Titel: | SEEFISCHEREI-MOTOREN. |
Autor: | F. Romberg |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 65 |
Download: | XML |
SEEFISCHEREI-MOTOREN.
Von F. Romberg,
Charlottenburg.
(Schluß von S. 37 d. Bd.)
ROMBERG: Seefischerei-Motoren.
In vorstehenden Ausführungen habe ich versucht, einen Ueberblick über die
Ausbildung der für die Seefischerei geeigneten Motoren zu geben. Um diese
Darstellung zu vervollständigen, muß ich notwendig noch kurz auf die gesamten
Anlagen eingehen. Die Ausbreitung des Kleinmotors in der Seefischerei wurde
wesentlich dadurch gefördert, daß der Einbau in vorhandene Fahrzeuge in der Regel
unschwer möglich ist. Dazu bedarf es fast immer nur weniger einfacher Aenderungen am
Schiffskörper. Komplizierte Eingriffe in die Raumeinteilung usw. erübrigen sich
meistens infolge des vorteilhaft geringen Platzbedarfs, der beim Oelmotor vorliegt.
So erklärt sich, das relativ schon starke Anwachsen unserer Fischereimotorflotte von
8 im Jahre 1903 auf 77 im Jahre 1908 und auf etwa 500, welche jetzt vorhanden
sind.
Textabbildung Bd. 327, S. 65
Fig. 91 bis 93. Linienriß eines Ostseekutters.
Textabbildung Bd. 327, S. 65
Fig. 94 und 95. Ankerwinde eines Fischkutters.
Der Einbau des Motors hat in erhöhtem Maße die Aufmerksamkeit auch auf die
Beschaffenheit der Fahrzeuge gelenkt und gezeigt, wie manches hier unvollkommen,
veraltet und rückständig ist. Unser Segelschiffbau ist verfallen, und der
Kleinschiffbau, abgesehen vom Yachtbau, ist daher vielfach in ziemlich trostloser
Lage. Es ist heute nichts übrig als ein kleines einfaches Handwerk, das meistens
wenig berührt wird von den Fortschritten der modernen Technik. Das erklärt so manche
baulichen Mängel unserer Fischerei-Kleinfahrzeuge. Es fehlt die Ingenieurarbeit. Die
Formen sind durchschnittlich alt und, wenn auch nicht immer schlecht, doch meistens
verbesserungsfähig. Ein vielbenutzter Kutter der Ostsee hat z.B. die Linien eines
alten norwegischen Lotsenkutters, der etwa aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts
stammt (Fig.
91–93). Er wird heute noch in Bornholm gebaut, und unsere Fischer sind gute
Abnehmer, so daß also der deutsche Kleinschiffbau auch noch unter dem Druck
lebhafter auswärtiger Konkurrenz steht. Außer in der Form zeigen die Fahrzeuge häufig noch Mängel
in bezug auf andere schiffbauliche Fragen, wie: Die Raumausnutzung und -einteilung,
die Beballastung, die Beseglung, die -einrichtungen zur Bedienung der Segel und die
sonstige Ausrüstung, insbesondere auch in der Versorgung mit Hilfsmaschinen, Winden
usw.
Textabbildung Bd. 327, S. 66
Fig. 96 und 97. 6 PS-Swiderski-Motoranlage.
Textabbildung Bd. 327, S. 66
Fig. 98 und 99. 8 PS-Brons-Motoranlage der Gasmotorenfabrik Deutz.
Alle diese Fragen gewinnen jetzt mit der Einführung des
Motors erhöhte Bedeutung. Was die Ausrüstung der Fahrzeuge betrifft, so zeigen die
Fischer darin meist die konservativste Gesinnung. Sie behelfen sich notdürftig mit
den ältesten, primitivsten Vorrichtungen und man kann diesbezüglich ganz
überraschende Erfahrungen sammeln. Als Beispiel zeige ich eine Ankerwinde mit
Handspakenbetrieb (Fig. 94 u. 95), die
ich jüngst auf einem Fahrzeug fand und welche eine Zeit von etwa 20 Min. zum
Ankerhieven erforderte. Eine Vorrichtung ähnlicher Art benutzten jedenfalls schon
die alten Aegypter vor 5000 Jahren beim Bau ihrer Pyramiden. An geeigneten, richtig
aufgestellten Winden für Anker, Netze und Segel fehlt es auf Fischerbooten nicht
selten, und man muß immer wieder die Genügsamkeit dieser bescheidenen Menschen
bewundern, die jahraus, jahrein mit den primitivsten Einrichtungen sich abmühen, als
ob es nichts Besseres gäbe.
