von etwa 0,39 g/ccm, das volle Nußbaumholz von etwa
0,63 g/ccm. Bei dem Biegeversuch hielt das Sperrholz eine Bruchlast von etwa 475 kg
das volle Nußbaumholz eine Bruchlast von etwa 630 kg aus.