Die Aufgabe in diesen Fahrzeugen für die Seefischerei, den Motor mit allen sonstigen
Einrichtungen und mit dem Boot selbst in den richtigen Zusammenhang zu bringen, eine
möglichst vollkommene Anlage zu schaffen, ist nicht immer sehr leicht und verlangt
oft eine ganz individuelle Lösung. Dies berührt namentlich die Frage der
Hilfsmaschinen, auf deren Art, Anordnung und Antrieb es wesentlich ankommt. Bei den
kleineren Fahrzeugen ist jedenfalls der einfachste mechanische Antrieb durch
Uebertragungswellen, Zahnräder, eventl. auch Zahnkettenräder usw. für die wenigen
Hilfsmaschinen, Winden, Pumpen am besten geeignet. Weit schwieriger und ganz
verschiedenartig dürften sich brauchbare Lösungen dieser Frage auf größeren
Fischerfahrzeugen gestalten. Hieraus werden sich in Zukunft noch mancherlei
schwierige Einzelaufgaben ergeben. Von Fall zu Fall werden Erwägungen notwendig
sein, ob der Antrieb mittels Dampf, Elektrizität, durch besondere Oelmotoren usw.
das Zweckmäßigste sei.
Textabbildung Bd. 327, S. 67
Fig. 100 bis 103. 8 PS-Brons-Motoranlage der Gasmotorenfabrik Deutz.
An den folgenden Beispielen läßt sich das wesentliche im Bau ganzer Motoranlagen
erkennen. Fig.
96 und 97 zeigen eine Anlage mit einem 6 PS-Swiderski-Motor. Beachtenswert hierbei ist der Einbau des Motors mit Kupplung,
Drucklager, Umsteuerungsteilen auf einem gemeinsamen Rahmen, der eine starre
unverrückbare Verbindung mit dem Fundament ganz erheblich erleichtert. Bemerkenswert
ist auch, die Anordnung der übrigen Zubehörteile sowie der Antrieb der
Netzwinde mittels mechanischer Uebertragung. Die Fig. 98–112 zeigen
eine 8 PS-Brons-Motoranlage der Gasmotorenfabrik Deutz;
je eine 8 PS-Anlage der Grademotorwerke, Magdeburg und
von Daevel, Kiel; ferner eine 24 PS-Brons-Motoranlage der Gasmotorenfabrik
Deutz.
Textabbildung Bd. 327, S. 68
Fig. 104 und 105. 8 PS-Grade-Motoraulage.
Textabbildung Bd. 327, S. 68
Fig. 106 und 107. 8 PS-Daevel-Motoranlage.
Nachdem hiermit der Bau der Anlagen im wesentlichen erläutert, will ich mit kurzen
Worten noch der Erfahrungen gedenken, die mit derartigen Ausführungen geringer Größe
im Vergangenen gemacht wurden. Es hat mancherlei Schwierigkeiten gegeben. Die
beteiligten Fabriken waren zum großen Teil ziemlich seefremd; sie kannten nur wenig
die Eigenart dieses Betriebes und seiner Personen. Daß die Maschinen oft weit aus
dem Hinterlande kommen, daß infolgedessen den Fischern bei Störungen häufig schnelle
Hilfe fehlt, daß dadurch erst selbst kleinere Havarien empfindlich und
auffällig werden, das ist eine Tatsache, welche noch jetzt bedenkliche Schatten
wirft. Mängel zeigten sich bisher sehr oft beim Einbau des Motors, der nicht fest
und widerstandsfähig genug war, und ebenso fehlte es nicht selten an der
sorgfältigen Einfügung der Schraubenwelle, die nur schlecht mit der Kurbelwelle
zusammenstimmte. Die Maschinen arbeiten dann an den Befestigungen, schlagen und
wackeln allmählich immer heftiger, bis schließlich das Versagen eintritt. In
Textabbildung Bd. 327, S. 69
Fig. 108 bis 112. 24 PS-Brons-Motoranlage der Gasmotorenfabrik Deutz.
den Stopfbuchsen gab es Warmlaufen und Fressen. Man legte dabei häufig dem Motor
zur Last, was eigentlich nie seine Sache war und ebensogut beim Dampfbetrieb hätte
vorkommen können. Anstände ergaben sich auch, wenn der Brennstoff unrein, z.B., was
häufiger vorkommt, mit Sand versetzt war. Dann verstopfen sich die Leitungen, die
Einspritzdüsen und Brennstoffventile, die Maschine versagt aus Mangel an Brennstoff.
Dagegen erwiesen sich ausreichend große und richtig gebaute Filter und Siebe als
wirksam.
Im Gegensatz zum vorigen hat der Motor auch vielfach sehr gute Betriebserfahrungen
gezeitigt. In dem Fall z.B., wo ein Fischer bei schwerem auflandigen Sturm unter
Prerow auf Land trieb, wurden Motor mit Winde erfolgreich zum Abbringen des
Fahrzeugs verwendet.
Manche Schwierigkeiten wurden auch durch die mangelhafte Befähigung der Fischer als
Maschinisten verursacht und erlangten nur dadurch Bedeutung. Demgegenüber ist es
heute noch dringend empfehlenswert, an jedem Platz, wo Fischer sind, tüchtige
erfahrene Schlosser zu haben, welche sich der Unterstützung der Motorfirmen erfreuen
und dadurch geeignet sind, die Motoren instandzuhalten.
Ueber das Ergebnis, welches der Motor in betreff der Rentabilität der
Fischerei-Kleinfahrzeuge gebracht hat, ist ein positives Urteil erst nach einigen
Jahren zu fällen, nachdem Gelegenheit war, gleichartige Boote mit und ohne Motor
geraume Zeit sorgfältiger Beobachtung zu unterwerfen. Eine für die Rentabilität
bedeutsame Frage betrifft die billige, möglichst zollfreie Beschaffung des
Brennstoffs, die gegenwärtig noch nicht einheitlich geregelt ist. Auch hierbei
bedarf es daher der gleichmäßigen übereinstimmenden Durchführung geeigneter
Maßnahmen im Interesse der Gesamtheit der Fischer. Wichtig ist ferner noch für die
Rentabilität im einzelnen die Einschränkung des Schmierölverbrauchs auf das
betriebstechnisch zulässige Maß. Hierin wird mit Förderung durch die Fabriken häufig
starke Verschwendung getrieben, so daß Brennstoffkosten von etwa 3–4 Pf. Ausgaben
für Schmieröl von noch 2–3 Pf. f. d. PS-Std. gegenüberstehen. Mündliche Belehrung
und praktische Unterweisung der Fischer können in dieser wie in vielen anderen
technischen Fragen viel Gutes stiften.
Nach dem Gesagten hat der Motor dem Seefischereigewerbe einen wichtigen Fortschritt
gebracht. Solcher Förderung bedarf das Gewerbe, wenn es lebensfähig und aufrecht
bleiben soll. Im Kampf mit den Elementen sucht der Fischer sein Brot, aber auch nur
dieser Kampf allein erhält ihn stark und selbstbewußt, so, wie er sein muß, wenn er
seinen Aufgaben entsprechen soll. Die Seefischerei ist ein streitbares Gewerbe, nur
in stetem Ringen kann es wachsen und gedeihen. Wollen wir es stützen und pflegen, so
geben wir ihm die besten technischen Mittel, deren es bedarf. Kein unverdientes Geld
oder Gut! Das erschlafft und verdirbt leicht den Charakter und entfremdet vom harten
mühevollen Handwerk. Das Beste aber, was die Technik jeweilig für die Seefischerei
hervorbringt, das sollte man ihr geben und dafür keine Mittel scheuen. Dann hat es
um das Gewerbe keine Not, und es wird aufsteigen zu seiner vollen Höhe. Dann wird
dereinst von unserem Seefischer die schöne Zeichnung Goethes gelten, die er in seinem Fischer gibt:
„Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran;
Sah nach der Angel ruhevoll
Kühl bis aus Herz hinan.“
Daß unser Seefischer wieder leicht und wohlgemut seiner schweren Arbeit obliegen
kann, daß eine Quelle nationaler und wirtschaftlicher Wohlfahrt unseres Volkes nicht
versiege, dazu helfe die Technik!